Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.01.1995, Az.: SS 9/95

Verbindlichkeit eines Verkehrszeichens bei Nichtwahrnehmung; Geltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen für die Gegenrichtung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
20.01.1995
Aktenzeichen
SS 9/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 29060
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1995:0120.SS9.95.0A

Fundstelle

  • VRS 1995, 53

Amtlicher Leitsatz

Vorschriftzeichen (Streckenverbotszeichen) gelten nur bei Sichtbarkeit und in Fahrtrichtung ihrer Bildseite

Gründe

1

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen zu schnellen Fahrens eine Geldbuße von 100,- DM festgesetzt.

2

Der Senat lässt dessen Rechtsbeschwerde zu. Das Rechtsmittel ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Der Betroffene ist freizusprechen.

3

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene zur äußeren Tatseite außerörtlich die durch ein Straßenverkehrsschild auf 60 km/h begrenzte Geschwindigkeit um 27 km/h überschritten, was er auch nicht bestreitet. Der Betroffene weist jedoch den Vorwurf fahrlässigen Handelns zurück, weil er das in Richtung Dinklage 250 m vor der Mess-Stelle aufgestellte Verkehrszeichen nicht passiert und daher auch nicht gesehen habe. Er sei nämlich ursprünglich aus der Gegenrichtung gekommen, habe sodann einen Neubau besichtigt und danach gewendet und, ohne das für seine Fahrtrichtung maßgebliche Verkehrsschild passiert und gesehen zu haben, die Mess-Stelle mit 87 km/h durchfahren.

4

Das Amtsgericht ist von den tatsächlichen Angaben des Betroffenen ausgegangen. Es hat ihn jedoch gleichwohl verurteilt mit der Begründung, der Betroffene habe auch bei seiner Fahrt aus der Gegenrichtung (aus Dinklage), um zu dem Neubau zu gelangen, 3 Verkehrsschilder passiert, auf denen 60 km/h als höchstens erlaubte Geschwindigkeit angezeigt worden sei. Deshalb habe der Betroffene in jedem Fall nicht schneller als 60 km/h fahren dürfen. Er habe dies erkennen können und müssen.

5

Diese Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist nicht richtig. Der Betroffene ist nicht rechtlich vorwerfbar zu schnell gefahren. Das eingangs erwähnte in Richtung Dinklage aufgestellte Geschwindigkeitsschild hat er nicht passiert und gesehen, musste es deshalb auch nicht befolgen. Als Ortsunkundiger musste er auch nicht (aus anderen Gründen) wissen, dass er nach der Neubaubesichtigung und dem Wenden in Richtung Dinklage nicht schneller als 60 km/h fahren durfte.

6

Die drei anderen Verkehrsschilder aber, die für den Verkehr aus Richtung Dinklage die Geschwindigkeit auf 60 km/h begrenzten und die der Betroffene auf der Hinfahrt zum Neubau passiert hatte, entfalteten das Gebot der Geschwindigkeitsbeschränkung nur in der Fahrtrichtung, wie sie aufgestellt und für den Betroffenen sichtbar waren (vgl. Mühlhaus/Janizewsk, StVO, 13. Aufl., § 39, Rn. 15 - 16). Sie gelten hingegen nicht auch für die vom Betroffenen nach dem Wenden nach der Neubaubesichtigung eingeschlagene Gegenrichtung (a.a.O.).

7

Nur bei Eindeutigkeit und Sichtbarkeit eines Verkehrszeichens und bezüglich der dadurch erfassten Fahrtrichtung ist dessen Anordnung verbindlich und ist ein objektiver Verstoß eines Betroffenen gegen die durch das Verkehrszeichen verkörperte Weisung straf- und bußgeldrechtlich vorwerfbar und ahndbar.