Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 28.01.2020, Az.: 2 A 577/17

Christ; Gruppenverfolgung; Irak

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
28.01.2020
Aktenzeichen
2 A 577/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Kläger sind irakische Staatsangehörige, arabischer Volks- und christlicher-assyrischer Religionszugehörigkeit. Sie wohnten vor ihrer Ausreise zuletzt in Belmat in der kurdischen Autonomieregion. Am 18. September 2015 reisten die Kläger zu 1) und 2) aus ihrer Heimat aus und am 6. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der Kläger zu 3) ist in Deutschland geboren. Am 11. April 2016 stellten die Kläger zu 1) und 2) Asylanträge zu deren Gründen sie am 12. Juli 2017 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angehört worden sind. Zur Begründung ihrer Anträge gaben sie im Wesentlichen an, die Lage für Christen in ihrer Heimatregion sei sehr schwierig. Wenn ihnen auch persönlich nichts passiert sei, seien sie doch ebenso wie zuvor in Bagdad beleidigt und bedroht worden. Die Klägerin zu 2) ergänzte dahingehend, sie könne als Christin im Irak nicht leben. Sie sei ständigen Beleidigungen und dem Druck, die muslimischen Bekleidungsvorschriften einzuhalten, ausgesetzt. Zudem habe es in der Familie mit muslimischen Nachbarn deshalb Probleme gegeben, weil von diesen Nachbarn Land der Familie enteignet worden sei. Es habe einen mehrjährigen Rechtsstreit hierum gegeben.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2017 lehnte es die Beklagte ab, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und lehnte auch ihre Anträge auf Asylanerkennung ab. Gleichzeitig stellte sie fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG nicht vorliegen und forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss ihres Asylverfahrens zu verlassen, wobei sie für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in den Irak androhte. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete sie auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen an, die Kläger zu 1) und 2) hätten eine persönliche Bedrohung nicht erfahren. Wegen ihrer Religionszugehörigkeit seien sie allenfalls Diskriminierungen ausgesetzt, die ein asylerhebliches Maß nicht erreicht hätten. Dies erkenne man auch daran, dass die Eltern noch im Irak leben würden. Die Geschehnisse rund um die Enteignung des Vaters des Klägers zu 1) hätten die Kläger nicht direkt betroffen.

Hiergegen haben die Kläger am 1. August 2017 Klage erhoben. Zu deren Begründung führen sie im Wesentlichen aus, als Christen seien sie im Irak einer asylerheblichen Verfolgung ausgesetzt. Sie untermauern ihren Vortrag durch Vorlage von Stellungnahmen zur Situation der assyrischen Christen im Irak, die sich auf den Zeitraum bis 2016 beziehen.

Außerdem machen sie für die Klägerin zu 2.) ein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot geltend. Ausweislich der Ärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. I. vom 27. November 2019 leidet die Klägerin zu 2.) an einem massiven Asthma bronchiale und einer allergischen Rhinokonjunktivitis, hervorgerufen durch massive Hausstaubmilbenallergie, wahrscheinlich auf dem Boden einer Schimmelpilzallergisierung. Deshalb benötigt die Klägerin zu 2.) u.a. eine Immunmodulationstherapie (SLIT) und verschiedene Medikamente; die Therapie müsse zunächst für mindestens drei Jahre durchgeführt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Erkrankung und der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen wird auf das Attest verwiesen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2017 in den Ziffern 1) sowie 3) bis 6) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,

den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise,

den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt, dem Vorbringen der Kläger in der Sache entgegentretend,

die Klage abzuweisen.

