Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 06.05.2010, Az.: S 5 SO 172/08
Anspruch auf Übernahme von tatsächlichen Unterkunftskosten i.R.d. Sozialhilfe für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten; Berechnung "angemessener" Unterkunftskosten bei der Bestimmung von Leistungen i.R.d. Gewährung von Sozialhilfe; Ermittlung einer Referenzmiete am Wohnort eines Hilfebedürftigen nach Herabstufung des Wohnorts von der Mietstufe II in die Mietstufe I
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 06.05.2010
- Aktenzeichen
- S 5 SO 172/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 18154
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2010:0506.S5SO172.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 22 SGB II
- § 19 Abs. 2 SGB XII
- § 29 Abs. 1 SGB XII
- § 41 Abs. 1 SGB XII
- § 82 Abs. 2 SGB XII
- § 8 WoGG
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Der im Jahre 1941 geborene Kläger ist verheiratet. Er lebt gemeinsam mit seiner im Jahre 1946 geborenen Ehefrau in einer Wohnung, die er zum 1.6.2006 von seinem Schwager anmietete. Die Unterkunft verfügt über fünf Zimmer und eine Wohnfläche von ca. 130 qm. Die Kaltmiete beläuft sich auf monatlich 455,- EUR, die Abschläge für Nebenkosten betragen monatlich 50,- EUR und für Heizkosten monatlich 75,40 EUR.
Der Kläger bezieht eine Altersrente, die sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 486,96 EUR belief. Seine Ehefrau bezog während der Zeit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Über Vermögen verfügen die Eheleute nicht.
Der Beklagte ist eine Gebietskörperschaft mit ca. 360.000 Einwohnern, die sich auf 21 Städte, Gemeinden und Samtgemeinden aufteilen. Die größte Stadt (I.) hat ca. 46.000 Einwohner, die kleinste Gemeinde (J.) ca. 7.000. Die Wohnortgemeinde des Klägers hat ca. 14.000 Einwohner. Sie ist im Zuge der Wohngeldreform zum 1.1.2009 (vgl. Gesetz zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuchs, BGBl. 2008 I Nr. 42) von der Mietstufe II in die Mietstufe I herabgestuft worden. Der Beklagte ist sowohl gem. § 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (Nds. AG SGB XII) örtlicher Träger der Sozialhilfe als auch gem. § 6a SGB II i.V.m. der Anlage zu § 1 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Kommunalträger-Zulassungsverordnung) Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (sog. Optionskommune).
Der Kläger stellte im Februar 2007 erstmals einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Der Beklagte bewilligte diese mit Bescheid vom 6.3.2007 für den Zeitraum Februar 2007 bis Januar 2008 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten. Gleichzeitig wies er den Kläger in einem getrennten Schreiben darauf hin, dass die Unterkunftskosten nicht angemessen seien. Er werde aufgefordert, diese Kosten zu senken, da sie nur für einen Zeitraum von sechs Monaten in tatsächlicher Höhe übernommen werden könnten.
Der Kläger stellte im Februar 2008 einen Folgeantrag auf Leistungen nach dem SGB XII. Der Beklagte bewilligte diese mit Bescheid vom 3.3.2008 für den Zeitraum Februar 2008 bis Januar 2009 i.H.v. monatlich 40,04 EUR. Dem Bedarf des Klägers i.H.v. 514,50 EUR stehe ein bereinigtes Einkommen aus seiner Altersrente i.H.v. 474,46 EUR gegenüber, so dass ein Anspruch in dieser Höhe verbleibe. Die Unterkunftskosten seien nur in angemessener Höhe von 345,- EUR zu berücksichtigen.
Der Kläger legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 19.3.2008 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass die tatsächlichen Unterkunftskosten angemessen seien und daher bei der Leistungsbewilligung weiter berücksichtigt werden müssten.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2008 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass sich ein weitergehender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII nicht ergebe. Die Unterkunftskosten könnten nur i.H.v. 345,- EUR berücksichtigt werden. Dieser Wert aus der Tabelle in§ 8 Wohngeldgesetz (WoGG) könne herangezogen werden, um die angemessenen Unterkunftskosten zu bestimmen. Ermittlungen hätten zu dem Ergebnis geführt, dass zu diesem Preis ausreichend Mietwohnungen zur Verfügung stünden.
