Arbeitsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.03.2017, Az.: 2 Ca 556/16

Entgelt § 138 Abs 2 SGB IX; Teilzeitbeschäftigung

Bibliographie

Gericht
ArbG Oldenburg
Datum
29.03.2017
Aktenzeichen
2 Ca 556/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53609
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung ist der zu zahlende Grundbetrag jedenfalls dann einer Kürzung nicht zugänglich, wenn die Verringerung des Arbeitszeitumfanges ausschließlich auf den in § 6 Abs. 2 WVO genannten Gründen beruht. In diesem Fall fehlt es für die Kürzung des Grundbetrages an einer Rechtsgrundlage. Der Steigerungsbetrag wird seitens des Werkstattträgers nicht mehr "leistungsangemessen" gezahlt, wenn die Kürzung bei unverändertem Arbeitsergebnis nicht mehr nur im Verhältnis zum verringerten Arbeitszeitanteil des behinderten Menschen sondern in einem darüber hinausgehenden, nicht mehr zu rechtfertigenden Umfang vorgenommen wird.

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.036,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 57,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 29 % und der Beklagte zu 71 % zu tragen.

5. Der Streitwert dieses Urteils wird auf 1.544,40 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, welche Vergütung der in einer Werkstatt für Behinderte arbeitende Kläger beanspruchen kann.

Der 60-jährige und mit einem Grad von 30 behinderte Kläger ist seit dem 05.02.2013 im Rahmen einer Maßnahme „Teilhabe am Arbeitsleben“ aufgrund des Werkstattvertrages vom 14.02.2013 bei dem Beklagten beschäftigt. Seine Arbeitsleistung erbringt der Kläger an 4 Tagen in der Woche in der Werkstatt C. zuletzt am Standort F..

Das Arbeitsentgelt des Klägers setzt sich zusammen aus dem Grundbetrag, dem Arbeitsförderungsgeld und dem sogenannten Steigerungsbetrag. Dabei erreicht der Kläger nach dem bei dem Beklagten im Rahmen der Entgelttabelle zugrunde gelegten Punkteschema einen Wert von 67 Punkten, sodass sich nach der Entgelttabelle des Beklagten ein Steigerungsbetrag in Höhe von 114,- € monatlich errechnet. Aufgrund der Teilzeitbeschäftigung zahlte der Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit nur einen verringerten Steigerungsbetrag in Höhe von monatlich 72,- € aus. Der Grundbetrag von 75,- € sowie das Arbeitsförderungsgeld in Höhe von 26,- € wurden demgegenüber kontinuierlich zutreffend abgerechnet und ausgezahlt.

Mit seiner am 30.12.2016 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Auszahlung eines höheren Steigerungsbetrages sowie Fahrtkostenerstattung.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte weiche bei der Bemessung seines Arbeitsentgelts von den gesetzlichen Vorgaben ab. Sowohl der Grundbetrag als auch das Arbeitsförderungsgeld seien einer Kürzung nicht zugänglich, da sie nicht von der individuellen Arbeitsleistung abhängig seien. Zwar habe der Beklagte vorliegend den Grundbetrag und das Arbeitsförderungsgeld ohne Kürzung vollständig abgerechnet und zur Auszahlung gebracht, dann jedoch in einem weiteren Schritt eine überdurchschnittliche Kürzung des Steigerungsbetrages vorgenommen. Der Kürzung liege zugrunde, dass die Beklagte das gesamte Arbeitsentgelt zugrunde lege und hiervon den Anteil von 1/5 berechne. Den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag ziehe der Beklagte sodann vom Steigerungsbetrag ab, sodass es faktisch gleichwohl zu einer Kürzung des Grundbetrages sowie Arbeitsförderungsgeldes komme. Dieses Vorgehen sei mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Vielmehr könne beim Steigerungsbetrag nur eine Minderung in Höhe von 20 % erfolgen, sodass ihm ein monatlicher Betrag in Höhe von 91,20 € zustünde und der Beklagte zur Zahlung der Differenzbeträge verpflichtet sei. Darüber habe er noch einen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung. Mit Wirkung ab September 2013 habe er mit dem Beklagten die Vereinbarung getroffen, dass er den Fahrdienst nicht mehr in Anspruch nehme und fortan eine monatliche Fahrtkostenerstattung in Höhe von 75,- € erhalte. Diese Absprache habe er mit dem Zeugen L. getroffen. Die Zahlungen seien anschließend erfolgt und erst im Dezember 2014 mit der Begründung eingestellt worden, dass die Außendiensttätigkeit des Klägers ende. Tatsächlich sei jedoch vereinbart worden, dass er die Fahrtkosten dafür erhalte, dass er seinen Fahrdienst selbst organisiere. Mit Wirkung ab Juli 2015 habe der Beklagte die Zahlungen sodann unstreitig wieder geleistet.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 450,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 zu zahlen.

