Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.10.2009, Az.: 2 A 68/08

Abwendung; Abwendungsbefugnis; Allgemeinwohl; Außenbereich; Flächennutzungsplan; Teilfläche; Verkaufsgegenstand; Vertragsgegenstand; Vertragsinhalt; Verwendungszweck; Vorkaufsrecht; Wohnbaufläche

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.10.2009
Aktenzeichen
2 A 68/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50670
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte.

2

Mit notariellem Kaufvertrag vom 8. September 2004 erwarb die Klägerin von dem Landwirt J. K., dem Kläger im Verfahren 2 A 67/08, in der Gemarkung L. liegende Grundstücksflächen. Im Einzelnen handelte es sich um eine 1.156 m 2 große Teilfläche des insgesamt 2.500 m 2 großen Flurstücks 334/98 und eine 1.310 m 2 große Teilfläche des insgesamt 4.008 m 2 großen Flurstücks 98/35, jeweils in der Flur 7 der Gemarkung L. gelegen, zu einem Quadratmeterpreis von 2,50 Euro, das sind insgesamt 6.165,00 Euro. Die Grundstücke befinden sich östlich angrenzend an das Bebauungsgebiet „M. N.“ in L.. Im gültigen Flächennutzungsplan sind die Flächen als solche für Wohnungsbau “W“ dargestellt. Das Flurstück xxx/xx liegt fast zur Gänze in der Schutzzone II der Verordnung über die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets für die Wassergewinnungsanlage des Wasserwerkes W. vom 16. März 1994.

3

Zugunsten der Klägerin ist in Abteilung II des Grundbuchs von L., Blatt xxx am 11. Oktober 2004 eine Auflassungsvormerkung für diese Flächen eingetragen worden. Die Auflassung selbst sollte vertragsgemäß unverzüglich nach Vorlage des katasteramtlichen Vermessungsergebnisses erfolgen. Weder eine Vermessung erfolgte noch die Auflassung und folglich auch eine Eigentumsumschreibung nicht. Die Beklagte übte ihr Vorkaufsrecht seinerzeit nicht aus und erteilte ein Negativattest.

4

Unter dem 22. November 2007 schlossen der Landwirt K. und die Klägerin einen weiteren notariellen Grundstückskaufvertrag, der dieselben Grundstücke zum Gegenstand hatte. In dem Vertrag finden sich folgende Formulierungen:

5

„Der Verkäufer hat mit Vertrag vom 8.9.2004 an die Käuferin jeweils eine Teilfläche zur Größe von 1.310 m 2 an dem Flurstück xx/xx und zur Größe von 1.156 m 2 an dem Flurstück xxx/xx veräußert. Nunmehr vereinbaren die Erschienenen, dass an die Klägerin der gesamte Grundbesitz veräußert wird. Eine Teilung und Vermessung ist nicht mehr erforderlich…..

6

Der Kaufpreis beträgt 2,50 Euro pro Quadratmeter, folglich insgesamt ca. 16.270,00 Euro. Davon sind bereits 6.165,00 Euro bezahlt. Der Restkaufpreis in Höhe von 10.105,00 Euro ist am 1. Dezember 2007 fällig und zahlbar……

7

Das Kaufgrundstück soll dem Käufer am 1. Januar 2008 zum Besitz übergeben werden…..

8

Auf die Eintragung einer weiteren Vormerkung bezüglich der Restfläche wird verzichtet. Mit der Eigentumsumschreibung soll die eingetragene Vormerkung gelöscht werden, was hiermit bewilligt und beantragt wird……“

9

Unstreitig sind die Notargebühren für die Beurkundung dieses Vertrages auf der Basis eines Kaufpreises von 10.105,00 Euro abgerechnet und ist die Grunderwerbsteuer auf diesen Kaufpreis erhoben worden.

10

Am 8. Januar 2008 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Ausübung des Vorkaufsrechts an, nachdem der o.a. Vertrag bei ihr am 29. November 2007 eingegangen war. Die Klägerin ließ daraufhin durch anwaltlichen Schriftsatz u.a. erklären, dass sie beabsichtige, von der Abwendungsbefugnis des § 27 Abs. 1 BauGB Gebrauch zu machen, und machte nähere Ausführungen hierzu.

