Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.10.2009, Az.: 2 A 247/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 22.10.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 247/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44109
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:1022.2A247.07.0A
Tatbestand:
Zur Umsetzung eines Einzelhandelskonzeptes im Einzelfall.
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Einrichtung eines Lebensmitteleinzelhandelmarktes für osteuropäische Importwaren in einer vorhandenen Halle auf dem Grundstück K. L. in E.. Dieses 14742 m2 große Grundstück (Flur ..., Flurstücke ..., ... und ... der Gemarkung E.) gehört B. C. seit 1988. Auf dem Grundstück befinden sich ein Gebäudekomplex, der aus drei Hallen besteht, und einige Nebengebäude. Die nordöstliche (zur K. gerichtete) größere Halle wird, nachdem sich dort in der Vergangenheit das M. E., die Diskothek N. und ein Möbelmarkt der Firma Möbel O. befunden hatte, im Erdgeschoss seit 2004/2005 etwa zur Hälfte als SB-Markt (P., früher Q.) und zur anderen Hälfte als sog. R. (den B. C. betreibt) genutzt. Die Verkaufsfläche beider Märkte beträgt ca. 2100 m2. Zwischen 1995 und 2005 befand sich der R. in der mittleren, ca. 1 400 m2 großen Halle. Sie steht seit mindestens 2005 leer. Die südwestliche Halle wurde bis Ende 2003 als Möbellager für den Markt der Firma Möbel O. und wird zur Zeit als Papierlager genutzt.
Zwischen Herbst 2004 und Frühjahr 2006 fanden Vertragsverhandlungen zwischen den Beteiligten über den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages und über die zukünftige Nutzung des Geländes, die planungsrechtlich abgesichert werden sollte, statt. Die Beklagte beabsichtigte, die Klägerin einen Bebauungsplan erstellen zu lassen; Vorarbeiten dazu fanden durch das Architekturbüro S. statt. Die Vertragsverhandlungen scheiterten u. a., weil die Beteiligten sich über die Nachnutzung der mittleren und der südwestlichen Halle nicht einigen konnten.
Aufgrund eines umfassenden Gutachtens des T. beschloss der Rat der Beklagten am 16.12.2005 das kommunale Einzelhandelskonzept, in dem u. a. vorgesehen ist, dass Einzelhandel in E. hauptsächlich in der Innenstadt und in zwei Fachmarktagglomerationen (Kaufpark, Lutteranger) stattfinden soll, wozu eine wohngebietsbezogene Nahversorgung kommt; ferner ist dort festgelegt, dass solitäre Fachmarktstandorte (wozu auch der Standort K. L. gehört) im Wesentlichen auf ihre derzeitigen Verkaufsflächen begrenzt werden sollen und dass in Gewerbe- und Industriegebieten Einzelhandel nicht mehr zulässig sein soll, wobei Ausnahmen im Bestand möglich sind. Bestandteil des Einzelhandelkonzepts ist die sog. Göttinger Liste, in der sortimentsbezogene Aussagen nach vier Sortimentsgruppen (Nahversorgung, nicht innenstadtrelevante Sortimente, innenstadtrelevante Sortimente und restriktive innenstadtrelevante Sortimente) getroffen werden. Nahrungs- und Genussmittel gehören zur Nahversorgung und sind innenstadtrelevant. Mittlerweile hat der Rat der Beklagten das "Leitbild 2020: E. stellt sich der Zukunft" beschlossen, das im Hinblick auf den Einzelhandel - allerdings eher plakativ - ähnliche Aussagen enthält wie das Einzelhandelskonzept, jedoch als weiteres Agglomerationsgebiet den Standort "U. -Straße West" nennt, wo wohl mittelfristig ein großflächiger Möbelmarkt angesiedelt werden soll.