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.036,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.01.2017 zu zahlen.

3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 57,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die von ihm entwickelte Entgeltordnung mit den gesetzlichen Vorgaben für vereinbar. Für die richtige Berücksichtigung von Teilzeit gebe es keine konkrete Gesetzesbestimmung. Die Entgeltordnung sehe für diese Fälle vor, dass in einem ersten Schritt das zusammengesetzte Entgelt entsprechend der Teilzeit anteilig errechnet werde, bevor in einem weiteren Schritt die auf diesem Wege ermittelte Differenz beim Steigerungsbetrag in Abzug gebracht würde. Unterschreite der errechnete Betrag den Grundbetrag und das Arbeitsförderungsgeld, komme es zu einer „Deckelung“, sodass mindestens Grundbetrag und Arbeitsförderungsgeld gezahlt würden. Beide Positionen blieben demnach bei allen Beschäftigten unangetastet. Auch den Werkstattempfehlungen der BAGüs lasse sich entnehmen, dass bei einer Teilzeitbeschäftigung nach dem TzBfG eine Kürzung des Grundbetrages entsprechen der verringerten Arbeitszeit nach den in § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG enthaltenen Grundsätzen zulässig sein solle. Diese Gestaltungsmöglichkeit sei auch im TzBfG selbst angelegt, wonach in § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG zumindest eine „Mindest“-Gewährung der geldwerten Leistung verlangt werde, die dem Anteil der Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigen Arbeitnehmers entspreche. Diese Vorgaben seien erfüllt. Ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung bestehe nicht. Eine Absprache zwischen dem Kläger und dem Zeugen L. habe nicht stattgefunden. Lediglich für die Dauer der Tätigkeit auf einem Außenarbeitsplatz habe der Kläger eine Fahrtkostenerstattung erhalten. Mit dem Wechsel zurück nach F. sei die Grundlage hierfür entfallen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

1. Der Anspruch des Klägers auf die geltend gemachten Differenzbeträge ergibt sich aus § 138 Abs. 2 SGB IX. Die Berechnungsmethode des Beklagten ist mit den gesetzlichen Vorgaben nicht mehr vereinbar.

a. Nach § 138 Abs. 2 SGB IX hat sich das Arbeitsentgelt eines behinderten Menschen im Rahmen eines Werkstattverhältnisses aus einem Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag zusammenzusetzen. Darüber hinaus erhält der behinderte Beschäftigte ein Arbeitsförderungsgeld. Der Grundbetrag ist an alle behinderten Menschen in der Höhe einheitlich zu zahlen. Die Werkstatt ist nicht berechtigt, schon den Grundbetrag der individuellen Leistungsfähigkeit zu staffeln. Seine Höhe bemisst sich nach dem Ausbildungsgeld, dass die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften im Berufsbildungsbereich leistet. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass im Arbeitsbereich kein geringeres monatliches Arbeitsentgelt gezahlt wird als der Betrag, den die überwiegende Zahl der behinderten Beschäftigten in der Zeit der Maßnahmen im Berufsbildungsbereich zuletzt erhalten hat (vgl. zum Ganzen BAG v. 03.03.1999 - 5 AZR 162/98, AP Nr. 1 zu § 54b SchbG 1986; LPK-Haines/Jacobs, § 138 SGB IX Rn. 18; Neumann/Pahlen, § 138 SGB IX Rn. 25 f.).

