Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 30.07.2003, Az.: 3 B 182/03

Auswahlverfahren; Beamter auf Zeit; Bewerberauswahl; Bewerbungsverfahrensanspruch; Einschätzungsprärogative; gerichtlicher Überprüfungsumfang; Kommunalbeamter; kommunaler Wahlbeamter; Konkurrentenstreit; Laufbahnbeamter; Mitbewerber; Wahlbeamter

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
30.07.2003
Aktenzeichen
3 B 182/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48515
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Vorschriften über die Wahl von Beamtinnen und Beamten auf Zeit in § 62 Abs. 2 Satz 1 NLO bzw. § 81 Abs. 2 Satz 1 NGO dienen allein öffentlichen Interessen, nicht aber dem Interesse der Mitbewerber. Eine gerichtliche Überprüfung kommt nicht durch ein beamtenrechtliches Konkurrentenstreitverfahren, sondern nur durch Kommunalverfassungsstreit oder dann in Betracht, wenn die Aufsichtsbehörde die Wahl beanstandet hat (wie OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.06.1992 - 5 M 2798/92 -, NVwZ 1993, 1124)

2. Einzelfall der fehlenden Glaubhaftmachung einer Verletzung des nach einer in der Literatur vertretenen abweichenden Auffassung auch in solchen Fällen zuzugestehenden Bewerbungsverfahrensanpruchs

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 18.844,38 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag des Antragstellers, dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu untersagen, die von dem Antragsgegner im C.-Tageblatt vom 22. März 2003 ausgeschriebenen Stellen zweier Kreisrätinnen/Kreisräte als Beamtinnen/Beamte auf Zeit nach BesGr B 3 für die vorgesehenen Dezernate II und III vorläufig, längstens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache über die neuerliche Durchführung des Bewerberauswahlverfahrens unter Berücksichtigung seiner (des Antragstellers) Bewerbung insbesondere mit den derzeit ausgewählten Bewerbern, Frau A. und Herrn B, oder mit einem sonstigen Bewerber zu besetzen,

2

hat keinen Erfolg.

3

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO nicht glaubhaft gemacht.

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Ein Anordnungsanspruch hinsichtlich der im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten einstweiligen Anordnung bezüglich der Untersagung der Besetzung der Dezernentenstelle II kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich der Antragsteller ausweislich der vorliegenden Unterlagen und aufgrund seines eigenen Vortrages lediglich auf die Dezernentenstelle III beworben hat. Aber auch insoweit fehlt es an einer hinreichenden Glaubhaftmachung.

5

Die Vorschriften über die Wahl von Beamtinnen und Beamten auf Zeit in §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 44 Satz. 3 Nds. Landkreisordnung (NLO) dienen allein öffentlichen Interessen, nicht aber dem Interesse der Mitbewerber. Durch die Wahl von Frau A. zur Dezernentin III beim Antragsgegner kann der Antragsteller nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Eine gerichtliche Überprüfung kommt nur durch Kommunalverfassungsstreit oder dann in Betracht, wenn die Aufsichtsbehörde die Wahl beanstandet hat (vgl. umfassend, auch zum Folgenden: OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.06.1992 - 5 M 2798/92 -, NVwZ 1993, 1124; so auch OLG Rostock, Urt. v. 08.06.2000 - 1 U 179/98 -, juris).