Der Kläger hat am 28.11.2008 Klage erhoben. Diese begründet er damit, dass er einen weitergehenden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII habe. Die Unterkunftskosten seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, da sie angemessen seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 3.3.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat während des Klageverfahrens ein Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach§ 29 SGB XII und § 22 SGB II vorgelegt, das auf Wohnungsanzeigen beruht. Der Wohnort des Klägers gehöre zum Bezirk III, für den im Jahre 2007 insgesamt 1.863 Angebote ausgewertet worden seien. Darunter befänden sich 234 Wohnungen mit einer Wohnfläche von 51 bis 60 qm, anhand derer sich eine angemessene Kaltmiete pro qm von 4,64 EUR ermitteln lasse. Multipliziert mit der angemessenen Wohnfläche von 60 qm führe dies zu einer angemessenen Kaltmiete von 278,40 EUR. Zuzüglich der tatsächlichen Nebenkosten i.H.v. 50,- EUR ergebe sich eine Angemessenheitsgrenze von 328,50 EUR, die unter dem bei der Bewilligung angenommenen Wert aus § 8 WoGG von 345,- EUR liege. Ein weitergehender Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII bestehe daher nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid vom 3.3.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2008 erweist sich als rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Der Leistungsanspruch des Klägers im Zeitraum Februar 2008 bis Januar 2009 beläuft sich höchstens auf monatlich 39,44 EUR. Bewilligt worden sind monatlich 40,04 EUR, so dass sich kein weitergehender Anspruch ergibt.
Nach § 41 Abs. 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 beschaffen können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Der Kläger erfüllt diese grundsätzlichen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Grundsicherung, denn er hat das 65. Lebensjahr vollendet, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und kann seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen, da er lediglich über eine Altersrente verfügt, die sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 486,96 EUR belief.
Nach § 42 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29. Das Einkommen ist gem. § 82 Abs. 2 SGB XII zu bereinigen und sodann gem. § 19 Abs. 2 SGB XII auf die Leistungen anzurechnen. Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften ergibt sich im streitgegenständlichen Leistungszeitraum ein Anspruch i.H.v höchstens 39,44 EUR pro Monat, denn dem Bedarf des Klägers von maximal 513,90 EUR steht ein bereinigtes Einkommen i.H.v. 474,46 EUR gegenüber.
Der Bedarf des Klägers setzt sich aus dem gem. § 28 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelsatzverordnung) maßgeblichen Regelsatz für Ehegatten i.H.v. 312,- EUR, den anteiligen angemessenen Unterkunftskosten i.H.v. 164,20 EUR und den anteiligen tatsächlichen Heizkosten i.H.v. 37,70 EUR zusammen. Die Heizkosten sind grundsätzlich in tatsächlicher Höhe anzuerkennen, denn die von dem Beklagten praktizierte Gewährung einer Pauschale von 1,- EUR pro qm ist nicht rechtmäßig. In Betracht kommt lediglich eine Begrenzung durch die rechte Spalte des bundesweiten Heizspiegels (vgl. dazu BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R), dessen Werte im vorliegenden Fall jedoch nicht überschritten werden. Offen bleiben kann, von den Heizkosten jeweils eine Warmwasserpauschale für den Kläger und seine Ehefrau abzuziehen sind. Dies wäre erforderlich, wenn das Warmwasser über die Heizungsanlage erzeugt wird, denn die Kosten sind bereits im Regelsatz enthalten und können daher nicht zusätzlich bei den Heizkosten berücksichtigt werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R). Diese Frage wirkt sich im vorliegenden Verfahren nicht aus, da sich selbst bei Berücksichtigung der tatsächlichen Heizkosten kein weitergehender Leistungsanspruch ergibt (s.o.).
Die Unterkunftskosten sind in Höhe von 164,20 EUR zu berücksichtigen, denn der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Übernahme der hälftigen angemessenen Kosten i.H.v. 328,40 EUR. Nach § 29 Abs. 1 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs. 1 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen. Satz 2 gilt solange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Kläger hat keinen Anspruch mehr auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten, denn diese sind mit Bescheid vom 6.3.2007 für einen Zeitraum von sechs Monaten anerkannt worden und er wurde gleichzeitig von dem Beklagten aufgefordert, die Kosten zu senken. Eine Verlängerung der in § 29 Abs. 1 SGB XII genannten Regelhöchstfrist von sechs Monaten kommt im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht, denn der Kläger hat keinerlei Anstrengungen unternommen, um seine Unterkunftskosten zu senken.
