Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.05.2007, Az.: 11 UF 27/07
Möglichkeit der Verwehrung eines Umgangsrechts aufgrund der Vermutung einer pädophilen Neigung des Kindsvaters; Voraussetzungen für das Vorliegen einer Verletzung des Wohl des Kindes aufgrund getroffener Umgangsregelungen; Anforderungen an die Qualität eines psychologischen Gutachtens
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 04.05.2007
- Aktenzeichen
- 11 UF 27/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 49484
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2007:0504.11UF27.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 23.01.2007 - AZ: 8 F 257/06 UG
Rechtsgrundlagen
- § 1666 BGB
- § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB
Fundstellen
- FamRZ 2008, 85-86 (red. Leitsatz)
- OLGReport Gerichtsort 2008, 243
In der Familiensache
...
hat der 11. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...und
die Richter am Oberlandesgericht ...und ...
am 04. Mai 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. (Kindesvater) gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 23. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Ihm werden die den weiteren Beteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
Aus der Ehe der Beteiligten zu 1. und 2. ist das gemeinsame Kind M..., geboren am ...2000, hervorgegangen. Die Eheleute leben seit September 2004 getrennt. Seither lebt das Kind bei der Mutter. Ihr steht durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück vom 20.04.2005 (69 F 328/04 SO) die alleinige elterliche Sorge für das Kind zu. In einem weiteren Verfahren des Amtsgerichts - Familiengericht - Osnabrück (AZ: 8 F 161/06 SO), das aufgrund der Vorwürfe des Kindesvaters gegen die Kindesmutter eingeleitet worden ist, ist ein Sachverständigengutachten zu folgenden Fragen eingeholt worden:
- a.
Wird das Kindeswohl gefährdet, wenn das Kind im Haushalt der Mutter verbleibt?
- b.
Falls die Frage bejaht wird: Ist das Kindeswohl auch im Haushalt des Kindesvaters gefährdet, so dass diesem das Sorgerecht nicht übertragen werden könnte?
- c.
Ist das Kindeswohl auch gefährdet, wenn der Kindesvater weiteres Besuchsrecht ausübt und muss der Kindesvater mit seinem Besuchsrecht ausgeschlossen werden?
Das Familiengericht hat nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens der Psychotherapeutin T... B... vom 24.11.2006 (BA 8 F 161/06 SO Bl. 87 - 319) mit Beschluss vom 28. Dezember 2006 entschieden, dass Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht veranlasst sind. In dem schriftlichen Gutachten wird der Kindesmutter ein körperlich äußerst fürsorglicher und respektvoller Umgang mit M... bescheinigt. Zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung wird vorgeschlagen, den Kindesvater von seinem Besuchsrecht auszuschließen. Der Vater setze das Kind als "Waffe" gegen die Kindesmutter ein. Er hetze massiv bei der Polizei, beim Jugendamt, beim Gericht, bei Bekannten, Freunden und Nachbarn sowie bei der Arbeitsstelle der Kindesmutter gegen die Kindesmutter, so dass das Kind permanent diesen destruktiven negativen Einflüssen gegen die Kindesmutter ausgesetzt sei. Zusätzlich sei beim Kindesvater eine sexualbezogene Perversion auf Kinder, Fotografien und gewaltverherrlichende Pornofilme festzustellen.
Nachdem bekannt wurde, dass sich auf der Festplatte des PC des Kindesvaters Nacktaufnahmen des Kindes und auch weitere Inzestpornodarstellungen (gestellt oder echt) befanden, ist der Kindesvater mit Beschluss des Familiengerichts Osnabrück vom 26. September 2006 mit seinem im Vergleich vom 04.08.2005 eingeräumten Besuchsrecht (69 F 137/05) ausgeschlossen worden. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat zunächst einen entsprechenden Beschluss im Wege einstweiliger Anordnung von Amts wegen getroffen. Unter dem 28. September 2006 hat sodann die Kindesmutter den Ausschluss des Kindesvaters mit seinem Besuchsrecht beantragt. Hierzu sind die Beteiligten und die Gutachterin B... sowie eine Vertreterin des Jugendamtes und die Verfahrenspflegerin P... am 18. Januar 2007 angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Januar 2007 verwiesen (GA Bl. 82 - 84). In dem hiermit in Bezug genommenen Beschluss vom 23. Januar 2007 hat das Familiengericht den Kindesvater mit seinem Besuchsrecht bezüglich des Kindes M... R... bis zum 31. Januar 2009 ausgeschlossen (GA Bl. 85 - 87). Das Verhalten des Kindesvaters sei von Hass gegen die Kindesmutter geprägt. Schon seit Jahren verfolge er sein Ziel, die Kindesmutter schlecht zu machen, herabzuwürdigen und zu demütigen. Weiterhin lägen beim Kindesvater mit hoher Wahrscheinlichkeit pädophile Neigungen vor. So seien auf der Festplatte des PC des Beklagten pädophile Bilder vorgefunden worden. Es seien dabei auch gegen den Willen des Kindes Nacktaufnahmen von M... gemacht worden. Ob bei dem Kindesvater tatsächlich pädophile Neigungen vorlägen, könne dahingestellt bleiben. Bei M... handele es sich um ein Kleinkind, dass sich nicht wehren könne. Die Wahrscheinlichkeit pädophiler Neigungen sei immerhin so groß, dass es nicht verantwortet werden könne, dem Kindesvater das Kind auch nur zeitweise zu überlassen. Begleitete Umgangskontakte seien nicht geeignet, die Gefährdungslage für das Kind zu beseitigen. Die Verunsicherung des Kindes durch den Versuch einer Beeinflussung des Kindes gegen die Kindesmutter könne hierdurch nicht verhindert werden. Auch ohne Worte könne sich dem Kind die feindselige Einstellung des Vaters gegen die Kindesmutter mitteilen. Im Übrigen komme ein begleitetes Umgangsrecht nur für eine Übergangsphase in Betracht und sei kein Dauerzustand. Der Kindesvater müsse sich daher zunächst psychotherapeutisch behandeln lassen, um so die Grundlage für die Anbahnung von Besuchskontakten zu schaffen.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kindesvater gegen den Ausschluss mit seinem Umgangsrecht. Es sei zu beanstanden, dass die Gutachterin keine approbierte Diplompsychologin sei. Ihr fehle die Qualifikation für die Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens. Es müsse ein neues Gutachten eingeholt werden. Beim Kindesvater lägen keine pädophilen Neigungen vor. Das im Zusammenhang mit der sichergestellten Festplatte eingeleitete Strafverfahren sei eingestellt worden. Die Frage, ob beim Kindesvater pädophile Neigungen vorliegen, sei im Wege eines Sachverständigengutachtens zu klären. Die Nacktfotografien von M... seien lediglich aus der Sorge vor Misshandlungen des Kindes gefertigt worden.
