Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.08.2006, Az.: 2 K 245/04
Möglichkeit der Anrechnung von Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer im Wege des Anrechnungsverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.08.2006
- Aktenzeichen
- 2 K 245/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 32392
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2006:0825.2K245.04.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 11.11.2008 - AZ: X R 55/06
Rechtsgrundlagen
- § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG
- § 35 Abs. 2 S. 2 EStG
- § 36 EStG
Fundstellen
- DStR 2007, VI Heft 16 (Kurzinformation)
- DStRE 2007, 747-748 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2007, 592-593 (Volltext mit red. LS)
- EStB 2007, 255 (Kurzinformation)
- NWB direkt 2007, 6
Verfahrensgegenstand
Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2001
Amtlicher Leitsatz
Keine Anrechnung von Gewerbesteuer nach § 36 EStG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Kläger Anrechnung von Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer im Anrechnungswege geltend machen können.
Die Kläger sind im Streitjahr zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger war an einer OHG beteiligt. Er erzielte aufgrund der Beteiligung einen im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung ermittelten Gewinnanteil im Streitjahr in Höhe von ./. 123.719 DM.
Der Gewerbesteuermessbetrag für die OHG war dennoch - aufgrund von vorzunehmenden Hinzurechnungen nach § 8 GewStG (Dauerschuldentgelte) - positiv. Der Anteil des Klägers an dem Gewerbesteuermessbetrag betrug 2.661,75 DM.
Der Beklagte setzte den Einkommensteuerbescheid 2001 mit 0 DM fest. Eine gegen den Einkommensteuerbescheid erhobene Klage wies der erkennende Senat mit Urteil vom 16.01.2004 (2 K 528/03) mangels Beschwer ab. Er führte zur Begründung aus, die Kläger befänden sich im falschen Verfahren, soweit sie sich gegen die mit der Steuerfestsetzung verbundene Anrechnungsverfügung wendeten.
Die Kläger beantragten daraufhin im Februar 2004 die Anrechnung und Erstattung eines Betrages von 4.791 DM, der sich für das Streitjahr durch eine entsprechende Anwendung des § 35 EStG ergebe. Dies lehnte das Finanzamt durch Abrechnungsbescheid ab. Hiergegen richtet sich die Klage, die die Kläger als Sprungklage erhoben haben und der das Finanzamt zugestimmt hat.
Die Kläger sind der Auffassung, ein Betrag von 4.791 DM sei im Anrechnungswege zu erstatten. Dies ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 35, 36 EStG. Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften sollte, so die Kläger, nach den Vorstellungen des Gesetzgebers durch § 35 EStG die Belastung durch Gewerbesteuer wirtschaftlich wieder ausgeglichen werden. Diesen Zweck erreiche die Vorschrift indes nicht. In der Praxis komme es nämlich sehr häufig vor, dass durch einen Gewerbebetrieb Verluste erzielt würden, die ausschließlich durch die Notwendigkeit der Hinzurechnungen der Hälfte der Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG verursacht seien. Wenn in diesen Fällen keine Anrechnung der - tatsächlich gezahlten - Gewerbesteuer möglich sei, verstoße dies gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz und das Gebot einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Außerdem verstoße eine Besteuerung, die in einer nicht unerheblichen Zahl unter Umständen zu einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung führen könne, gegen Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz. Zudem begründe die Notwendigkeit zur Typisierung keinen hinreichenden Rechtfertigungsgrund für eine Ungleichbehandlung. Aufgrund der Nichtanrechnungsmöglichkeit müsse ein Gewerbetreibender, der Verluste erziele, aufgrund der Hinzurechnungsvorschriften (§ 8 GewStG) de facto Gewerbesteuer bezahlen, der Gewerbetreibende, der einen Gewinn erziele, aufgrund der möglichen Anrechnung nach § 35 EStG hingegen nicht. § 35 EStG sei auch deshalb verfassungswidrig, weil der Abbau der Gewerbesteuerbelastung im Rahmen des § 35 EStG von Zufälligkeiten anhängig sei. Es sei daher (jedenfalls) geboten, die Gewerbesteuer entsprechend § 36 Abs. 4 EStG mit dem 1,8-fachen des anteiligen Gewerbesteuermessbetrages von 2.661,75 DM, also 4.791 DM auf die Einkommensteuer, in gleicher Weise wie Kapitalertragsteuer anzurechnen. Dies führe im Streitfall somit zu einer Erstattung von Gewerbesteuer.
