Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 18.09.2003, Az.: 4 A 4161/01

Fleischuntersuchung; Gebührenkalkulation; Gemeinschaftsrecht; Kostentarif; Schlachttieruntersuchung; Trichinenuntersuchung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
18.09.2003
Aktenzeichen
4 A 4161/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48265
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Kalkulation der Gebühren für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen nach Abschnitt VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet sind die einzelnen Gebührentatbestände des Abschnitts VI.D.1.1 zugrunde zu legen. Es ist nicht gestattet, die Vorgaben der die Richtlinie 85/73/EWG umsetzenden Landesverordnung mit dem pauschalen Einwand außer Kraft zu setzen, jedes Tier der betreffenden Art verursache unabhängig von seinem Schlachtgewicht einen identischen Untersuchungsaufwand.

Tenor:

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Die Gebührenbescheide des Beklagten

1. Nr. 048060 vom 30. März 2000             über 1.304,00 DM,

2. Nr. 048061 vom 30. März 2000             über    24,00 DM,

3. Nr. 053396 vom 30. März 2000             über   489,00 DM,

4. Nr. 127828 vom 30. März 2000             über    18,00 DM,

5. Nr. 128658 vom 4. April 2000                über   150,00 DM,

6. Nr. 127829 vom 6. April 2000                über    24,00 DM,

7. Nr. 128659 vom 6. April 2000                 über 1.200,00 DM,

8. Nr. 128660 vom 6. April 2000                 über    32,00 DM,

9. Nr. 263197 vom 6. April 2000                 über   450,00 DM,

10. Nr. 128661 vom 11. April 200               über   426,00 DM

11. Nr. 128662 vom 11. April 2000             über    60,00 DM,

12. Nr. 053400 vom 13. April 2000             über   480,00 DM,

13. Nr. 128663 vom 13. April 2000             über 1.240,00 DM,

14. Nr. 128664 vom 13. April 2000             über    40,00 DM,

15. Nr. 128551 vom 18. April 2000             über   492,00 DM,

16. Nr. 128665 vom 18. April 2000             über 1.417,00 DM,

17. Nr. 128552 vom 26. April 2000             über   495,00 DM,

18. Nr. 128666 vom 26. April 2000             über 1.416,00 DM,

19. Nr. 128667 vom 26. April 2000             über    32,00 DM,

20. Nr. 048067 vom 4. Mai 2000                 über 1.489,00 DM,

21. Nr. 263198 vom 4. Mai 2000                 über   519,00 DM,

22. Nr. 263199 vom 4. Mai 2000                 über    18,00 DM,

23. Nr. 048072 vom 11. Mai 2000               über 1.112,00 DM,

24. Nr. 048451 vom 11. Mai 2000               über   417,00 DM,

25. Nr. 048073 vom 11. Mai 2000               über     8,00 DM,

26. Nr. 263200 vom 11. Mai 2000               über     6,00 DM,

27. Nr. 128556 vom 18. Mai 2000               über   537,00 DM,

28. Nr. 128668 vom 18. Mai 2000               über 1.392,00 DM,

29. Nr. 128669 vom 18. Mai 2000               über    48,00 DM,

30. Nr. 128559 vom 25. Mai 2000               über   483,00 DM,

31. Nr. 128672 vom 25. Mai 2000               über 1.288,00 DM

werden ebenso aufgehoben wie der Widerspruchsbescheid der M. vom 3. September 2001, soweit dieser die Widersprüche gegen die vorbezeichneten Gebührenbescheide zurückweist.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte zu je 1/2.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Beklagte zog den Kläger, der einen Schlachtbetrieb von Rindern, Jungrindern und Schweinen unterhält, mit den im Tenor bezeichneten 31 Bescheiden zu Gebühren für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen (Bescheide Nrn. 1, 2, 5, 7, 8, 10, 11, 13, 14, 16, 18, 19, 20, 23, 25, 28, 29, 31) sowie Trichinenuntersuchungen (Bescheide Nrn. 3, 4, 6, 9, 12, 15, 17, 21, 22, 24, 26, 27, 30) heran. Festgesetzt wurden dabei für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen

2

- je Rind 15,00 DM oder 30,00 DM (offensichtlich nach Anzahl der Schlachtungen am Schlachttag unter Berücksichtigung der ebenfalls am Schlachttag geschlachteten Schweine),

3

- je Jungrind 22,00 DM und

4

- je Schwein 8,00 DM.

