Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.07.2012, Az.: 4 WF 82/12
Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die Bejahung der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 26.07.2012
- Aktenzeichen
- 4 WF 82/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 22790
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2012:0726.4WF82.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Oldenburg - 27.2.2012
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 I lit b) der EU-VO 2201/2300
- § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG
- § 280 Abs. 2 ZPO
Fundstellen
- FF 2013, 173
- FamRZ 2013, 481
Amtlicher Leitsatz
Die Zwischenentscheidung, mit der sich ein deutsches Gericht nach der EU-VO 2201/2300 für zuständig erklärt, ist gemäß § 113 Abs.1 S.2 FamFG, § 280 Abs.2 ZPO selbständig anfechtbar.
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts Oldenburg vom 27.02.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Parteien sind deutsche Staatsangehörige und haben zusammen in Österreich gelebt. Nach der Trennung ist der Antragsteller nach Oldenburg verzogen, wo er unter dem 11.11.2011 beim Familiengericht Oldenburg Scheidungsantrag gestellt hat.
Unter dem 04.01.2012 hat die Antragsgegnerin beim Bezirksgericht Villach (Österreich) die Scheidung beantragt. Auf Zuständigkeitsrüge des Antragstellers hat das Bezirksgericht Villach das Verfahren ausgesetzt.
Unter dem 27.02.2012 hat das Familiengericht mit nicht näher begründetem Beschluss und zudem ohne Rechtsmittelbelehrung festgestellt, dass es für das Verfahren gemäß Art. 3 I lit b) der EU-VO 2201/2300 zuständig sei. Nachdem sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin unter dem 16.04. zur Akte gemeldet und Akteneinsicht genommen hatten, haben sie unter dem 30.04. Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, dass sich das Familiengericht Oldenburg für unzuständig erkläre.
II. Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Die Entscheidung des Familiengerichts ist, obwohl nicht Endentscheidung im Sinne des § 58 Abs. 1 FamFG, anfechtbar. Dies folgt aus § 280 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG. Zwar hat das Familiengericht verfahrensfehlerhaft nicht über die Anträge ausdrücklich gesondert verhandelt. Es hat aber erkennbar die nach der VO (EG) 2201/2003 erforderliche verbindliche Entscheidung treffen wollen. Dies hätte in der Form des Zwischenbeschlusses entsprechend § 280 Abs. 2 ZPO erfolgen müssen.
§ 280 Abs. 2 ZPO ist kraft der Verweisung in § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG in Ehesachen analog anwendbar. § 280 ZPO hat im FamFG keine Entsprechung. Danach hängt seine Anwendbarkeit davon ab, ob man den Verweis in § 113 Abs. 1 S. 2 so versteht, dass S. 2 nur auf jene ZPO-Vorschriften verweist, deren Entsprechung im FamFG durch die Aufzählung in S.1 ausdrücklich ausgeschlossen ist, oder ob er als genereller Verweis zu verstehen ist, der auch jene ZPO-Vorschriften erfasst, die keine Entsprechung im FamFG haben (so Rehme in Schulte-Bunert/Weinreich, 3 Aufl., § 113 Rn. 4). Letztere Auslegung ist zutreffend. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass vor Einführung des FamFG die ZPO-Vorschriften in den ZPO-Verfahren alter Prägung ebenfalls generell gegolten haben und sich aus den Gesetzesmaterialien nichts dafür herleiten lässt, dass der Gesetzgeber hier mit der Einführung des FamFG eine inhaltliche Verschiebung hat verbinden wollen. Im Übrigen ließe sich andernfalls § 113 Abs. 4 FamFG nicht erklären, der ZPO-Vorschriften für nicht anwendbar erklärt, die im FamFG keine Entsprechung haben. Gleiches gilt für § 130 FamFG, der nur dann einen Sinn ergibt, wenn § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG einen allgemeinen Verweis auf die ZPO eröffnet.
Die Voraussetzungen der Beschwerde nach § 58 FamFG sind erfüllt, insbesondere ist die Beschwerdefrist eingehalten. Zwar enthält die Beschwerde keinen ausdrücklichen Antrag (§ 117 Abs. 1 S. 1 FamFG). Hierzu mögen die Antragsteller durch die unorthodoxe Verfahrensführung des Familiengerichts veranlasst worden sein. Ihr Beschwerdeschriftsatz ist indessen dahingehend auszulegen, dass sie erstreben, das Familiengericht Oldenburg möge sich gemäß Art. 17 VO (EG) 2201/2003 für unzuständig erklären.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, denn das Familiengericht ist gemäß Art. 3 (1) lit b. der VO (EG) 2100/2003 international zuständig, weil beide Ehegatten deutsche Staatsangehörige sind. Zwischen den unterschiedlichen Anknüpfungspunkten für die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 der VO (EG) 2100/2003 gibt es kein Rangverhältnis (Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., Anh. II, EG-VO Art. 3 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/Völker, ZPO, Art. 3 Brüssel II a, Rn. 2 f.; Rauscher EuZPR/EuIPR, Art. 3 Brüssel IIa -VO Rn. 14; Thomas/Putzo - Hüßtege, Art. 3 EuEheVO Rn. 1; Wagner FÜR 2004, 286; a.A. offenbar Musielak/Borth, FamFG, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 2), so dass die Anknüpfung an den früheren gemeinsamen Aufenthalt oder den Aufenthalt der Antragsgegnerin gemäß Art. 3 (1) lit a zweiter und dritter Spiegelstrich der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nicht vorgeht.
Die Zuständigkeit des Familiengerichts Oldenburg ergibt sich aus § 122 Nr. 5 FamFG.
Da das Familiengericht Oldenburg vor dem Bezirksgericht Villach angerufen worden ist, ist das Familiengericht nach dem Prioritätsprinzip (vgl. Art. 19 VO (EG) 2100/2003) allein zuständig.