Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 04.08.2005, Az.: 8 U 177/04
Anspruch auf Rückzahlung von Anwaltshonorar nach erklärter Insolvenzanfechtung; Entstehung und Fälligkeit eines anwaltlichen Vorschussanspruchs; Vorschusszahlung als "Bargeschäft"; Erfordernis der Unmittelbarkeit zwischen der anwaltlichen Leistung und der Honorarvorschusszahlung; Annahme eines Benachteiligungsvorsatzes; Beweiserleichterungen bei der Vorsatzanfechtung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 04.08.2005
- Aktenzeichen
- 8 U 177/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 36057
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2005:0804.8U177.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 21.09.2004 - AZ: 8 O 16/04
- nachfolgend
- BGH - 13.04.2006 - AZ: IX ZR 158/05
Rechtsgrundlagen
- § 130 InsO
- § 131 InsO
- § 133 InsO
- § 142 InsO
- § 143 Abs. 1 S. 1 InsO
- § 16 BRAGO
- § 17 BRAGO
- § 18 BRAGO
In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Richter am Oberlandesgericht als Vorsitzenden sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und
...
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2005
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 21. September 2004 - 8 O 16/04 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollsteckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 25.955,54 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der - Firma - von dem Beklagten die Rückzahlung von Anwaltshonorar nach erklärter Insolvenzanfechtung. Gegenstand des Rückzahlungsbegehrens sind die am 01., 08. und 12.11.2001 von der Gemeinschuldnerin an den Beklagten gezahlten Honorarleistungen in Höhe von insgesamt 50.764,62 DM (25.955,54 EUR).
Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (LGU Seite 2 bis 4 = Bl. 81 bis 83 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 23.09.2004 zugestellte (Bl. 88 d.A.) Urteil hat der Beklagte mit dem am 22.10.2004 beim Oberlandesgericht Braunschweig eingegangenen Schriftsatz (Bl. 93 f. d.A.) Berufung eingelegt, die er innerhalb der bis zum 22.12.2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist (Bl. 105 d.A.) mit dem am letzten Tage der verlängerten Frist beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 106 d.A.) begründet hat.
Der Beklagte verfolgt das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung weiter. Das Landgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die Vorschusszahlungsbeträge vom 01. und 08.11.2001 in Höhe von 5.000,00 DM bzw. 10.000,00 DM noch nicht fällig gewesen seien. Es sei in erster Instanz "unstreitig" gewesen, dass die Geltendmachung und Zahlung eines Vorschusses zur Wirksamkeit weder einer mündlichen noch schriftlichen Berechnung, noch einer schriftlichen Geltendmachung bedarf. Es sei unstreitig gewesen, dass sich seine Tätigkeit auf eine beratende Tätigkeit, wie sie im Schriftsatz vom 25.06.2004 ausführlich und unbestritten dargestellt worden sei, erstreckt habe. Eine Umkehr der Beweislast oder Darlegungslast könne sich daher nicht ergeben. Auch die Zahlung vom 12.11.2001 in Höhe von 35.764,62 DM sei nicht anfechtbar. Das Landgericht habe den unter Beweis gestellten Sachvortrag zu Unrecht beiseite gelassen, dass der am 09.11.2001 gestellte Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht so gestellt worden sei, dass dieser bereits als formell ordnungsgemäßer und vollständiger Antrag anzusehen sei. Dieser Antrag sei vielmehr so gestellt worden, dass er nur unter bestimmten Bedingungen habe in Vollzug geraten sollen. Als bedingte Prozesshandlung sei er daher unwirksam. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen insbesondere dazu, dass er zu dem Zeitpunkt des Empfanges der Beträge von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit oderÜberschuldung der Schuldnerin nichts gewusst habe. Er hebt außerdem hervor, dass es sich bei den Zahlungen um Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO gehandelt habe. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 133 InsO seien nicht gegeben.