Die Kläger beantragen,
den Abrechnungsbescheid über 2001 dahingehend abzuändern, dass ein Betrag von 4.791 DM zu erstatten ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und ist weiterhin der Auffassung, die Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anrechnung (anteiliger) Gewerbesteuer auf Grundlage einer verfassungs-konformen Auslegung von § 36 EStG. Vielmehr enthalte § 35 EStG eine abschließende Regelung. § 35 EStG sehe lediglich eine Steuerermäßigung, nicht aber eine Anrechnung entsprechend § 36 EStG vor. § 35 EStG sei auch nicht lückenhaft.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Steuerakten verwiesen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat eine Anrechnung von Gewerbesteuer im Anrechnungsverfahren zu Recht abgelehnt.
1.
Eine Anrechnung von Gewerbesteuer sieht § 36 EStG gerade nicht vor. Die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen mit Ausnahme der §§ 34f und 34g, ermäßigt sich vielmehr nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 EStG, soweit sie anteilig auf im zu versteuernden Einkommen enthaltene gewerbliche Einkünfte entfällt, bei Einkünften aus Gewerbebetrieb als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 um das 1,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum festgesetzten anteiligen Gewerbesteuer-Messbetrags. Der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuer-Messbetrag richtet sich gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG nach seinem Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungs-schlüssels; Vorabgewinnanteile sind nicht zu berücksichtigen.
Die Regelung des § 35 EStG vermeidet die verfassungsrechtlich zweifelhaften, aber vom Bundesverfassungsgericht im Ergebnis gebilligten Regelungen des früheren § 32c EStG, da sie auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung auf die Wirkungen von Einkommensteuer und Gewerbesteuer abstellt. Bezieher anderer Einkunftsarten werden nicht mit der Folge eines Verfassungsverstoßes benachteiligt, vielmehr wird die von der Gewerbesteuer-belastung ausgehende Benachteiligung - typisierend - korrigiert (vgl. Blümich, Komm. zum EStG, § 35 Rz. 28).
2.
Die zum Teil geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. z.B. Hidien, B.B. 2000, 485) im Hinblick auf die Vorschrift des § 35 EStG greifen ebenfalls nicht durch. Im Streiffall scheidet eine Steuerermäßigung insbesondere deshalb aus, weil die Steuerschuld bei den Klägern auf 0 DM festgesetzt wurde. Bei dieser Sachlage ist es jedenfalls nicht sachwidrig und entspricht einen zulässigen Typisierung des Gesetzgebers, keine Anrechnung der gezahlten Gewerbesteuer entsprechend § 36 EStG vorzunehmen. Zwar wird damit im Ergebnis die Gewerbesteuerbelastung insoweit, wie die Gewerbesteuer auf den Gesellschafter mit einer 0 Festsetzung entfällt, definitiv. Dieses Ergebnis ist indes hinzunehmen, da die Vorschrift des § 35 EStG die Gewerbesteueranrechnung bzw. Ermäßigung lediglich typisierend vorsieht.
3.
Aufgrund dessen scheidet auch die von den Klägern begehrte verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift aus. Es ist nicht ersichtlich, dass die Anrechnung von Gewerbesteuer in allen Fällen aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten erscheint. Die Folge der Nichtanrechnung ist - bei typisierender Betrachtung - nicht so schwerwiegend, dass ein Verfassungsverstoß angenommen werden könnte.
4.
Die Kostenfolge beruht auf § 135 FGO.