Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 10.12.2002, Az.: 3 B 3341/02
Rechtmäßigkeit der Ablehnung vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund der offensichtlichen Rechtmäßigkeit einer unter Sofortvollzug angeordneten Entlassung eines Beamten aus dem Bundesgrenzschutz; Zulässigkeit der Entlassung eines Beamten auf Probe im Falle eines bei einem Beamten auf Lebenszeit zumindest eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge habenden Verhaltens; Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Dienstvergehens durch den Besuch einer Diskothek sowie einer Einforderung von Trennungsgeld während einer aufgrund einer arbeitsunfähig erkrankt bedingten Dienstunfähigkeit; Wiederholte Einreichung der Trennungsgeldanträge trotz eines Hinweises des Dienstherrn auf die Unmöglichkeit des Bestehens des Anspruchs; Einleitung eines Strafverfahrens wegen versuchten Betruges gegen den Beamten auf Probe; Vorliegen weiterer Vorwürfe gegen den Beamten auf Probe hinsichtlich der Missachtung dienstlicher Weisungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.12.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 3341/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 33648
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2002:1210.3B3341.02.0A
Rechtsgrundlagen
- § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG
- § 31 Abs. 4 S. 1 BBG
- § 54 BBG
- § 55 BBG
- § 77 Abs. 1 BBG
- § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
Fundstellen
- NVwZ-RR 2003, 445-447 (Volltext mit amtl. LS)
- VR 2004, 359
Verfahrensgegenstand
Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 3. Kammer -
am 10. Dezember 2002
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.764,75 Euro festgesetzt.
Gründe
Der zulässige Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 3.7.2002 gegen die von der Antragsgegnerin (Grenzschutzpräsidium Mitte) für sofort vollziehbar erklärte Entlassungsverfügung vom 24.6.2002 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der Antragsteller kann die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen seine mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.6.2002 unter Sofortvollzug angeordnete Entlassung aus dem Bundesgrenzschutz zum Zeitpunkt der Zustellung dieses Bescheides am 28.6.2002 nicht verlangen, denn die angefochtene Entlassungsverfügung erweist sich bei summarischer Prüfung als im Ergebnis offensichtlich rechtmäßig. Das private Interesse des Antragstellers, zunächst im Status eines Probebeamten verbleiben und vorläufig weiterhin unter dem Vorbehalt der Rückzahlung Dienstbezüge erhalten zu können, hat hinter dem besonderen öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung der Entlassung zurückzutreten.
Die schriftliche Begründung des angeordneten Sofortvollzuges genügt in formeller Hinsicht entgegen der Ansicht des Antragstellers den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, denn es wird hinreichend deutlich, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst gewesen ist und worin sie die Gründe für diese Maßnahme im besonderen Einzelfall des Antragstellers gesehen hat.
Die angefochtene Entlassungsverfügung erweist sich auch materiell-rechtlich im Rahmen der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig. Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt im Ergebnis keine von der angefochtenen Verfügung abweichende rechtliche Beurteilung.
Rechtsgrundlage der von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.6.2002 ausgesprochenen Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe ist § 31 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes i.d.F, vom 31.3.1999 (BGBl. I S. 675), mit Wirkung vom 1.1.2002 geändert durch Gesetz vom 9.7.2001 (BGBl. I S. 1510), - BBG -. Nach Nr. 1 dieser Vorschrift kann ein Beamter auf Probe entlassen werden bei einem Verhalten, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Die Entlassung kann in diesem Fall - wie geschehen - mit sofortiger Wirkung ausgesprochen werden (§ 31 Abs. 4 Satz 1 BBG). Vor der Entlassung ist nach § 31 Abs. 4 Satz 2 BBG der Sachverhalt aufzuklären, wobei die §§ 21 bis 29 des Bundesdiziplinargesetzes (vom 9.7.2001, BGBl. I S. 1510, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2001, BGBl. I S. 3926, - BDG -) entsprechend gelten. Mit § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG trägt der Gesetzgeber der Erwägung Rechnung, dass bei Beamten auf Probe, die sich eines mittleren bis schweren, bei Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge rechtfertigenden Dienstvergehens schuldig gemacht haben, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit regelmäßig nicht vertretbar erscheint. Ein Disziplinarverfahren, in dem auf Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung oder Entfernung aus dem Amt erkannt werden kann, ist gegen Beamte auf Probe, die voll dem materiellen Disziplinarrecht unterliegen, aus diesem Grunde entbehrlich und auch unzulässig (§ 5 Abs. 3 BDG). Die Entlassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG ist keine disziplinarrechtliche, sondern eine beamtenrechtliche Entscheidung, die nach §§ 113, 114 VwGO zu überprüfen ist.