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 21.09.2004 - 8 O 16/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Rechnung vom 12.11.2001 betreffe ausnahmslos Tätigkeiten, die im Zeitpunkt der Rechnungsstellung abgeschlossen gewesen seien. Die Behauptung des Beklagten auf Seite 5 seines Schriftsatzes vom 25.06.2004, die Schuldnerin bei Verhandlungen über die Übernahme durch einen Investor beraten zu haben, finde in der Rechnung vom 12.11.2001 keinerlei Entsprechung. Der Beklagte habe zudem bislang nicht rechtlich erheblich bestritten, dass die Schuldnerin bereits zu Beginn des Monats November 2001 zahlungsunfähig gewesen sei und ihm dies auch bekannt gewesen sei. Insoweit hebt er hervor, dass ausweislich des Protokolls zur Aufnahme des Insolvenzantrages vom 09.11.2001 der Geschäftsführer der Schuldnerin erklärt habe, dass die seinerzeit fälligen Verbindlichkeiten ca. 2,9 Mio. DM betragen hätten und es deshalb dem anwesenden Beklagten klar gewesen sein müsse, dass ein Liquiditätszufluss von lediglich 800.000,00 DM nicht geeignet gewesen sei, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Erstmals im Berufungsverfahren behauptet der Kläger, dass es eine rechtlich bindende Verpflichtung der Firma V-Lux zur Zahlung eines Betrages von 800.000,00 DM nicht gegeben habe und auch ein Gesellschafterbeschluss fehle, auf dessen Grundlage diese Zahlung notfalls gerichtlich hätte durchgesetzt werden können. Das Vorbringen des Beklagten zu § 142 InsO (Bargeschäfte) hält der Kläger für gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Es fehle im Übrigen an jedweder Darlegung der Voraussetzungen des sogenannten Bargeschäftes. Es sei nicht ersichtlich, dass abweichend von demüblichen Fall, dass ein Rechtsanwalt Anspruch auf Zahlung von Honorar hat, sobald er seine Tätigkeit beginnt, vereinbart gewesen wäre, die Tätigkeit jeweils nach Zeitabschnitten zu vergüten (§ 614 BGB). Die Ausnahme des sogenannten Bargeschäftes greife bereits dann nicht mehr, wenn der Vertragspartner des Schuldners über einen längeren Zeitraum vorleiste. Erstmals im Berufungsverfahren behauptet der Kläger, dass es dem Beklagten bei der Entgegennahme der Zahlungen darauf angekommen sei, gegenüber den übrigen Gläubigerin bevorzugt zu werden und sein Honorar entgegen den sonst üblichen Gepflogenheiten in bar aus den vorhandenen Kassenbeständen zu erhalten. Im Übrigen, insbesondere zur streitigen Höhe, nimmt der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht zu.
Für einen Anspruch aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 129 ff. InsO fehlt es an einem Anfechtungsgrund bzw. an einer anfechtbaren Rechtshandlung.
1.
Ein Fall der Anfechtbarkeit wegen inkongruenter Deckung gem. § 131 InsO liegt für keine der drei Zahlungen vor.
Eine anfechtbare Rechtshandlung nach § 131 InsO setzt voraus, dass dem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht worden ist, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat die Zahlungen nicht ohne fälligen Anspruch erhalten.
a.
Die Zahlungen waren fällig. Es handelte sich um Vorschusszahlungen nach § 17 BRAGO. Gemäß § 17 BRAGO entsteht das Vorschussforderungsrecht des Anwalts mit Abschluss des Anwaltsvertrages (BGH Anwaltsblatt 1989, 228 = NJW 1989, 1167 [BGH 29.09.1988 - 1 StR 332/88]). Dieser ist nicht an die Form des § 18 BRAGO gebunden (Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 17 Rn. 8). Die Vorschusspflicht gegenüber dem Prozessbevollmächtigten besteht gem.§ 17 BRAGO auch für Gebühren, die durch die Vornahme der betreffenden anwaltlichen Tätigkeiten bereits "entstanden" sind, die der Rechtsanwalt jedoch als solche noch nicht gem. § 18 BRAGO erheben kann (BGH NJW 1985, 2263, 2264 [BGH 15.05.1985 - IVb ZR 33/84]; Hartmann a.a.O.). Die Fälligkeit des endgültigen Gebührenanspruchs tritt erst ein, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt (§ 16 Satz 1 BRAGO) oder in einem gerichtlichen Verfahren eine Kostenentscheidung ergangen oder der Rechtszug abgeschlossen ist oder das Verfahren länger als drei Monate ruht (§ 16 Satz 2 BRAGO; BGH a.a.O.). Legt der Anwalt vor der Fälligkeit nach § 16 BRAGO eine Berechnung im Sinne von§ 18 BRAGO vor, ist das für seinen Vorschussanspruch unschädlich (Hartmann, a.a.O., Rn. 7). Erledigungen im Sinne von§ 16 BRAGO ist die Erfüllung der eigentlichen anwaltlichen Tätigkeit ohne bürotechnische Abwicklung (BGH Anwaltsblatt 1985, 257). Die Beendigung tritt unabhängig davon spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (Auftrag erlischt nach § 115 Abs. 1 InsO; Hartmann, a.a.O., § 16 Rn. 8).
