Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 04.12.2002, Az.: 7 A 7005/02

Arbeitgeber; Auflösungsantrag; Jugend- und Auszubildendenvertreter; Vertretung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
04.12.2002
Aktenzeichen
7 A 7005/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 42081
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Für das Land Niedersachsen als Arbeitgeber handelt im Verfahren nach §§ 9 Abs. 4 BPersVG, 58 Abs. 4 NPersVG allein derjenige, der das Land gerichtlich zu vertreten hat.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

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I. Der Antragsteller begehrt die Auflösung eines nach §§ 107 Satz 2, 9 Abs. 2 BPersVG, § 58 Abs. 2 NPersVG zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses.

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Der Beteiligte zu 1) wurde bis zum 20.06.2002 gemeinsam mit drei anderen Auszubildenden bei der V-behörde zum ... ausgebildet. Am 05.03.2002 wurde der Beteiligte zu 1) durch Losentscheid bei Stimmengleichheit zum Jugend- und Auszubildendenvertreter gewählt. Am 17.06.2002 beantragte er, gemäß § 58 NPersVG nach der Beendigung der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit übernommen zu werden; am 20.06.2002 bestand er die Abschlussprüfung mit ausreichendem Gesamtergebnis. Am 21.06.2002 schlossen Antragsteller und Beteiligter zu 1) einen bis zum 30.06.2003 befristeten Arbeitsvertrag mit einer Vergütung nach BAT...

3

Mit Schriftsatz vom 04.07.2002, eingegangen per Telefax am selben Tage, ist das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet worden. Das Schreiben mit dem Briefkopf der V-behörde ist von dessen Personaldezernenten Herrn W „Im Auftrage“ unterschrieben. Der Antragsteller macht zur Begründung des Antrags geltend, die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) sei für ihn unzumutbar, weil das Beschäftigungsvolumen der budgetierten V-behörde für 2003 ausgeschöpft sei. Ausweislich einer vorgelegten Vollmacht vom 29.07.2002 ist Herr W „zum vertretungsberechtigten Beschäftigten gegenüber dem Personalrat“ bestimmt.

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Der Antragsteller beantragt,

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das zwischen ihm und dem Beteiligten zu 1) im Anschluss an die Ausbildung begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.

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Der Beteiligte zu 1) beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er macht geltend, dass er die Begründung, es gäbe nicht genügend freie Stellen und bei der Auswahl komme es auf die Prüfungsnoten an, nicht akzeptieren könne.

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Der Beteiligte zu 2) bestätigt, dass Herr W auch schon vor dem 29.07.2002 die ihm gegenüber vertretungsberechtigte Person gewesen sei und unterstützt die Begründung des Antragstellers.

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Die Beteiligte zu 3) ist der Auffassung, das dem Beteiligten zu 1) ein unbefristeter Arbeitsvertrag zustehe.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Anhörung und der Entscheidungsfindung gewesen.

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II. Der Auflösungsantrag hat keinen Erfolg.

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Der Antrag ist nicht innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist des § 58 Abs. 4, 1. HS NPersVG in der vorgeschriebenen Art und Weise gestellt worden und muss deshalb schon aus formalen Gründen erfolglos bleiben. Gemäß § 9 Abs. 4 BPersVG, der nach § 107 Satz 2 BPersVG entsprechend für die Länder gilt, und § 58 Abs. 4 NPersVG ist der Antrag auf Auflösung des aufgrund der gesetzlichen Fiktion des jeweiligen Abs. 2 begründeten Arbeitsverhältnisses vom "Arbeitgeber" zu stellen. Das ist nicht der jeweilige Leiter der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne (§ 6 NPersVG), bei der die betroffenen Beschäftigten ausgebildet worden sind, sondern die Anstellungskörperschaft, hier also das Land Niedersachsen. Für den Arbeitgeber handelt im Verfahren nach § 9 Abs. 4 BPersVG allein derjenige, der ihn gerichtlich zu vertreten hat (BVerwG, Beschluss vom 02.11.1994 - 6 P 48.93 -, PersR 1995, 174; Beschluss vom 02.11.1994 - 6 P 48.93 -, PersV 1995, 232; Beschluss vom 18.09.1996 - 6 P 17.94 -, PersV 1998, 376; Nds.OVG, Beschluss vom 21.05.1997 -17 L 7481/95 -, PersR 1997, 494; VGH BW, Beschluss vom 22.08.1995 - PB 15 S 1008/95 -, VGHBW Ls 1995, Beilage 11, B5; VG Göttingen, Beschluss vom 21.02. 2001 - 7 A 7008/99 -). Die für das personalvertretungsrechtliche Binnenverhältnis vorgesehene Vorschrift des § 8 NPersVG (ebenso §7 BPersVG), nach der für die Dienststelle ihr Leiter handelt, hat in diesem Zusammenhang keine Bedeutung. Maßgebend sind vielmehr die allgemeinen Vertretungsregeln für die gerichtliche Vertretung.  Deshalb kommt es hier entgegen der Ansicht der V-behörde weder darauf an, dass Herr W den Dienststellenleiter generell  gegenüber dem Personalrat vertritt, noch darauf, dass die jeweiligen Dienststellen gemäß Ziffer V. Nr. 2c. des Gem.RdErl. vom 10.06.1998 – Vertretung des Landes Niedersachsen (Nds.MBl. 1998, 929, 931) personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren vor den Verwaltungsgerichten grundsätzlich selbst zu führen haben. Diese Befugnis zur Prozessführung ist hier - ebenso wie die materielle Regelung des § 8 NPersVG - nicht einschlägig, weil es im Falle der §§ 9 BPersVG, 58 NPersVG ausschließlich um die gerichtliche Außenvertretung der Anstellungskörperschaft als "Arbeitgeber", nicht aber um die prozessuale Durchführung einer Streitigkeit zwischen dem Dienststellenleiter und der bei der Dienststelle gebildeten Personalvertretung geht. Die vorliegend maßgebliche Vertretungsbefugnis lag, da es sich um Angelegenheiten von Arbeitnehmern einer nachgeordneten Dienststelle handelt, beim Leiter der zuständigen Mittelbehörde, hier also der Bezirksregierung Braunschweig gemäß Ziffer IV.A.2. Gem.RdErl. vom 10.06.1998. Zwar hat die Bezirksregierung Braunschweig durch Verfügung vom 12.02.1997 – 102.03000 – dienstrechtliche Befugnisse unter anderem auch auf die V-behörden übertragen bzw. erweitert; es ist der Verfügung jedoch nicht zu entnehmen, dass sie damit auch die Vertretung in gerichtlichen Verfahren delegiert hat, die aus der Anwendung der übertragenen dienstrechtlichen Befugnisse resultieren. Demzufolge wäre allein die Bezirksregierung Braunschweig durch Ziffer IV.A.2. des Gem.RdErl. vom 10.06.1998 befugt gewesen, in Vertretung des Landes Niedersachsen als Arbeitgeber des Beteiligten zu 1) den Auflösungsantrag zu stellen.