Die Kläger zu 1.) und 2.) sind in mündlicher Verhandlung informatorisch zu ihren Asylgründen angehört worden. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 30. Januar 2020 Beweis zu verschiedenen medizinischen Fragen durch Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes erhoben. Die Deutsche Botschaft Bagdad hat mit E-mail-Nachricht vom 18. Februar 2020 geantwortet. Wegen des Inhalts des Beschlusses und der Auskunft im Einzelnen wird auf die jeweiligen Dokumente Bezug genommen. Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Kläger durch Vorlage weiterer ärztlicher Stellungnahmen des behandelnden Arztes Dr. I. vom 26., 28. und 29. Februar 2020 Stellung genommen. Die Beklagte tritt dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Hinweis auf eine MedCOI-Stellungnahme vom 03. April 2017 entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Ausländerakten des Landkreises Northeim Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, wie die aus der den Beteiligten mit der Ladung übersandten Liste ersichtlichen Erkenntnismittel.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entscheidet, ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2017 ist nur insoweit rechtswidrig, als die Klägerin zu 2.) gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, dass in ihrem Fall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wird. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und die Kläger haben die geltend gemachten Ansprüche nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II Seite 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3 a AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II Seite 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Dabei muss gemäß § 3 a Abs. 3 AsylG zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne von § 3 Abs. 1 und § 3 b AsylG und der Verfolgungshandlung oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.

Nach § 3 c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3 d AsylG zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn sich die Rückkehr in den Heimatstaat aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen als unzumutbar erweist, weil bei Abwägung aller in Betracht kommenden Umstände die für eine bevorstehende Verfolgung streitenden Tatsachen ein größeres Gewicht besitzen als die dagegen sprechenden Gesichtspunkte. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 - Qualifikationsrichtlinie - (ABl. L 337/9) ist hierbei die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Antragsteller, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahezu zeitlichen (Kausal-)Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus.

Es obliegt dabei dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder Aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.1988 - 9 C 32/87 -; BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 -, jeweils zitiert nach juris).

Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 e Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3 d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Gemessen an diesen Grundsätzen, hat das Gericht nicht die Überzeugungsgewissheit erlangen können, dass die Kläger vorverfolgt aus dem Irak ausgereist ist. Das von ihnen geschilderte Verfolgungsgeschehen ist aus Rechtsgründen nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zu begründen.

Die Kläger haben sowohl schriftsätzlich wie auch bei ihrer Befragung in mündlicher Verhandlung ausschließlich Geschehnisse geschildert, die über eine allgegenwärtige Diskriminierung und Schikanierung nicht hinausgegangen sind. Sie berichteten von Drohungen, Beleidigungen durch Worte und Gesten sowie diskriminierende Handlungsweisen bei der Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche. Derartige Handlungen, so erniedrigend sie die Kläger auch zu Recht empfinden mögen, sind weder ihrer Art noch in ihrer Wiederholung so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte im Sinne von § 3 a Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AsylG darstellen. Dies gilt insbesondere auch für die vom Kläger zu 1) geschilderten Ereignisse rund um die Enteignung des Dorfes aus dem die Familie des Klägers stammt. Zum einen hat dieses Ereignis nach Aussage des Klägers zu 1) schon vor seiner Geburt stattgefunden. Offenbar zogen und ziehen sich die Verhandlungen um die Rückgabe der Grundstücke bis in die Gegenwart hin. Indes hat der Kläger nach eigenem Bekunden seinen Vater nur einmal zu einer solchen Verhandlung begleitet. Ihm ist dabei nichts geschehen. Selbst wenn man den vom Kläger zu 1) zitierten Satz, man solle die Sache ruhen lassen und sich nicht mehr darum kümmern nicht als bloße Ablehnung der Rückgabeansprüche, sondern, so wie der Kläger zu 1) als Drohung auffasst, geht auch dies nicht über die allgemein im Irak übliche Schikane gegen Christen nicht hinaus. Konkret gegen sie gerichtete gravierende Verfolgungshandlungen vermochten weder der Kläger zu 1) noch die Klägerin zu 2) darzulegen.