Die Klägerin richtete am 03.04.2006 planungsrechtliche Bauvoranfragen an die Beklagte im Hinblick auf die Errichtung eines Möbelmarktes in der mittleren Halle mit einer Verkaufsfläche von 650 m2 und einer Lagerfläche von 350 m2 sowie eines Getränkemarktes in der südwestlichen Halle mit einer Verkaufsfläche von 699 m2 und einer Lagerfläche von 700 m2. Die Beklagte stellte die Entscheidung über die Zulässigkeit dieser Vorhaben zunächst zurück, weil ihre Durchführung die mit dem Ratsbeschluss vom 15.12.2003 eingeleitete Planänderung unmöglich machen oder zumindest erschweren würden. Nach Zurückweisung der Widersprüche gegen die Zurückstellungsbescheide erhob die Klägerin Klage (2 A 320/06 und 2 A 380/06). Am 04.12.2006 beschloss der Verwaltungsausschuss der Beklagten erneut die Aufstellung eines Bebauungsplanes Nr. 201 "Zwischen V. und K.", der lediglich das Grundstück K. L. sowie Teile der K. und der V. zum Gegenstand haben sollte. Am selben Tage beschloss der Rat der Stadt eine Veränderungssperre als Satzung. Daraufhin lehnte die Beklagte die Anträge der Klägerin auf Erlass von Bauvorbescheiden ab und wies die gegen diese Entscheidung erhobenen Widersprüche später zurück.
Mit Urteilen vom 24.01.2008 wies das erkennende Gericht die Klagen 2 A 320/06 und 2 A 380/06 ab und stellte die Verfahren ein, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten (betrifft die Zurückstellungsbescheide). Über die Anträge der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen beide Urteile der Kammer ist noch nicht entschieden worden.
Am 15.05.2007 richtete die Klägerin eine weitere planungsrechtliche Bauvoranfrage an die Beklagte im Hinblick auf die Errichtung eines Lebensmitteleinzelhandels für osteuropäische Importwaren in der mittleren Halle mit einer Verkaufsfläche von 599 m2 und einer Lagerfläche von 600 m2. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 28.08.2007 mit der Begründung ab, die Durchführung des Vorhabens würde die mit Ratsbeschluss vom 15.12.2003 eingeleitete Planänderung zumindest erschweren; es bestehe bei Verwirklichung des Vorhabens ein erhebliches Agglomerationsrisiko; ihre Planungen seien bereits hinreichend konkret; eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB komme nicht in Betracht.
Mit dem Widerspruch vom 06.09.2007 gegen diese Entscheidung machte die Klägerin im Wesentlichen geltend: Es fehle eine Auseinandersetzung mit dem Sortiment, welches in dem projektierten Lebensmittelmarkt vertrieben werden solle; ein derartiges Sortiment werde in vergleichbarer Weise an keiner Stelle im Stadtgebiet angeboten; es bestünden (weiterhin) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Veränderungssperre; eine konkrete Untersuchung der Angebots- und Nachfragestruktur im Einzugsgebiet fehle. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2007 (zugestellt am 23.11.2007) als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 12.12.2007 Klage erhoben. Mit Beschluss vom 05.12.2008 hat der Rat der Beklagten die Veränderungssperre für ein Jahr verlängert; diese Satzung trat am 11.12.2008 in Kraft. Am 26.06.2009 ist der vom Rat der Stadt E. am 17.06.2009 beschlossene Bebauungsplan Nr. 201 "Zwischen V. und K." einschließlich einer örtlichen Bauvorschrift über Gestaltung rechtswirksam geworden. Dieser Bebauungsplan teilt das Grundstück K. L. in verschieden nutzbare Bereiche ein. Während für den nordöstlichen Hallenbereich zwei Sondergebiete Einzelhandel festgesetzt werden (wodurch die derzeit vorhandene Nutzung weitgehend festgeschrieben wird), setzt der Bebauungsplan für die übrigen Hallenbereiche (also auch für die hier streitbefangene mittlere Halle) Gewerbegebiet fest, für das durch textliche Festsetzungen Einzelhandelsbetriebe (und Tankstellen sowie Vergnügungsstätten) ausgeschlossen, ausnahmsweise jedoch solche mit den Sortimenten Kraftfahrzeuge und Motorräder sowie Zubehör, Teile und Reifen zugelassen werden.
