Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 30.01.2020, Az.: 1 A 34/18

Abschiebungsverbot; Asyl; Fehlender Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht; Flüchtlingsanerkennung; Libanon; SLA; South Lebanon Army

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
30.01.2020
Aktenzeichen
1 A 34/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 72095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Einem ehemaligen Mitglied der South Lebanon Army (SLA), der in den frühen 2000er Jahren im Libanon wegen seiner Mitgliedschaft verurteilt wurde und seine Haftstrafe verbüßt hat, droht aktuell weder eine flüchtlichsrelevante Verfolgung noch liegen Anhaltspunkte für sonstige grundsätzliche Gefährungen im Sinne des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor.
2. Zum fehlenden Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylbegehrens und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und hilfsweise subsidiären Schutz, bzw. die Feststellung von Abschiebungsverboten.

Der 1980 geborene, passlose Kläger ist nach eigenen Angaben libanesischer Staatsangehöriger, schiitisch-islamischen Glaubens und Araber. Er stammt aus E. (in der Nähe von F. im Südlibanon), wo seine Eltern, seine Ehefrau und sein Sohn leben. Dort leben auch zwei seiner sieben Geschwister. Weitere Geschwister leben in G., H. I. und ein Bruder in Deutschland. Der Kläger reiste nach eigenen Angaben am 24.09.2015 auf dem Landweg nach Deutschland ein, wo er am 06.01.2016 einen Asylantrag stellte.

Er besuchte von 1986 bis 1994 die Grund- sowie die Mittelschule und arbeite als Angestellter im Bereich Innenausbau, zuletzt ca. zwei Jahre. Sein letzter Arbeitstag im Libanon war ca. der 06.08.2015.

In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 28.06.2016 erklärte der Kläger, er habe von 1998 bis 2000 Kontakt zu Israel gehabt, er habe beim israelischen Militär als Soldat gedient und er sei nach seiner Rückkehr in den Libanon von Mitarbeitern des Roten Kreuzes an den libanesischen Geheimdienst ausgeliefert worden. Er sei in einer militärischen Basis vernommen worden und in ein Gefängnis gebracht worden. Durch ein Militärgericht sei er zu anderthalb Jahren Gefängnis und einem Bußgeld in Höhe von 400.000 Lyra verurteilt worden. Er habe wegen dieser Vorgeschichte keine Rechte mehr im Libanon, könne z. B. nicht einmal einen Führerschein beantragen. Auch in seinen Heimatort könne er nicht zurückkehren, da dieser unter der Kontrolle der Hisbollah stehe und zwischen Israel und der Hisbollah Feindschaft vorherrsche. Er bekomme im Libanon wegen seiner Vorstrafe oft keine beruflichen Chancen, würde diskriminiert, geschlagen und ihm seien auch Zähne ausgeschlagen worden. Die Schläge in seinem Heimatort seien in den Jahren 2004 und 2005 passiert. In G. sei er ebenfalls von einem Heimatortbewohner in 2004 geschlagen worden.

Nach dem in der Anhörung vorgelegten Führungszeugnis vom Generalkommando der Streitkräfte, ausgestellt von der Justizpolizeidirektion am 12.09.2015, ist der Kläger von einem Militärgericht am 21.03.2001 aufgrund von Waffenbesitz und Besitz militärischer Kampfstoffe, Landesverrat und des Betretens von Feindesland zu anderthalb Jahren Gefängnis und zu einer Zahlung von 400.000 Lyra verurteilt worden.

Im Anschluss an seine Haft, die vom 21.03.2001 bis ca. 2003 angedauert habe, habe er nach eigenen Angaben von 2003 bis 2005 seinen Grundwehrdienst beim libanesischen Militär abgeleistet. Nach dem Militärdienst habe er bis 2007 in G. gelebt und danach bis zu seiner Ausreise in 2015 in E. Direkt vor seiner Ausreise habe er sowohl das vorgelegte Führungszeugnis als auch einen Reisepass beantragt und ausgestellt bekommen.

Mit Bescheid vom 13.04.2017 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Gewährung von Asyl und internationalen Schutz (Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutz) vollumfänglich ab, stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten fest, forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Libanon oder einen anderen aufnahmebereiten Staat zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen auf und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben und sich zur Begründung auf sein Vorbringen vor dem Bundesamt bezogen und dieses vertieft. Grund für die Verurteilung sei gewesen, dass der er Mitglied der South Lebanon Army (SLA) war. Wegen seiner ehemaligen Mitgliedschaft dauere eine Diskriminierung fort, die in ihrer Gesamtheit dem Kläger die Lebensgrundlage nehme. Er sei kontinuierlichen Verfolgungsmaßnahmen (wie Misshandlungen und Bedrohungen) ausgesetzt, die kumulativ derart zusammenwirken, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zustehe. Gründe für die Ausreise seien zudem die bedrohliche Sicherheitslage und die schlechte wirtschaftliche Lage gewesen. Er sei im Fall einer Rückkehr in den Libanon zudem nicht in der Lage, ein Existenzminimum zu erwirtschaften. Ohne Überstützung der Familie werde es dem Kläger nicht möglich sein zu überleben. Er könne als ehemaliges SLA Mitglied nur unterhalb des Existenzminimums dahinvegetieren.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.04.2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