Die Voraussetzungen, unter denen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG die Entlassung eines Beamten auf Probe von der Antragsgegnerin ausgesprochen werden durfte, sind im vorliegenden Fall nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens erfüllt.
Hinsichtlich des in der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin vom 24.6.2002 gewürdigten Verhaltens des Antragstellers, das Gegenstand des vom Ersten Polizeihauptkommissar im BGS E. vorgelegten Ermittlungsberichts vom 25.3.2002 (BI. 74-88 der Beiakte A) ist, liegen nach Ansicht der Kammer hinsichtlich der nachstehend aufgeführten Vorwürfe zu 5.) und 2,) die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines im vorliegenden Zusammenhang relevanten Dienstvergehens nach § 77 Abs. 1 i.V.m. §§ 54 und 55 BBG vor. Dem Antragsteller wird vorgeworfen: Er habe sich - 1. - während einer vom 2.8. bis 19.9.1999 dauernden Dienstunfähigkeit in der Nacht vom 18.8. auf den 19.8.1999 in der Diskothek "Alte Weberei" in F. aufgehalten. Er habe - 2. - im Forderungsnachweis für die Zahlung von Trennungsgeld für die Zeit vom 1. bis 30.9.1999 anlässlich seiner Abordnung zum Grenzschutzamt Frankfurt/Main Flughafen Trennungsgeld beantragt, obwohl er nachweislich bis zum 20.9.1999 arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen sei und demzufolge keinen Dienst geleistet habe. Den Hinweis seines Dienstherrn, die Angaben des Antragstellers in seinen Trennungsgeldanträgen könnten nicht den Tatsachen entsprechen, habe er nicht beachtet. Vielmehr habe er die zur Überprüfung zurückgereichten Anträge trotz offensichtlicher Diskrepanz unverändert und erneut mit der Bitte um Erstattung eingereicht. Das diesbezüglich gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wegen versuchten Betruges hat das Amtsgericht G. gemäß § 153 a StPO mit der Auflage einer Zahlung von 500,-- DM eingestellt. Der Antragsteller habe - 3. - an dem für den 21.12.1999 angesetzten Geländelauf, zu dem er eingeteilt gewesen sei, nicht teilgenommen. Statt dessen habe er im Trainingsanzug vor der Kfz-Waschhalle gestanden und der Kfz-Reinigung durch Beamte der Hundertschaft zugesehen. Er sei - 4. - der Weisung, bei der Rufbereitschaft zur Jahreswende 1999 auf 2000 erreichbar gewesen zu sein, nicht gefolgt. Ein Versuch seines Gruppenführers, den Antragsteller am 1.1.2000 um 12.30 Uhr zu erreichen, sei sowohl über das Festnetz als auch über das Mobiltelefon des Antragstellers ergebnislos verlaufen. Der Antragsteller habe - 5. - am 24.4.2000 einen mit Bauschutt beladenen, nicht zugelassenen und nicht haftpflichtversicherten Pkw-Anhänger hinter den dem Zeugen K. gehörenden Pkw Trabant mit dem amtlichen Kennzeichen H. gehängt, sei auf der Beifahrerseite eingestiegen, wobei der Zeuge K. das Gespann gefahren habe. Auf dem Gelände außerhalb Niedergebras, wo einige Tage zuvor das Osterfeuer abgebrannt worden sei, habe der Antragsteller den Bauschutt abgekippt. Wegen bewussten und gewollten Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz ist er durch das - seit dem 10.12.2001 rechtskräftige - Urteil des Amtsgericht F. vom 11.1.2001 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 75,-- DM verurteilt worden. Er habe - 6. - für den 2. und 5.6.2000, an denen er nicht zum Dienst erschienen sei, trotz zweimaliger Aufforderung seines Dienstherrn vom 23.10.2000 und vom 8.5.2001 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Der Antragsgegnerin ist darin beizupflichten, dass das - die vorgenannten Tatvorwürfe zu 5.) und 2.) umfassende - einheitliche und insgesamt mittelschwere Dienstvergehen bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte (vgl. § 8 8, 33 BDG).