Neben dem Grundbetrag zahlt die Werkstatt einen Steigerungsbetrag. Der Steigerungsbetrag ist leistungsangemessen zu zahlen und bemisst sich nach der individuellen Arbeitsleistung, insbesondere unter Berücksichtigung der Arbeitsmenge und Arbeitsgüte. Die Höhe des jeweils zu zahlenden Steigerungsbetrages ist dabei von den Verhältnissen in der einzelnen Werkstatt abhängig. Dies folgt zunächst daraus, dass § 138 Abs. 2 S. 1 eine Zahlung des Arbeitsentgelts aus dem Arbeitsergebnis der Werkstatt vorsieht. Die Höhe des Steigerungsbetrages kann sich folglich durch eine Veränderung der Leistungsfähigkeit des behinderten Menschen wie auch durch ein geringeres Arbeitsergebnis ändern (vgl. LPK-Haines/Jacobs, § 138 SGB IX Rn. 20 ff.; Neumann/Pahlen, § 138 SGB IX Rn. 27 f.).

b. An dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Entgeltstruktur haben sich die Werkstattträger zu orientieren, wobei ihnen das Gesetz mangels weiterer Vorgaben einen Gestaltungsspielraum einräumt. Nach der vom Beklagten entwickelten Entgeltordnung werden den behinderten Beschäftigten anhand eines Punkteschemas für ihre individuelle Arbeitsfähigkeit verschiedene Steigerungsbeträge zugewiesen. Für die Ermittlung des jeweiligen Steigerungsbetrages berücksichtigt der Beklagte die Arbeitsmenge und Arbeitsgüte während der vereinbarten Arbeitszeit. Dabei steigt der Steigerungsbetrag linear/proportional zu der Anzahl der zu vergebenden Punkte an.

c. Im Streitfall hat der Beklagte für den Kläger ausgehend von dessen individueller Leistungsfähigkeit eine Punktzahl von 67 Punkten ermittelt. Danach beläuft sich der Steigungsbetrag entsprechend der Entgelttabelle des Beklagten auf monatlich 114,- €. Nicht zu beanstanden ist nach Auffassung der Kammer, wenn der Beklagte im Hinblick auf die Teilzeitbeschäftigung des Klägers eine Kürzung des Steigerungsbetrages vornimmt. Da der Steigerungsbetrag ausdrücklich von der individuellen Arbeitsleistung des behinderten Beschäftigten abhängig ist, kann eine Absenkung im Falle von Teilzeit grundsätzlich erfolgen, da sich die individuelle Arbeitsleistung durch den verringerten Arbeitszeitumfang ebenfalls reduziert. Allerdings besteht vorliegend die Besonderheit, dass der verringerte Arbeitszeitumfang nach Aussage der Parteien bereits bei Abschluss des Werkstattverhältnisses zugrunde gelegt wurde, sodass für die Kammer nicht nachvollzogen werden kann, ob der Beklagte bereits bei der Einstufung des Klägers dessen geminderte Leistungsfähigkeit für die Bewertung berücksichtigt hat oder diese hiervon losgelöst erfolgte.

Selbst wenn zu Gunsten des Beklagten unterstellt wird, dass der geringere Beschäftigungsumfang bei der erstmaligen Zuordnung außer Betracht gelassen wurde, kommt es bei dem praktizierten Entgeltsystem - entgegen der gesetzlichen Vorgaben in § 138 Abs. 2 S. 1 SGB IX - nicht mehr zur Zahlung eines „leistungsangemessenen“ Steigerungsbetrages, da der Beklagte entsprechend der Teilzeitbeschäftigung des Klägers eine Kürzung des Grundbetrages sowie des Arbeitsförderungsgeldes vornimmt und diese bei der Berechnung des Steigerungsbetrages zu Lasten des behinderten Beschäftigten berücksichtigt. Damit verbleiben dem Beschäftigten zwar rein formal der Grundbetrag sowie das Arbeitsförderungsgeld, jedoch verlagert sich die Kürzung in den Bereich des Steigerungsbetrages. Dort wird die Teilzeitbeschäftigung des Klägers in mehrfacher Hinsicht in Ansatz gebracht, da für die Berechnung nicht nur ein Abzug in Höhe von 20 % entsprechend der geleisteten Arbeitszeit im Hinblick auf den für einen Vollbeschäftigten ermittelten Steigerungsbetrag erfolgt, sondern vielmehr ausgehend vom gesamten Arbeitsentgelt, bestehend aus Grundbetrag, Arbeitsförderungsgeld und Steigerungsbetrag, mit der Konsequenz, dass mittelbar eine Kürzung des Grundbetrages und des Arbeitsförderungsgeldes vorgenommen werden.