Nach diesen Kriterien war die beauftragte anwaltliche Tätigkeit des Beklagten nach dem unbestritten gebliebenen erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten jedenfalls nicht vor dem 20.12.2001 beendet. Das Insolvenzverfahren ist erst danach, nämlich am 01.02.2002 eröffnet worden. Der Beklagte hat auf den gerichtlichen Hinweis vom 06.05.2004 (Bl. 39 R d.A.), der Beklagte möge die Vorschusseigenschaft der Zahlungen näher substanziieren, in dem Schriftsatz vom 25.06.2004 im Einzelnen dargelegt (Seite 3 f. = Bl. 56 - 59 d.A.), dass er einenumfassenden Auftrag zur anwaltlichen Beratung und Begleitung im Zusammenhang mit dem Insolvenzantragsverfahren und den Bemühungen zur Abwendung der Insolvenz hatte und welche anwaltlichen Tätigkeiten er nach dem 12.11.2001 auftragsgemäß noch erbringen sollte und erbracht hat. Danach scheiterten die vom Beklagten auftragsgemäß anwaltlich begleiteten Übernahmegespräche zur Abwendung der Insolvenz frühestens am 20.12.2001. Das ist von dem Kläger auch nicht mehr bestritten worden (§ 138 Abs. 2 und 3 ZPO).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist es daher auch unschädlich, dass in der Rechnung des Beklagten vom 12.11.2001 nicht aufgeschlüsselt ist, wie weit dort Zahlung für erbrachte und für noch nicht erbrachte anwaltliche Leistungen gefordert wird. Denn - wie ausgeführt - für die Entstehung und Fälligkeit des Vorschussanspruches ist dies nicht Voraussetzung, insbesondere auch nicht die Aufschlüsselung einzelner Tätigkeitsbestandteile, die noch ausstehen (z.B. die seinerzeit noch ausstehenden Übernahmegespräche zur Insolvenzabwendung).
Ob nach dem Zeitpunkt der letzten Zahlung am Vormittag des 12.11.2001 die weiteren Tätigkeiten des Beklagten noch weitere Gebührentatbestände auslösen konnten bzw. ausgelöst haben, ist unerheblich, da jedenfalls der Auftrag noch nicht erledigt und die Angelegenheit noch nicht beendigt gewesen ist (§ 16 S. 1 BRAGO).
b.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte mit den erhaltenen Vorschüssen überhöhtes Honorar vereinnahmt hat. Der Kläger ist dem vereinzelten Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 25.06.2004 (Bl. 58 bis 60 d.A.), auf das zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen wird und aus dem sich nachvollziehbar ergibt, dass die erhaltenen Honorarzahlungen weder nach Gegenstandswert noch nach Gebührenhöhe nicht übersetzt sind, nicht mehr entgegengetreten ( § 138 Abs. 2 und 3 ZPO); insoweit scheidet deshalb auch ein vertraglicher oder bereicherungsrechtlicherÜberzahlungsrückerstattungsanspruch außerhalb der Insolvenzordnung des Klägers (§ 80 Abs. 1 InsO) aus.
2.
Es kann dahinstehen, ob ein Anfechtungsgrund gemäß § 130 InsO (kongruente Deckung) vorliegt. Selbst wenn dies bei einer oder allen drei Zahlungen der Fall wäre, so steht der Anfechtbarkeit entgegen, dass es sich bei allen drei Vorschusszahlungen um Bargeschäfte gemäß § 142 InsO handelte.
a.
Hinsichtlich des Umstands, dass sich nach Aktenlage der Beklagte erstmals im Berufungsverfahren den "Einwand" des Bargeschäftes "erhoben" hat, kommt es nicht auf die Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO an. Es handelt sich um kein neues Angriffsmittel. § 142 InsO regelt kein auszuübendes Gestaltungsrecht, sondern beschreibt einen Privilegierungstatbestand, der auch dann eingreift und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wenn das bisherige Vorbringen dafür ausreicht. Das ist der Fall.
b.