5

Für die Trichinenuntersuchung, die jeweils anlässlich der Schlachtungen erfolgte, wurden zwischen 3,00 DM und 6,00 DM je Probe festgesetzt.

6

Der Beklagte hatte mit Wirkung vom 1. Oktober 1999 seine Gebühren für die Schlacht-tier-, Fleisch- und Trichinenuntersuchung außerhalb öffentlicher Schlachthöfe wie folgt neu festgelegt - Kostentarif 1999 - (Bl. 186 ff. d.A.):

7

1.für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung

8

                        je Tier bei

9

1.1            Rindern ausschl. Kälbern                                                                       30,00 DM

10

1.2            Schweinen                                                                                          16,00 DM

11

1.3            Kälbern                                                                                                22,00 DM

12

1.4            sonstigen Kleintieren (Schafe, Ziegen, Lämmer, Zickel)             12,00 DM

13

1.5            Pferden und sonstigen Einhufern                                                          35,00 DM

14

1.6            Hauskaninchen                                                                          1,00 DM

15

1.7            Haarwild                                                                                              20,00 DM

16

2.für die Trichinenschau

17

                        je Tierkörper oder je Tierkörperteil bei

18

2.1            Schweinen       - mikroskopisch                                                  12,00 DM

19

                                        - Verdauungsmethode                                          6,00 DM

20

2.2            Wildschweinen oder anderen der Untersuchung auf Trichinen

21

          unterworfene Tiere                                                                               16,00 DM

            (...)

22

5. Reduzierung der Gebühren bei Schlachtungen von mehr als 35 Tieren: die Gebühren werden nach anliegender Tabelle reduziert, wenn an einem Schlachttag mehr als 35 Tiere geschlachtet werden.

23

Die unter Ziffer 5) in Bezug genommene Tabelle lautet auszugsweise:

24

                                                          Schlachtungen an einem Schlachttag in einem Betrieb

25

                                                          bis zu 35            von 36-64        von 65-119      ab 120

26

für die Schlachttier- und Fleisch-            100%               80%                 65%                 50%

27

untersuchung je Tier

28

a) Rinder ausschließlich Kälber 30,00 DM      24,00 DM      19,50 DM      15,00 DM

29

b) Schweine                             16,00 DM      12,80 DM      10,40 DM        8,00 DM

30

c) Kälber                                  22,00 DM      17,60 DM      14,30 DM      11,00 DM

(...)

31

für die Trichinenuntersuchung

32

je Tierkörper oder Tierkörperteil bei

33

a) Schweinen            - mikroskopisch            12,00 DM        9,60 DM        7,80 DM        6,00 DM

34

                                  - Verdauungsmethode  6,00 DM              4,80 DM        3,90 DM        3,00 DM

35

Gegen die Bescheide erhob der Kläger unter dem 31. März, 28. April und 3. Juni 2000 Widersprüche.

36

Zuvor hatte er beim Beklagten unter dem 15. November 1999 beantragt, die Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung ab 1. Dezember 1999 unter Berücksichtigung der tatsächlich entstandenen Kosten herabzusetzen. Er begehrte die Ergänzung der Anlage zum Kostentarif des Beklagten um eine 5. Spalte in der Zeile „Schweine“, nach der nur noch ein Kostenanteil von 30% ab 150 untersuchten Schweinen erhoben wird. Alternativ begehrte er vom Beklagten eine speziell auf seinen Betrieb ausgerichtete kostendeckende Berechnung der Gebühren.

