Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.05.2020, Az.: 4 StS 2/20
Rückforderung Pflichtverteidergebühren auch schon vor abschließender Festsetzung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.05.2020
- Aktenzeichen
- 4 StS 2/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 24772
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2020:0514.4STS2.20.00
Rechtsgrundlage
- § 56 RVG
Fundstellen
- JurBüro 2020, 356-357
- RVGreport 2020, 337-338
- Rpfleger 2020, 539-540
- StRR 2020, 5-6
- StRR 2021, 35-37
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein geleisteter Vorschuss für entstandene Auslagen eines Pflichtverteidigers ist zurückzufordern, wenn sich herausstellt, dass dieser zu Unrecht gezahlt wurde.
- 2.
Die Rückforderung eines gezahlten Vorschusses wegen entstandener Fahrtkosten ist auch dann veranlasst, wenn die Feststellung, dass ein Auslagenerstattungsanspruch nicht besteht, allein auf einer geänderten rechtlichen Beurteilung der Angemessenheit der Fahrtkosten beruht.
- 3.
Die Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Vorschusses darf dergestalt durchgesetzt werden, dass der Betrag von einer anderweitig veranlassten Vorschusszahlung in derselben Sache in Abzug gebracht wird.
Tenor:
Die Erinnerung des Verteidigers Rechtsanwalt ... gegen die Festsetzung eines Vorschusses für die Pflichtverteidigervergütung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Celle vom 28. April 2020 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20. November 2019, auf den Bezug genommen wird, auf eine Erinnerung von Rechtsanwalt ... gegen die Ablehnung der Zahlung eines Vorschusses in Höhe von 5,60 € für Aufwendungen für eine Taxifahrt vom Hotel "XXX" in Celle zum Gerichtsgebäude entschieden, dass solche Taxikosten in der vorliegenden Konstellation nicht erstattungsfähig sind, weil die Strecke von etwa 800 m Fußweg, der auf angelegten, breiten Wegen ohne Hindernisse und durch den Schlossgarten abseits des Durchgangsverkehrs führt, leichthin zu Fuß zurückgelegt werden kann und zumutbar ist, diesen Weg zu laufen.
Die Kostenbeamtin des Oberlandesgerichts hat daraufhin mit Entscheidung vom 28. April 2020 im Rahmen früherer Vorschusszahlungen bereits berücksichtigte Taxikosten in Höhe von insgesamt 222,- € von einer weiteren Vorschusszahlung in Abzug gebracht.
Hiergegen wendet sich Rechtsanwalt ... mit einer Erinnerung gemäß § 56 RVG vom 6. Mai 2020, der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat. Er macht geltend, wegen eines Fersensporns und einer akuten Lumbalgie sei er im betreffenden Zeitraum letztlich "nahezu vollständig bewegungsunfähig" gewesen. Die Taxifahrten seien durchgeführt worden, wenn und weil "die individuelle Beschwerdesituation unerträglich" für ihn gewesen sei. Mit seiner Erinnerung hat Rechtsanwalt ... diverse Unterlagen, namentlich ärztliche Verordnungen physiotherapeutischer Behandlungen ("manuelle Therapie") und Rechnungen über durchgeführte derartige physiotherapeutische Behandlungen vorgelegt.
II.
Die Erinnerung ist statthaft und zulässig, jedoch in der Sache unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen.
a)
Die Kostenbeamtin hat zu Recht eine Erstattungsfähigkeit der streitgegenständlichen Taxikosten verneint und daher eine weitere Vorschusszahlung um die im Rahmen früherer Vorschusszahlungen zu Unrecht erstatteten Taxikosten gekürzt. Bei diesen Taxikosten handelt es sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens von Rechtsanwalt ... zu eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht um angemessene Fahrtkosten im Sinne von VV RVG Nr. 7004.
Die Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Vorschusses war statthaft und geboten, um eine Belastung der Staatskasse und - im Verurteilungsfalle - des Angeklagten mit nicht gerechtfertigten Kosten zu verhindern (vgl. allg. zur Statthaftigkeit einer Rückforderung Ebert, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 47 Rn. 14 ff.; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, § 47 Rn. 10). Mit dieser Rückforderung brauchte die Kostenbeamtin nicht bis zur Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung nach Verfahrensabschluss zu warten. Vielmehr kann eine berechtigte Rückforderung eines zu Unrecht gezahlten Vorschusses auch durch eine entsprechende Kürzung einer weiteren Vorschusszahlung bewirkt werden.