hilfsweise festzustellen, dass für den Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen Bescheids,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 19.12.2019 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Ausländerbehörde Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Nach § 102 Abs. 2 VwGO hat das Gericht verhandeln und entscheiden können, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausgeblieben sind, weil auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Ladung zum Termin hingewiesen wurde (Bl. 51 f. d. GA).

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch der Hilfsanträge zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 13.04.2017 ist rechtmäßig. Der Kläger hat abgestellt auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG (A.). Gleichsam hat er keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und in seiner Person liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor (B.). Schließlich sind auch die getroffenen Nebenentscheidungen im Ergebnis nicht zu beanstanden (C.).

A.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (alternativ) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgungshandlungen sind nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG solche Handlungen anzusehen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Dem stehen nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG Handlungen gleich, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Bei den Akteuren, von denen die Verfolgung ausgeht, muss es sich nach § 3c AsylG um den Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatliche Akteure handeln, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, wirksamen und dauerhaften Schutz vor Verfolgung zu bieten. Für die Frage, ob die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob er das entsprechende, zur Verfolgung führende Merkmal tatsächlich aufweist, ausreichend ist, dass es ihm von dem Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c AsylG zugeschrieben wird.

Ob eine Verfolgung droht ist anhand einer Verfolgungsprognose zu beurteilen, die auf der Grundlage einer zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.1990 – 9 C 14.89 –, Rn. 13, juris, m. w. N.). Die Prognose in Bezug auf eine bei Rückkehr in den Heimatstaat drohende Verfolgung hat am Maßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ zu erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.03.2012 – 10 C 7/11 –, Rn. 12; Urteil vom 01.06.2011 – 10 C 25/10 –, Rn, 23, jew. juris). Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Dabei ist eine qualifizierende beziehungsweise bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen (vgl. zu Vorstehendem: Nds. OVG, Urteil vom 19.09.2016 – 9 LB 100/15 –, Rn. 32; Urteil vom 21.09.2015 – 9 LB 20/14 –, Rn. 30, jeweils juris und m. w. N.). Ausgangspunkt der Prognose ist das bisherige Schicksal des Ausländers. Ist der Ausländer aus seinem Herkunftsland vorverfolgt ausgereist, ist dies ein ernsthafter Hinweis auf die Begründetheit seiner Furcht vor Verfolgung und begründet eine tatsächliche Vermutung, dass sich eine frühere Verfolgung bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 – 10 C 5/09 –, Rn. 20, 23, juris, m. w. N.; vgl. auch Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011). Ist der Ausländer unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung vor, wenn ihm bei verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren.

Unter Berücksichtigung des soeben Dargestellten hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zur Begründung nimmt der Einzelrichter zunächst Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Sofern der Kläger auf seine ehemalige Mitgliedschaft in der SLA und seine Verurteilung im Jahre 2001 abstellt, die zu den beschriebenen Übergriffen in den Jahren 2004 und 2005 und den weiterhin behaupteten noch aktuellen Diskriminierungen führe, so ist festzustellen, dass es jedenfalls an einem kausalen Zusammenhang zwischen etwaiger Verfolgung und Flucht fehlt.

Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt der Flüchtlingstatbestand grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.11.1986 – 2 BvR 1058/85 –, BVerfGE 74, 51, 64; BVerwG, Urteil vom 15.05.1990 – 9 C 17.89 –, BVerwGE 85, 139, 140). Entscheidend ist insoweit, dass sich die Ausreise bei objektiver Betrachtung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als eine unter dem Druck erlittener Verfolgung stattfindende Flucht darstellt; in dieser Hinsicht kommt der zwischen Verfolgung und Ausreise verstrichenen Zeit maßgebliche Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 – 9 C 72.90 –, BVerwGE 87, 141 ff.; BVerwG, Urteil vom 25.07.2000 – 9 C 28.99 –, BVerwGE 111, 334 ff.). Je länger der Ausländer nach erlittener Verfolgung in seinem Heimatstaat verbleibt, umso mehr verbraucht sich der objektive äußere Zusammenhang zwischen Verfolgung und Ausreise; daher kann schon der bloße Zeitablauf dazu führen, dass eine Ausreise den Charakter einer unter dem Druck erlittener Verfolgung stehenden Flucht verliert. Ein Ausländer ist demnach regelmäßig nur dann als verfolgt ausgereist anzusehen, wenn er seinen Heimatstaat in nahem zeitlichen Zusammenhang mit der erlittenen Verfolgung verlässt (vgl. BVerwG Urteil vom 20.11.1990, a. a. O.; Urteil vom 25.7.2000, a. a. O.).