37

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit einem Bescheid vom 7. März 2000 ab. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 22. März 2000 Widerspruch.

38

Sämtliche Widersprüche wies die M. mit einem Widerspruchsbescheid vom 3. September 2001 zurück.

39

Mit einem am 11. September 2001 beim Verwaltungsgericht Göttingen eingegangenen Schriftsatz hatte der Kläger zunächst eine gemeinsame Anfechtungsklage gegen die Gebührenbescheide und eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, seinem Antrag vom 15. November 1999 zu entsprechen, erhoben.

40

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Teil der Klage, der das Verpflichtungsbegehren enthält, zurückgenommen.

41

Im Übrigen hält er die Gebührenbescheide für rechtswidrig. Die bundesrechtliche Rechtsgrundlage in § 24 des Fleischhygienegesetzes - FlHG - verstoße gegen EG-Recht. Die landesrechtliche Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 3 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes - NVwKostG - verstoße gegen EG-Recht, das Grundgesetz und die Niedersächsische Verfassung. Die auf der Grundlage dieser Ermächtigungsnormen erlassene Niedersächsische Gebührenordnung für das Veterinärwesen vom 22.3.1995 (Nds. GVBl. S. 63), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12.6.2003 (Nds. GVBl. S. 204) - GOVet - verstoße gegen EG-Recht und nationales Verfassungsrecht. Insbesondere dürften nach seiner Auffassung keine gesonderten Gebühren für die Trichinenschau erhoben werden. Im Übrigen sei die Gebührenfestsetzung für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen auch deshalb rechtswidrig, weil der Kostentarif 1999 des Beklagten nicht die Gebührentatbestände des Anhangs A Kapitel I Nr. 1 der Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 96/43/EG des Rates vom 26.6.1996 (ABl. EG Nr. L 162 vom 1.2.1996, S. 1) und die Gebührentatbestände des Abschnitts VI.D.1.1 des Gebührenverzeichnisses der     GOVet in der hier anzuwendenden Fassung vom 2.7.1997 (Nds. GVBl. S. 308, 314 f.) übernehme, sondern die Gebührengegenstände abweichend regele. Insbesondere unterscheide er nicht Schweine mit einem Schlachtgewicht von weniger als 25 kg einerseits und von 25 kg oder mehr andererseits.

