Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.10.2009, Az.: 1 A 180/09
Erkennungsdienstliche Richtlinien des Bundeskriminalamtes; Jugendliche; erkennungsdienstliche Behandlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 21.10.2009
- Aktenzeichen
- 1 A 180/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44104
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:1021.1A180.09.0A
Rechtsgrundlage
- 81b 2. Alt. StPO
Amtlicher Leitsatz
Bei Jugendlichen ist eine erneute erkennungsdienstliche Behandlung drei Jahre nach der letzten Behandlung zulässig.
Tatbestand:
Der 17jährige Kläger wendet sich gegen die erneute Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Er ist bereits Ende 2006 erkennungsdienstlich behandelt worden.
Gegen ihn wurde am 24.04.2009 ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung eingeleitet. Der Kläger soll einem Mitschüler während des Sportunterrichts mit der Faust auf das linke Auge geschlagen haben. Im Ermittlungsverfahren hat er sich nicht geäußert. Nachdem der Mitschüler seinen Strafantrag zurückgenommen hat, weil der Konfliktfall schulintern einvernehmlich geregelt wurde, ist das Ermittlungsverfahren am 19.06.2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Mit Bescheid vom 11.06.2009 ordnete die Beklagte unter Bezugnahme auf das Ermittlungsverfahren an, dass sich der Kläger einer erkennungsdienstlichen Maßnahme gemäß § 81b 2. Alt. StPO zu unterziehen habe. Nach dem Bescheid umfasst die Maßnahme die Abnahme von Fingerabdrücken, Handflächen- und Handkantenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern bzw. Portraitaufnahmen sowie die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale (u.a. Fotografieren und Vermessen von Tätowierungen und anderen Körpermalen wie z.B. Narben). Die Notwendigkeit der Maßnahme begründete die Beklagte damit, dass gegen den Kläger 2006 wegen Hausfriedensbruch sowie 2007 und 2008 wegen schweren Diebstahls Ermittlungsverfahren anhängig gewesen seien. Der Kläger sei deshalb in den Kreis potentieller Beteiligter noch aufzuklärender strafbarer Handlungen einzubeziehen.
Am 03.07.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass die erkennungsdienstliche Behandlung nicht notwendig sei, weil bei ihm keine Wiederholungsgefahr bestehe. Das Verfahren wegen Hausfriedensbruch, bei dem der Kläger 14 Jahre alt war, sei eingestellt worden. Er habe bei einem Freund übernachtet. Dabei sei es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen seinem Freund und dessen Vater gekommen. Für ihn völlig überraschend sei dann die Polizei erschienen und habe ihn mit zum Polizeirevier genommen. In dem Verfahren 2007 habe er in alkoholisiertem Zustand eine Scheibe beschädigt. Da er sein Fehlverhalten eingesehen habe und den Schaden wieder gut machen wollte, sei das Verfahren nach einem Ermahnungsgespräch eingestellt worden. Im Jahr 2008 sei er mit einem alten, rostigen, defekten, herrenlosen und schrottreifen Fahrrad gefahren. Das Verfahren sei ebenfalls eingestellt worden. Soweit gegen ihn im Jahr 2005 wegen leichter Körperverletzung und Erschleichen von Leistungen ermittelt worden sei, seien diese Verfahren nicht zu berücksichtigen, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht strafmündig gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.06.