Die angemessenen Unterkunftskosten belaufen sich im vorliegenden Verfahren auf 328,40 EUR. Bei dem Begriff der Angemessenheit in§ 29 Abs. 1 SGB XII handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Zwar können unbestimmte Rechtsbegriffe unter Umständen wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat angedeutet, dass der rechtsanwendenden Behörde in solchen Fällen ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze ein begrenzter Entscheidungsfreiraum zuzubilligen sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991 - 1 BvR 419/81). Hierfür könnten bei der Ausfüllung des Begriffs der "Angemessenheit" i.S. des § 29 Abs. 1 SGB XII zwar die Schwierigkeiten/Komplexität der Datenerhebung und der Wandel der gewonnenen Werte auf Grund sich ändernder Marktbedingungen sowie der erheblichen regionalen Unterschiede sprechen. Gleichwohl ist dem Träger insoweit nicht im methodischen Sinne ein Beurteilungsspielraum zugewiesen, da sich nach der normativen Ermächtigungslehre auch durch Auslegung des § 29 Abs. 1 SGB XII kein derartiger Spielraum der Verwaltung ermitteln lässt (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R). Die Kammer zieht zur Auslegung der Vorschrift die Rechtsprechung des BSG zu § 22 SGB II heran, die sich nach ihrer Auffassung uneingeschränkt auf § 29 SGB XII übertragen lässt (vgl. zur Notwendigkeit der Harmonisierung von SGB II und SGB XII: BSG, Urteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 7/08 R; Coseriu, in: Sozialrecht - eine Terra incognita, Saarbrücken 2009, S. 225 f).
Die angemessenen Unterkunftskosten setzen sich aus der angemessenen Kaltmiete i.H.v. 278,40 EUR und den tatsächlichen Nebenkosten i.H.v. 50,- EUR zusammen. Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob die vom dem Beklagten praktizierte Begrenzung der Nebenkosten auf 1,30 EUR pro qm rechtmäßig ist. Nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes für das Jahr 2007 (Abrechnungsjahr 2006) betrugen die Nebenkosten ohne Heiz- und Warmwasserkosten insgesamt 1,75 EUR pro qm. Das BSG hat bei der Begrenzung der Heizkosten durch den Heizkostenspiegel nicht auf einen Durchschnittswert abgestellt, sondern den Höchstbetrag der rechten Spalte herangezogen (vgl. BSG, Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R). Dies könnte dafür sprechen, dass es bei den Nebenkosten auf den Gesamtbetrag der Kosten und nicht auf einen Durchschnittswert ankommt. Letztlich bedarf diese Frage im vorliegenden Verfahren indes keiner Entscheidung, da die tatsächlichen Nebenkosten auch nach der Berechnungsweise des Beklagten angemessen sind.
Die angemessene Kaltmiete i.H.v. 278,40 EUR ergibt sich aus dem Produkt von angemessener Wohnfläche und angemessenem Wohnungsstandard, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt (sog. Produkttheorie, vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Die angemessenen Unterkunftskosten sind nach der Rechtsprechung des BSG in drei Schritten zu ermitteln (vgl. BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R): Zunächst ist die angemessene Wohnfläche festzulegen (1.). Sodann ist der räumliche Vergleichsmaßstab zu definieren, anhand dessen die angemessene Miete ermittelt wird (2.). Schließlich muss das Mietniveau des unteren Segments - nach Wohnungsgrößen differenziert - in diesem Raum festgestellt werden (3.). Auf Wohnungen dieses Niveaus kann der Hilfebedürftige verwiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R).
1.
Die angemessene Wohnfläche beträgt im vorliegenden Verfahren 60 qm. Grundlage für die Bestimmung der Wohnungsgröße ist § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001 (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Danach können die Länder im geförderten Mietwohnungsbau die Anerkennung von bestimmten Grenzen für Wohnungsgrößen nach Grundsätzen der Angemessenheit regeln. Hierbei erlassen die einzelnen Bundesländer Richtlinien. In Niedersachsen finden sich die Richtlinien über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsbestimmungen - WFB 2003) in dem Runderlass vom 27. Juni 2003 (Nds. Ministerialblatt 2003, Heft 27, S 580). Gemäß Ziffer B Nr. 11.2 WFB 2003 gilt bei Mietwohnungen für zwei Haushaltsmitglieder eine Wohnfläche bis 60 qm als angemessen. Besondere Fallkonstellationen, die im Einzelfall zu einer Erhöhung der angemessenen Fläche führen können (Ziffer B Nr. 11.4 und 11.5 WFB 2003), liegen bei dem Kläger nicht vor.
