Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 28.12.1994, Az.: 3 U 139/94

Werkvertrag über das Tuning eines Personenkraftwagens (Pkw); Voraussetzungen des wirksamen Ausschlusses der Gewährleistung; Geltung allgemeiner Sorfaltsmaßstäbe für das Tunen eines Motors ; Allgmeiner Verschuldensmaßstab bei Übernahme von Arbeiten gegen Entgelt; Mangelhafte Werkausführung durch fehlerhafte Bearbeitung eines Motors beim Tunen

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.12.1994
Aktenzeichen
3 U 139/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 17546
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1994:1228.3U139.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 15.07.1994 - AZ: 5 O 208/91

Fundstelle

  • zfs 1995, 95-97 (Volltext mit red. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Für das Tunen eines Motors gelten keine speziellen Sorgfaltsmaßstäbe. Auch wenn sich der Auftragnehmer nur hobbymäßig mit der Überarbeitung von Motoren befaßt hat, wird er dadurch nicht entlastet.

In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 1994
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 15. Juli 1994 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und unter Abweisung der weitergehenden Klage wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.900,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Juni 1991 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/14 und der Beklagte 11/14.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger ist mit 2.540,- DM beschwert, der Beklagte ist mit 8.900,- DM beschwert.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

2

Die Berufung hat weit überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 8.900,- DM zu, da nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme dem Beklagten bei dem "Tuning" schuldhaft Fehler unterlaufen sind.

3

A)

Soweit in dem Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ein Zahlungsbegehren in Höhe von 12.480,- DM nebst Zinsen angesprochen wird, ist - wie es im Senatstermin im einzelnen erörtert worden ist - dem Landgericht ein offensichtliches Versehen unterlaufen. In der ersten Instanz wie im Berufungsverfahren geht es allein um den auf Zahlung in Höhe von DM 11.440,- (nebst Zinsen) ausgerichteten Antrag des Klägers.

4

B)

I.

Die Parteien haben sich darüber verständigt, daß der Beklagte gegen Entgelt einen besonders leistungsstarken Motor für den Renault-Alpine Typ A 310, Baujahr 1984, des Klägers herrichten sollte. Die Zahlung des Klägers war nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen im wesentlichen für die Tätigkeit des Beklagten und nicht etwa zur Abgeltung des von dem Beklagten verwendeten Materials bestimmt. Insoweit ist zwischen den Parteien ein Werkvertrag zustandegekommen, jedenfalls greifen für das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander die Gewährleistungsvorschriften des Werkvertragsrechts ein.

5

1.

Die Gewährleistung ist nicht wirksam ausgeschlossen. Der Beklagte hat nichts dafür vorgetragen, daß im Zeitpunkt der ursprünglichen Vertragsabrede im November 1990 bzw. Ende 1990 zwischen den Parteien die Gewährleistung - wirksam - ausgeschlossen worden sein könnte. Stillschweigend war mit der Absprache zwischen den Parteien ein Gewährleistungsausschluß nicht verbunden. Die von dem Beklagten übernommenen Arbeiten standen nicht selbstverständlich unter einem Gewährleistungsausschluß. Selbst wenn es bei Arbeiten in der Art, wie sie der Beklagte übernommen hat, üblich ist, die Gewährleistung auszuschließen, muß dies zwischen den Parteien des jeweiligen Rechtsgeschäfts zumindest anklingen. Davon spricht der Beklagte aber selbst nicht. Statt dessen macht der Kläger gehend, der Beklagte habe sogar eine besondere Garantie für den Erfolg seiner Bemühungen gegeben. Der Beklagte hat dem entgegengehalten, er habe keine Garantie übernommen; er habe nicht zugesichert, daß 8.500 Touren erreicht werden sollten. Von daher erschließt sich zumindest nicht, daß der Kläger auf eine Gewährleistung verzichtet hat. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte anfangs deutlich gemacht hat, er habe keine entsprechende Ausbildung und keine professionelle Werkstatt.

6

2.