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, bei dem Kläger sei davon auszugehen, dass er auch in Zukunft Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben werde. Seit 2005 seien sechs Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt worden. Es handele sich auch nicht etwa um eine Häufung auf eine zeitlich begrenzte, besonders schwierige Entwicklungsphase, sondern sie verteilten sich kontinuierlich auf jedes Jahr. Die verfolgten Delikte zeigten größtenteils denselben Delikttypus auf, nämlich Gewalt gegen Sachen oder Personen. Aufgrund der Kontinuität der Taten sei es nach kriminalistischer Erfahrung wahrscheinlich, dass der Kläger weiterhin mit Straftaten im Gewaltbereich in Erscheinung treten werde. Gegen eine erneute erkennungsdienstliche Behandlung spreche auch nicht, dass der Kläger bereits im Dezember 2006 erkennungsdienstlich behandelt worden sei. Gerade im Alter zwischen 14 und 18 Jahren veränderten Menschen ihr Aussehen erheblich. Deshalb würden die Erkennungsdienstlichen Richtlinien des Bundeskriminalamtes bei Betroffenen unter 18 Jahren eine erneute vollständige Behandlung vorsehen, wenn die letzte mehr als ein Jahr zurückliege.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung den Mitarbeiter H. der Beklagten, der für Fragen der Kriminaltechnik und der erkennungsdienstlichen Behandlung zuständig ist, informatorisch zu Veränderungen der Fingerabdrücke, der Handflächen- und Handkanten-abdrücke von Jugendlichen und zum entsprechenden Datenabgleich im polizeilichen Informationssystem befragt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Befragung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Akten der StA Göttingen 15 Js 11929/07, 19 Js 26674/08 und 19 Js 17921/09 sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einschlägige Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 81b 2. Alt. StPO. Gemäß dieser Bestimmung dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung Beschuldigter i.S.d. § 81b Alt. 2 StPO. Die Anordnung war durch das gegen ihn geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung gemäß § 223 StGB veranlasst. Für die Rechtmäßigkeit der Anordnung ist es unerheblich, dass das Strafverfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen ist, denn ein Wegfall der Beschuldigteneigenschaft nach Abschluss des Verfahrens spielt für die Frage der Rechtmäßigkeit der erkennungsdienstlichen Anordnung keine Rolle (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192 [BVerwG 19.10.1982 - BVerwG 1 C 29.79] und vom 23.11.2005 - 6 C 2/05 -, NJW 2006, 1225 [BVerwG 23.11.2005 - BVerwG 6 C 2.05]; Nds. OVG, Beschluss vom 20.11.2008 - 11 ME 297/08 -, juris).
Die Anordnung war auch für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig. Die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO dient nicht der Überführung des Beschuldigten in einem bestimmten Strafverfahren, sondern soll nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung vorsorglich - ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren - sächliche Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung von Straftaten bereitstellen (BVerwG, Urteil vom 23.11.2005, a.a.O.; Nds. OVG, Beschluss vom 20.11.2008, a.a.O.). Dementsprechend bemisst sich die Notwendigkeit einschlägiger Maßnahmen danach, ob die aktuelle strafrechtliche Ermittlung gegen den Betroffenen nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (BVerwG, Urteil vom 19.10.1982, a.a.O.; Nds. OVG, Beschluss vom 20.11.2008, a.a.O.). Als Entscheidungskriterien können die Art und Schwere der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, die Begehungsweise, die kriminelle Energie, die der Beschuldigte an den Tag gelegt hat, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, währenddessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 19.10.1982, a.a.O.; Nds. OVG, Beschlüsse vom 20.11.2008, a.a.O. und vom 24.10.2007 - 11 ME 309/07 -, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob eine erkennungsdienstliche Behandlung notwendig ist, ist zu berücksichtigen, dass eine Korrektur einer unzutreffend unterbliebenen Behandlung nicht mehr möglich ist.