b)
Der Senat hält zunächst einmal an seiner Bewertung in der Entscheidung vom 20. November 2019 fest, dass generell den Verteidigern, die im Hotel "XXX" in Celle logieren, ohne Weiteres abverlangt werden kann, den kurzen und schönen Fußweg vom Hotel zum Gerichtsgebäude am Schlossplatz in Celle zu Fuß zurückzulegen, und zwar unabhängig von der jeweiligen Witterung.
c)
Zwar zeigen die von Rechtsanwalt ... vorgelegten Unterlagen, dass er im Jahr 2019 unter einer "ansatztendinosen Plantaraponeurose" (Februar 2019) beziehungsweise "Lumbalgie" (August 2019) litt und ihm daher jeweils eine physiotherapeutische Behandlung ("manuelle Therapie") verordnet wurde.
Doch lässt sich den Unterlagen nicht in Ansätzen der geltend gemachte Schweregrad der Beeinträchtigungen ("letztendlich nahezu vollständige Bewegungsunfähigkeit'") entnehmen. Vielmehr spricht schon die ärztliche Therapieempfehlung ("manuelle Therapie") gegen eine derartige Massivität der Beeinträchtigung. Die Unterlagen zeigen - womit die Beschwerden von Rechtsanwalt ... nicht marginalisiert werden sollen - kein Krankheitsbild auf, das der Bewältigung einer kurzen Fußstrecke entgegenstünde. Ganz im Gegenteil ist leichte (Fort-)Bewegung bei den - mit der im Februar 2019 diagnostizierten "Plantaraneurose" in keinem erkennbaren Zusammenhang stehenden - Rückenschmerzen, unter denen Rechtsanwalt ... im August 2019 litt, bekanntermaßen geradezu indiziert, um das lange Sitzen an Hauptverhandlungstagen zu kompensieren.
Hinzu kommt, dass der Senat weder im Gerichtssaal noch im Umfeld des Gerichtsgebäudes massive Bewegungseinschränkungen von Rechtsanwalt ... wahrgenommen hat. Bei den geltend gemachten Beeinträchtigungen wäre zu erwarten gewesen, dass Rechtsanwalt ... während der Mittagspausen im Gerichtsgebäude verblieben wäre, möglicherweise sogar um eine Liegemöglichkeit im Sanitätsraum gebeten hätte. Das aber war - wie Erkundigungen des Senats ergeben haben - nicht der Fall. Vielmehr begab sich auch Rechtsanwalt ... - wie alle anderen Verteidiger - in den Mittagspausen regelmäßig in die Celler Altstadt und legte damit Strecken fußläufig zurück, die nicht wesentlich kürzer waren als der Fußweg zwischen Hotel und Gericht.
Gegen die vorgetragenen massiven Bewegungseinschränkungen spricht auch, dass Rechtsanwalt ... - von zwei Hauptverhandlungstagen abgesehen - ausweislich der geltend gemachten Taxikosten jeweils nur die Fahrt vom Hotel zum Gericht, nicht aber die Rückfahrt vom Gericht zum Hotel mit einem Taxi zurückgelegt hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Hinweg nicht zu Fuß zu bewältigen gewesen sein sollte, wohl aber der identische Rückweg.
Zudem betreffen die streitgegenständlichen Taxikosten Taxifahrten ab Mai 2018, während ausweislich der vorgelegten medizinischen Unterlagen Rechtsanwalt ... (erst) im Februar 2019 eine physiotherapeutische Behandlung wegen einer "ansatztendinosen Plantaraponeurose" verschrieben wurde. Zeitlich vor 2019 liegende (massive) körperliche Beeinträchtigungen ergeben sich jedenfalls aus den vorgelegten Unterlagen nicht.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Rechtsanwalt ... zur Begründung seiner Erinnerung vom 4. November 2019 gegen die Absetzung von Taxikosten, die der Senat mit Beschluss vom 20. November 2019 zurückgewiesen hat, ausschließlich darauf abgehoben hat, er könne wegen der zum Gerichtstermin mitzuführenden Unterlagen nicht darauf verwiesen werden, die Strecke zu Fuß zurückzulegen. Es wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass er schon damals auf massive gesundheitliche Beschwerden ("nahezu vollständige Bewegungsunfähigkeit'") hingewiesen hätte, wenn tatsächlich - wie mit der Erinnerung vom 6. Mai 2020 vorgebracht wird - Taxifahrten nur durchgeführt worden wären, weil und wenn "die individuelle Beschwerdesituation für den Unterzeichner unerträglich war".
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).