2.
Der räumliche Vergleichsmaßstab entspricht im vorliegenden Verfahren dem Bezirk III des Konzeptes des Beklagten, bestehend aus zehn Städten und Gemeinden mit insgesamt ca. 142.000 Einwohnern. Bei der Festlegung des Vergleichsraumes geht es um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen. Daher sind ausgehend vom Wohnort des Hilfeempfängers Vergleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (vgl. BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R ). Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es - insbesondere im ländlichen Raum - geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist die Entscheidung des Beklagten, den südwestlichen Teil seines Zuständigkeitsbereichs zu einem örtlichen Wohnungsmarkt zusammenzufassen (Bezirk III) nicht zu beanstanden. Die Größe des räumlichen Vergleichsmaßstabs mit zehn Kommunen und 142.000 Einwohnern ist nach Auffassung der Kammer noch angemessen. Sie verkennt dabei nicht, dass eine Verweisung auf Wohnungen in anderen Städten oder Gemeinden für den Hilfebedürftigen problematisch sein kann, wenn besondere Bindungen zum Wohnort bestehen, wie z.B. beim Schulbesuch von minderjährigen Kindern oder bei der Ausübung von Ehrenämtern. Der Schutz des sozialen Umfeldes ist indes auf der Ebene der konkreten Angemessenheit zu berücksichtigen, d.h. bei der Frage, ob ein Umzug in eine andere Gemeinde zumutbar ist und - wenn dies nicht der Fall sein sollte - ob in der Wohnortgemeinde ausreichend angemessene Wohnungen zur Verfügung stehen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R). Demgegenüber können zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheit auch mehrere Städte und Gemeinden zu einem einheitlichen örtlichen Wohnungsmarkt zusammengefasst werden, wenn sie eine vergleichbare Struktur aufweisen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, denn der Bezirk III besteht fast ausschließlich aus kleineren Städten und Gemeinden im ländlichen Raum (Einwohnerzahl von 7.000 - 14.000). Einzig die Stadt I. ist mit 46.000 Einwohnern deutlich größer, diese verteilen sich indes auf ein sehr großes Stadtgebiet, so dass auch hier keine städtische Struktur vorliegt. Das Mietniveau ist in allen Kommunen des Bezirks III vergleichbar, denn es gilt überall die Mietstufe I des WoGG.
3.
Die angemessene Kaltmiete pro qm beträgt im vorliegenden Verfahren 4,64 EUR, denn dies ist der maximale Preis, der für eine Wohnung der Größe 51-60 qm des unteren Segments des örtlichen Wohnungsmarktes (Bezirk III) zu entrichten ist. Die Angemessenheit des Mietpreises ist unter Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten konkret zu ermitteln. Zur Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Mietwohnungsmarktes muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen qualifizierten oder einfachen Mietspiegel i.S. der §§ 558c und 558d BGB abstellen. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss lediglich auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Entscheidend ist, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist. Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R):
Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,
Angaben über den Beobachtungszeitraum,
Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),
Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
Validität der Datenerhebung,
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Das Konzept des Beklagten zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten nach § 29 SGB XII und § 22 SGB II erfüllt diese Voraussetzungen. Der Beklagte wertet bereits seit dem Jahr 2001 die örtlichen Tageszeitungen aus und nimmt sämtliche dort angebotenen Wohnungen in eine Datenbank auf. Dies gilt auch für Luxuswohnungen und Angebote, die von Maklern vermittelt werden. Mittlerweile fließen die Anzeigen aus kleineren Wochenzeitungen und dem Internet ebenfalls in die Auswertung ein, im streitgegenständlichen Zeitraum war dies jedoch noch nicht der Fall. Im Jahre 2009 wurden beispielsweise insgesamt 9.408 Wohnungsangebote erfasst, nach der Streichung von Doppelnennungen und Wohnungen mit einer Wohnfläche von weniger als 30 bzw. mehr als 125 qm verblieben 5.004 unterschiedliche Wohnungen. Aufgenommen werden das Anzeigedatum, die Zeitung, in welcher die Anzeige erschienen ist, der Ort, die Größe, die Kaltmiete, die Telefon-Nummer oder Chiffre des Anbieters sowie etwaige in der Anzeige genannte Besonderheiten (Lage, Aufzug, Seniorenwohnung, etc.). Der Beklagte teilt die Wohnungen dann nach dem jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt und der Größe auf und sortiert sie absteigend nach der Kaltmiete pro qm. Die Angemessenheitsgrenze ermittelt er in der Weise, dass er die Kaltmiete pro qm der teuersten Wohnung des unteren Drittels heranzieht. Maßgeblich sei immer die Auswertung des Vorjahres, da sich erst nach Abschluss eines jeden Jahres eine Angemessenheitsgrenze festlegen lasse.