Die Klägerin macht nunmehr geltend: Der nahezu vollständige Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben in dem festgesetzten Gewerbegebiet sei städtebaulich nicht gerechtfertigt; eine derartige Planung sei nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB; die Beklagte verfolge nicht das Ziel, die Ansiedlung des produzierenden Gewerbes zu fördern; sie habe nicht einmal untersucht, welche Auswirkungen die Zulassung weiteren Einzelhandels auf dem Grundstück K. L. auf zentrale Versorgungsbereiche hätte und welche Nahversorgungsstrukturen dadurch gefährdet oder gar geschädigt werden könnten; ein Marktforschungsgutachten sei nicht erstellt worden; es fehle ein schlüssiges, nachvollziehbares, widerspruchsfreies Konzept, welches der Stärkung von Zentren durch Konzentration der Einzelhandelsansiedlung diene; während die Beklagte zum Einen von drei Einzelhandelszentren (Innenstadt, Lutteranger und Kaufpark) ausgehe, räume sie andererseits ein, sie könne sich durchaus vorstellen, "auf der grünen Wiese" einen IKEA-Möbelmarkt mit einem angegliederten "furniture competence centre" anzusiedeln, wobei letzterer sogar innenstadtrelevante Sortimente wie Spielwaren vertreiben dürfe; die Festsetzung über den Ausschluss von Einzelhandel sei im Ergebnis unwirksam.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.08.2007 und ihres Widerspruchsbescheides vom 08.11.2007 zu verpflichten, der Klägerin einen bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Lebensmitteleinzelhandelsmarktes für osteuropäische Importwaren auf dem Grundstück K. L. in E. gemäß der Bauvoranfrage vom 14.05.2007 zu erteilen,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus: Auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO habe sie mit den Festsetzungen des Bebauungsplans 201 eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums vorgenommen; ihre im Einzelhandelskonzept zum Ausdruck kommende Städtebaupolitik sei bei der Abwägung von erheblichem Gewicht (gewesen); dieses Konzept sei in sich schlüssig und mithin geeignet, die örtliche Stadtbaupolitik zielführend zu steuern; einer Ermittlung konkreter schädlicher Auswirkungen bestimmter Sortimente auf andere Lagen habe es nicht bedurft; das Einzelhandelskonzept habe nicht nur einseitig den Schutz des zentralen Versorgungsbereichs "Innenstadt" zum Gegenstand, sondern insgesamt die ausgewogene Verteilung und Entwicklung des Einzelhandels im gesamten Stadtgebiet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten - einschließlich der zu den Verfahren 2 A 320/06 und 2 A 380/06 übersandten diversen Vorgänge - Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Der Klägerin fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Während beim OVG Lüneburg noch das Berufungszulassungsverfahren über die Frage anhängig ist, ob ihr ein planungsrechtlicher Bauvorbescheid für die Errichtung eines Möbelmarktes in der mittleren Halle des Grundstücks C. zu erteilen ist, wird mit der vorliegenden Klage die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes besonderer Ausrichtung in derselben Halle begehrt. Die Klägerin darf beide Begehren nebeneinander verfolgen. Der Bauherr bestimmt zwar mit dem Bauantrag gemäß § 71 NBauO das Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB (§ 74 Abs. 2 S. 2 NBauO verweist für die Bauvoranfrage auf diese Vorschrift); er kann jedoch mehrere Anträge alternativ stellen und später von der einen oder anderen Genehmigung Gebrauch machen (vgl. Große-Suchsdorf u. a., NBauO, 8. Aufl., § 71, Rn. 8 f). Lediglich wenn einer der Pläne aufgegeben wurde, entfällt das Rechtsschutzinteresse. Das ist jedoch - bisher - nicht der Fall, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung versichert hat.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der von ihr begehrte Bauvorbescheid im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (auf den bei Verpflichtungsklagen regelmäßig abzustellen ist) nicht zu.
Gemäß § 74 Abs. 1 NBauO ist auf Antrag (Bauvoranfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden; das gilt auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist. Die Erteilung eines derartigen planungsrechtlichen Bauvorbescheides begehrt die Klägerin. Da das Baugrundstück im Geltungsbereich des - qualifizierten - Bebauungsplanes Nr. 201 der Beklagten liegt, ist das Vorhaben der Klägerin gem. § 30 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn es den Festsetzungen dieses Bebauungsplanes nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Das Vorhaben widerspricht den Festsetzungen, denn der Bebauungsplan setzt für den hier interessierenden Standort zwar Gewerbegebiet fest (§ 8 BauNVO), schließt jedoch Einzelhandelsbetriebe aus und lässt einen solchen Betrieb, wie ihn die Klägerin einrichten möchte, auch nicht ausnahmsweise zu. Die Klage kann deshalb nur Erfolg haben, wenn der Bebauungsplan unwirksam ist und die Klägerin sich auf diese Unwirksamkeit berufen kann. Das ist jedoch nicht der Fall, sodass die Zulässigkeit des Vorhabens im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und eine etwaige Fortgeltung der Veränderungssperre nicht untersucht werden müssen.