Sind die Kläger damit unverfolgt aus ihrer Heimat ausgereist, droht ihnen auch im Falle ihrer Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine solche Verfolgung. Sie werden insbesondere nicht allein wegen ihrer christlichen Religionszugehörigkeit einer solchen Verfolgung (Gruppenverfolgung) ausgesetzt sein. Zur Situation von Christen im Nordirak liegen dem Gericht folgende Erkenntnisse vor:

So heißt es im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 12. Januar 2019 Stand: Dezember 2018, S. 12 Mitte), in der Region Kurdistan-Irak, von wo die Kläger stammen, sind Minderheiten (Anm. d. Gerichts: Bezug genommen wird u.a. auf Christen) weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier hätten viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden. Auf Seite 18 fährt das Auswärtige Amt fort, in der Region Kurdistan-Irak hätten seit 2003, vermehrt seit 2014 viele christliche Binnenvertriebene aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Es gebe dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. Die kurdische Regionalregierung fördere den Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution mit staatlichen Ressourcen. Es seien weder staatliche noch gesellschaftliche Diskriminierungen von Christen in der kurdischen Autonomieregion bekannt. Es gebe große christliche Viertel, wie etwa Ankawa in Erbil, in denen Christen in Frieden leben könnten (ähnlich Auskunft an das VG Wiesbaden vom 01.02.2019). Diese Einschätzung wird bestätigt durch den „Report on International Religious Freedom 2018 des US Departments of State vom 21. Juni 2019. Hierin wird referiert, dass im Juli 2017 auf Kosten des Staates eine neue Kirche in Ankawa im Wert von 3,9 Mio US Dollar für vertriebene Christen errichtet worden ist. Im selben Report für 2018 heißt es u.a., Belästigungen und Schikanen kämen in der Ninive-Ebene durch Peshmerga und Asayisch, den kurdischen Geheimdienst, vor. Einige christliche Führer gingen aber davon aus, dass diese Handlungen eher politisch als religiös motiviert seien. An anderer Stelle wird von ökonomischen Diskriminierungen gesprochen. Auch hier ist von mehr als von Schikanen und Diskriminierungen nicht die Rede.

Ähnlich nimmt das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24. August 2017, aktualisiert am 30. Oktober 2019 Stellung. Es berichtet, dass beim Angriff des IS auf Mossul und das umliegende christliche Kernland im Sommer 2014 tausende Christen die Flucht in die kurdische Autonomieregion angetreten hätten. Es gebe dort keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung (S. 93; umfassend und in der Sache identisch: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 23. Juli 2019, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation IRAK, Lage der Christen im Irak; assyrische Christen; ganz ähnlich USCIRF vom 28.04.2018 zur Lage religiöser Minderheiten im Irak). Schließlich berichtet auch Oehring, Christen und Yeziden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven vom 14. Juni 2017, nichts von Problemen der Christen in den kurdischen Autonomiegebieten. Er fokussiert die Probleme vielmehr auf die Rückkehrsituation in die Ninive-Ebene in und um Mossul (S. 78-80). Auch von den von den Klägern geschilderten Enteignungsproblemen wird in den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln berichtet (vgl. EASO, Irak, Gezielte Gewalt gegen Individuen, S. 95; ähnlich UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen vom Mai 2019 S. 90).

Aus all diesen Erkenntnissen lässt sich weder der Schwere noch der Art oder Häufigkeit auf eine asylerhebliche Gruppenverfolgung von assyrischen Christen im Nordirak rückschließen. Diese allgemeine Einschätzung durch sachverständige Stellen wird im Fall der Kläger dadurch bestätigt, dass ihre Familien zum Teil noch in der Heimat leben. Das Gericht hält deshalb an seiner Rechtsprechung fest, dass Christen aus dem Irak eine Gruppenverfolgung bei einer Rückkehr in ihre Heimat nicht droht (vgl. Urteil vom 18.12.2018 -2 A 184/17-).

Aus denselben Gründen liegen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG nicht vor.

Auch unter dem Aspekt eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG haben die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung von Unionsrecht (Art. 15 c Richtlinien 2004/83/EG und 2011/95/EU) so auszulegen, dass von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen ist, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzung, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt sind. Dem Ausländer droht dann ein ernsthafter Schaden aufgrund des Konflikts, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land bzw. in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 30.01.2014 - C-285/12 –).

