Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.03.1986, Az.: 3 U 169/85
"Grundsätze über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute" und der Begriff der Spareinlage; "Anlage von Vermögen" und "Ansammlung von Vermögen"; Ausnutzen der hohen Zinsen eines Zielsparvertrages durch Beschaffung eines Bankkredit; Bestätigung einer Bank ohne Hinweis ohne auf eine summenmäßige Begrenzung von Sondereinzahlungen; Schadensersatz wegen entgangenen Zinsgewinnes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.03.1986
- Aktenzeichen
- 3 U 169/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 19868
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1986:0319.3U169.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Göttingen - 26.04.1985 - AZ: 2 O 451/84
Rechtsgrundlagen
- § 543 Abs. 1 ZPO
- § 252 BGB
- § 291 BGB
- § 21 KWG
- § 21 Abs. 2 S. 1 KWG
Fundstelle
- NJW-RR 1986, 1310 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung aus Sparvertrag
In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. A. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und Dr. M.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 26. April 1985 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 19.363,47 DM.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen; der Tatbestand ergibt sich vollständig aus dem angefochtenen Urteil.
Das Rechtsmittel der Beklagten bleibt erfolglos. Das angefochtene Urteil ist richtig. Gemäß § 543 Abs. 1 ZPO wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen, denen der Senat beitritt. Der Senat wiederholt die das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen und ergänzt sie wie folgt:
Durch den "Zielsparvertrag" der Parteien vom 25. Januar 1980 hatte sich die Beklagte gegenüber dem Kläger erboten, auf dem Sparkonto des Klägers Nr. 303034409 (mit gesetzlicher Kündigungsfrist) auf die Dauer von fünf Jahren laufend monatlich, beginnend im Januar 1980, 5 DM als Spareinlage anzunehmen, und zwar mit der Maßgabe, daß "Sondereinzahlungen bis zum Ende des fünften Spar Jahres möglich sind". Für das Guthaben dieses Sparkontos wurde eine "Sonderverzinsung garantiert", die für die gesamte Laufzeit des Vertrages "unveränderlich" war. Diese Sonderverzinsung begann im ersten Jahr mit 4,75 %, steigerte sich über 6,5 % im zweiten Jahr und 8,25 % im dritten Jahr auf 9 % im vierten Jahr und 9,25 % im fünften Jahr. Unabhängig davon, ob man das Sparguthaben als Darlehen im Sinne des § 607 BGB oder als Verwahrungsvertrag im Sinne des § 700 BGB ansieht, hatte die Beklagte damit die Verpflichtung übernommen, Einzahlungen entgegenzunehmen und entsprechend dem Vertrage zu verzinsen. Hiergegen verstieß die Beklagte dadurch, daß sie im August 1984 eine Einzahlung über 2,3 Mio. DM und eine weitere über 12.000 DM nicht annahm, sondern an den Kläger zurücküberwies. Wegen dieser Vertragsverletzung ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den daraus entstandenen Schaden in Gestalt des entgangenen Gewinns, § 252 BGB, zu ersetzen.
1.