Daran fehlt es hier, da der Kläger erst zehn Jahre nach den geschilderten Vorfällen im Jahre 2004 und 2005 seine Heimat verlassen hat. Einen Grund ausnahmsweise von den dargestellten Grundsätzen abzuweichen, sieht das erkennende Gericht nicht. Die Gründe, die der Kläger angibt, nicht bereits zuvor den Libanon verlassen zu haben, erscheinen nicht stichhaltig. So gibt er pauschal an, er habe nicht ausreichend Geld und keinen Reisepass besessen. Warum er sich dann aber ohne weiteres im Jahre 2015 vor seiner Ausreise einen Reisepass und ein Führungszeugnis beantragen und sich Geld leihen konnte, erschließt sich nicht. Auch gibt er nicht einmal an, dass er die Beantragung eines Reisepasses zuvor versucht habe.

Die vom Kläger im Übrigen geschilderten Diskriminierungen nach 2005 erreichen schon nicht das für § 3 Abs. 2 AsylG notwendige Maß an Schwere der Gewalt. Zudem bleiben die Angaben zu behaupteten Übergriffen nach 2005 sehr vage. Auf die Frage im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt, wer ihn angegriffen habe, antworte er, er wisse es nicht, es seien unsere Dorfbewohner gewesen.

Darüber hinaus lässt sich – auch in Bezug auf etwaige Nachfluchtgründe – aktuellen Erkenntnismitteln entnehmen, dass es keine Anhaltspunkte für Repressionen gegen ehemalige SLA-Angehörige über die strafrechtliche Aufarbeitung hinaus, gibt (siehe Auswärtige Amt, Lagebericht 2019, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon, Stand: Dezember 2018, S. 15). Die strafrechtliche Aufarbeitung liegt beim Kläger aber schon lange zurück und ist erledigt.

Soweit der Kläger vorträgt, er könne nicht in seinen Heimatort zurückkehren, weil dieser von der Hisbollah kontrolliert werde, folgt der Einzelrichter dem nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass die Hisbollah den Kläger dort nicht wieder hinziehen lassen oder ihm dort schaden wird. Denn der Kläger lebte dort von 2007 bis 2015, hat dort einen Großteil seiner Familie und ging dort auch einer Erwerbstätigkeit nach. Darüber hinaus ist die Hisbollah nach aktuellen Erkenntnismitteln derzeit nicht willens, ehemalige SLA Kämpfer in neuen Anläufen zu verfolgen. Dies gilt insbesondere für bereits Abgeurteilte wie den Kläger. Im Gegensatz zu früheren Jahren (vor 2008) wurden keine Übergriffe der Hisbollah gegenüber ehemaligen SLA-Mitgliedern gemeldet; die Hisbollah hat eine versöhnliche Haltung gegenüber ehemaligen SLA-Mitgliedern und Sanktionen den Gerichten überlassen (vgl. BFA, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Libanon: Ehemalige Mitgleider der SLA, 21.02.2017 m. w. N.).

Vor diesem Hintergrund ist es auch unwahrscheinlich, dass die Hisbollah dem Kläger schaden wolle, weil – so der Vortrag des Klägers – diese mitbekommen haben könne, dass er im Ausland schlecht über sie geredet habe.

Aus dem weiteren größtenteils pauschalen Vorbringen des Klägers zur allgemeinen Sicherheitslage und den wirtschaftlichen Bedingungen im Libanon ergibt sich ebenfalls keine zielgerichtete Verfolgung seiner Person.

B.

1. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Der Einzelrichter folgt unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnismittel der Einschätzung des Bundesamtes, dass die allgemeine Sicherheitslage im Libanon hinsichtlich Intensität und Schwere nicht den nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erforderlichen Grad erreicht, der für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Einzelrichter folgt, muss für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung für jede Zivilperson nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit bestehen, wobei ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung eine individuelle Bedrohung nicht mehr zu begründen vermag (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 – 1 C 15.05 –, Rn. 20;Urteil vom 17.11.2011 – BVerwG 10 C 13.10 –, Rn. 22 f., jew. juris). Die vorliegenden Erkenntnismittel rechtfertigen die Annahme einer in diesem Sinne beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht.