Für die kurdische Autonomieregion von wo die Kläger stammen, ist ein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt nicht anzunehmen. Der IS ist in diesem Gebiet nie aktiv gewesen und andere Anhaltspunkte für einen derartigen Konflikt hat das Gericht nicht. Soweit der IS noch Selbstmordattentate und andere Anschläge verübt hat, bei denen Zivilpersonen verletzt oder getötet wurden, wie sich das auch aus den von den Klägern eingereichten Unterlagen ergibt (Auswärtiges Amt, Irak: Reise und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), Stand 13.12.2019; Liste von Terroranschlägen im Irak, Wikipedia, 13.12.2019), handelt es sich dabei um Einzelfälle, die jedenfalls kein solches Ausmaß erreichen, dass die Lage als innerstaatlicher Konflikt zu qualifizieren wäre. Soweit in Bagdad Demonstranten im Rahmen der aktuellen Proteste getötet wurden (Zeit-online vom 13.12.2019) und ein Junge gelyncht worden sein soll (Spiegel-online vom 12.12.2019), handelt es sich dabei ebenfalls um Vorfälle, die ein entsprechendes Ausmaß nicht erreichten und fernab von der Herkunftsregion der Kläger spielten.

Im Fall der Klägerin zu 2.) liegt nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Atteste und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts indes ein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot vor.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist dabei nach Satz 3 nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Gemäß Satz 4 der Vorschrift liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist. Darüber hinaus regelt § 60a Abs. 2 c AufenthG die Vermutung, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Nach Satz 2 dieser Bestimmung muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.

Nach diesen Maßstäben kann sich eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr zum einen dann ergeben, wenn eine notwendige ärztliche Behandlung oder die Versorgung mit Arzneimitteln für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat wegen des geringen medizinischen Standards generell nicht verfügbar ist, oder im Einzelfall auch daraus, dass der erkrankte Ausländer aus finanziellen oder sonstigen Gründen eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18/05 –, juris Rn. 15). Zum anderen ist eine solche Gefahr auch dann anzunehmen, wenn allein die Rückkehr in das Heimatland zu einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ausländers führt und eine Gesundheitsbeeinträchtigung von erheblicher Intensität zu erwarten ist. Das ist der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, Beschl. v. 24. Mai 2006 -1 B 118.05-, juris).

Für die Bestimmung der Gefahr gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, Beschl. v. 2. November 1995 - 9 B 710/94 -, juris). Konkret ist diese Gefahr, wenn sie alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Oktober 2006, a. a. O.).

Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben, steht der Klägerin zu 2.) ein Anspruch auf Feststellung eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots zur Seite.

Die ärztliche Stellungnahme des Dr. I. vom 27. November 2019, ergänzt durch die Ausführungen vom 26., 28. und 29. Februar 2020 erfüllt die formalen Anforderungen, die gemäß § 60a Abs. 2 c Satz 2 AufenthG an ein ärztliches Attest zu stellen sind. Durch diese ärztlichen Äußerungen steht auch fest, dass der Klägerin zu 2.) erheblicher körperlicher Schaden droht, wenn die verordnete Medikation und sonstige Behandlung nicht weiter sichergestellt werden kann. Es droht danach eine irreversible Schädigung des Lungengewebes mit Verlust der Gasaustauschfläche und damit die Invalidisierung der Klägerin zu 2.). Anders gewendet führe die Unterbrechung der Therapie des sehr stark ausgeprägten Asthma bronchiale (Symbicort) und ein Absetzen der spezifischen Immuntherapie (Acarizax) unweigerlich zu einer dauerhaften und irreversiblen Gesundheitsschädigung der Klägerin zu 2.), bei fehlendem Rettungsdienst und fehlender Möglichkeit der maschinellen Beatmung bis hin zum Tod. Der Arzt betont dabei, dass es bei der Klägerin zu 2.) nicht lediglich um ein bisschen Heuschnupfen und ein bisschen Husten gehe, sondern um eine massive gesundheitliche Beeinträchtigung.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass die für die Klägerin zu 2.) gewählte Behandlungsmethode im Irak nicht gewährleistet werden kann. Zwar sind die Grunderkrankungen Asthma bronchiale und allergische Rhinokonjunktivitis nach der Auskunft der Deutschen Botschaft Bagdad vom 18. Februar 2020 im Irak grundsätzlich behandelbar. Spezielle, von der Klägerin zu 2.) benötigte Behandlungsmaßnahmen und Medikamente sind indes dort nicht zur erhalten. So kann eine Bodyplethysmograpie zurzeit aufgrund technischer Problem nicht durchgeführt werden. Eine solche ist nach ärztlicher Aussage des behandelnden Arztes Dr. I. indes regelmäßig erforderlich, um den Behandlungserfolg zu kontrollieren und ggf. korrigierend eingreifen zu können. Ferner gibt es das Medikament Acarizax im Irak nicht. Dieses ist jedoch für die Klägerin zu 2.) nach der ärztlichen Stellungnahme vom 26. Februar 2020 als Immuntherapie erforderlich, um die allergischen Reaktionen abzumildern und zu verhindern, dass sich weitere Allergien bilden. In der Stellungnahme vom 28. Februar 2020 heißt es ergänzend, ein Absetzen der spezifischen Immuntherapie mit Acarizax führe zu einer dauerhaften und irreversiblen Gesundheitsschädigung bei der Klägerin zu 2.).