42

Der Kläger beantragt,

43

die Bescheide

44

1.            Nr. 048060 vom 30. März 2000             über 1.304,00 DM,

45

2.            Nr. 048061 vom 30. März 2000             über      24,00 DM,

46

3.            Nr. 053396 vom 30. März 2000             über    489,00 DM,

47

4.            Nr. 127828 vom 30. März 2000             über      18,00 DM,

48

5.            Nr. 128658 vom 4. April 2000                   über    150,00 DM,

49

6.            Nr. 127829 vom 6. April 2000                   über      24,00 DM,

50

7.            Nr. 128659 vom 6. April 2000                   über 1.200,00 DM,

51

8.            Nr. 128660 vom 6. April 2000                   über      32,00 DM,

52

9.            Nr. 263197 vom 6. April 2000                   über    450,00 DM,

53

10.            Nr. 128661 vom 11. April 200               über    426,00 DM

54

11.            Nr. 128662 vom 11. April 2000             über      60,00 DM,

55

12.            Nr. 053400 vom 13. April 2000             über    480,00 DM,

56

13.            Nr. 128663 vom 13. April 2000             über 1.240,00 DM,

57

14.            Nr. 128664 vom 13. April 2000             über      40,00 DM,

58

15.            Nr. 128551 vom 18. April 2000             über    492,00 DM,

59

16.            Nr. 128665 vom 18. April 2000             über 1.417,00 DM,

60

17.            Nr. 128552 vom 26. April 2000             über    495,00 DM,

61

18.            Nr. 128666 vom 26. April 2000             über 1.416,00 DM,

62

19.            Nr. 128667 vom 26. April 2000             über      32,00 DM,

63

20.            Nr. 048067 vom 4. Mai 2000                                 über 1.489,00 DM,

64

21.            Nr. 263198 vom 4. Mai 2000                                 über    519,00 DM,

65

22.            Nr. 263199 vom 4. Mai 2000                                 über      18,00 DM,

66

23.            Nr. 048072 vom 11. Mai 2000               über 1.112,00 DM,

67

24.            Nr. 048451 vom 11. Mai 200                             über    417,00 DM,

68

25.            Nr. 048073 vom 11. Mai 2000               über       8,00 DM,

69

26.            Nr. 263200 vom 11. Mai 2000               über       6,00 DM,

70

27.            Nr. 128556 vom 18. Mai 2000               über    537,00 DM,

71

28.            Nr. 128668 vom 18. Mai 2000               über 1.392,00 DM,

72

29.            Nr. 128669 vom 18. Mai 2000               über      48,00 DM,

73

30.            Nr. 128559 vom 25. Mai 2000               über    483,00 DM,             31.            Nr. 128672 vom 25. Mai 2000               über 1.288,00 DM

74

in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der M. vom 3. September 2001 aufzuheben, soweit dieser die Widersprüche gegen die vorbezeichneten Gebührenbescheide zurückweist.

75

Der Beklagte beantragt,

76

die Klage abzuweisen.

77

Er hält die vorzitierten Rechtsgrundlagen für EG-rechts- und verfassungskonform. Im Übrigen verursache die Untersuchung eines Schweins stets den gleichen Aufwand, gleich welches Schlachtgewicht vorliegt. Im Gegenteil sei die Untersuchung von „Kümmerlingen“ mit einem größeren Aufwand verbunden.

78

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der M. Bezug genommen, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

A.

79

Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

B.

80

Im Übrigen hat die Anfechtungsklage Erfolg.

81

Die im Tenor aufgeführten 31 Gebührenbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

I.

82

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen in den Bescheiden Nrn. 1, 2, 5, 7, 8, 10, 11, 13, 14, 16, 18, 19, 20, 23, 25, 28, 29 und 31 ist § 24 FlHG in der für den Ergebungszeitraum März bis Mai 2000 maßgeblichen Fassung vom 8.7.1993 (BGBl. I S. 1189), insoweit zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 2702) i.V.m. § 3 Abs. 3 NVwKostG vom 7.5.1962 (Nds. GVBl. S. 43), insoweit zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.1997 (Nds. GVBl. S. 539, 543) i.V.m. den §§ 1 und 1a GOVet vom 22.3.1995 (Nds. GVBl. S. 63) in der im Heranziehungszeitraum anwendbaren Fassung vom 2.12.1998 (Nds. GVBl. S. 705) i.V.m. Abschnitt VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses der GOVet i.V.m. dem Kostentarif des Beklagten mit Stand vom 1.10.1999 (Bl. 186 ff. d.A.).

83

§ 24 FlHG in der hier maßgeblichen Fassung lautet:

84

(1) Für die Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften werden kostendeckende Gebühren und Auslagen erhoben.

85

(2) Die nach Absatz 1 kostenpflichtigen Tatbestände werden durch Landesrecht bestimmt. 2Die Gebühren werden nach Maßgabe der von der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte über die Finanzierung der Untersuchungen und Hygienekontrollen von Fleisch bemessen. 3Für Amtshandlungen, die auf besonderen Antrag außerhalb der normalen Öffnungszeiten vorgenommen werden, kann eine Vergütung verlangt werden.

86

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass § 24 FlHG gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Bundesgesetzgeber berechtigt ist, die Abweichungen von den EG-Pauschalgebühren der Regelung durch die Bundesländer zu überlassen (zuletzt: BVerwG, Beschluss vom 27.6.2002, NVwZ 2003, S. 220).

88

Sieht ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft die Erhebung von Gebühren vor, so sind diese nach Maßgabe des Rechtsaktes und, soweit dieser es zulässt, ergänzend nach Maßgabe des Absatzes 2 in den Gebührenordnungen festzusetzen.