2. In der Person des Klägers liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vor. Es besteht aus den vorstehenden Gründen kein Anlass zu der Annahme, dass er im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland alsbald in die Gefahr einer Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK bzw. in eine erhebliche konkrete Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geraten wird. Zwar können auch schlechte humanitäre Verhältnisse eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dies gilt selbst für den Fall, dass es an einem verantwortlichen Akteur fehlt. Es müssen dann aber ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten; zudem muss ein sehr hohes Schädigungsniveau vorliegen (näher dazu: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2017 – A 11 S 1704/17 –, Rn. 157 ff., juris m. w. N.).

Daran mangelt es hier. Insbesondere ist die Sicherheits- und Versorgungslage im Libanon trotz der erheblichen Anzahl syrischer Flüchtlinge nicht derart prekär, dass eine Rückkehr in den Libanon für den Kläger unzumutbar wäre. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet und im Libanon besteht auch eine relativ gute medizinische Versorgung (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 13.02.2019, Stand Dezember 2018, S. 21 f.).

Der Einzelrichter geht davon aus, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in den Libanon seinen Lebensunterhalt wird sichern können. Insoweit wird ebenfalls Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheides genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist auszuführen, dass weiterhin mehrere Familienmitglieder des Klägers im Libanon leben und nicht erkennbar ist, dass diese den Kläger bei seiner Rückkehr in den Libanon nicht unterstützen könnten. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger – zumindest zur Überbrückung – bei seinen Eltern wohnen könnte. Der Kläger ist gesund, befindet sich im erwerbsfähigen Alter und ist vor seiner Ausreise auch einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, mag diese auch dem informellen Bereich zugeordnet gewesen sein. Vor diesem Hintergrund ist die Behauptung des Klägers, als ehemaliges SLA-Mitglied sei ihm eine Existenzsicherung nicht möglich, nicht nachvollziehbar. Denn diese ist dem Kläger auch in den Jahren 2005 bis 2015, d. h. nach seinem Militärdienst und vor seiner Ausreise, gelungen. Deswegen musste das Gericht auch nicht der Beweisanregung des Klägers nachgehen, über diese Frage ein Sachverständigengutachten einzuholen. Angesichts der vorstehenden Erwägungen und der vorliegenden Erkenntnismittel erfolgt die Behauptung „ins Blaue hinein“ und würde einen sog. (unzulässigen) „Beweisermittlungsantrag“ darstellen.

Auch die allgemeine Sicherheitslage, die jedenfalls zum Zeitpunkt der Ausreise 2015 für viele Libanesen zu Recht ein Grund zu erheblicher Besorgnis war (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 30.12.2015, Stand Dezember 2015, S. 8), stellt sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht so dar, dass dem Kläger im Fall der Rückkehr in den Libanon ein ernsthafter Schaden drohte. Vielmehr ist die Sicherheitslage – abgesehen von Auseinandersetzungen in Palästinensercamps – stabil (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Libanon vom 13.02.2019, Stand Dezember 2018, S. 7). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus den seit Mitte Oktober 2019 andauernden Demonstrationen im Libanon, die seitdem Gegenstand von Berichten in der Tagespresse sind. Es ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nicht ersichtlich, dass hieraus ein bewaffneter Konflikt entstehen könnte, der zu einer ernsthaften Bedrohung von Leib oder Leben des Klägers führen könnte.

C.

Auch soweit die Klage sich gegen die Abschiebungsandrohung und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots richtet, hat sie keinen Erfolg. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen des angefochtenen Bescheids verwiesen, gegen die der Kläger nichts vorgebracht hat (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Hinsichtlich der durch das Bundesamt (§ 75 Nr. 12 AufenthG) getroffenen Befristungsentscheidung ist zunächst anzumerken, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 Abs. 1 AufenthG a. F., der in unionsrechtswidrigerweise ein kraft Gesetz eintretendes Einreiseverbot regelte, behördliche Befristungsentscheidungen regelmäßig dahingehend verstanden werden können, dass damit ein Einreiseverbot von bestimmter Dauer angeordnet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 – 1 VR 3/17 –, juris, Rn. 72). Das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine solche Auslegung auch in Ansehung des nunmehr unionsrechtskonform gefassten § 11 Abs. 1 AufenthG bei Altbescheiden wie dem vorliegenden möglich ist (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2019 – A 19 K 1718/17 –, juris, Rn. 38, 70). Ziff. 6 des Bescheides ist einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung zugänglich; es ist mithin davon auszugehen, dass Ziff. 6 eine solche Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots enthält.

Ermessensfehler hinsichtlich der nunmehr ausdrücklich als Ermessensentscheidung ausgestalteten Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung sind nicht zu erkennen. Hinsichtlich der Dauer der Befristung hat sich die Beklagte offensichtlich an dem Mittelwert der in § 11 Abs. 3 Satz 2 AsylG genannten Frist von bis zu fünf Jahren orientiert. Dies ist nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als Unterliegender die Kosten zu tragen hat. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.