Gemäß § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Der Tatbestand des § 142 InsO hindert eine Anfechtung nach § 130 InsO (zur - hier nicht vorliegenden, s. o. - inkongruenten Deckung vgl. BGHZ 123, 320 ff. [str.]; Müko-Kirchhof, InsO, § 142 Rn. 7 m.w.N.) selbst noch im Zeitraum nach Insolvenzantragstellung (Braun/Riggert, InsO, 2. Aufl., § 142 Rn. 22), d.h. sie erfasst hier auch die Anfechtung der Zahlung vom 12.11.2001.
Bereits das Reichsgericht hat ausgesprochen, dass ein Rechtsgeschäft den Charakter eines Bargeschäfts nicht verliere, wenn zwischen Vertragsschluss und Zahlung eine kurze Zeitspanne liege (RGZ 136, 152, 158 f.). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen. Ob ein Bargeschäft vorliege, entscheide sich nach der Verkehrsauffassung (BGH, Urt. v. 09.02.1955 - IV ZR 173/54 = LM KO § 30 Nr. 2). Zwischen Leistung und Gegenleistung darf eine gewisse Zeitspanne liegen, die allerdings nicht so lang sein darf, dass das Rechtsgeschäft den Charakter eines Kreditgeschäftes annimmt (Braun/Riggert, a.a.O., Rn. 14). Die Unmittelbarkeit zwischen der anwaltlichen Leistung und der Honorarvorschusszahlung im Sinne von § 142 InsO ist nach diesen Kriterien hier gegeben. Die Darlegungs- und Beweislast liegt hinsichtlich der Voraussetzungen des § 142 InsO beim Anfechtungsgegner - hier dem Beklagten -, da dieser für sich eine Privilegierung in Anspruch nimmt (Braun/Riggert, a.a.O., § 142 Rn. 21). Wie oben bereits ausgeführt, handelt es sich nach dem erstinstanzlich unbestrittenen tatsächlichen Vorbringen des Beklagten bei allen drei Zahlungen um Vorschusszahlungen nach § 17 BRAGO. Die Leistung als Vorschuss beinhaltet zwar begrifflich, dass sie gerade nicht für eine erbrachte Leistung erfolgt. Hat aber - wie hier - der Rechtsanwalt mit seiner Auftragsausführung bereits begonnen, so ist die Vorschusszahlung im Ergebnis auch für die bereits erbrachte anwaltliche Teilleistung geleistet, die hier höchstens vier bis fünfeinhalb Wochen zurücklag. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass es für die Qualifikation als Bargeschäft unerheblich ist, ob die Leistung vor der Gegenleistung oder die Gegenleistung des Begünstigten vor der Leistung des Schuldners erbracht wird (BGH ZIP 1999, 665; Hölzle, DStR 2003, 2075, 2077). Die hier noch zu erbringenden anwaltlichen Leistungen (Begleitung und Beratung im Insolvenzantragsverfahren bzw. Begleitung und Beratung in den Verhandlungen über die Übernahme des Unternehmens zur Abwendung der Insolvenz) standen jeweils unmittelbar bevor. Der BGH hat für den vergleichbaren Fall der Konkursanfechtung nach § 30 Nr. 1, 2. Fall KO (kongruente Deckung) entschieden, dass der für die Annahme des Ausnahmetatbestandes des Bargeschäftes erforderliche unmittelbare Zusammenhang noch zu bejahen ist, wenn eine Honorarzahlung für ernsthafte und nicht von vornherein aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen zum Fälligkeitszeitpunkt erfolgt (BGH, Urt. v. 18.07.2002 - IX ZR 480/00, Gründe II 2. a) bb) = NJW 2002, 3252, 3253 [BGH 18.07.2002 - IX ZR 480/00]) [BGH 18.07.2002 - IX ZR 480/00]. Das ist hier der Fall, weil die Vorschusszahlungen zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (§ 17 BRAGO) geleistet worden sind. Ein Zeitraum, welcher dem Rechtsgeschäft den Charakter eines Kreditgeschäftes verliehen hätte, liegt zweifellos nicht vor. Dass die Übernahmegespräche Ende 2001 nicht dazu geführt haben, die Schuldnerin vor der Insolvenz zu retten, ist unerheblich (vgl. BGH a.a.O.). Honorare für Sanierungskonzepte sind, sofern sie als angemessen anzusehen sind, auch dann als Bardeckungen anzusehen, wenn das Sanierungskonzept scheitert, solange es nicht von Anfang an ohne jede Erfolgsaussicht war (BGH a.a.O.; Braun/Riggert, a.a.O., § 142 Rn. 10; F K - Dauernheim, InsO, § 142 Rn. 3 m.w.N.). Dafür, dass die vom Beklagten geleiteten Sanierungsbemühungen von Anfang an ohne jede Erfolgsaussicht waren, ist nichts ersichtlich.
