Amtsgericht Hannover
Urt. v. 13.01.1995, Az.: 508 C 11511/94

Anspruch auf Auszahlung eines Spielgewinns aus einer abgeschlossenen Pferdewette; Zustandekommen eines Vertrages über eine Pferdewette; Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs); Auswirkungen einer Fehlspeicherung des Computers

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
13.01.1995
Aktenzeichen
508 C 11511/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 30881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:1995:0113.508C11511.94.0A

Fundstellen

  • CR 1996, 30-32 (Volltext mit red. LS)
  • NJW-RR 1995, 1013-1014 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Auszahlung von Spielgewinn

In dem Rechtsstreitverfahren
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 508 -
auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.1994
durch
die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.498,- nebst 4 % Zinsen seit dem 9.8.1994 zu zahlen.

Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

Entscheidungsgründe

1

- Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. -

2

Die Klage ist begründet.

3

I.

Die Beklagte ist gemäß § 736 S. 1 BGB verpflichtet, an den Kläger einen Spielgewinn in Höhe von DM 1.498,- aus der am Sonntag den 24.4.1994 abgeschlossenen Pferdewette, die auf dem Wettschein mit der Ticket - Nummer: 701 203 gekennzeichnet ist, auszuzahlen.

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1.

Der Kläger hat sich mit der Beklagten über den Abschluß eines Vertrages, der eine Pferdewette im 5. Rennen des Renntages beinhaltet, geeinigt.

5

Dieser Vertrag hatte eine sogenannte Dreierkombinationswette, wie sie in § 26 I. Abs. 5 c) 1. Spiegelstrich, Seite 63 der "Vorschriften für den Wettbetrieb, Stand: 1. Januar 1994" bezeichnet ist, zum Inhalt. Dabei waren die Pferde mit den Startnummern 1, 5 und 6 dergestalt kombiniert, daß sie in allen möglichen Reihenfolgen für die ersten drei Platze gewettet wurden.

6

Die Pferde liefen im fünften Rennen des besagten Renntages in der Reihenfolge 1 - 6 - 5 im Ziel ein. Dies führt bei der zwischen den Parteien abgeschlossenen Dreierkombinationswette zu einem Spielgewinn auf Klägerseite in Höhe des zugesprochenen Betrages von DM 1498,-.

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2.

Der betreffende Vertrag ist mit dem genannten Inhalt zustandegekommen, indem der Kläger an der Wettannahmestelle der Beklagten mit der Abgabe seines Wettscheins den Abschluß eines Pferdewettvertrages anbot und die Beklagte dieses Angebot annahm.

8

Der Inhalt des klägerischen Angebots war durch die auf dem Wettschein angebrachten Markierungen "Rennen: 5; Wettart: Dreier/Kombiniert; Einsatz: 10; Pferde: Kombi 1, 5, 6" bestimmt.

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Dieses Angebot hat die Beklagte durch das Einlesenlassen des Wettscheins in ihren Computer und durch die Entgegennahme des Wetteinsatzes konkludent angenommen.

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3.

Der Tatsache, daß der Wettcomputer eine Wette anderen Inhalts gespeichert und auf dem Wettschein ausgedruckt hat, kommt demgegenüber keine Bedeutung zu.

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Denn die Beklagte kann sich hinsichtlich des Inhalts des mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrages weder auf die §§ 1 Abs. 4 Satz 5; 3 Abs. 4 der "Vorschriften für den Wettbetrieb, Stand: 1. Januar 1994" noch auf Satz 3 der auf dem Wettschein aufgedruckten Bedingungen berufen. Diese Vorschriften und die auf dem Wettschein in Satz 3 aufgedruckte Bedingung finden hier wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AGBG keine Anwendung.

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Bei den betreffenden Bedingungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG. Zudem ist auch der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des AGBG gegeben, so daß die genannten Bedingungen einer Kontrolle durch das AGBG unterliegen.

13

Eine Abwägung zwischen den Interessen auf Kläger- und Beklagtenseite führt hier zu dem Ergebnis, daß die betreffenden Bedingungen zu einer unangemessene Benachteiligung des Wettenden führen.

14

Im übrigen gefährden sie den Zweck des vereinbarten Pferdewettvertrages, weil dem Wettenden bei Geltung der Bedingungen der Inhalt der getätigten Wette und damit auch der wesentliche Inhalt des abgeschlossenen Vertrages verborgen bleiben würde.