§§ 214 und 215 BauGB betreffen die Planerhaltung. Unterschieden werden beachtliche, unbeachtliche und innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung zu rügende Verletzungen von Vorschriften (wobei nach § 215 Abs. 2 BauGB bei Inkraftsetzen des Flächennutzungsplanes oder der Satzung auf die maßgeblichen Vorschriften hinzuweisen ist, was hier geschehen ist). Beachtliche Verletzungen von Verfahrens- oder Formvorschriften im Sinne von § 214 Abs. 1 bis 2a BauGB macht die Klägerin nicht geltend. Sie rügt allein inhaltliche Mängel, bei denen es sich um Mängel des Abwägungsvorgangs handeln soll, die offensichtlich sind und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 S. 2 2. Halbsatz BauGB). Derartige Mängel liegen jedoch nicht vor.
Nach § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne (Flächennutzungspläne und Bebauungspläne) aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind zahlreiche Belange zu berücksichtigen, die in § 1 Abs. 6 BauGB aufgeführt sind. Dazu gehören (nach Nr. 11) auch die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzepts oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung. Nach § 1 Abs. 7 des Gesetzes sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Zulässig sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO (u. a.) Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe. Dazu gehören auch Einzelhandelsbetriebe. Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. § 1 Abs. 9 BauNVO bestimmt darüber hinaus, dass, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden kann, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Auch derartige Festsetzungen müssen notwendig sein im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Der gänzliche Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben (u. a.) in Gewerbegebieten erfolgt nach § 1 Abs. 5 BauNVO, während für weitergehende Differenzierungen (etwa nach Sortimenten) § 1 Abs. 9 der Verordnung anzuwenden ist, wobei die Festsetzung von Gegenausnahmen an der Anwendung von § 1 Abs. 5 nichts ändert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.05.1993 - 4 NB 13.93 - Buchholz 406.12., § 1 BauNVO Nr. 16, Urteil vom 26.03.2009, - 4 C 21.07 - ZfBR 2009, 463 [BVerwG 26.03.2009 - BVerwG 4 C 21.07] = DVBl. 2009, 910).
Was im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Ausgefüllt wird der Begriff der Erforderlichkeit insbesondere durch vorausgehende planerische Entscheidungen der Gemeinde über die örtlich anzustrebenden städtebaulichen Ziele. Welche städtebaulichen Ziele sich eine Gemeinde hierfür setzt, liegt grundsätzlich in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, diejenige "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Hierzu gehört auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie Teile ihres Gemeindegebiets zur Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellt. Wünscht sie an einem bestimmten Standort keine Einzelhandelsbetriebe, so ist es ihr unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 3 BauGB grundsätzlich nicht verwehrt, auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO ein Misch- oder Gewerbegebiet unter Ausschluss dieser Nutzungsart festzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie eine städtebauliche Begründung anführen kann, die sich aus der jeweiligen Planungssituation ergibt und die die Abweichung von den in der BauNVO vorgegebenen Gebietstypen durch hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinwohlbelange in nachvollziehbarer Weise rechtfertigt (Zusammenfassung der Gründe des Urteils des BVerwG vom 26.03.2009, a.a.O.). Zum Einen ist die Gemeinde mithin grundsätzlich ermächtigt, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren Ordnungsvorstellungen entspricht, andererseits muss ein schlüssiges Plankonzept vorliegen und muss der Nutzungsausschluss geeignet sein, das Plankonzept der Gemeinde umzusetzen (vgl. dazu auch VGH Mannheim, Urteil vom 28.01.2005 - 8 S 2831/03 - NVwZ-RR 206, 11). Ferner ist das Gewicht eines Konzepts als abwägungsrelevanter Belang umso geringer, je häufiger und umfangreicher das Konzept bereits durchbrochen worden ist (BVerwG, Urteil vom 29.01.2009 - 4 C 16.07 - NVwZ 2009, 1103 [BVerwG 29.01.2009 - BVerwG 4 C 16.07]), wobei es einen abwägungsrechtlichen Unterschied macht, ob eine bauliche Nutzung bereits besteht oder ein Grundstück nur einen Vermögenswert darstellt. Eigentum genießt nämlich, soweit es um seine Funktion als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht, einen besonders ausgeprägten Schutz. Überhaupt ist das Interesse des Grundstückseigentümers an der - weiteren - Nutzung seines Grundstücks stets abwägungserheblich (vgl. Söfker in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 1 Rn. 195), wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Inhaltsbestimmung des Eigentumsgrundrechts zu beachten ist (vgl. Söfker, a.a.O., Rn. 207).