3.
Ein Anfechtungsgrund wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung, § 133 InsO, ist nicht festzustellen.
Hierfür fehlt es an einem Vorsatz der Schuldnerin, ihre (anderen) Gläubiger durch die Zahlungen an den Beklagten zu benachteiligen. Erforderlich ist für den Benachteiligungsvorsatz mindestens, dass der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger billigend in Kauf nimmt (Braun/de Bra, a.a.O., § 133 Rn. 9). Soweit der Schuldner, der sich die Benachteiligung der Gläubiger als doch möglich vorgestellt hat, deren Eintritt aber weder erwartet noch gewünscht hat, fehlt es am Benachteiligungsvorsatz (de Bra a.a.O., Rn. 10; Nehrlich/Römermann, InsO, § 133 Rn. 21). So liegt es etwa dann, wenn der Schuldner die Möglichkeit der Benachteiligung erkannt hatte, aber erhoffte, die Insolvenz noch abwenden zu können (BGH ZIP 1998, 793, 800; de Bra a.a.O., Rn. 11).
Hier lag dem Geschäftsführer der Schuldnerin bei den Zahlungen das Privatgutachten der - Firma 1 - vom 22.10.2001 vor, wonach noch keine Zahlungsunfähigkeit bestand, diese aber drohte. Auch muss er zwar davon gewusst haben, dass Lieferantenzahlungen ab Oktober 2001 und Restlohnforderungen für den Monat Oktober 2001 Anfang November 2001 noch nicht gezahlt worden waren. Gleichwohl ergibt sich aber aus dem unbestrittenen Gesamtverhalten des Geschäftsführers der Schuldnerin, dass diese mindestens bis zum 20.12.2001 (Übernahmegespräch) hoffte, die Insolvenz noch abwenden zu können. Der Beklagte hat unwiderlegt vorgetragen, dass die Vorschusszahlungen auch in Unkenntnis des endgültigen Ausbleibens der von der V-Lux S. A. angekündigten Zahlung von 800.000,00 DM erfolgt sind. Die danach - nicht ersichtlich von vornherein aussichtslosen - und vom Beklagten unterstütztenÜbernahmegespräche mit dem weiteren Investor sind jedenfalls nicht vor dem 20.12.2001 gescheitert. Im Übrigen ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Schuldnerin nicht der Auffassung gewesen ist, mit der Leistung ihrer Verpflichtung aus dem Anwaltsvertrag nachzukommen, als sie die Zahlungen geleistet hat. Eine solche Auffassung schließt ebenfalls einen Vorsatz im Sinne von § 133 Abs. 1 InsO aus (vgl. Braun/de Bra, a.a.O., § 133 Rn. 12). Der Kläger hat die für die Vorsatzanfechtung erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen mithin nicht nachgewiesen. Die Beweislast für den Schuldnervorsatz nach § 133 Abs. 1 InsO liegt nach allgemeinen Grundsätzen sowie im Rückschluss aus der speziell für - die hier nicht gegebenen - Verhältnisse unter engen Angehörigen gesetzlich geregelten Beweislastumkehr ( § 133 Abs. 2 InsO) beim Anfechtenden (vgl. Kübler/Prütting/Paulus, InsO, § 142 Rn. 17; Riggert, a.a.O., § 142 Rn. 21).