Ist eine erkennungsdienstliche Behandlung unterblieben, so fehlen der Polizei ggf. später die Unterlagen, die die Erforschung und Aufklärung einer Straftat - unter Umständen entscheidend, sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Betreffenden - fördern könnten ( Nds. OVG, Urteil vom 28.06.2007 - 11 LC 372/06 -, juris). Notwendig für Zwecke des Erkennungsdienstes ist nur die Erhebung solcher erkennungsdienstlicher Daten, die für zukünftige Ermittlungen geeignet sind und diese fördern könnten. Wegen der Begrenzung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen auf das notwendige Maß darf im konkreten Einzelfall die Schwere des mit der erkennungsdienstlichen Behandlung verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen (Nds. OVG, Beschluss vom 20.11.2008, a.a.O.; Urteil vom 28.06.2007, a.a.O.). Das der polizeilichen Prognoseentscheidung zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil über das künftige Verhalten des Beschuldigten unterliegt nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfbarkeit dahingehend, ob die Prognose auf zutreffenden Tatsachen beruht und ob sie nach gegebenem Kenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist. Das Merkmal der Notwendigkeit ist hingegen gerichtlich voll überprüfbar ( VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, DÖV 2004, 440 [VGH Baden-Württemberg 18.12.2003 - 1 S 2211/02]).
Aufgrund der präventiv-polizeilichen Ausrichtung als Strafverfolgungsvorsorge entfällt die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen i.S.d. § 81b 2. Alt. StPO jedoch nicht bereits dadurch, dass gegen den Betroffenen geführte Strafverfahren eingestellt wurden. Bei der Prognose, ob eine Wiederholungsgefahr vorliegt, kann ein Tatvorwurf - auch hinsichtlich der Anlasstat - selbst dann berücksichtigt werden, wenn das Strafverfahren nach §§ 153 ff. StPO, § 170 Abs. 2 StPO oder § 45 JGG eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 26.02.2009 - 11 LB 431/08 -, Nds.VBl. 2009, 202 ff.; Beschluss vom 12.8.2008 - 11 LA 257/08 - m.w. Nachw.). Die Einstellung des Verfahrens bringt nämlich nicht zum Ausdruck, dass der Tatverdacht gegen den Betroffenen ausgeräumt wäre. Vielmehr wird darauf abgestellt, ob die Schuld des Täters als gering anzusehen ist (§ 153 Abs. 1 S. 1 StPO, § 45 JGG i.V.m. § 153 StPO), ob von der Anklage unter Auflagen und Weisungen abgesehen werden kann, weil die Schwere der Schuld nicht entgegen steht (§ 153a Abs. 1 S. 1 StPO) bzw. ob die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage bieten (§ 170 Abs. 1 StPO), weil der Tatvorwurf wahrscheinlich bewiesen werden kann und die Überführung des Beschuldigten zu erwarten ist. Derartige Einschätzungen der Strafverfolgungsbehörde stehen einer Bewertung des zugrunde liegenden "Anfangsverdachts" sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Vielmehr ist unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles die Frage zu beantworten, ob mit der Einstellung eines Strafverfahrens der Tatverdacht gegen den Beteiligten vollständig entfallen ist oder ob ein "Restverdacht" gegeben ist, weshalb begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beteiligte auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen geben könne.
Für die Beurteilung der Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist nicht (nur) auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahmen abzustellen. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle kommt es deshalb auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1982, a.a.O.; Nds. OVG, Urteile vom 21.02.2008 - 11LB 417/07 -, Nds. VBl. 2008, 174, vom 28.06.2007, a.a.O. und vom 28.09.2006 - 11 LB 53/06 -, Nds. VBl. 2007, 42).
In Anwendung dieser Grundsätze besteht nach Auffassung des Gerichts eine hinreichende Erkenntnisgrundlage, um die Einschätzung der Beklagten zu stützen, dass der Kläger auch künftig als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an noch aufzuklärenden strafbaren Handlungen einbezogen werden könnte.