89

Diese Vorschrift ist i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 2 NVwKostG Ermächtigungsgrundlage für die GOVet. Diese sieht unter Abschnitt VI.D.1.1 des Gebührenverzeichnisses vor, dass die Behörden unbeschadet der Nrn. 2 und 3 für Untersuchungskosten im Zusammenhang mit Schlachttätigkeiten Gebühren nach einen festgelegten Pauschal-Punktzahlensystem erheben. Gemäß § 1 a GOVet i.V.m. Abschnitt VI.D.2 des Gebührenverzeichnisses haben die Behörden jedoch zur Deckung höherer Kosten entweder eine Gebühr zu erheben, die die tatsächlichen Kosten deckt (VI.D.2.1) oder die in Abschnitt VI.D.1.1 vorgesehenen Punktzahlen für bestimmte Betriebe anzuheben (VI.D.2.2). Bis zur Höhe der tatsächlichen Kosten können die Behörden gemäß Abschnitt VI.D.3 von den Punktzahlen in VI.D.1.1 auch nach unten abweichen. Der danach vom Beklagten erstellte Kostentarif beruht auf   § 1 a GOVet i.V.m. Abschnitt VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses, weil ihm der Beklagte eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung zugrunde legt, die nach seiner Ermittlung zu höheren Gebühren geführt hat.

90

Das Bundesverwaltungsgericht hat jüngst nochmals festgestellt, dass es gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, wenn die Bundesländer die Kompetenz zur Erhebung kostendeckender und über die pauschalen EG-Sätze hinausgehender Gebühren kommunalen Stellen übertragen (BVerwG, Beschluss vom 31.7.2002, NVwZ 2003, S. 480). Ebenso ist geklärt, dass dem einzelnen Bundesland - bei Einhaltung der entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - gestattet ist, flächendeckend und nicht nur für einzelne Betriebe von den EG-Pauschalgebühren abzuweichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.10.2001, NVwZ 2002, S. 486, 489 mwN). Schließlich ist in der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts geklärt, dass Abschnitt VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet sowie deren vorzitierte Ermächtigungsgrundlagen mit europäischem Gemeinschaftsrecht sowie nationalem Recht vereinbar sind (Nds. OVG, Beschluss vom 18.1.2000, LRE 38, S. 221; vgl. hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 18.7.2000, Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 22).