Nach dem Konzept des Beklagten kommt es im vorliegenden Verfahren, in dem die Leistungen für das Jahr 2008 im Streit stehen, auf die Anzeigen des Jahres 2007 an. Der Beklagte hat in diesem Jahr für den Bezirk III insgesamt 1.863 Wohnungen ausgewertet. Im Verfahren vorgelegt wurde eine Tabelle mit insgesamt 234 Wohnungen der Größe 51-60 qm, aus der sich eine angemessene Kaltmiete von 4,64 EUR pro qm ermitteln lasse (entspricht der teuersten Wohnung des unteren Drittels).
Das Konzept des Beklagten genügt den genannten Anforderungen des BSG, denn die gewählte Datengrundlage bietet eine hinreichende Gewähr dafür, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte lediglich neu zu vermietende Wohnungen in seine Auswertung aufgenommen hat. Diese Vorgehensweise stellt vielmehr in besonderer Weise sicher, dass zu den ermittelten Mietobergrenzen zum jeweiligen Zeitpunkt auch tatsächlich Wohnungen angemietet werden können (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.12.2008 - L 13 AS 210/08). Die Kammer verkennt nicht, dass der Beklagte keine Ermittlungen zum Standard der angebotenen Wohnungen angestellt hat, so dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, dass die Wohnungen des unteren Drittels auch einen im unteren Marktsegment liegenden Standard aufweisen und hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (so die Anforderungen des BSG, Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R). Nach der Rechtsprechung des BSG verhält es sich so, dass sich der Wohnungsstandard in der Wohnungsmiete niederschlägt (so die ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R). Aus diesem Grund ist es zulässig, von der Kaltmiete auf den Wohnungsstandard zu schließen, denn eine günstige Wohnung wird im Zweifel auch über einen einfachen Standard verfügen. Weitergehende Ermittlungen zur Ausstattung, Lage und Bausubstanz der angebotenen Wohnungen waren daher nicht erforderlich. Die Kammer geht weiter davon aus, dass sämtliche angebotene Wohnungen grundsätzlich zumutbar sind, denn der Beklagte hat nur Unterkünfte mit einer Mindestgröße von 30 qm in seine Auswertung einfließen lassen. Sollte sich im Einzelfall herausstellen, dass eine Wohnung nicht die Anforderungen an eine Unterkunft i.S.v. § 29 Abs. 1 SGB XII erfüllt, etwa weil baurechtliche Vorschriften nicht eingehalten werden, so wäre dies wiederum auf der Ebene der konkreten Angemessenheit zu prüfen. Dies setzt jedoch voraus, dass sich der Hilfebedürftige um die Senkung seiner Unterkunftskosten bemüht, was vorliegend nicht der Fall ist.