Der Kläger ist seit 2005 und damit über mehrere Jahre hinweg mit strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu unterschiedlichen Gegenständen überzogen worden. Dabei kommt allerdings den Verfahren in den Jahren 2005 und 2006 keine entscheidende Bedeutung zu. Einerseits war der Kläger 2005 noch nicht strafmündig. Andererseits sind diese Verfahren bereits bei der Entscheidung über die erkennungsdienstliche Behandlung Ende 2006 berücksichtigt worden. Aber die beiden Verfahren in den Jahren 2007 und 2008 durfte die Beklagte trotz der Einstellung ihrer Beurteilung zugrunde legen. 2007 hat der Kläger mit seinen Schuhen die Scheibe eines Einzelhandelsgeschäftes so heftig eingetreten, dass ein Glaselement fast völlig zerstört wurde. Aus dem Geschäft sind später von anderen Tätern alkoholische Getränke im Wert von ca. 1 700 Euro entwendet worden. Der Kläger hat die Sachbeschädigung zugegeben. Im Jahr 2008 hat der Kläger ein angeschlossenes, wenn auch altes Fahrrad entwendet, um damit von Göttingen nach hause in Bovenden zu fahren. Auch dies hat der Kläger zugegeben. Das Ermittlungsverfahren wegen der Anlasstat ist ebenfalls eingestellt worden. Allerdings spricht in diesem Fall einiges dafür, dass der Kläger das vorgeworfene Verhalten, nämlich ein Faustschlag in das Gesicht eines Mitschülers, begangen hat. Neben der Aussage des Opfers findet sich im Ermittlungsvorgang (19 Js 17921/09) noch eine bestätigende Zeugenaussage sowie ein ärztliches Attest und ein Foto von der Verletzung des Opfers. Nach alledem sind die Verfahren gegen den Kläger nicht wegen erwiesener Unschuld eingestellt worden und durften von der Beklagten bei ihrer Prognose berücksichtigt werden.
Dem Kläger kommt im Rahmen der Überprüfung der von der Beklagten getroffenen Prognose nicht zugute, dass die in der Vergangenheit gegen ihn gerichteten Strafvorwürfe nicht einen einheitlichen Deliktstypus (beispielsweise Eigentumsdelikte bzw. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit) sondern verschiedene Deliktsbereiche betrafen.
Richtigerweise hat die Beklagte die Strafverfahren aus den Jahren 2007 und 2008 in die Prognose einbezogen. Diese nicht notwendig gleichgewichtigen Vorgänge tragen in ihrer Gesamtheit die Annahme einer der kriminalpolizeilichen Einschätzung entsprechenden inneren Einstellung bzw. charakterlichen Veranlagung des Klägers, sich zum Nachteil anderer über strafbewehrte Rechtsvorschriften hinwegzusetzen, ohne dass sich insoweit deliktstypische Verhaltensweisen festzustellen ließen (vgl. dazu Nds. OVG, Urteil vom 26.02.2009, a.a.O.). Die Taten des Klägers sind in dieser Häufung auch nicht mehr als Bagatellen anzusehen, wie der Kläger zu vermitteln versucht. Es handelte sich erst um Gewalt gegen Sachen, jetzt um Gewalt gegen Personen. Dabei ist der Kläger bereits einmal erkennungsdienstlich behandelt worden, so dass ihm selbst aufgrund seines jugendlichen Alters die Konsequenzen seines Handelns bewusst sein musste. Trotzdem ist er wieder strafrechtlich auffällig geworden. Dies alles rechtfertigt die Prognose, dass der Kläger künftig wiederum Straftaten begehen wird.
Dass Finger-, Handflächen- und Handkantenabdrücke sowie die Aufnahme von Lichtbildern/Portraits und Feststellung von äußeren körperlichen Merkmalen künftige polizeiliche Ermittlungen gerade bei Sachbeschädigungen und Körperverletzungen, wie sie der Kläger in der Vergangenheit verübt hat, fördern können, bedarf keiner näheren Begründung.