Daß der Beklagte bei oder während der Abnahme des Motors vom Ausschluß einer Gewährleistung gesprochen und der Kläger zugestimmt hat, ist nicht festzustellen. Von einem Einverständnis des Klägers hat selbst der Zeuge ... nicht gesprochen. Die Zeugin ... hat dagegen bekundet, der Beklagte habe "gerade stehen wollen". Zudem hat der Zeuge ... glaubhaft und glaubwürdig zum Ausdruck gebracht, der Beklagte habe nachbessern und notfalls einen eigenen Motor als Ersatz zur Verfügung stellen wollen, wenn mit dem getunten Motor wirklich etwas passieren solle. Zugleich hat dieser Zeuge darauf hingewiesen, der Beklagte habe die Gewährleistung als "Ehrensache" erklärt. Nach den Worten der Zeugin ... hat der Beklagte seine "Hand ins Feuer legen" wollen.

7

Wenn und soweit der Zeuge ... hinsichtlich der von ihm für den Beklagten erbrachten Hilfsarbeiten dem Beklagten gegenüber wirksam eine Gewährleistung ausgeschlossen haben sollte, folgt daraus für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nichts.

8

3.

Der Verschuldensmaßstab reduziert sich für den Beklagten angesichts der Eigenart der übernommenen Arbeiten nicht. Für das Tunen eines Motors gelten keine speziellen Sorgfaltsmaßstäbe. Auch wenn sich der Beklagte nur hobbymäßig mit der Überarbeitung von Motoren befaßt hat, wird er dadurch nicht entlastet. Da er die Arbeiten gegen Entgelt übernommen hat, hat er den allgemeinen Verhaltensanforderungen des § 276 BGB zu genügen gehabt. Dies bedeutet insbesondere, daß der Motor keine vermeidbaren Fehler aufweisen durfte. Die Sonderregelung des § 708 BGB gilt zugunsten des Beklagten jedenfalls deswegen nicht, weil es an einem gesellschaftsähnlichen Verhältnis zwischen den Parteien fehlt.

9

4.

Nach dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten hat zur Zeit der Übergabe des Motors an den Kläger ein entscheidender Mangel vorgelegen. Dieser Mangel ist ausweislich dieses Gutachtens auf eine von dem Beklagten gegenüber dem Kläger zu vertretende Fehlhandlung bei dem Umbau des Motors, dem Tuning zurückzuführen.

10

Der Sachverständige hat überzeugungskräftig herausgestellt, daß der Motor konstruktiv fehlerhaft ausgelegt gewesen ist, ein Fehler bei der Einstellung der Steuerzeiten hinsichtlich der Ventile vorgelegen habe. Der Motor ist fehlerhaft bearbeitet worden, der Zusammenbau ist nicht einwandfrei gewesen. Bekräftigt wird dies dadurch, daß der Zeuge ... der Besichtigung der Maschinen, mit deren Hilfe bei dem Beklagten die Ventile eines neuen Motors zur Gewichtsreduzierung abgedreht worden sind, sogleich Bedenken zu der Haltbarkeit der Maßnahme geäußert hat. Er hat sofort den Eindruck gehabt, es seien bei der Ventilnaht Überdrehungen vorhanden (Bl. 95 d. A.).

11

Soweit sich der Sachverständige dazu geäußert hat, daß es mit der Zerlegung des Motors zwangsweise zu einer Veränderung der Steuerzeiten kommt, am teilzerlegten Motor die ursprünglichen Steuerzeiteneinstellungen nicht mehr zu überprüfen seien (Bl. 161), ergibt sich zugunsten des Beklagten nichts. Es ergibt sich zu seinen Gunsten auch nichts daraus, daß der Sachverständige von vornherein daraufhingewiesen hat, er habe nicht mehr überprüfen können, ob eine fehlerhafte Einstellung vorgelegen hat (Bl. 120). Dem Sachverständigen ist unstreitig der Motor im zerlegten Zustand vorgeführt worden. Nach der Darstellung des Klägers soll die Zerlegung des Motors auf Anweisung des Beklagten erfolgt sein. Dann hätte der Beklagte dementsprechend auch alle Beweisnachteile zu tragen, die sich aus der Zerlegung des Motors ergeben. Jedenfalls zeigen sich keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger in relevanter Art und Weise die Beweisführung vereitelt oder erschwert haben könnte.