Hinsichtlich des dem Antragsteller vorgeworfenen Verhaltens zu 5.), das Gegenstand eines Strafverfahrens gewesen ist, sind die tragenden tatsächlichen Feststellungen des diesbezüglichen rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Nordhausen. vom 11.1.2001 (Az.: 495 Js 51 213/00 - 30 Ds; Beiakte B zu 6.) für die disziplinarrechtliche Würdigung gemäß 88 23, 57 BDG bindend. Soweit der Antragsteller wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen dasPflichtversicherungsgesetz rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 75,-- DM verurteilt worden ist, hat er durch diese Straftat vorsätzlich gegen die Verpflichtung verstoßen, dass sein Verhalten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert (8 54 Satz 3 BBG), und dadurch ein außerdienstliches Dienstvergehen gemäߧ 77 Abs. 1 Satz 2 BBG begangen. Denn das Verhalten des Antragstellers war nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das Verhalten ist "geeignet", Achtung und Vertrauen zu beeinträchtigen, wenn das Verhalten typischerweise (objektiv gesehen) zu einer Beeinträchtigung führen kann, eine Beeinträchtigung also konkret möglich ist. Das wiederum ist der Fall, wenn das vorgeworfene Verhalten Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Beamte die ihm im Rahmen seines konkret-funktionellen Amtes obliegenden Dienstpflichten nicht oder unzureichend erfüllen wird. Je näher der Bezug seines außerdienstlichen Fehlverhaltens zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, um so eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, die Achtung und/oder das Vertrauen zu beeinträchtigen, die sein Beruf erfordert. Besteht zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den mit dem konkret-funktionellen Amt einhergehenden Aufgaben eine enge Verbindung, indem - wie hier - ein mit der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten betrauter Polizeibeamter selbst eine Straftat begeht, ist von einer solchen Beeinträchtigung auszugehen (vgl.BVerwG, Urteil vom 29.8.2001 - 1 D 49.00 -, ZBR 2002, 212/213). Wer als Polizeivollzugsbeamter bewusst und gewollt gegen das Pflichtversicherungsgesetz verstößt, indem er zulässt, dass ein in seinem Eigentum stehender, nicht zugelassener, nicht haftpflichtversicherter, offenkundig verkehrsuntauglicher und nach seiner Einschätzung auch überladener Pkw-Anhänger (vgl. AG Nordhausen, Urteil vom 11.1.2001, UA S.8) im öffentlichen Straßenverkehr in seinem Beisein eingesetzt wird, um damit an einem Feiertag (24.4.2000 = Ostermontag) Bauschutt im Außenbereich zu "entsorgen", offenbart im Straßenverkehr eine besondere Verantwortungslosigkeit, die Rückschlüsse darauf zulässt, dass er auch die ihm obliegenden Dienstpflichten nicht oder nur unzureichend erfüllen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.8.1997 - 1 DB 2.97 -, Dokumentarische Berichte Ausgabe B 1998, 95/96 - betreffend die außerdienstliche Verkehrsunfallflucht eines zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilten Polizeimeisters im BGS im Beamtenverhältnis auf Probe, dessen vorläufige Dienstenthebung vom Präsidenten des Grenzschutzpräsidiums angeordnet worden war). Auch nach heutiger Anschauung wird ein von einem Polizeivollzugsbeamten des Bundes vorsätzlich begangener Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz von der Öffentlichkeit anders beurteilt als die entsprechende Straftat eines Durchschnittsbürgers oder eines anderen Beamten. Im vorliegenden Fall hat sich der Antragsteller nicht nur völlig bedenkenlos über ein wichtiges Gesetz, das ihm eindeutig bekannt sein musste, hinweggesetzt, sondern sich im Rahmen seiner Verteidigung vor dem Amtsgericht F. auch solcher Mittel bedient, die bei einem Polizeivollzugsbeamten als Zeichen einer verantwortungslosen Haltung gewertet werden müssen. So hat er wahrheitswidrig behauptet, er habe den in Rede stehenden Pkw-Anhänger erst am 29.4.2000 von der Zeugin Z. erhalten. Hierfür hat der dem Gericht einen Kaufvertrag über einen Pkw-Anhänger vorgelegt, der "nachträglich von dem Angeklagten aufgesetzt worden (ist), um als Entlastungsbeweisstück