Sozialgericht Osnabrück
v. 16.11.2022, Az.: S 28 R 202/21
Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme für den Erwerb bzw. die Wiedererlangung einer Fahrerlaubnis sowie eines Kfz-Zuschusses
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 16.11.2022
- Aktenzeichen
- S 28 R 202/21
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2022, 70770
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2022:1116.28R202.21.00
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 SGB VI
In dem Rechtsstreit
C.,
C-Straße, C-Stadt
- Kläger -
gegen
Deutsche Rentenversicherung A.,
vertreten durch die Geschäftsführung,
B., Z.
- Beklagte -
hat die 28. Kammer des Sozialgerichts Osnabrück am 16. November 2022 gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Richter am Sozialgericht L. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme für den Erwerb bzw. die Wiedererlangung einer Fahrerlaubnis sowie eines Kfz-Zuschusses.
Der 1966 geborene Kläger erwarb - soweit nach Aktenlage bekannt - den Hauptschulabschluss und absolvierte eine Ausbildung zum Straßenbauer. Sein Lebenslauf ist durch häufige Zeiten der Arbeitslosigkeit sowie wiederholter Haftstrafen seit 1992 geprägt. Im Jahr 2003 nahm der Kläger an einer sechsmonatigen Alkoholentziehungsmaßnahme teil. In den Jahren bis 2012 übte der Kläger verschiedene meist eher kurzfristige Beschäftigungen als Produktionshelfer bei wechselnden Arbeitgebern aus. Daneben war er auch selbstständig im Bereich Schreib- und Büroservice tätig. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestand für diese Tätigkeit nicht. Von Februar 2014 bis April 2015 verbüßte der Kläger eine Haftstrafe. Am 11. Juli 2015 erlitt er einen Schlaganfall. Vom 24. Juli bis zum 21. August 2015 absolvierte er sodann eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme im D. Neurozentrum E. in F.. Aus dieser wurde er nach Einschätzung der Ärzte der Reha-Klinik mit einem Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten in einem Umfang von sechs Stunden und mehr täglich entlassen.
Am 7. Januar 2016 beantragte der Kläger wegen des erlittenen Hirninfarkts die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit dem Bescheid vom 10. Juni 2016 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass in dem Zeitraum vom 7. Januar 2011 bis 6. Januar 2016 nur 19 Monate mit Pflichtbeiträgen enthalten seien. Damit seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Es liege auch kein Fall der vorzeitigen Wartezeiterfüllung nach § 43 Abs. 5 SGB VI vor. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2016 als unbegründet zurück. Der Kläger erhob gegen die Entscheidung am 22. Juli 2016 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück (Az. S 47 R 387/16 ER), die mit Gerichtsbescheid vom 25. November 2016 wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen zurückgewiesen wurde. Die Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 20. September 2017 (Az. L 2 R 617/16) zurück. Weder zum Zeitpunkt des Hirninfarktes im Juli 2015 noch bei Antragstellung im Januar 2016 seien die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt.
Vom 27. September 2016 an war der Kläger erneut inhaftiert. Während der damaligen Haftzeit beantragte er im Januar 2018 unter Darlegung eines chronischen Alkoholabusus die Gewährung einer Entwöhnungsbehandlung. Die behandelnde Anstaltsärztin gab in ihrem Bericht vom 24. Januar 2018 als Diagnose eine Alkoholabhängigkeit an und dass beim Kläger seit dem 30. Lebensjahr ein vermehrter, zunächst wöchentlicher und später täglicher Alkoholkonsum bis hin zum Kontrollverlust festzustellen sei.
Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes gewährt die Beklagte dem Kläger eine stationäre Entwöhnungsmaßnahme. Diese wurde jedoch nicht durchgeführt, da die zunächst dafür vorgesehene vorzeitige Entlassung des Klägers sich seinerzeit nach Auskunft der Justizvollzugsanstalt nicht realisieren ließ.
Nach Verbüßung der Haftstrafe beantragte der Kläger im März 2019 die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Mit Schreiben vom 13. März 2019 bat die Beklagte den Kläger um Übersendung eines Berichtes seines behandelnden Arztes und um Mitteilung, ob er sich noch in Haft befände. Nachdem die Beklagte den Kläger mehrfach erinnert hatte, teilte der Kläger am 20. Juni 2019 mit, dass der Arztbericht der Hausärztin mangels Krankenversicherungsschutzes nicht erstellt werden könne. Die Beklagte forderte daraufhin den Arztbericht direkt bei der vom Kläger benannten Ärztin an.