11

Mit an den Verkäufer gerichtetem Bescheid vom 22. Januar 2008 übte die Beklagte an dem zu veräußernden Grundstück, Flurstücke xxx/xx und xx/xxx der Flur x in der Gemarkung L. das gesetzliche Vorkaufsrecht aus. Das Grundstück solle für die Entwicklung von Wohnbauflächen dienen. Das Vorkaufsrecht umfasse das gesamte vorbenannte - aus zwei Flurstücken bestehende - Grundstück. Zur Begründung gab die Beklagte unter Berufung auf § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Wesentlichen an, die Darstellung des Flächennutzungsplanes für die Grundstücke als “Wohnbaufläche“ sei nach wie vor aktuell und entspreche ihren Entwicklungszielen. Insbesondere wegen seiner vergleichsweise zentralen Lage zwischen dem Neubaugebiet „M. N.“ und der bisherigen Bebauung der östlichen O. Straße besäßen die Flächen für eine mittel- und langfristige Siedlungsentwicklung besondere Relevanz. Entsprechendes habe sie in ihrem am 14. September 2007 von ihrem Rat beschlossenen städtebaulichen Planungsleitbild „Leitbild 2020 - D. stellt sich der Zukunft“ festgelegt. Auch eine Wohnungsneubaunachfrage sei vorhanden, insbesondere weil die Flächen nahe zum Nordbereich der Universität gelegen seien, der erheblich erweitert worden sei. Das Problem, dass die Grundstücke am Rande eines Wasserschutzgebiets lägen, sei unschädlich und könne im Bauleitplanverfahren gelöst werden. Unschädlich sei weiter, dass sie im Jahre 2004 für den Verkauf von Teilflächen des nunmehr streitbefangenen Grundstücks ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt habe; sie habe ihre planerischen Vorstellungen geändert und den aktuellen Entwicklungen angepasst. Das Vorkaufsrecht erstrecke sich auf das gesamte Grundstück mit einer Fläche von 6.508 m 2 . Der Vertrag vom 8. September 2004 sei nicht vollzogen und durch den Vertrag vom 22. November 2007 ersetzt worden.

12

Diese Entscheidung teilte die Beklagte am selben Tage auch der Klägerin mit. Gleichzeitig verneinte sie eine Abwendungsbefugnis nach § 27 BauGB. Hiergegen legten sowohl der Veräußerer wie die Klägerin am 1. Februar 2008 Widerspruch ein. Die Klägerin erklärte noch einmal ihre Bereitschaft, die künftige Planung für sich als rechtsverbindlich anzuerkennen. Unabhängig davon könne die Beklagte durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht Eigentümerin der gesamten Flächen werden. Denn mit dem Vertrag vom 22. November 2007 sei nur noch die gegenüber dem Vertrag vom 8. September 2004 verbleibende Teilfläche veräußert worden. Schließlich sei zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch für die im September 2004 veräußerte Teilfläche eingetragen. Dies stehe einem Eigentumserwerb durch die Beklagte entgegen. Diese Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2008 zurück.

13

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Februar 2008 Klage erhoben.

14

Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte sei rechtswidrig, weil sie sich auf das gesamte, 6.508 m 2 große Grundstück erstrecke, obwohl nur eine Teilfläche durch den notariellen Kaufvertrag vom 22. November 2007 veräußert worden sei. Der Vertrag vom 8. September 2004 habe nicht aufgehoben werden sollen. Erkennbar sei dies auch daran, dass die Notargebühren nur nach einem Wert von 10.105,00 Euro berechnet worden seien und auch die Grunderwerbsteuer auf diesen Betrag erhoben worden sei. Hieraus folge ein Ermessensfehler bei der Ausübung des Vorkaufsrechts, denn die Beklagte gehe dabei von einem falschen Sachverhalt aus. Die Beklagte habe zudem keine konkreten Planungen und betreibe mit dem Vorkaufsrecht Vorratshaltung. Einer beabsichtigten Bebauung der Flächen stehe insbesondere der Umstand entgegen, dass sie im Wasserschutzgebiet lägen. Ein hydrologisches Gutachten habe ergeben, dass nur insgesamt 6.500 m 2 Fläche bebaut werden dürften. Selbst wenn im Laufe des gerichtlichen Verfahrens die Planungen konkret geworden sein sollten, rechtfertige das Wohl der Allgemeinheit nicht die Ausübung eines Vorkaufsrechts. Denn nunmehr stünden den Planungen artenschutzrechtliche Belange entgegen; auf den Flächen sei die geschützte Art Feldhamster entdeckt worden. Auf jeden Fall stehe ihr eine Abwendungsbefugnis nach § 27 BauGB zu.