Die abweichende Ansicht der Beklagten, die sich auf eine veraltete MedCOI-Stellungnahme aus dem Jahre 2017 bezieht, mag für die Behandelbarkeit von Asthma bronchiale im Allgemeinen zutreffen, berücksichtigt indes die konkret individuellen Erkrankungsumstände der Klägerin zu 2.) nicht in ausreichendem Maße.

Da die erforderliche Therapie für die Klägerin im Irak nicht zu erlangen ist, kommt es auf die Frage, ob das, was man bekommen könnte auch finanzierbar ist, woran in Anbetracht der von der Botschaft teilweise genannten Preise erhebliche Zweifel bestehen, rechtlich nicht – mehr – an.

Da die Klägerin zu 2.) Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes hat, sind die entgegenstehende Feststellung, die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Bezug auf sie aufzuheben.

Für den Kläger zu 1.) und den Kläger zu 3.) sind Abschiebungsverbote weder geltend gemacht noch für das Gericht ersichtlich. Zwar dürfen die Kläger zu 1.) und 3.) wegen des Grundrechts der Familieneinheit nicht ohne die Klägerin zu 2.) in den Irak abgeschoben werden. Indes handelt es sich bei den Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht um zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, um die allein es in diesem Verfahren geht, sondern um Vollstreckungshindernisse, die ausländerrechtlich zu beachten sind.

Für die letztgenannten Kläger ist abschließend auszuführen, dass der angegriffene Bescheid auch im Übrigen rechtmäßig ist. Die in dem angegriffenen Bescheid des Bundesamtes ergangene Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG und ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Ausreisefrist von 30 Tagen entspricht der gesetzlichen Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ermessenserwägungen des Bundesamts sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Kläger diesbezüglich keine Einwendungen vorgebracht und insbesondere keine fehlerhafte Ermessensausübung gerügt haben. Dass die Beklagte auf ein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot abstellt, das es mit Inkrafttreten des Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 15. August 2019 (BGBl I S. 1294) nicht – mehr – gibt (§ 11 Abs. 1 n.F., der mangels einer gesetzlichen Übergangsregelung gemäß § 77 Abs. 1 AsylG Anwendung findet, sieht den Erlass eines solchen Verbots durch das BAMF vor), ist rechtlich unerheblich. Denn in der gleichzeitig ausgesprochenen Befristung dieses Verbots liegt auch der Ausspruch eines Einreise- und Aufenthaltsverbot selbst (BVerwG, Urteil vom 21.08.2018 -1 C 21/17-, juris Rn. 25).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenquote entspricht dem Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens. Dabei gewichtet die Kammer das teilweise Obsiegen eines von drei Klägern zunächst mit 1/3. Anschließend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2.) nur in Bezug auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes obsiegt, hinsichtlich des subsidiären Schutzstatus und der Flüchtlingseigenschaft aber unterliegt, was ein weiteres Obsiegen mit 1/3 in Bezug auf die Klägerin zu 2.) bedeutet. Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.