Der Kläger beantragte bereits am 19. Juni 2019 vor dem SG Osnabrück einstweiligen Rechtsschutz (Az. S 28 R 204/19 ER) und begehrte insbesondere die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer Umschulung sowie eines Zuschusses für den Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse B/BE/C/CE. Den Antrag lehnte das SG Osnabrück mit Beschluss vom 15. Juli 2019 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das LSG Niedersachsen-Bremen (Az. L 1 R 271/19 B ER) mit Beschluss vom 26. August 2019 zurück.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers sodann mit Bescheid vom 18. September 2019 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger insbesondere mit seiner Schwerbehinderung. Zudem begab er sich in die Behandlung bei seiner Hausärztin B..
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2019 zurück. Unter Berücksichtigung seiner Gesundheitsstörungen in Form eines Zustandes nach Schlaganfall unklarer Herkunft am 11. Juli 2015 mit Sprach- und Bewegungsstörungen und bestehender Gesichtsfeldlähmung rechts sowie einer Schilddrüsenunterfunktion bei Zustand nach Schilddrüsenentfernung im Jahr 2013 könne der Kläger noch mittelschwere Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an die Sprachfähigkeit verrichten. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien nicht notwendig. Die dagegen erhobene Klage (Az. S 28 R 389/19) wies das SG Osnabrück mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2020 zurück, da dem Gericht weitere medizinische Ermittlung von Amts wegen mangels Übersendung der vom Kläger angeforderten Schweigepflichtentbindung nicht möglich waren.
Auf die dagegen eingelegte Berufung änderte das LSG Niedersachsen-Bremen (Az. L 2 R 129/20) den Gerichtsbescheid des SG Osnabrück vom 27. April 2020 ab, hob den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2019 auf und verpflichtete die Beklagte, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden. Im Übrigen wies das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung zurück und die Klage ab.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger in Umsetzung des Urteils des LSG Niedersachsen-Bremen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Januar 2021 gewährte sie ihm eine Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung in der Einrichtung G. gGmbH. Mit Schreiben vom 20. April 2021 bot die Beklagte weitere Leistungen zu Integration an. Darüber hinaus stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2021 Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht und erklärte sich im Grundsatz bereit, einen Eingliederungszuschuss an einen zukünftigen Arbeitgeber zu leisten.
Der Kläger wandte sich wiederholt insbesondere auch mit Aufsichtsbeschwerden an die Beklagte, um diese zur Beauftragung eines/r anderen Rehabilitationsberaters bzw. -beraterin zu bewegen. Der Kläger begehrte außerdem von der Beklagten eine Kostenzusage für die Beschaffung eines Fahrzeugs sowie eine Kostenzusage für den Erwerb einer Fahrerlaubnis (unter Einschluss einer Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen).
Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 26. Mai 2021 ab. Der Kläger sei nicht aus behinderungsbedingten Gründen auf ein Kraftfahrzeug angewiesen, um einen Arbeitsplatz zu erreichen. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit sei in den medizinischen Unterlagen nicht dokumentiert. Auch sei in diesen keine Einschränkung der Fähigkeit zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgewiesen. Die Kosten einer Fahrerlaubnis seien den Kosten der allgemeinen Lebensführung zuzurechnen und könnten daher nicht von der Rentenversicherung übernommen werden. Zudem sei dem Kläger die Fahrerlaubnis entzogen worden. Auch die Kosten der Wiedererlangung könnten nicht übernommen werden. Unabhängig davon finde sich in den medizinischen Unterlagen kardiologisch eine Belastbarkeit von 100 W in der Ergometrie. Dies entspreche einer Belastbarkeit für leichte und mittelschwere Arbeiten und dürfte einer Tätigkeit als Lkw-Fahrer entgegenstehen.
Der Kläger beantragte bereits am 29. April 2021 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem SG Osnabrück (Az. S 15 R 138/21 ER). Am 2. Juli 2021 stellte er einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az. S 15 R 180/21 ER). Nachdem das SG Osnabrück die Verfahren verbunden hatte, lehnte es die Anträge mit Beschluss vom 3. Juni 2021 ab. Mit der dagegen vor dem LSG Niedersachsen-Bremen (Az. L 2 R 148/21 B ER) eingelegten Beschwerde verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Zudem beantragte er am 4. Juni 2021 beim SG Osnabrück (Az. S 28 R 183/21 ER) erneut die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und machte die Übernahme der Kosten für eine Fahrerlaubnis geltend. Diesen Antrag lehnte das SG Osnabrück mit Beschluss vom 10. Juni 2021 ab. Auch dagegen erhob der Kläger Beschwerde vor dem LSG Niedersachsen Bremen (Az. L 2 R 154/21 B ER).