91

Die vom Kläger aufgeworfenen Fragen zur Vereinbarkeit der GOVet sowie ihrer Ermächtigungsgrundlagen mit jeweils höherrangigem Recht können im vorliegenden Fall jedoch letztlich dahingestellt bleiben, weil sich die angefochtenen Gebührenbescheide für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen aus anderem Grund als rechtswidrig erweisen. Der seit dem 1. Oktober 1999 geltende Kostentarif des Beklagten, mit dem er seine gegenüber den Pauschal-Punktzahlen höheren Kosten decken will, entspricht nämlich weder den Vorgaben der Richtlinie 85/73/EWG des Rates noch dem Abschnitt VI.D der GOVet. Anhang A Kapitel I Nr. 1 der vorgenannten EWG-Richtlinie unterscheidet nämlich Schweine und Wildschweine mit einem Schlachtgewicht von weniger als 25 kg einerseits und von 25 kg oder mehr andererseits (Nr. 1 c, f). Abschnitt VI.D.1.1.3 und 1.1.7.2.2 des Gebührenverzeichnisses der GOVet nimmt diese unterschiedlichen europarechtlichen Gebührentatbestände auf. Auch bei Schafen, Ziegen und Wiederkäuern unterscheidet die EWG-Richtlinie in Tiere mit einem Schlachtgewicht von weniger als 12 kg, Tiere mit einem Gewicht von 12 kg bis 18 kg und Tiere mit einem Gewicht von mehr als 18 kg (Nr. 1 d, f). Auch diese Unterscheidung ist spiegelbildlich in Abschnitt VI.D.1.1.4. und 1.1.7.2.3 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet enthalten. Selbst bei Kaninchen und Kleinwild differenziert die EWG-Richtlinie in Tiere mit einem Gewicht von weniger als 2 kg, von 2 kg oder mehr sowie Tieren mit einem Gewicht von 5 kg und mehr (Nr. 1 e, f). Entsprechend unterscheidet Abschnitt VI.D.1.1.6.2 und 1.1.7.2.1 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet. Diese Differenzierung nach Schlachtgewichten findet sich in dem seit 1. Oktober 1999 geltenden Kostentarif des Beklagten nicht wieder. Auch wenn dieser nicht auf der Grundlage des Abschnitts VI.D.1.1, sondern auf der Grundlage des Abschnitts VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet ergangen ist und Gebühren vorsieht, die die tatsächlichen Kosten decken sollen, dürfen diese nur für Gebührentatbestände erhoben werden, die die EWG-Richtlinie und die GOVet vorsehen. Dabei ist die vorgegebene Differenzierung in Schlachtgewichte auch bei der Erhebung kostendeckender Gebühren zu berücksichtigen. Es ist dem Beklagten nicht gestattet, die Vorgaben der die EWG-Richtlinie letztlich umsetzenden Landesverordnung mit dem pauschalen Einwand außer Kraft zu setzen, ein jedes Tier der betreffenden Art verursache unabhängig von seinem Schlachtgewicht einen identischen Untersuchungsaufwand.

92

So verhält es sich jedoch bei dem Kostentarif des Beklagten. Ungeachtet des Umstandes, dass dieser bereits begrifflich die Tatbestände der EWG-Richtlinie und der GOVet nicht wortgleich vollständig umsetzt, unterscheidet er bei Schweinen, Schafen, Ziegen und Kaninchen nicht nach dem Schlachtgewicht. Die Kalkulation der tatsächlichen Kosten entspricht damit nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 24 Abs. 2 Satz 2 FlHG und des § 3 Abs. 3 NVwKostG. Der Kalkulation nach Abschnitt VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet sind jedoch die einzelnen Gebührentatbestände des Abschnitts VI.D.1.1 zugrunde zu legen.

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Die vom Kläger angefochtenen Gebührenbescheide für Schlachttier- und Fleischuntersuchungen beruhen auf dem fehlerhaften Kostentarif des Beklagten und sind deshalb aufzuheben. Dies gilt auch für die Bescheide, in denen Kosten für die Untersuchung von Rindern und Jungrindern festgesetzt wurden, weil sich die fehlerhafte Gesamtkalkulation auch auf die Gebührenhöhe bei diesen Tieren auswirkt.

II

94

Zu den in den Bescheiden Nrn. 3, 4, 6, 9, 12, 15, 17, 21, 22, 24, 26, 27 und 30 erhobenen Gebühren für die Trichinenuntersuchung hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 4.4.2003 - 11 ME 49/03 - ausgeführt:

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„Nach dem Urteil des EuGH vom 30. Mai 2002 (- C 284, 288/00 -, DVBl. 2002, 1108) werden die Kosten von Untersuchungen auf Trichinen im Zusammenhang mit Schlachtungen von der Gemeinschaftsgebühr erfasst, die die Mitgliedstaaten nach der RL 85/73/EWG des Rates (vom 29.1.1985 in der durch die RL 93/118 vom 22.12.1993 geänderten Fassung) erheben. Diese Entscheidung des EuGH gilt entsprechend für die RL 85/73 EWG in der z.Z. geltenden Fassung (soweit ersichtlich ist dieses die Fassung durch die RL 96/43/EWG des Rates vom 26.6.1996, durch die RL 97/79 des Rates vom 18.12.1997 und durch die VO/EG Nr. 807/1999 vom 17.4.1999). Eine gesonderte Gebühr für die Untersuchung von Trichinen, wie sie von dem Antragsgegner in der Vergangenheit zuletzt auf der Grundlage der GOVet vom 14. Dezember 2001 (a.a.O.) erhoben wurde (vgl. dort Anl. I VI Buchst. D Ziff. 6 “Trichinenuntersuchung”), entbehrt also einer materiellen Rechtsgrundlage.