Die Städtebaupolitik der Beklagten manifestiert sich - was die zukünftige Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben im Stadtgebiet anbetrifft - in dem Einzelhandelskonzept, welches der Rat am 16.12.2005 beschlossen hat. Danach ist zunächst die Nahversorgung der Bevölkerung in den Wohngebieten zu erhalten bzw. zu verbessern; im Übrigen sollen sich Einzelhandelsgeschäfte in der Innenstadt und in zwei bereits vorhandenen beplanten Fachmarktagglomerationen ansiedeln dürfen, wobei innenstadtrelevante Sortimente (entsprechend der Göttinger Liste) im wesentlichen der Innenstadt vorbehalten bleiben. Bestehende Fachmarktstandorte (zu denen das Grundstück K. L. gehört) sollen im wesentlichen auf ihre derzeitige Verkaufsfläche begrenzt werden, sich mithin nicht entwickeln dürfen; sie passen nicht in das Konzept, müssen aber aus Gründen des Bestandsschutzes geduldet werden. Dieses Konzept ist schlüssig und wohl durchdacht. Es schützt - abgesehen von der wohnortnahen Nahversorgung - die Einzelhändler in der Innenstadt und diejenigen in Fachmarktagglomerationen, indem es einen ruinösen Standortwettbewerb verhindert, was einen gewichtigen städtebaulichen Allgemeinwohlbelang darstellt. Neuansiedlungen sind hier wie da möglich; es handelt sich um relativ großräumige Gebiete, die ohne weiteres entwicklungsfähig sind. Nennenswerte Durchbrechungen des Konzeptes in der Vergangenheit sind nicht bekannt und werden von der Klägerin auch nicht behauptet. Sollte - was sich in der jüngeren Vergangenheit angedeutet hat und auch bereits in dem Leitbild 2020 erwähnt wird - eine weitere Fachmarktagglomeration im Stadtgebiet entstehen, würde das Einzelhandelskonzept dadurch nicht durchbrochen, weil es lediglich die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben außerhalb solcher Agglomerationen (und der Innenstadt) weitgehend ausschließt, nicht aber deren Anzahl für alle Zukunft festschreibt.
Durch den Bebauungsplan 201 wird das Einzelhandelskonzept für den Standort K. L. konsequent umgesetzt, indem die auf dem Areal im Jahre 2005 vorhandenen Einzelhandelsbetriebe durch Festsetzung zweier Sondergebiete Einzelhandel gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO im Bestand gesichert werden, für die übrigen Grundstücksteile jedoch nur (mit marginalen Ausnahmen) produzierendes Gewerbe zugelassen wird. Die Beklagte war nicht gehalten, für diesen konkreten Standort (und in der Konsequenz auch für alle anderen möglichen Standorte) ein Marktforschungsgutachten erstellen zu lassen; ihre durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Planungshoheit ermöglicht es ihr vielmehr, ihre Städtebaupolitik auch in Bezug auf das hier streitbefangene Grundstück umzusetzen. Die Begründung des Bebauungsplanes belegt, dass es der Beklagten allein darum ging. Dort heißt es auszugsweise:
In Gewerbe- und Industriegebieten soll Einzelhandel grundsätzlich ausgeschlossen und damit unzulässig sein. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans umfasst einen Bereich, der im Einzelhandelskonzept als solitärer Fachmarktstandort bewertet ist. Ein Fachmarkt ist ein Spezialmarkt mit Sortimentsschwerpunkten in einer Branche an einem verkehrsorientierten Standort mit großflächigem Parkplatzangebot, der auf großen Flächen in Selbstbedienung preisaktiv Waren anbietet. Als Fachmarkt besteht an diesem Standort schon seit einigen Jahren ein Sonderpostenmarkt (R.). Darüber hinaus befindet sich unmittelbar angrenzend, im gleichen Gebäude, ein Discount-Markt mit dem Sortimentsschwerpunkt Lebensmittel ("Q."). Dieser Markt dient neben anderen Märkten (Edeka und Kaufland) der Versorgung für die angrenzenden Wohngebiete. ... Aufgrund der Flächengröße des Gesamtkomplexes besteht ein erhebliches Agglomerationsrisiko, das durch die Festsetzungen eines Sondergebietes Einzelhandel und eines Gewerbegebiets mit dem Ausschluss des Einzelhandels im Kontext der Einzelhandelsentwicklung der Gesamtstadt verringert und positiv gesteuert wird...