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Die Kammer ist mit dem OVG Lüneburg (aaO.) der Auffassung, dass jedenfalls in diesem Verfahren die Einhaltung der Anforderungen an die Wahl der Bewerberin A. nicht der gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann er sich nicht mit Erfolg auf Art. 33 Abs. 2 GG berufen, wonach bei einem ausgeschriebenen Amt eines Laufbahnbeamten jeder Mitbewerber einen Anspruch darauf hat, dass die Behörde ihre Auswahl nach fehlerfreiem Ermessen und in einem gesetzmäßigen Verfahren trifft. Etwas anderes gilt im Fall der Wahl eines Kommunalbeamten auf Zeit. Durch die Ermächtigung der niedersächsischen Landkreise, für leitende Beamte ein Beamtenverhältnis auf Zeit vorzusehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 NLO), für das die Bewerberauswahl vom Kreistag durch eine Wahl vollzogen wird (§ 62 Abs. 2 i.V.m. § 44 Satz 3 NLO), ist vom Gesetzgeber in Kenntnis der politischen Ausrichtung der meisten Kommunalvertretungen ein faktischer Einfluss der politischen Position der Bewerber auf die Auswahlentscheidung in Kauf genommen worden (OVG Lüneburg, Urt. v. 30.05.1988 - 2 OVG A 164/87 -; OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.06.1992, aaO., m.w.N.). Die Tätigkeit kommunaler Wahlbeamter ist u.a. durch enge Verzahnung mit dem kommunalen politischen Raum gekennzeichnet und durch das Agieren auf der Grundlage eines Vertrauensvorschusses, durch das Überzeugen und Gewinnen von Mehrheiten. Mit dem Wesen der Wahl als einer freien, nur den Bindungen des Gesetzes und des Gewissens unterworfenen Entscheidung ist es nicht zu vereinbaren, ihr dieselben Grenzen wie einer Ermessensentscheidung zu setzen. Eine Wahl nach Ermessen wäre nämlich keine echte Wahl. Eine Anfechtung wegen Ermessensmissbrauchs ist deshalb mit dem Wesen der Wahl unvereinbar, wobei es keinen Unterschied machen kann, ob leitende Kommunalbeamte unmittelbar durch das Volk - wie der Landrat (vgl. § 55 NLO) - oder durch den aus Wahlen hervorgegangenen Kreistag - wie die anderen leitenden Beamtinnen und Beamten auf Zeit (vgl. § 62 Abs. 2 NLO) - gewählt werden (vgl. umfassend: OVG Lüneburg, Beschluss vom 25.06.1992, aaO.).

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Das bedeutet indessen nicht, daß der Kreistag seine Wahlbeamten willkürlich und unter Außerachtlassung der Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG und § 8 NBG allein oder vorrangig nach der Parteizugehörigkeit der Bewerber auswählen könnte. Die "Demokratisierung" des Auswahlverfahrens führt nicht zu einer Befreiung von materiell-rechtlichen Bindungen. Auch wenn Art. 33 GG infolge der Einflüsse des Kommunalverfassungsrechts auf die Stellung des kommunalen Wahlbeamten nur in eingeschränktem Maße gilt, haben kommunale Wahlkörperschaften eine fachbezogene Wahlentscheidung zu treffen. Die Wahlbeamtin bzw. der Wahlbeamte braucht zwar nicht die Laufbahnvorschriften zu erfüllen. Sie bzw. er muss aber gemäß § 62 Abs. 2 Satz 8 NLO die für sein Amt erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde besitzen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.06.1992, aaO. m.w.N.).

8

Da diese Norm jedoch - wie vorstehend dargelegt - ausschließlich öffentlichen Interessen dient, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht darauf an, ob den vorgenannten Anforderungen durch die Wahl von Frau A. zur Kreisrätin (Dezernat III) Genüge getan ist.

9

Der Antrag des Antragstellers hätte jedoch auch dann keinen Erfolg, wenn man mit einer in der Literatur vertretenen Auffassung (Wefelmeier in: Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand: Januar 2003, § 81 NGO Rn. 69 f. m.w.N.) der Auffassung wäre, dass auch der Mitbewerber um eine Wahlbeamtenstelle ein subjektives Recht auf ein ordnungsgemäßes Wahlverfahren hat, dessen Einhaltung er gerichtlich überprüfen lassen kann. Nach dieser Auffassung prüft das Gericht, ob die Verfahrensanforderungen eingehalten worden sind und ob der gewählte Bewerber die durch die Ausschreibungsbedingungen konkretisierten gesetzlichen Mindestanforderungen einer Eignung, Befähigung und Sachkunde erfüllt, wobei auch von den Vertretern dieser Auffassung zugestanden wird, dass den wahlberechtigten Mitgliedern des Kreistages hinsichtlich der Eignungsbeurteilung insbesondere im Hinblick auf die zulässigen politischen Erwägungen eine Einschätzungsprärogative zukommt, die sich der gerichtlichen Beurteilung entzieht.