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Auch die in Reaktion auf das Urteil des EuGH vom 30. Mai 2002 erlassene Änderungsverordnung zur GOVet vom 23. Januar 2003 (a.a.O.) stellt aller Voraussicht nach keine zureichende materielle Rechtslage für die in der Vergangenheit erhobenen Trichinen-Untersuchungs-Gebühren dar. Zwar werden darin nunmehr die Kosten für die Trichinenuntersuchung nicht mehr als eigenständige Gebühr bewertet, sondern - soweit die Trichinenuntersuchung im Zusammenhang mit einer Schlachttier- und Fleischuntersuchung stattfindet - nur noch als „Gebührenanteil“, also in Übereinstimmung mit den EG-Vorgaben als bloßer Teil der Gemeinschaftsgebühr. Einen Punktwert, der in einen entsprechenden EURO-Betrag als Gebührenanteil der Gemeinschaftsgebühr für die Trichinenuntersuchung umgerechnet werden könnte, weist die GOVet vom 23. Januar 2003 allerdings nicht aus. Dieses ist auch konsequent; denn die für die „Schlachttier- und Fleischuntersuchung“ in der GOVet angesetzte Pauschalgebühr entspricht in ihrer Höhe bereits der von der EG vorgegebenen Gemeinschaftsgebühr, in der nach der o. a. Rechtsprechung des EuGH bereits die Kosten für Trichinenuntersuchungen mit enthalten sind. Da der Antragsgegner gleichwohl seine Bescheide, soweit sie in der Vergangenheit zusätzlich zu der bereits in voller Höhe angesetzten Gemeinschaftsgebühr noch Kosten für Trichinenuntersuchungen enthalten, bislang nicht aufgehoben hat, macht er im Ergebnis Gebühren geltend, die über die von der EG vorgegebenen Gemeinschaftsgebühren hinaus gehen. Dieses ist nach den EG-Vorgaben in Verbindung mit der GOVet zwar nicht ausgeschlossen. Die Erhebung von höheren Gebühren setzt jedoch den Nachweis voraus, dass die von der EG vorgegebenen Gemeinschaftsgebühren zur Deckung der Kosten nicht ausreichen. Ein derartiger Nachweis ist für den Bereich des Antragsgegners bisher nicht geführt. Soweit ersichtlich hat der Antragsgegner überhaupt noch keine, die Kosten für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, einschließlich der Trichinenuntersuchung erfassende Kostenaufstellung vorbereitet.“

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Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 9.10.2002 - 3 C 17/02 - juris). Sie hat zur Folge, dass die Gebührenbescheide, in denen im Zusammenhang mit vorgenommenen Schlachtungen gesonderte Gebühren für die Trichinenschau festgesetzt worden sind, rechtswidrig sind. Der Beklagte darf nur einheitliche Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung erheben, die die Trichinenuntersuchung einschließen.

C.

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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Kosten fallen jedem Beteiligten zu 1/2 zur Last, weil der Wert von erfolgreicher Anfechtungsklage und zurückgenommener Verpflichtungsklage in gleicher Höhe zu bemessen ist.

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Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708, 711 ZPO.

D.

100

Die Berufung ist - soweit die Klage nicht zurückgenommen worden ist - gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil die Kammer der Frage, ob sich eine kostendeckende Gebührenerhebung nach Abschnitt VI.D.2.1 des Gebührenverzeichnisses zur GOVet an den Gebührentatbeständen des Abschnitts VI.D.1.1 auszurichten und hierbei auch die dort aufgeführten unterschiedlichen Schlachtgewichte zu berücksichtigen hat, grundsätzliche Bedeutung beimisst.