zu dienen" (Amtsgericht Nordhausen, Urteil vom 11.1.2001, UA S. 7). Mit der Zeugin Z., die zugunsten des Antragstellers eine "Gefälligkeitsaussage" (Amtsgericht Nordhausen, UA S. 6) gemacht hat, hat er bewusst und gewollt die Ehefrau eines BGS-Kollegen (Amtsgericht F., aaO) in seine wahrheitswidrige Verteidigungsstrategie "eingespannt". Ähnlich wie bei der außerdienstlichen Verkehrsunfallflucht eines Polizeivollzugsbeamten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.8.1997, aaO., S. 96) ist bei einem außerhalb des Dienstes begangenen vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz durch einen Polizeivollzugsbeamten deshalb als Disziplinarmaßnahme grundsätzlich eine Kürzung der Dienstbezüge jedenfalls dann geboten, wenn Umstände vorliegen, die das Ausmaß des in Betracht kommenden Ansehensschadens als besonders erheblich erscheinen lassen. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Das Ausmaß der Ansehensschädigung ist bei dem Antragsteller deshalb als erheblich anzusehen, weil er Polizeivollzugsbeamter ist, zu dessen Aufgaben es u.a. gehört, Straftaten zu verhindern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.8.1997, aaO S. 97; Urteil vom 6.9.1994 - 1 D 11.94 -; Beschluss vom 10.7.1996 - 1 DB 14.96 -; Beschluss vom 15.11.1996 - 1 DB 13.96 -), und er zudem den Verstoß gegen § 6 Abs. 1 Pflichtversicherungsgesetz nach den strafrichterlichen Feststellungen mit direktem Vorsatz begangen hat. Auf die weitere Frage, ob neben der durch das Amtsgericht F. ausgesprochenen Geldstrafe als zusätzliche Disziplinarmaßnahme eine Kürzung der Dienstbezüge verhängt werden kann, kommt es nicht an, weil die Vorschrift des § 14 BDG, die sich mit der Zulässigkeit von Disziplinarmaßnahmen nach Straf- oder Bußgeldverfahren beschäftigt, im Entlassungsverfahren nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der die Kammer folgt, keine Anwendung findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.6.1982 - 2 C 44.80 -, BVerwGE 66, 19 = ZBR 1983, 159).
Hinsichtlich des Vorwurfs zu 2.) - Geltendmachung überhöhten Trennungsgeldes aufgrund falscher Angaben in dem am 27.10.1999 und nach Rückgabe am 8.11.1999 erneut ohne Änderungen eingereichten Trennungsgeldantrag für September 1999 - hat der Antragsteller schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 54 Satz 3 i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG begangen, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mit Sicherheit eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte. Die Einstellung des wegen dieses Sachverhalts gegen den Antragsteller eingeleiteten Strafverfahrens wegen versuchten Betruges nach§ 153 a Abs. 2 StPO gegen Zahlung von 500,-- DM an die Landeskasse durch das Amtsgericht G. im Jahre 2000 steht dem nicht entgegen. Zum einen ist bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 2 StPO, die häufig wegen als gering anzusehender Schuld des Angeklagten erfolgt, der Straftatverdacht nicht notwendigerweise ausgeräumt. Zum anderen ist das Disziplinarrecht - im Unterschied zum Strafrecht - darauf ausgerichtet, einen geordneten und integeren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2000 - 2 WD 19.00 -, Buchholz 236.1 § 7 Nr. 37 S. 55/57 m.w.N.). Schließlich steht im vorliegenden Zusammenhang auch § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG nicht entgegen, weil § 14 BDG - wie bereits dargelegt - im Entlassungsverfahren nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG nicht anwendbar ist. Nach den Feststellungen im Ermittlungsbericht vom 25.3.2002 (BI. 78 - zu 3.2 Abs. 2 - der Beiakte A), denen der Antragsteller im vorliegenden Fall insoweit nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller im Forderungsnachweis für die Trennungsgeldabrechnung beim auswärtigen Verbleiben für den Monat September 1999 unter II. in der Spalte "Eintrag" für die Tage 1 bis 3, 7 bis 10, 13 bis 15 und 18 bis 20 nichts vermerkt und damit zum Ausdruck gebracht, er sei anwesend und damit für diese Tage als "auswärts verbleibend" trennungsgeldberechtigt gewesen, da im Vordruck nach