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Vorliegend könnte sich der Antragsteller jedenfalls nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des ihm von dieser Auffassung zugestandenen Bewerbungsverfahrensanspruchs berufen. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Verfahrensanforderungen, die in den vorstehend genannten Gesetzesvorschriften aufgestellt werden, verletzt worden sind. Insbesondere gehen seine Darlegungen zu einer Vorabfestlegung der im Nachhinein gewählten Dezernenten nicht über bloße Vermutungen hinaus. Es ist weder von ihm glaubhaft gemacht worden noch sonst ersichtlich, dass die - nicht zuletzt auch schon frühzeitig aus der Lokalpresse zu entnehmenden - "Favoriten" der jeweiligen Kreistagsfraktionen tatsächlich schon von vornherein als erfolgreiche Bewerber festgestanden hätten. Aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ergibt sich im Einzelnen der ordnungsgemäße Ablauf des Ausschreibungs- und Bewerberauswahlverfahrens im Hinblick auf das vom Landrat auszuübende Vorschlagsrecht gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 NLO (vgl. dazu Wefelmeier, aaO., Rn. 47 u. 52).

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Der Antragsteller hat ebenso wenig glaubhaft gemacht, dass die gewählte Bewerberin für das Dezernat III die durch die Ausschreibungsbedingungen konkretisierten gesetzlichen Mindestanforderungen an Eignung, Befähigung und Sachkunde nicht erfüllt. Dabei mag es sein, dass sich der Antragsteller selbst im Hinblick auf die Besetzung des Dezernates III für besser qualifiziert als diese Bewerberin hält, jedoch ist damit noch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die gewählte Bewerberin den durch die Ausschreibungsbedingungen konkretisierten Mindestanforderungen nicht genügt. So räumt der Antragsteller auch selbst ein, dass der Kreistag des Antragsgegners seiner Auffassung nach die Ausschreibungsbedingungen für die von seinen Fraktionen in Aussicht genommenen Bewerber "passend" gemacht hat. Indes ist weder vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht noch sonst ersichtlich, dass der vom Kreistag am 12. März 2003 beschlossene Ausschreibungstext die rechtlichen Anforderungen des § 62 Abs. 2 Satz 8 NLO nicht erfüllt. Danach müssen die gewählten Bewerber die für ihr Amt erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde besitzen. Diesen Anforderungen wird der Ausschreibungstext gerecht. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die drei für das Dezernat III vom Landrat zum Vorstellungsgespräch eingeladenen Bewerber diesen Ausschreibungsbedingungen nicht gerecht werden. Durch die Wahl der vom Landrat dann unter Berücksichtigung des modifizierten beamtenrechtlichen Leistungsprinzips rechtsfehlerfrei vorgeschlagenen Bewerberin für das Dezernat III hat der Kreistag mithin von seiner Einschätzungsprärogative bezüglich der Eignungsbeurteilung Gebrauch gemacht, die sich (auch nach dieser weitergehende Auffassung) der gerichtlichen Beurteilung entzieht (vgl. Wefelmeier, aaO., Rn. 69).

12

Nach alledem hat der Antragsteller auch eine Verletzung des von ihm geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht glaubhaft gemacht.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

14

Die Streitwertentscheidung beruf auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 4 Satz 1 lit. b GKG, wobei die Kammer in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den Betrag halbiert (5.798,27 Euro nach Besoldungsgruppe B 3 Bundesbesoldungsordnung x 3,25).