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Nach den genannten Bedingungen soll für den Inhalt der Pferdewette lediglich die Computerspeicherung bei der Beklagten, die auf dem Wettschein durch einen entsprechenden Ausdruck dokumentiert wird, maßgeblich sein. Zudem wird dem Wettenden die Pflicht auferlegt, zu überprüfen, ob die von ihm auf dem Wettschein markierte Wette mit der im Computer gespeicherten Wette übereinstimmt.

16

Die Beklagte begründet die Notwendigkeit dieser Klauseln zum einen mit ihrem Interesse daran, das Risiko von Fehlspeicherungen, die aufgrund von Lesefehlern des Computers immerhin mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,1 % auftreten können, auf den Wettenden abzuwälzen.

17

Zum anderen will die Beklagte mit den betreffenden Klauseln etwaige Manipulationen seitens des Wettenden ausschließen.

18

Zumindest das Interesse der Beklagten am Verhindern möglicher Manipulationen ist durchaus legitim, nachvollziehbar und verständlich.

19

Dies rechtfertigt jedoch nicht die von der Beklagten benutzten Klauseln. Wenn nämlich die Beklagte ihren Vertragspartnern eine Prüfungspflicht auferlegt, deren Säumnis zu einer Änderung des Vertragsinhaltes führt, so muß die Pflicht so ausgestaltet sein, daß die Vertragspartner sie ohne weiteres erfüllen können. Kann der Vertragspartner die Pflicht nicht erfüllen, so wird er hierdurch unangemessen benachteiligt.

20

Dem Wettenden war es hier mit zumutbarem Aufwand nicht möglich zu überprüfen, welche Wette der Computer tatsächlich gespeichert hat und welchen Inhalt der Wettvertrag demnach nunmehr haben soll.

21

Auf die gespeicherten Daten im Computer selbst hat der Wettende keinen Einblick. Ihm bleibt lediglich die Möglichkeit, den Computerausdruck zu kontrollieren. Eine solche Kontrolle ist anhand der vorliegenden Art des Ausdrucks jedoch nicht möglich.

22

Der Ausdruck gibt die im Computer gespeicherte Wette lediglich mittels einer kombinierten Aneinanderreihung von Buchstaben und Zahlen wieder. Aus sich selbst heraus ist diese Aneinanderreihung nicht verständlich. Auch mit Hilfe der "Vorschriften für den Wettbetrieb, Stand: 1. Januar 1994" laßt sich die Bedeutung der Aneinanderreihung nicht entschlüsseln.

23

Die Beklagte trägt auch nicht vorauf der Rennbahn an geeigneter Stelle eine Legende zur Entschlüsselung des Computerausdrucks angebracht oder ausgelegt zu haben, um zumindest somit eine Kontrolle der gespeicherten und ausgedruckten Wette zu ermöglichen.

24

Im Hinblick auf den regen Publikumsverkehr, der an einem Renntag gewöhnlich an den Wettschaltern einer Rennbahn herrscht, ist es den Wettenden, auch nicht zuzumuten bzw. möglich, das Personal der Beklagten um eine Erläuterung des Computerausdrucks zu bitten. Zumal diese Möglichkeit selbst nach Ansicht der Beklagten ausscheidet, da eine solche Kontrolle seitens des Personals an der Wettannahmestelle nicht möglich sei (vgl. Blatt 36 der Akten).

25

Die mangelnde Überprüfbarkeit der gespeicherten Wette führt zudem dazu, daß der Vertragszweck des Pferdewettvertrages - Gewinn bei richtiger Wette - gefährdet wird. Denn dem Wettenden bleibt der Inhalt des Vertrages verborgen und er kommt im Falle einer aufgrund eines Computerfehlers falsch gespeicherten Wette nicht in den Genuß eines Gewinns.

26

Für den Fall, daß die vom Wettenden gekennzeichnete Wette gewinnt, kann der Wettende bei fehlerhafter Computerspeicherung keinen Gewinn beanspruchen, wenn sich die Beklagte auf ihre Klauseln berufen könnte.

27

Demgegenüber kommt der Wettende in dem Falle, in dem die im Computer gespeicherte Wette gewinnt, gar nicht auf den Gedanken, möglicherweise gewonnen zu haben, da er ja aus den oben genannten Gründen nicht in der Lage ist nachzuvollziehen bzw. zu überprüfen, mit welcher Wette er denn nun tatsächlich gespielt hat. Im übrigen geht der Wettende davon aus, mit der von ihm markierten Wette verloren zu haben.

28

II.

Die Zinsforderung findet ihre Rechtfertigung in §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

29

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.