15

Die Klägerin beantragt,

16

den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2008 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie ist der Auffassung, das ihr zustehende Vorkaufsrecht erstrecke sich auf das gesamte Grundstück mit einer Größe von 6.508 m 2 . Maßgeblich hierfür sei die Auslegung des notariellen Vertrages vom 22. November 2007 anhand objektiver Auslegungskriterien. Diese lasse eine Novation des Vertrages vom 8. September 2004 erkennen. Ferner vertieft sie ihr Vorbringen zu ihren städtebaulichen Planungsabsichten für das streitbefangene Grundstück. Der Umstand, dass das Flurstück xxx/xx im Wasserschutzgebiet liegt, behindere diese Absichten nicht, denn es könne eine Befreiung für Bauvorhaben erteilt werden. Mittlerweile sei nach Einholung eines hydrogeologischen Gutachtens ohnehin klar, dass im Wasserschutzgebiet lediglich eine schmale Erschließungsstraße gebaut werden solle. Der von der Klägerin ins Feld geführte artenschutzrechtliche Belang sei durch Tatsachen nicht untermauert und könne ebenfalls im weiteren Planaufstellungsverfahren berücksichtigt werden. Eine Abwendungsbefugnis stehe der Klägerin nicht zu. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für diese Befugnis sei der Zeitpunkt der Ausübung. In diesem Zeitpunkt seien ihre, der Beklagten, Planungen noch nicht konkret bestimmbar gewesen. Das möge nun gegen Ende des gerichtlichen Verfahrens anders geworden sein; nunmehr stünde der Abwendungsbefugnis jedoch die Frist des § 27 Abs. 1 BauGB entgegen, die abgelaufen sei. Den Rechten der Klägerin werde durch § 89 BauGB ausreichend Rechnung getragen.

20

Mittlerweile hat der Verwaltungsausschuss der Beklagten in seiner Sitzung vom 21. Oktober 2009 im beschleunigten Verfahren einen Aufstellungsbeschluss über den Bebauungsplan D. L. Nr. 57 “Nördlich Wendelsgraben“ gefasst. Das dem bisher zugrundeliegende Konzept der Bauverwaltung geht von einer ein- bis zweigeschossigen Bebauung mit Einzel-/Doppelhäusern aus, die das Siedlungsbild der vorhandenen Bebauung aufnehmen und zeitgemäß interpretieren. Es ließen sich 4 Parzellen (FEH) mit je rund 650 m² und 4 Parzellen (DHH) mit je rund 400 m² Grundstücksfläche realisieren. Eine der Doppelhaushälften ragt in das Wasserschutzgebiet hinein. Im Übrigen soll dort nur eine Erschließungsstraße errichtet werden. Im Zusammenhang mit dem Bebauungsplanverfahren hat die Beklagte ein hydrogeologisches Gutachten erstellen lassen. Für die begutachtete Fläche, es handelt sich um das Flurstück xxx/xx, wird in dem Gutachten vom 19. Juni 2009 empfohlen, den Schutzstatus Schutzzone II beizubehalten. Dem meint die Beklagte dadurch entsprechen zu können, dass im Rahmen einer Ausnahmeregelung die verkehrliche Erschließung des Baugebiets im Grenzbereich des Wasserschutzgebietes vorgesehen ist.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten in diesem wie im Verfahren 2 A 67/08 gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Die zulässige Klage ist begründet.

23

Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2008 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

24

Nach § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans, soweit es sich um unbebaute Flächen im Außenbereich handelt, für die nach dem Flächennutzungsplan eine Nutzung als Wohnbaufläche oder Wohngebiet dargestellt ist. Das Vorkaufsrecht darf nach § 24 Abs. 3 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt; bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstücks anzugeben. Nach § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB i.V.m. § 446 Abs. 2 BGB kommt mit der Ausübung des Vorkaufsrechts der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bedingungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat. Schließlich kann nach § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB das Vorkaufsrecht nur binnen 2 Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrages durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer ausgeübt werden.

25

Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 5 BauGB liegen vor. Das streitbefangene Grundstück ist eine unbebaute Fläche im Außenbereich, für die in dem Flächennutzungsplan der Beklagten seit 1975 Wohnbaufläche dargestellt wird. Bereits anhand der vorgelegten Pläne und eines Luftbildes ist zweifellos erkennbar (und wird von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt), dass die Flurstücke xxx/xx und xx/xx der Flur x in der Gemarkung L. nördlich des Baugebiets “ M. N.“ und südlich der O. straße nicht zu der im Zusammenhang bebauten Ortslage von L. gehört, sondern Teil des Außenbereichs ist, der sich nördlich und östlich davon fortsetzt.