Die erneute erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers knapp drei Jahre nach der letzten Abnahme ist auch verhältnismäßig. Finger- und Handflächenabdrücke eines Menschen sind zwar grundsätzlich von Natur aus unveränderlich. Es ist allerdings anerkannt, dass insbesondere Verletzungen mit späterer Narbenbildung, mechanische oder chemische Beanspruchung, vor allem bei Personen, die viel mit den Händen arbeiten, Krankheiten und nicht zuletzt der natürliche Alterungsprozess Veränderungen der Haut bewirken können, die zumindest den Abgleich von Tatortspuren mit älteren Finger- und Handflächenabdrücken erschweren oder sogar unmöglich machen können und deshalb eine erneute Abnahme grundsätzlich zulässig ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 21.02.2008 - 11 LB 417/07 -, juris und Urteil vom 28.06.2007 - 11 LC 372/06 -, www.dbovg.niedersachsen. de). Das Nds. OVG hat bei einem Erwachsenen einen Zeitraum von fünf Jahren für die Durchführung einer erneuten vollständigen Erkennungsdienstlichen Behandlung unter Abnahme von Zehnfinger- und Handflächenabdrücken unter Heranziehung der erkennungsdienstlichen Richtlinien des Bundeskriminalamts (Stand: 18.8.2004, Bundeskriminalblatt 2004 Nr. 244, Ziffer 5.2.2 Satz 2, 2. Spiegelstrich) als zulässig angesehen (Urteil vom 21.02.2008, a.a.O.). Die Beklagte beruft sich bei der erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers auf Ziffer 5.2.2. 1. Spiegelstrich dieser Richtlinie. Danach ist eine vollständige erkennungsdienstliche Behandlung bei Personen unter 18 Jahren nach einer Zeitspanne von einem Jahr notwendig. Dagegen bestehen keine Bedenken. Herr H. hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, warum in Bezug auf Jugendliche ein kürzerer Zeitraum zwischen zwei erkennungsdienstlichen Behandlungen als bei Erwachsenen notwendig ist.
So erläuterte er, dass sich die Fingerabdrücke ihrem Grunde nach nicht veränderten, aber hinsichtlich ihrer Größe. Durch das Wachstum in der Zeit bis zum 18. Lebensjahr veränderten sich die Größenverhältnisse bei den Finger-, Handflächen- und Handkantenabdrücken. Das polizeiliche Informationssystem sei darauf angelegt, Tatortspuren mit dem vorhandenen Datenbestand abzugleichen. Es sei davon auszugehen, dass das System wegen der unterschiedlichen Größenverhältnisse die Finger- bzw. Handflächenabdrücke eines 14jährigen Jugendlichen nicht Tatortspuren desselben Jugendlichen im Alter von 17 oder 18 zuordnen könne. Das in Göttingen verwendete System entspreche dabei dem neusten Stand der Technik. Das Gericht folgt diesen überzeugenden Ausführungen. Eine längere Zeitspanne ist auch nicht mit Blick auf das Paßgesetz gerechtfertigt. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 PaßG beträgt die Gültigkeit eines Reisepasses bei Personen, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sechs Jahre. Der Pass enthält inzwischen auch Fingerabdrücke (§ 4 Abs. 3 PaßG). Zu der unterschiedlichen Behandlung erklärte Herr H., dass der Abgleich von Fingerabdrücken in einem Pass durch eine völlig andere Technik erfolgen. Es werde nämlich nur der Fingerabdruck des Passinhabers mit dem Abdruck im Pass verglichen und nicht mit einer großen Anzahl von Fingerabdrücken wie im Polizeisystem. Dadurch sei der Abgleich wesentlich leichter und die Größenverhältnisse spielten keine entscheidende Rolle. Dies hält das Gericht für nachvollziehbar. Die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken nach drei Jahren ist deshalb nicht zu beanstanden.
Dies gilt erst recht für die erneute Aufnahme von Lichtbildern bzw. Portraitaufnahmen sowie die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, denn im Alter bis 18 Jahren verändern sich Jugendliche durch das Wachstum und Herausbilden der eigenen Persönlichkeit äußerlich wesentlich. Handkantenabdrücke des Klägers lagen bisher noch nicht vor, weil diese Maßnahme erst mit Einführung des neuen Systems im Jahr 2008 in die erkennungsdienstlichen Behandlung mit aufgenommen worden ist.