Der Grundbetrag ist aber grundsätzlich einer Kürzung nicht zugänglich, da nach dem Wortlaut des § 138 Abs. 2 SGB IX die Höhe des Grundbetrags festgeschrieben wird. Es handelt sich im Gegensatz zur Vorgängerregelung des § 54 Abs. 2 SchwbG gerade nicht mehr um eine „Sollvorschrift“ von der bei gewichtigen Gründen abgewichen werden kann, sondern um eine „Ist-Vorschrift“. Nach § § 136 Abs. 2 S. 1 SGB IX steht "die Werkstatt ... allen Behinderten im Sinne des Abs. 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden". Für dieses Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung soll der Beschäftigte als Mindestentgelt den Grundbetrag in Höhe des Ausbildungsgeldes erhalten. Die praktizierte Entgeltberechnung führt damit zu einer unzulässigen Umgehung der gesetzlichen Vorgaben.

Selbst wenn man der vereinzelt vertretenen Auffassung folgt, wonach der Grundbetrag im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung gekürzt werden kann, gilt dies nicht für Konstellationen in denen die Verringerung ausschließlich aus denen in § 6 Abs. 2 WVO genannten Gründen erfolgt (vgl. etwa LPK-Haines/Jacobs, § 138 SGB IX Rn. 19; BAGüsWE Ziffer 8.2.3.) Beruht die Kürzung - wie hier - auf den in § 6 Abs. 2 WVO genannten Gründen fehlt es für die Kürzung des Grundbetrages an einer Rechtsgrundlage. Eine § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG entsprechende Vorschrift findet sich weder im SGB IX noch in der WVO. Der Grund für die verringerte Arbeitszeit liegt hier allein in der Behinderung des Beschäftigten und ist nicht das Ergebnis einer im Anwendungsbereich des TzBfG getroffenen Vereinbarung. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines leistungsunabhängigen Grundbetrages bei einer Vielzahl von Teilzeitbeschäftigten zu einem geringen Arbeitsergebnis führt und damit letztendlich zu Lasten der leistungsstärkeren Beschäftigten geht. Der Gesetzgeber hat diesen Konflikt, soweit es um die Zahlung des Grundbetrages geht, jedoch bewusst zugunsten der leistungsschwächeren Behinderten gelöst.

Die vom beklagten Verein praktizierte Entgeltberechnung führt darüber hinaus zu einer unangemessenen und nicht zu rechtfertigenden Absenkung des Steigerungsbetrages. Zwar verkennt die Kammer nicht die Abhängigkeit des Steigerungsbetrages vom Arbeitsergebnis der Werkstatt und damit seine Variabilität, indes stellt § 138 Abs. 2 SGB IX unmissverständlich klar, dass der Steigerungsbetrag zumindest im Hinblick auf die individuellen Fähigkeiten des behinderten Menschen „leistungsangemessen“ zu zahlen ist. Die Teilzeitbeschäftigung des Klägers wird vorliegend aber eben nicht mehr entsprechend seinem verkürzten Arbeitszeitanteil berücksichtigt, sondern in einem darüber hinaus gehenden, nicht mehr zu rechtfertigenden Umfang. Denn im Falle einer weiteren Reduzierung der Arbeitszeit auf etwa 2 Tage in der Woche würde der Steigerungsbetrag nach der Berechnungsmethode des Beklagten gänzlich entfallen, obschon der behinderte Mensch individuelle Leistungen erbringen würde, die sich im Arbeitsergebnis niederschlagen. Eine solche Berechnungsmethode steht aber im Widerspruch zu der gesetzgeberischen Vorgabe, dem Steigerungsbetrag nach dem individuellen Leistungsvermögen des behinderten Beschäftigten zu bemessen. Insbesondere kann die vom Gesetzgeber mit der Zahlung des Steigerungsbetrages intendierte Arbeitsmotivation des Behinderten (vgl. dazu BAG a.a.O.; LPK-Haines/Jacobs, § 138 SGB IX Rn. 20) auf diese Weise nicht mehr erreicht werden.

Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob dem Werkstattträger ein Recht zusteht, das Arbeitsentgelt einseitig in den Grenzen des § 315 BGB festzulegen. Selbst wenn dem Werkstattträger ein solches Recht eingeräumt wird, wahrt die praktizierte Vorgehensweise nicht mehr die Grenzen billigen Ermessens. Dem Werkstattträger wird nicht ermöglicht, das gesetzlich vorgegebene Entgeltsystem durch ein völlig anderes zu ersetzen (vgl. BAG a.a.O.). Um ein völlig anderes System handelt es sich aber dann, wenn sich schon der Grundbetrag in erster Linie nach der individuellen Leistungsfähigkeit des behinderten Beschäftigten richtet und der Steigerungsbetrag letztlich nicht mehr (nur) nach der individuellen Leistungsfähigkeit und dem Arbeitsergebnis bemessen wird. Die Festsetzung des Arbeitsentgelts, wie von dem Beklagten vorgenommen, erweist sich damit als unwirksam.

d. Der Anspruch ist der Höhe nach zutreffend ermittelt. Einwendungen wurden seitens des beklagten Vereins nicht erhoben. Der Kläger hat daher Anspruch auf die Differenzbeträge zwischen dem monatlich ausgezahlten Steigerungsbetrag in Höhe von 72,- € und dem rechnerisch um 1/5 gekürzten Betrag aus 114,- €. Hieraus ergeben sich monatliche Differenzbeträge in Höhe von 19,20 €.

2. Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB.

3. Demgegenüber unterlag die Klage der Abweisung, soweit der Kläger Fahrtkostenerstattung für den Zeitraum von Dezember 2014 bis Mai 2015 begehrt.

Ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten steht dem Kläger nicht zu. Für die Erstattung von Fahrtkosten bedarf es einer entsprechenden Rechtsgrundlage, da der behinderte Beschäftigte für die Fahrten zwischen Wohnung und Werkstatt grundsätzlich auch einen speziell eingerichteten Fahrdienst des Beklagten zurückgreifen konnte. Im Streitfall vermochte der Kläger, trotz eindeutiger gerichtlicher Auflage, die von ihm behauptete Vereinbarung mit dem Zeugen L. in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht nicht näher zu konkretisieren. Sofern der Kläger darauf abstellt, der Zeuge L. habe ihm gegenüber bekundet, dass es eine entsprechende Regelung geben werde, bleiben die Inhalte der Abrede bereits offen. Allein der tatsächliche Ausgleich von Fahrtkosten für einen begrenzten Zeitraum lässt noch nicht den Rückschluss auf die konkreten Modalitäten und Voraussetzungen der behaupteten Vereinbarung zu, zumal die Erstattung nach Angaben des beklagten Vereins ausschließlich für die Dauer des Einsatzes auf einem Außenarbeitsplatz erfolgte, der mit einem Wechsel des Klägers an einen anderen Standort im Dezember 2014 endete.

Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch nicht des Eintritts in eine Beweisaufnahme. Eine Beweiserhebung hätte sich als unzulässige Ausforschung dargestellt.

II.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG iVm. 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Danach waren die Kosten entsprechend der Gewinn- und Verlustquoten der Parteien verhältnismäßig zu teilen.

III.

Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Für den Streitwert wurde der Nennwert der geltend gemachten Forderungen zugrunde gelegt.