26

Indes geht das von der Beklagten ausgeübte Vorkaufsrecht am Gegenstand des zwischen der Klägerin und dem Landwirt K. geschlossenen Grundstückskaufvertrages vorbei. Sowohl im Ausgangsbescheid vom 22. Januar 2008 als auch im Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2008 will die Beklagte das Vorkaufsrecht auf die gesamte Grundstücksfläche von 6.508 m 2 erstrecken. Diese ist jedoch nicht Verkaufsgegenstand.

27

Die Frage, was Gegenstand eines notariellen Kaufvertrages ist, für den die Gemeinde ihr gesetzliches Vorkaufsrecht ausübt, ist von den Verwaltungsgerichten im Wege der Auslegung zu entscheiden. Denn damit wird der Gegenstand des dem öffentlichen Recht zugewiesenen Vorkaufsrechts definiert. Es handelt sich mithin nicht um eine Streitigkeit zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und der Gemeinde über den Inhalt und die dingliche Abwicklung (Erfüllung) des zivilrechtlichen Vertrages, die vor den Zivilgerichten auszutragen ist und die keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Ausübungsverwaltungsakts hat (vgl. insoweit OVG Saarland, Beschluss vom 3.6.09 - 2 B 254/09 -, zitiert nach juris; Schroedter, BauGB, 7. Aufl., § 28 Rn. 12). Die Auslegung hat gemäß § 133 BGB den wirklichen Willen zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Die so vorzunehmende Auslegung ergibt, dass die Klägerin vom Landwirt K. mit dem notariellen Vertrag vom 22. November 2007 lediglich eine (Teil-) Fläche von 4.042 m² erwerben wollte und erworben hat. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

28

Schon die - allerdings wenig deutlichen - Formulierungen des Vertrages vom 22. November 2007 sprechen überwiegend dafür, dass lediglich eine Restfläche veräußert werden sollte. So geht der Vertrag in seinem § 1 davon aus, dass der Verkäufer mit Vertrag vom 8. September 2004 jeweils eine Teilfläche von 1.310 bzw. 1.156 m 2 veräußert hat . Damit wird ein in der Vergangenheit abgeschlossener Vorgang bezeichnet. Wäre dessen Wiederaufnahme beabsichtigt, hätte eine ausdrückliche Formulierung nahe gelegen. Unklar bleibt die Bestimmung des Vertragsgegenstandes an dieser Stelle allerdings deshalb, weil im nächsten Satz die Rede von einer Vereinbarung der Parteien ist, nunmehr den gesamten Grundbesitz zu veräußern. Für die Auslegungsalternative der Beklagten spricht dagegen die Formulierung in § 4 des Vertrages, nach der das Kaufgrundstück dem Käufer am 1. Januar 2008 zum Besitz übergeben werden soll. Denn hier wird von einem einheitlichen Kaufgrundstück ausgegangen. Genauso gut könnte aber auch allein der Besitzübergang einerseits des 2004 verkauften Grundstücks, andererseits des 2007 veräußerten Grundstücksteils einheitlich im Vertrag vom 22. November 2007 geregelt worden sein. Die weiteren Vertragskonditionen sprechen eindeutig dagegen, dass mit dem Vertrag vom 22. November 2007 allein der gesamte streitbefangene Grundbesitz veräußert werden und der Vertrag vom 8. September 2004 seine Gültigkeit verlieren sollte. Denn in § 3, der den Kaufpreis regelt, ist bestimmt, dass vom Gesamtkaufpreis von 16.270,00 Euro bereits 6.165,00 Euro bezahlt seien. Folglich wird nur noch eine Zahlungsmodalität für den Restkaufpreis in Höhe von 10.105,00 Euro bestimmt. Dieser Rest bezieht sich denknotwendig nur noch auf das 2004 verbliebene Teilgrundstück. Für ganz entscheidend hält die Kammer schließlich die Formulierung in § 5 des Vertrages, nach der auf die Eintragung einer weiteren Vormerkung bezüglich der Restfläche verzichtet wird. Die Vertragsparteien wollten also an der im Grundbuch zugunsten der Klägerin bestehenden Auflassungsvormerkung festhalten. Das setzt rechtlich jedoch die Existenz einer vertraglichen Grundlage für die Eintragung dieser Vormerkung voraus. Nur der Vertrag vom 8. September 2004 vermag eine solche Rechtsgrundlage darzustellen, so dass die Vertragsparteien offenbar von seiner Fortgeltung ausgingen. Auch die außerhalb des Vertrages selbst liegenden Umstände lassen erkennen, dass im Jahre 2007 nur noch eine Restfläche verkauft werden sollte. So fehlt es zunächst an einer sinnvollen wirtschaftlichen Motivation der Vertragsparteien, den im Jahre 2004 geschlossenen Vertrag vollständig aufzuheben und durch einen neuen Vertrag, nämlich den vom 22. November 2007 zu ersetzen, also, wie dies die Beklagte formuliert, eine Novation vorzunehmen. Weder der Kaufpreis noch sonst eine wichtige Vertragsbestimmung sind geändert worden. Es bestanden auch keinerlei Zweifel an der Wirksamkeit des Vertrages von 2004, die es durch den Vertrag von 2007 auszuräumen gegolten hätte. Bei einer vollständigen Neuregelung des Verkaufs wären nur unnötig Mehrkosten angefallen. Dies macht für wirtschaftlich denkende und handelnde Geschäftspersonen keinen Sinn. Ferner kann schließlich indiziell auch der Umstand, dass der beurkundende Notar in Bezug auf die ihm zustehenden Gebühren wie auch das Finanzamt in Bezug auf die anfallende Grunderwerbsteuer nur von einem Restverkauf im Wert von 10.105,00 Euro ausgingen, auslegungsunterstützend herangezogen werden. Denn dies lässt erkennen, dass der beteiligte Notar den Willen der Vertragsparteien so interpretiert hat, dass es nur noch um den Verkauf einer Teilfläche ging.