Mit Beschluss vom 26. Juni 2021 verband das LSG Niedersachsen Bremen die Verfahren L 2 R 148/21 B ER und L 2 R 154/21 B ER und wies die Beschwerden des Klägers zurück. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes käme die Übernahme der Kosten für eine Fahrerlaubnis durch den Träger der beruflichen Rehabilitation nicht in Betracht. Auch für den begehrten Kfz-Zuschuss sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund ersichtlich.
Den gegen den Bescheid vom 26. Mai 2021 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2021 zurück. Unter Berücksichtigung seiner Gesundheitsstörungen könne der Klägerin noch mittelschwere Arbeiten ohne erhöhte Anforderungen an die Sprachfähigkeit, ohne Gefährdung durch reizende Gase, Stäube, Raucher, starke Gerüche, ohne klettern oder steigen sowie ohne Absturzgefahr sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Gesundheitsstörungen des Klägers würden nicht die Gewährung einer Leistung nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung durch den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erfordern. Aufgrund seines Gesundheitszustandes liege eine wesentliche Einschränkung seiner zumutbaren Gehstrecke nicht vor. Trotz seiner Behinderung könne er grundsätzlich öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Die Ablehnung der Kostenübernahme für den Erwerb der Fahrerlaubnis C/CE (Lkw) sei ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat am 20. Juni 2021 Klage vor dem SG Osnabrück erhoben und verfolgt sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021 in der Fassung des Bescheides vom 2. Dezember 2021 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Finanzierung des Erwerbs einer Fahrerlaubnis sowie eines Kfz-Zuschusses zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und hält die getroffene Entscheidung weiterhin für zutreffend.
Am 3. August 2021 hat der Kläger die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Im Selbsteinschätzungsbogen hat er als Grund die Folgen seines Schlaganfalls angegeben. Den Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 1. November 2021 wegen fehlender Mitwirkung abgelehnt, da der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung und Hinweis auf die Folgen fehlender Mitwirkung den erbetenen Formantrag nicht eingereicht habe. Dagegen hat der Kläger am 5. November 2021 Widerspruch und am 9. November 2021 Klage vor dem SG Osnabrück erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 28 R 356/21 geführt. Den Widerspruch hat die Beklagte zwischenzeitlich mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2021 zurückgewiesen.
Am 2. September 2021 hat der Kläger vor dem SG Osnabrück zudem eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Übernahme der Kosten zu Erlangung der Fahrerlaubnis vom 3. Juni 2019 zu entscheiden sowie Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu zahlen. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 28 R 283/21 geführt.
Nachdem der Kläger am 22. November 2021 erneut bei der Beklagten Leistungen zu Teilhabe am Arbeitsleben beantragt hatte, hat diese den Antrag mit Bescheid vom 2. Dezember 2021 abgelehnt. Dagegen hat der Kläger mit Schreiben vom 7. Dezember 2021 bei der Beklagten Widerspruch und bereits am 10. Dezember 2021 Klage vor dem SG Osnabrück erhoben. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 28 R 390/21 geführt. Über den Widerspruch hat die Beklagte bisher nicht entschieden, sondern vorgetragen, dass der Bescheid vom 2. Dezember 2021 Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden sei.
Der Kläger hat zudem mit seinem Schreiben vom 15. Dezember 2021 im Verfahren S 28 R 356/21 einstweiligen Rechtsschutz beantragt und diesen Antrag mit Schreiben vom 23., 29. und 30. Dezember 2021 (eingereicht zum Verfahren S 28 R 365/21) wiederholt. Der Kläger hat in dem Verfahren S 28 R 399/21 ER weiterhin die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente aufgrund seiner Leistungsschwäche sowie die Verpflichtung der Beklagten begehrt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen. Das Gericht hat den Antrag mit Beschluss vom 4. Januar 2022 abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 20. Januar 2022 (Az. L 9 R 10/22 B ER) zurückgewiesen
Das Gericht hat Befundberichte der Fachärztin für Innere Medizin Dr. C., des Facharztes für Allgemeinmedizin B. und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie D. eingeholt. Das Gericht hat den Dr. A. mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Das Gesuch des Klägers, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, hat das Gericht mit Beschluss vom 23. Juni 2022 abgelehnt. Nachdem sich der Kläger zu einer Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. A. nicht bereiterklärt hat, hat das Gericht die Beweisanordnung vom 12. Mai 2022 aufgehoben.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem sowie in den oben genannten Verfahren und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß angehört wurden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 2021 in der Fassung des Bescheides vom 2. Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zunächst ist der Bescheid vom 2. Dezember 2021 gemäß § 96 Satz 1 SGG Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens geworden. Danach wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. August 2017 (Az. B 5 R 248/16 B) handelt es sich bei dem Bescheid vom 2. Dezember 2021 um eine die bisherige Ablehnung ersetzende Neuregelung, die in Folge dessen Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens wird.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form der Finanzierung des (erneuten) Erwerbs einer Fahrerlaubnis sowie eines Kfz-Zuschusses zu Recht abgelehnt.