Die nach §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und zulässige befristete Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Kindesvater zu Recht mit seinem Umgangsrecht bis einschließlich Januar 2009 ausgeschlossen. Der Ausschluss des Umgangsrechtes ist erforderlich, weil durch die Umsetzung der im Vergleich vom 04.08.2005 (Amtsgericht Osnabrück: 69 F 137/05 UG) getroffenen Umgangsregelung das Wohl des Kindes gefährdet wäre, § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB.
Der Kindesvater kann, wie die vom Gericht bestellte Gutachterin B... überzeugend darlegt, Konflikte nicht auf der Paarebene konstruktiv und lösungsorientiert mit dem Partner besprechen. Er hat vielmehr immer wieder versucht, die positive Beziehung der Kindesmutter zu M... zu zerstören. Der Kindesvater sorge sich in seinem Streben, der Kindesmutter Schaden zuzufügen, nicht um das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes. Ihm ist es wichtiger, sein Ziel zu erreichen, die Kindesmutter "zur Unperson" zu erklären, mit der man keinen Umgang pflegt, und somit die Kindesmutter aus dem Leben des Kindes auszuradieren (schriftliches Gutachten Bekker vom 24.11.2006, S. 168).
Der Senat teilt auch die Auffassung des Familiengerichts, dass vorliegend aufgrund der auf der Computerfestplatte des Beklagten vorgefundenen Fotos Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass beim Kindesvater pädophile Neigungen vorliegen. Eine abschließende Klärung dieser Frage ist nicht erforderlich. Denn das Kindeswohl ist bereits dadurch gefährdet, dass Nacktaufnahmen von dem Kind M... gegen den geäußerten Willen des Kindes gemacht worden sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass vom Kindesvater gefertigte Nacktaufnahmen seiner Ehefrau fremden Personen zugänglich gemacht worden sind (im Briefkasten eines Arbeitskollegen des jetzigen Lebensgefährten der Kindesmutter, Herrn G...). Es kann offen bleiben, wie es zur Verbreitung dieses Fotos gekommen ist. Entscheidend ist, dass eine Verbreitung der vom Kindesvater gefertigten Fotos über den häuslichen Bereich nicht ausgeschlossen ist.
M... ist bereits durch die gegen seinen Willen gemachten Fotoaufnahmen soweit verunsichert, dass er mit Panik auf von der Gutachterin beabsichtigte Fotoaufnahmen reagiert hat. Eine weitere Verunsicherung des Kindes durch Kontakte zum Kindesvater ist derzeit zu vermeiden. Dem Kindesvater bleibt die vom Familiengericht aufgezeigte Möglichkeit, sich psychotherapeutisch behandeln zu lassen. Sollte sich bestätigen, daß keine pädophilen Neigungen beim Kindesvater vorliegen oder diese Neigungen psychotherapeutisch aufgearbeitet worden sind und dem Kindesvater es darüber hinaus auch gelingt, seine feindliche Einstellung gegenüber der Kindesmutter aufzuarbeiten, kommt eine Wiederaufnahme der Besuchskontakte nach Ablauf des Januars 2009 in Betracht. M... ist dann 8 Jahre alt, so dass es ihm dann besser als heute möglich sein wird, sich über auffällige Verhaltensweisen des Kindesvaters zu erklären.
Die Einwände des Kindesvaters gegen die Qualifikation der gerichtlich bestellten Gutachterin B... erfordern nicht die Einholung eines neuen Gutachtens. Die Qualifikation der Gutachterin ist im einzelnen dargelegt worden (vgl. GA Bl. 76-78).
Es besteht keine Notwendigkeit, dass eine vom Gericht bestellte Gutachterin in Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren immer eine Diplompsychologin sein müsste. Ausreichend sind vorliegend die nachgewiesenen praktischen Erfahrungen auf dem zu begutachtenden Fachgebiet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a FGG.