den "Ausfüllhinweisen" nur Abwesenheitszeiten eingetragen werden. Unter III. hat er die Angaben u.a. zu II. unterschriftlich versichert; gleichzeitig hat er pflichtgemäß versichert, dass "keine Änderungen eingetreten sind, die für die Gewährung des Trennungsgeldes und dessen Höhe von Bedeutung sein können". Selbst wenn die Kammer zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass ihm insoweit keine Absicht einer vorsätzlichen rechtswidrigen Bereicherung zulasten seines Dienstherrn nachzuweisen ist, hat er gleichwohl vorsätzlich gegen seine nach§ 54 Satz 3 BBG bestehende Verpflichtung verstoßen, innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert. Denn spätestens bei der zweiten Einreichung des ihm zum Zwecke der Überprüfung zurückgereichten Trennungsgeldantrages für September 1999 am 8.11.1999 ist davon auszugehen, dass der Antragsteller, der seinen Antrag - trotz nunmehr zweifelsfrei bestehender erhöhter Überprüfungs- und Sorgfaltspflicht - nicht korrigiert hat, mit Wissen und Wollen unzutreffende Angaben gemacht hat, deren Richtigkeit er ausdrücklich pflichtgemäß versichert hat. Er hat damit schuldhaft ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG gegangen, das nicht leicht zu nehmen ist und bei einem Lebenszeitbeamten mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden wäre, weil ein solches Verhalten über den Rahmen einer dienstlichen "Ordnungswidrigkeit", die noch einer disziplinarrechtlich angemessenen Ahndung durch Verweis (§ 6 BDG) oder Geldbuße (§ 7 BDG) zugänglich wäre, hinausgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.1986 - 1 D 88/86 -, [...]; Urteil vom 4.12.2001 - 2 WD 36.01 -, Dokumentarische Berichte - Recht des Öffentlichen Dienstes / Disziplinarrecht - 2002, 187 ff). Selbst wenn die Kammer aber zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass er hinsichtlich des Trennungsgeldantrages für September 1999 nicht vorsätzlich, sondern "nur" grob fahrlässig gegen die Wahrheitspflicht (§ 54 Satz 3 BBG) verstoßen hat, ist ein solches grob fahrlässiges Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG als immer noch so schwer wiegend anzusehen, dass es bei einem Beamten auf Lebenszeit mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden wäre. Denn ein Beamter, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen des Bundes leichtfertig (d. h. grob fahrlässig) unwahre Erklärungen im Zusammenhang mit der Erstattung von Trennungsgeld abgibt, büßt dadurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.2000 - 2 WD 51.99 -, Buchholz 236.1 § 7 Nr. 36 S. 51/52 ff.).
Milderungsgründe für die zu 5.) und 2,) vorgenannten Taten des Antragstellers, die disziplinarrechtlich als ein einheitliches Dienstvergehen anzusehen sind, das bei einem Beamten auf Lebenszeit mit Sicherheit mindestens mit einer Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden wäre, sind nicht ersichtlich. Milderungsgründe sind nur gegeben, wenn die Situation, in der der Beamte versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an den normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Besonderheiten sind in der diziplinarrechtlichen Rechtsprechung ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang und ein Handeln unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Beamten erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.2000 - 2 WD 51.99 -, aaO S. 54). Dafür liegen hier jedoch keinerlei Anhaltspunkte vor.
Ob hinsichtlich der Vorwürfe zu 1.), 3.), 4.) und 6.) ein Dienstvergehen des Antragstellers vorliegt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, da die diesbezüglich zu verhängende Disziplinarmaßnahme im Rahmen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG jedenfalls rechtlich irrelevant wäre.
In dem an die Erfüllung der danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG anknüpfenden Ausspruch der Entlassung des Beamten auf Probe liegt in aller Regel - so auch hier - kein fehlerhafter Ermessengebrauch des Dienstherrn (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.10.1989 - 2 C 22.87 -, NVwZ 1990, 768/769 a.E.).