Eine Erweiterung des Sondergebiets Einzelhandel auf den Bereich, der im Rahmen von Bauvoranfragen auch für eine Einzelhandelsnutzung vorgesehen war, erfolgt nicht. Dies betrifft den nach Westen an das Sondergebiet 2 angrenzenden Gebäudeteil. Dieser Bereich ist jetzt als Gewerbegebiet (GE 1b) festgesetzt. Unmittelbar angrenzend wurden hier ein Möbelmarkt sowie ein Lebensmittelmarkt beantragt. Der weitere Gebäudebereich sollte mit einem Getränkemarkt belegt werden. Damit sollten insgesamt 1 350 m2 zusätzliche Einzelhandelsverkaufsflächen über den Bestand hinaus realisiert werden. Mit einer damaligen Zulassung dieser Nutzung bzw. einer jetzt erfolgten Berücksichtigung im Bebauungsplan würde den Grundzügen des Einzelhandelskonzeptes widersprochen, welches für die solitären Fachmarktstandorte klare Zielsetzungen formuliert."
Einige andere Passagen in dieser Begründung, die sich mit den Beweggründen für den Erlass des Einzelhandelskonzeptes selbst befassen, sind zwar nicht zielführend, schaden aber auch nicht, weil sie die Erforderlichkeit der konkreten Planung nicht infrage stellen. Die Klägerin übersieht möglicherweise, dass es hier nicht (nur) um einen Sortimentsausschluss geht, sondern um den generellen Ausschluss von Einzelhandel.
Durch den weitgehenden Ausschluss von Einzelhandel bleibt die allgemeine Zweckbestimmung des Gewerbegebietes ohne weiteres gewahrt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.05.1999 - 4 BN 15.99 - NVwZ 1999, 1338 [BVerwG 11.05.1999 - 4 BN 15/99]). Es ist schließlich nicht zu beanstanden, dass der manifeste Wunsch der Klägerin, in der hinteren und mittleren Halle - ebenfalls - Einzelhandel zu betreiben, von der Beklagten als privater Belang weggewogen worden ist. Dieser Belang wiegt in der Tat nicht schwer. Es ist schon kaum verständlich, dass die Klägerin eine Nutzung der Hallen durch Betriebe des produzierenden Gewerbes offenbar gänzlich ausschließt, obwohl die mangelnde Eignung der Hallen für eine derartige Nutzung nicht einmal behauptet wird. Sie übersieht ferner, dass das Grundstück in der Vergangenheit niemals ein reines Einzelhandelsgrundstück gewesen ist, sondern dass dort immer auch andere Betriebe vorhanden waren (etwa Gaststätte, Diskothek, Lagerhalle). Schließlich hat die Beklagte während der Vertragsverhandlungen zwischen 2004 und 2006 nicht zu erkennen gegeben, dass sie eine Ausweitung der Einzelhandelsfläche auf dem Grundstück zulassen werde. Die mangelnde Flexibilität der Klägerin musste die Beklagte nicht veranlassen, für den konkreten Fall von ihrer Konzeption abzurücken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Entscheidung über den Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, bedurfte es nicht, da der Klägerin Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.