29

Da sich folglich Vertragsgegenstand und Gegenstand des ausgeübten Vorkaufsrechts nicht decken, ist die Ausübung eines Vorkaufsrechts rechtswidrig.

30

Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass sie - sozusagen hilfsweise - ihr Vorkaufsrecht auch auf die veräußerte Teilfläche erstreckt wissen will. Insoweit hat sie ein Vorkaufsrecht mit den angefochtenen Bescheiden nicht ausgeübt. Selbst wenn man eine Teilfläche als wesensgleiches Minus in dem umfassend ausgeübten Vorkaufsrecht als enthalten ansehen wollte, wären die Bescheide rechtswidrig. Denn in diesem Fall deckten sich zwar Vertragsgegenstand und Inhalt des Vorkaufsrechts. Dieses Vorkaufsrecht wäre jedoch nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt, so dass § 24 Abs. 3 S. 1 BauGB nicht erfüllt wäre. Im Gegensatz zu einer Enteignung (§ 87 Abs. 1 BauGB spricht davon, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordern muss) genügt es für die Ausübung des Vorkaufsrechts, wenn überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden; es ist ausreichend, wenn das Grundstück zu einem späteren Zeitpunkt benötigt wird, lediglich der Erwerb zu Vorratszwecken ist nicht erlaubt (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 24, RN 64). Das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt nicht die Ausübung eines Vorkaufsrechts für den Erwerb eines unerschlossenen und ohne die Mitwirkung der Klägerin nicht erschließbaren Teilgrundstücks von 4.042 m 2 Größe. Es ist für die Kammer nicht erkennbar, wie diese südlich gelegene Fläche sollte erschlossen werden können. Jede Überplanung dieser Flächen erscheint sinnlos, so dass der Beklagten insoweit verbotene Vorratshaltung vorzuwerfen wäre. Jedenfalls läge ein Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG vor. Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 BauGB liegt im Ermessen der Gemeinde (Stock, a.a.O., § 24 Rn. 66). Die Beklagte hat sich an keiner Stelle mit der Frage auseinandergesetzt, wie die genannte Teilfläche sinnvoll überplant werden sollte. Mithin hat sie die aus Art. 14 Abs. 1 GG folgenden, grundrechtlich geschützten Interessen der Klägerin und des Verkäufers K., insbesondere den Grundsatz der Privatautonomie, nicht sachgerecht in ihre Überlegungen eingestellt und damit den Zweck der in § 24 Abs. 1 BauGB eröffneten Ermessensermächtigung verkannt. Dies ist der Beklagten auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gelungen, so dass eine Heilung dieses Ermessensfehlers nach § 114 Satz 2 VwGO nicht in Betracht kommt.

31

Da die angefochtenen Bescheide schon aus den dargelegten Gründen rechtswidrig sind, kommt es auf die weiteren Klagegründe der Klägerin, die ebenfalls nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind, nicht mehr entscheidungserheblich an.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.