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Selbst wenn die V-behörde von der Bezirksregierung (mündlich oder schriftlich) angewiesen worden wäre, den streitbefangenen Antrag zu stellen, läge trotzdem keine ordnungsgemäße Antragstellung vor. Denn das Vertretungsverhältnis wäre nicht offen gelegt worden, so dass der Auflösungsantrag auch in diesem Fall als eigener Antrag der V-behörde anzusehen wäre. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, das Bundesverwaltungsgericht habe noch in seinem Beschluss vom 02.11.1994 (- 6 P 39.93 -, PersR 1995, 170 f) nicht beanstandet, dass der Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG - in Unkenntnis der Rechtslage - vom Leiter der Beschäftigungsbehörde selbst gestellt worden sei, und sei davon ausgegangen, dass dieser für denjenigen gehandelt habe, den es anging. Denn diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem bereits zitierten Beschluss vom 18.09.1996 (aaO.) in entscheidender Weise modifiziert. Nach der neuen Rechtsprechung räumt § 9 Abs. 4 BPersVG dem Arbeitgeber ein materiell wirksames Gestaltungsklagerecht ein. Deshalb muss die Antragstellung zur Ausübung dieses Rechts ebenso wie die damit unlösbar verbundene Willensbildung hinsichtlich der Frage der Weiterbeschäftigung bei einem Verantwortungsträger liegen, der zur gerichtlichen Vertretung des Arbeitgebers befugt ist. Durch die Setzung der Zwei-Wochen-Frist soll der solchermaßen Berechtigte in angemessener Zeit zu einer verantwortlichen Entscheidung gezwungen werden und der betroffene Jugendliche verbindliche Sicherheit darüber haben, ob sein Arbeitgeber von seinem Gestaltungsrecht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch macht. Mit dem so verstandenen Schutzzweck ist es unvereinbar, dass ein Dienststellenleiter vorsorglich den Antrag nach § 9 Abs. 4 BPersVG stellt, obwohl er nicht zur gerichtlichen Außenvertretung der Anstellungskörperschaft befugt und womöglich nicht einmal zur juristischen Bewertung der Berechtigung des Auflösungsverlangens befähigt ist. Deshalb würde selbst eine ihm erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist erteilte Vollmacht des Arbeitgebers nicht gemäß § 89 Abs. 2 ZPO auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückwirken, sondern aus Gründen des materiellen Rechts unwirksam bleiben (BVerwG, Beschluss vom 18.09.1996, aaO; Nds.OVG, aaO.).

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Die Rechtslage wäre schließlich auch nicht anders zu beurteilen, wenn die Fachkammer annehmen würde, dass die V-behörde im vorliegenden Fall zur Vertretung des Landes Niedersachsen bevollmächtigt worden wäre. Denn unter diesen Umständen hätte der Auflösungsantrag vom Behördenleiter oder bei dessen Abwesenheit von seinem ständigen Vertreter im Amt gestellt werden müssen; keine der beiden genannten Positionen hatte Herr W während des Laufs der Antragsfrist inne, wie sich aus seiner Zeichnung „Im Auftrage“ ergibt. Zwar kann der Behördenleiter die ihm obliegende Aufgabe der Vertretung der Behörde in gerichtlichen Verfahren durch eine entsprechende Bevollmächtigung delegieren; dies ist jedoch lediglich hinsichtlich der Tätigkeiten gegenüber dem Personalrat, nicht jedoch gegenüber der Fachkammer, erfolgt. Auf die materielle Begründetheit des Auflösungsantrages kommt es mithin nicht mehr an.