Nach § 9 SGB VI werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen erbracht, um 1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und 2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind. Die Leistungen nach § 9 Abs. 1 SGB VI können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, § 9 Abs. 2 SGB VI.
Nach § 10 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Liegen die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor, so bestimmt der Träger der Rentenversicherung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB VI im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung dieser Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei erstreckt sich das dem Rentenversicherungsträger eingeräumte Ermessen nicht auf das "Ob" der Leistungsgewährung, sondern beschränkt sich auf das "Wie" der Leistungserbringung. Die Wahl der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgt gemäß § 16 Satz 1 SGB VI nach den §§ 49 bis 54 des Neunten Buches, im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach § 57 des Neunten Buches, entsprechende Leistungen bei anderen Leistungsanbietern nach § 60 des Neunten Buches sowie das Budget für Ausbildung nach § 61a des Neunten Buches.
Bei Ermessensentscheidungen ist der Verwaltung ein Handlungsspielraum eingeräumt. Das Gericht darf hierbei nicht sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen. Es findet mithin nur eine gerichtliche Rechtskontrolle, nicht aber eine Zweckmäßigkeitskontrolle statt. Das Gericht prüft entsprechend § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG nur, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat und ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Die Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach liegen bei dem Kläger - insoweit zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich auch unstreitig - vor. Die Beklagte hat dem Kläger daher in Umsetzung des Urteils des LSG Niedersachsen-Bremen (Az. L 2 R 129/20) mit Bescheid vom 21. Dezember 2020 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach bewilligt. Mit einem weiteren Bescheid vom 7. Januar 2021 gewährte sie ihm eine Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung in der Einrichtung H. gGmbH. Mit Schreiben vom 20. April 2021 bot die Beklagte weitere Leistungen zu Integration an. Darüber hinaus stellte die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2021 Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Aussicht und erklärte sich im Grundsatz bereit, einen Eingliederungszuschuss an einen zukünftigen Arbeitgeber zu leisten.
Ein Anspruch des Klägers auf die von ihm konkret begehrten Teilhabeleistungen in Form der Finanzierung des (erneuten) Erwerbs einer Fahrerlaubnis sowie eines Kfz-Zuschusses besteht allerdings nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des LSG Niedersachsen-Bremen in dem Beschluss vom 26. Juli 2021 (Az. L 2 R 148/21 B ER und L 2 R 154/21 B E R) verwiesen.
Die von Amts wegen erfolgten Ermittlungen im Hauptsacheverfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung. Aus den eingeholten medizinischen Unterlagen der den Kläger behandelnden Ärzte geht nicht hervor, dass der Kläger in seiner Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt und ihm die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre. Der Kläger trug zur Begründung seines Gesuchs, den Sachverständigen Dr. A. wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, vielmehr selbst vor, dass er einen Gutachter in A-Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln schneller erreichen könne als in F.. Der Kläger stellt damit seine Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können, selbst nicht in Frage. Einer Untersuchung durch den vom Gericht benannten Sachverständigen hat sich der Kläger nicht unterzogen. Eine Feststellung der objektiv vorliegenden Gesundheits- und Funktionsstörungen war daher ebenso wenig möglich wie die der Fähigkeit des Klägers zum Führen eines PKWs im öffentlichen Straßenverkehr. Dem Kläger stand es zwar frei, die Exploration durch den Sachverständigen nicht zu dulden. Denn es gibt keinen Zwang, sich einer Begutachtung im Sozialgerichtsverfahren zu unterziehen. Jedoch hat der Kläger die Nichterweislichkeit einer Tatsache nach den Regeln der objektiven Feststellungslast die Nachteile aus einer solchen Verhaltensweise zu tragen. Weitere Ermittlungen waren nach Überzeugung des Gerichts nicht angezeigt.
Eine sogenannte Ermessensreduzierung "auf Null" dahingehend, dass allein die Bewilligung der Teilhabeleistungen in Form der Finanzierung des (erneuten) Erwerbs einer Fahrerlaubnis sowie eines Kfz-Zuschusses eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten darstellen würde, liegt nach alledem nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.