Das Konzept des Beklagten spiegelt die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wieder, denn es fließen sämtliche in den örtlichen Tageszeitungen erscheinenden Anzeigen in die Auswertung ein. Dies betrifft insbesondere auch Luxuswohnungen und Angebote, die durch Makler vermittelt werden. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass im Jahre 2007 die in kleineren Wochenzeitungen und im Internet erscheinenden Anzeigen noch nicht in die Auswertung aufgenommen wurden. Dies führt jedoch nicht zu einer Verzerrung des Ergebnisses und die Datengrundlage ist - jedenfalls im vorliegenden Verfahren - auch ohne diese Angebote ausreichend. Der Beklagte hat im Jahr 2007 insgesamt 1.863 Wohnungen für den hier maßgeblichen Bezirk III ausgewertet. Diese Anzahl ist ausreichend, denn der Umfang der Stichprobe muss lediglich dem Standard entsprechen, der für die Erstellung eines Mietspiegels gilt (vgl. BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Nach den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswirtschaft herausgegebenen Hinweisen zur Erstellung von Mietspiegeln (2002, abgedr. bei Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, Nach §§ 558c, 558 d BGB) ist bei Tabellenmietspiegeln mit 40 Tabellenfeldern unter Berücksichtigung einer minimalen Feldbesetzung von 30 Wohnungen je Mietspiegelfeld eine Ergebnisstichprobe von 1.200 ausreichend. Für Regressionsmietspiegel genügen hiernach sogar noch kleinere Stichproben: Für kleinere Kommunen mit homogenem Wohnungsbestand und entsprechend geringer Mietendifferenzierung reichen nach den genannten Hinweisen Ergebnisstichproben von mind. 500 Wohnungen aus, bei größeren Kommunen sind bis zu ein Prozent des relevanten Wohnungsbestandes erforderlich (zit. nach Schmidt-Futterer, a.a.O., dort Rn. 100). Reichen damit für einen Mietspiegel, der zweifelsfrei eine sichere Grundlage für die Bestimmung angemessener Unterkunftskosten i. S. des § 29 Abs. 1 SGB XII darstellt, Stichproben von weit unter 10% aus, so muss dies auch für eine sonstige im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II berücksichtigungsfähige Datensammlung gelten (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.12.2008 - L 13 AS 210/08).
Der Beklagte hat aus seiner Auswertung auch die zutreffenden Schlüsse gezogen, indem er die Angemessenheitsgrenze bei der teuersten Wohnung des unteren Segments festgelegt hat. Bei einer Abbildung des gesamten Mietwohnungsmarktes einschließlich von Luxuswohnungen, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, ist nicht der Spannenoberwert maßgeblich, sondern es muss eine Kappungsgrenze bestimmt werden (vgl. BSG, Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R). Der Beklagte hat die Angemessenheitsgrenze anhand der teuersten Wohnung des unteren Drittels der angebotenen Wohnungen festgelegt. Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob das untere Segment des örtlichen Wohnungsmarktes erst bei dieser Unterkunft endet, denn es umfasst jedenfalls nicht mehr Wohnungen. Das untere Segment des örtlichen Wohnungsmarktes ist in einem ersten Schritt so zu bemessen, dass für alle Empfänger von Grundsicherungsleistungen eine Wohnung zur Verfügung steht. Es umfasst daher jedenfalls die unteren zehn Prozent der angebotenen Wohnungen, denn am Ende des Jahres 2007 erhielten ca. zehn Prozent der in Deutschland lebenden Menschen Leistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme, darunter ca. sieben Millionen Empfänger von Leistungen nach dem SGB II und ca. eine Million Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII und dem AsylbLG (vgl. Pressemitteilung Nr. 458 des Statistischen Bundesamtes vom 30.11.2009). Das untere Segment des örtlichen Wohnungsmarktes ist indes nicht allein anhand der Anzahl der Empfänger von Grundsicherungsleistungen zu bestimmen. Der Lebensstandard der Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII soll sich ausweislich der Regelung in § 28 Abs. 3 SGB XII an den unteren Einkommensgruppen orientieren. Bei der Bemessung des Regelsatzes werden daher gem. § 2 Abs. 3 RSV die Verbrauchsausgaben der untersten 20 vom Hundert der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nach Herausnahme der Empfänger von Leistungen der Sozialhilfe zugrunde gelegt. Überträgt man diese gesetzliche Wertung auf die Bemessung des unteren Segments des örtlichen Wohnungsmarktes, so ist dieses in einem zweiten Schritt um 20% der Nicht-Grundsicherungsempfänger zu erhöhen, d.h. um weitere 18%. Die Kappungsgrenze des unteren Segments verläuft also bei einer Grundsicherungsquote von zehn Prozent bei der teuersten Wohnung der unteren 28%. Der Beklagte hat die Kappungsgrenze anhand der teuersten Wohnung des unteren Drittels festgelegt, so dass sich jedenfalls keine höhere angemessene Kaltmiete ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.