Eine fehlerhafte Ermessensentscheidung im Sinne von 5 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG kann hier nicht deshalb angenommen werden, weil die Antragsgegnerin - wie der Antragsteller meint - die sich aus 5 9 Abs. 2 und Abs. 1 Nr. 2 BBG ergebende Pflicht verletzt hat, in seinem Falle spätestens 5 Jahre nach Begründung des Beamtenverhältnisses auf Probe (d. h. hier am 26.9.2001) und nach Vollendung des 27. Lebensjahres (d. h. hier am 14.6.1999) das Beamtenverhältnis auf Probe in ein solches auf Lebenszeit umzuwandeln. Ein Umwandlungsanspruch nach § 9 Abs. 2 BBG schließt eine Entlassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG dann nicht aus, wenn eine Entscheidung über die Entlassung vorher wegen fehlender Entscheidungsreife nicht getroffen werden konnte und diese unverzüglich, d.h. ohne schuldhafte Verzögerung, nach Ablauf der statusrechtliche Probezeit herbeigeführt wird. Das dazu nach § 31 Abs. 4 Satz 2 BBG i.V.m. §§ 21 bis 29 BDG zwingend durchzuführende Sachverhaltsaufklärungs- und Untersuchungsverfahren muss mit der gebotenen Beschleunigung aufgenommen und ohne vermeidbare Verzögerungen abgewickelt werden. Die Entscheidung über die Entlassung ist sodann unter Zubilligung einer angemessenen Überprüfungs- und Überlegungszeit alsbald danach zu treffen (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rdn. 163 f.; BVerwG, Beschluss vom 1.10.2001 - 2 B 11.01 -, ZBR 2002, 400). Der Umstand, dass seit der Begehung des Dienstvergehens geraume Zeit verstrichen ist, führt - für sich betrachtet - nicht zu einer Ermessensreduzierung, solange der Beamte auf Probe nicht begründeten Anlass für die Annahme hat, der Dienstherr werde von einer Entlassung absehen. Nach diesen Grundsätzen ist nicht zweifelhaft, dass hier das Ermessen der Antragsgegnerin, den Antragsteller nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG zu entlassen, im Zeitpunkt der getroffenen Entscheidung (24.6.2002) noch ausgeübt werden konnte. In dem Zeitpunkt, in dem die Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Lebenszeit frühestens möglich war, nämlich nach Ableistung der fünfjährigen Dienstzeit als Beamter auf Probe am 26.9.2001, lief das vorgeschriebene disziplinare Sachverhaltsaufklärungs- und Untersuchungsverfahren noch; dafür, dass es im vorliegenden Fall nicht mit der gebotenen Beschleunigung aufgenommen und abgewickelt worden wäre, gibt es keinerlei greifbare Anhaltspunkte. Erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens konnte die Antragsgegnerin auf der Grundlage des vom Ermittlungsführer zu fertigenden Ermittlungsberichts die Entscheidung treffen, ob im Falle des Antragstellers eine Geldbuße ausreichend oder aber - wegen schwerer oder zumindest mittelschwerer Dienstvergehen - eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG geboten war. Vorliegend wurde dem für die Entlassung zuständigen Grenzschutzpräsidium Mitte der Ermittlungsbericht des Ermittlungsführers E. vom 25.3.2002 am 24.4.2002 vorgelegt. Das Entlassungsverfahren wurde sodann ersichtlich ohne ungebührliche Verzögerung durchgeführt. Dabei bedurfte es - ungeachtet einer der Entlassungsbehörde zuzubilligenden angemessenen Überlegungsfrist - vor Fertigung der Entlassungsverfügung nicht nur der nach § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz gebotenen Anhörung des Antragstellers (Einräumung einer Frist zur Stellungnahme bis zum 30.5.2002, die dieser ungenutzt hat verstreichen lassen), sondern zwingend auch der Anhörung des Bezirkspersonalrats beim Grenzschutzpräsidium Mitte gemäߧ 79 Abs. 3 BPersVG (der gegen die fristlose Entlassung des Antragstellers unter dem 12.6.2002 keine Bedenken erhoben hat). Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann insoweit keine Rede davon sein, die Antragsgegnerin habe sich mit der hier strittigen Entlassung nach§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BBG "ca. 1 1/2 bis 2 Jahre lang Zeit gelassen".
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Buchstabe b GKG und bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung nach der Hälfte des in einem etwaigen Hauptsacheverfahren festzusetzenden Wertes nach § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchstabe b GKG, also nach dem 3,25-fachen Betrag des Endgrundgehaltes des angestrebten Amtes (BesGr. A 7 BBesO). Der Streitwert beträgt hiernach (2.081,46 Euro x 3,25 =) 6.764,75 Euro.