Die Beklagte kann nicht einwenden, sie sei durch § 21 Abs. 2 Satz 1 KWG und gemäß dem - wortgleichen - § 13 Abs. 2 Satz 1 ihrer Satzung gehindert gewesen, den Betrag von 2,3 Mio. DM anzunehmen und dem Sparkonto gutzuschreiben, weil - unstreitig - der Kläger dieses Geld als Darlehen kurz zuvor bei dem örtlichen Konkurrenzinstitut, der Volksbank D., als Kredit aufgenommen hatte, wobei er der Volksbank als Kreditsicherheit seinen Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte abgetreten hatte. In § 21 Abs. 2 Satz 1 KWG heißt es, daß "als Spareinlagen nur Geldbeträge angenommen werden (dürfen), die der Ansammlung oder Anlage von Vermögen dienen; Geldbeträge, die zur Verwendung im Geschäftsbetrieb oder für den Zahlungsverkehr bestimmt sind, erfüllen diese Voraussetzungen nicht". Aus dem Wortlaut der Vorschrift läßt sich nichts für die Auffassung herleiten, geliehenes Geld dürfe nicht in Spareinlagen angelegt werden. Der 2. Halbsatz der Vorschrift erläutert den ersten Satz in dem Sinne, daß Gelder, die kurzfristig verfügbar sein sollen, keine Spareinlagen sein sollen. In dieselbe Richtung zielt der Satz 2 der Vorschrift, wonach
"Geldbeträge, die von vornherein befristet angenommen werden, nicht als Spareinlage gelten". Der gesamte Kontext des § 21 KWG ergibt, daß Spareinlagen nur Gelder sein sollen, mit deren Festlegung für längere Zeit, mindestens für die Dauer der Kündigungsfristen, erfahrungsgemäß aber regelmäßig für weiterreichende Zeiträume, gerechnet werden kann. Deswegen haben die der Beklagten aus den Spareinlagen (und den Sparbriefen) zufließenden Mittel eine besondere Funktion für das Aktivgeschäft, sie dürfen nach § 23 der Satzung der Beklagten bis zu 50 % in langfristigen, dinglich gesicherten Darlehen angelegt werden. Nach dem Grundsatz II der "Grundsätze über das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute", die das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Satz 3 KWG bekanntgemacht hat, und an welche die Beklagte gemäß § 23 Abs. 4 ihrer Satzung gebunden ist, gelten 60 % der Spareinlagen als langfristige Finanzierungsmittel gegenüber nur 10 % der übrigen Verbindlichkeiten aus dem Bankgeschäft mit täglicher Fälligkeit und vereinbarter Laufzeit oder Kündigungsfrist von weniger als vier Jahren. Außerdem unterliegen Spareinlagen einer geringeren Mindestreservepflicht als andere Einlagen. § 21 KWG verfolgt danach einmal Zwecke der Bankenaufsicht und zum zweiten der Geldpolitik der Bundesbank. Das hat mit einem "Spargedanken", der grundsätzlich ausschlösse, mit geliehenem Geld zu sparen, nichts zu tun. "Unechte" Spareinlagen sollen insoweit verhindert werden, als die Kündigungsfristen und Festlegungszeiten nicht unterlaufen werden sollen. Im übrigen mag die Auffassung der Beklagten zutreffen, daß eine Spareinlage nicht mit Geld finanziert werden darf, das bei demselben Kreditinstitut aufgenommen worden ist; denn insoweit könnte in der Weise manipuliert werden, daß das aufgenommene Geld zu nicht marktgerechten Konditionen, also z.B. zum Spareckzins verzinst wird, der "Sparer" als bloßer Strohmann des Kreditinstituts fungiert, um auf diese Weise einen Bestand an Spareinlagen vorzutäuschen, der in Wahrheit nicht existiert. So liegt der Fall hier aber nicht. Bereits § 22 Abs. 4 KWG 1939 verbot die Annahme von Spareinlagen, die auf einer Kreditaufnahme beruhten, nur für das kreditierende Institut (Reichardt, Gesetz über das Kreditwesen, 1942, § 22 Anm. 10; Pröhl, Reichsgesetz über das Kreditwesen, Kommentar, Anm. zu § 22, S. 520). Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat in der Mitteilung vom 24. August 1967 zu § 21 KWG auch lediglich die Auffassung vertreten, es sei mit § 21 KWG unvereinbar, wenn Spareinlagen aus Kreditüberziehungen bei demselben Institut entstehen (vgl. Szagunn, KWG 3. Aufl. (1976), § 21 Anm. I. 9). Bei dieser Sach- und Rechtslage kann nicht davon ausgegangen werden, daß es Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages geworden sei, daß die Beklagte Sondereinzahlungen auf den Zielsparvertrag mit der Begründung verweigern dürfe, das für die Einzahlung bereitgestellte Geld sei im Kreditwege beschafft worden. Das gilt jedenfalls insoweit, als im vorliegenden Fall die Kreditzinsen, die der Kläger für das Darlehen bei der Volksbank D. aufwenden mußte, mit 8,25 % marktgerecht waren und niedriger lagen als die von der Beklagten versprochenen Zinsen; denn in dieser Situation diente die vom Kläger beabsichtigte Spareinlage zwar nicht der "Anlage von Vermögen", aber doch immerhin wegen des Zinsgewinns der "Ansammlung von Vermögen", und der Begriff der "Ansammlung" steht in § 21 Abs. 2 Satz 1 KWG gleichberechtigt neben dem Begriff der "Anlage". Im vorliegenden Fall steht die Geldanlage in einer hochverzinslichen Spareinlage gleichberechtigt neben anderen Formen der Geldanlage in der Absicht, durch den Zinsertrag einen Gewinn zu haben. Auch im übrigen war der Vertrag des Klägers mit der Volksbank D. so angelegt, daß ihm durch die Sicherstellung der Zinszahlung an die Volksbank D. und durch die vereinbarten Fristen keinerlei Verlust entstehen konnte; von einer "Spekulation", wie die Beklagte gemeint hat, kann keine Rede sein. Letztlich ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei § 21 KWG um eine öffentlich-rechtliche Ordnungsvorschrift handelt, die sich an die Beklagte wendet, sie aber nicht hindern konnte, privatrechtlich wirksam das vom Kläger überwiesene Geld als Spareinlage anzunehmen.