Da - wie oben ausgeführt - eine inkongruente Deckung nicht festzustellen ist, kommt dem Kläger insoweit auch keine Beweiserleichterung zugute (vgl. BGH ZIP 1997, 513, 515; 2000, 82, 83; de Bra, a.a.O., Rn. 13). Eine Beweiserleichterung greift zu seinen Gunsten auch nicht mit Rücksicht auf die Vorschusszahlung vom 12.11.2001 ein, die nach der Insolvenzantragstellung geleistet worden ist. Zwar hat der Geschäftsführer der Schuldnerin ausweislich des Protokolls der Insolvenzantragsstellung beim Amtsgericht Göttingen im Beisein des Beklagten angegeben, "Die Firma ist m. E. zahlungsunfähig. Die fälligen Verbindlichkeiten belaufen sich auf ca. 2,9 Mio. DM, die nicht beglichen werden können" (Bl. 38 d. A). Jedoch hätten die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch avisierte Zahlung von 800.000,00 DM und die von dem Beklagten vorgetragene und unbestritten gebliebene (vgl. Bl. 20 ff., 35 a bis 37, 61 d.A.) Bürgschaften der V-Lux S. A. zugunsten der Schuldnerin über ca. 18,7 Mio. DM ausgereicht, um die Verbindlichkeiten zu decken. Eine Beweiserleichterung zugunsten des Klägers hinsichtlich der Vorschusszahlung vom 12.11.2001 mit der Begründung, dass diese nach dem Insolvenzeröffnungsantrag vom Beklagten angefordert und entgegengenommen worden ist, liefe darauf hinaus, dass in die Vorschrift der Vorschussanfechtung des § 133 Abs. 1 InsO ein zusätzlicher, den Anfechtenden privilegierender Tatbestand implementiert wird, der § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO entspricht. Derartiges zu regeln muss aber dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Denn ein Bedürfnis für Beweiserleichterungen im Bereich der Vorsatzanfechtung hat der Gesetzgeber gesehen und bisher - wie sich aus § 133 Abs. 2 InsO ergibt - nur für den Fall der entgeltlichen Verträge mit nahestehenden Personen bejaht.
Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren behauptet, dass es dem Beklagten bei der Entgegennahme der Zahlungen gerade darauf angekommen sei, gegenüber den übrigen Gläubigern bevorzugt zu werden, ist dieses Vorbringen unsubstanziiert und im Übrigen auch präkludiert, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 1. Alternative ZPO. Die Frage, ob zugunsten des anfechtenden Insolvenzverwalters bei der bei Bargeschäften einzig verbleibenden Möglichkeit der Vorsatzanfechtung Beweiserleichterungen Platz greifen, und zwar insbesondere dann, wenn das Bargeschäft nach einer beiden Parteien des Bargeschäfts bekannten Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrages vorgenommen worden ist, ist eine Frage, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschl. v. 28.04.2004 - IV ZR 144/03 = VersR 2005, 140 f.;Beschluss vom 27.03.2003 - V ZR 291/02 = NJW 2003, 1943, 1944 [BGH 27.03.2003 - V ZR 291/02]; Beschluss vom 01.10.2002 - XI ZR 71/02 = NJW 2003, 65, 67 [BGH 01.10.2002 - XI ZR 71/02]) [BGH 01.10.2002 - XI ZR 71/02]. Es gibt eine große und leider immer größer werdende Anzahl von Fällen, in denen Unternehmen die Insolvenz droht und in denen sich deren Vertreter gerade deswegen fachlicher Hilfe von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder sonstiger Experten bedienen. Nimmt der Rechtsanwalt oder Steuerberater ein Beratungsmandat im Vorfeld der drohenden und erkannten Insolvenz an oder wirkt es fort, so wird sich für ihn immer auch die Frage nach der Durchsetzbarkeit seiner Honoraransprüche stellen. Die Mandatierung des Rechtsanwalts oder Steuerberaters im Vorfeld der Insolvenz ist von einem Gegensatz geprägt: Dem vielfach erheblichen Beratungsbedarf des Mandanten steht die große Unsicherheit des Beraters in Bezug auf die Durchsetzbarkeit und Sicherung seiner Honoraransprüche gegenüber (Hölzle: Das Steuerberatungsmandat in der Insolvenz des Mandanten - Mandatsfragen im Vorfeld der Insolvenz, im vorläufigen und im eröffneten Insolvenzverfahren, DStR 2003, 2075, 2076). Insoweit fehlen - soweit ersichtlich - bislang auch Leitsätze, jedenfalls für die Auslegung und Anwendung der §§ 142, 133 Abs. 1 InsO in dem vorliegenden und typischen (vgl. BGH NJW 2003, 1943, 1945 [BGH 27.03.2003 - V ZR 291/02]) [BGH 27.03.2003 - V ZR 291/02] Sachverhalt, in welchem ein Rechtsanwalt oder Steuerberater gerade wegen und damit stets in Kenntnis der Krise zur fachlichen Begleitung bzw. Abwendung der Insolvenzgefahr hinzugezogen wird.
[s. Streitwertbeschluss]
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 19.07.2005 (Bl. 153 ff. d.A.) gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).
Der festgesetzte Streitwert entspricht dem vom Beklagten geltend gemachten Interesse an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung, §§ 3 ZPO, 47 GKG.