2.
Die Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, zur Annahme des Betrages von 2,3 Mio. DM auch dann nicht verpflichtet gewesen zu sein, wenn dieses Geld nicht im Kreditwege beschafft worden sei, also z.B. durch einen Lottogewinn dem Kläger zugeflossen wäre; das folge gemäß §§ 157, 242 BGB aus der Natur des Zielsparvertrages. Der Senat läßt offen, ob dieser Auffassung der Beklagten im Grundsatz gefolgt werden könnte; immerhin spricht für die Auffassung der Beklagten, daß derartige Verträge in der Regel nicht mit Millionensummen belegt werden. Im vorliegenden Fall hat sich die Beklagte jedoch den Einwand, der Vertrag der Parteien sei nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte so auszulegen, daß eine derart hohe Einzahlung vom Vertrage nicht mehr gedeckt werde, selbst ebenso abgeschnitten, wie den Einwand, der Kläger handele rechtsmißbräuchlich. Denn der Kläger hatte in seinem Schreiben an die Beklagte vom 16. April 1984 ausdrücklich um Bestätigung gebeten, daß eine Sondereinzahlung mit 9,0 % bzw. 9,25 % verzinst werde und daß Sondereinzahlungen unbegrenzt geleistet werden können, und die Beklagte bestätigte die Möglichkeit von Sondereinzahlungen und deren Verzinsung durch ihr Schreiben vom 19. April 1984 an den Kläger, ohne auf eine summenmäßige Begrenzung von Sondereinzahlungen hinzuweisen. An dieser "authentischen Interpretation" des Vertrages durch beide Vertragsparteien muß sich die Beklagte festhalten lassen; sie verstößt ihrerseits gegen § 242 BGB, wenn sie trotz ihrer Bestätigung durch das Schreiben vom 19. April 1984, die zur Höhe vor. Sondereinzahlungen schweigt, nunmehr nachträglich diese summenmäßig begrenzt wissen will, obwohl der Kläger in seinem Schreiben vom 16. April 1984 das Wort "unbegrenzt" verwandt hatte.
3.
Hinsichtlich der Einzahlung von 12.000 DM ist von der Beklagten substanzlosb behauptet worden, auch dieser Betrag beruhe auf einem Darlehen. Daß hinsichtlich dieses Betrages der Einwand aus § 242 BGB nicht durchschlagen kann, bedarf keiner weiteren Begründung.
4.
Der dem Kläger in Gestalt aus entgangenen Gewinns entstandene Schaden beträgt unstreitig 19.363,47 DM. Der Zinsanspruch ist aus § 291 BGB gerechtfertigt.
5.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO. Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Der Schriftwechsel, der Parteien vom 16./19. April 1984 macht den Fall zu einem Einzelfall, und zwar auch mit Blick auf die Auslegung und Anwendung des § 21 KWG; denn wenn der Kläger um die Bestätigung der Möglichkeit von Sondereinzahlungen in unbegrenzter Höhe bat, so mußten die für die Beklagten verantwortlich Handelnden auch erkennen können, daß sich darunter geliehenes Geld befinden konnte, so daß auch aus diesem Grunde eine Selbstbindung der Beklagten eintrat.
Streitwertbeschluss:
Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 19.363,47 DM.