12

Soweit daran zu denken sein kann, daß der Kläger vor dem Eintritt des Schadens die Steuerzeiten verstellt haben sollte, hätte er den von dem Beklagten vollständig erhaltenen und eingebauten Motor ausbauen, zerlegen, verstellen und wieder einbauen müssen. Dies ist eine reine Denkmöglichkeit, die praktisch ausgeschlossen ist. Die weitere Möglichkeit, daß der Kläger nach der Zerstörung des Motors und dem Ausbau sowie der Zerlegung die Steuerzeit verstellt haben könnte, ist mit der praktisch erforderlichen Sicherheit ebenfalls ausgeschlossen. Nach der Darstellung des Sachverständigen hat der Kläger diesem gegenüber zwar selbst angegeben, er habe die Verstellung um einen Zahn festgestellt (Bl. 119 unten). Wie der Kläger zu dieser Erkenntnis gekommen ist, ist offen. Das von dem Sachverständigen vorgefundene Schadensbild weist nach dessen Kenntnis und Erfahrung aus technischer Sicht aber eindeutig daraufhin, daß am Motor in bezug auf die konstruktive Auslegung oder in bezug auf die Einstellung der Steuerzeiten ein Fehler vorgelegen hat (Bl. 118/119 d.A.). Die Verstellung der Steuerzeiten um einen Zahn macht nach seiner weiteren Darstellung die unzulässige Berührung des Ventiltellereinlaßventils in der entsprechenden Ventiltasche des jeweiligen Kolbens möglich (Bl. 156). Gerade dies hat der Sachverständige festgestellt. Alle Einlaßventiltaschen in den Kolbenboden waren metallisch blank, die Einlaßventile wiesen eine metallisch blanke Ringfläche auf. Daraus ist zu schließen, daß es über einen längeren Zeitraum hin dauernd zu einer Berührung der Einlaßventile mit dem Kolbenboden gekommen ist. Durch diese unzulässige Berührung sind die Ventile überlastet worden mit der Folge, daß sie nach entsprechenden Lastwechselspielen abbrechen konnten und ein Motorschaden, wie er konkret gegeben ist, entstehen kann.

13

Soweit der Beklagte daraufhinweisen läßt, Fehler bei der Einstellung der Steuerzeiten würden lediglich zu Leistungsverlusten führen, steht seiner Einschätzung die fundierte Erkenntnis des Sachverständigen entgegen. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedarf es nicht. Der Beklagte substantiiert nichts im Sinne des § 412 ZPO. Die zunächst angekündigte Vorlage der Stellungnahme eines Fachingenieurs ist zudem unterblieben. Entsprechendes gilt, soweit sich der Beklagte darauf stützen möchte, daß durch eine Überdrehung des Motors selbst bei kurzfristiger Berührung die festgestellten blanken Stellen bei den Kolben entstanden sein können. Nach dem Sachverständigengutachten ist der Motor nicht überdreht worden (Bl. 158 d.A.).

14

Bei diesen Umständen kann es offenbleiben, ob der Kläger - wie von dem Beklagten behauptet - bereits kurze Zeit nach Übernahme des Motors mit seinem Pkw an einem Rennen auf dem Hockenheimring teilgenommen hat.

15

5.

Ein Mitverschulden des Klägers wegen der Nutzung und Benutzung des Motors ist ihm nicht anzulasten. Zwar hat der Kläger sogleich selbst Probleme gesehen, die sich aus den Kompressionswerten, einer Geräuschentwicklung und dem dann beobachteten Ölverlust ergeben konnten. Nach dem weiteren Vortrag des Klägers hat ihn aber der Beklagte, als diese Probleme angesprochen worden sind, dazu beruhigt. Dann trifft den Kläger nach seiner Gesamtdarstellung keine Mitverantwortung, da er keinen Anlaß gehabt hat, vorsichtiger zu sein, als es der Beklagte von ihm verlangt hat.

16

Da der Beklagte dazu den Vortrag des Klägers insgesamt bestreitet, kann er entsprechende Vorkommnisse dem Kläger auch nicht i.S.d. § 254 BGB entgegenhalten.

17

II.

Zur Höhe setzt sich der Kläger jedoch nur teilweise durch.

18

1.

Zu dem Material, das der Kläger selbst zur Verfügung gestellt haben will, gehen die Darstellungen der Parteien auseinander. Unstreitig ist ein Materialeinsatz des Klägers im Wert von 500,- DM. Dafür hat der Beklagte aufzukommen. Dieses Material ist infolge der Zerstörung des Motors wertlos geworden. Für einen höheren Materialaufwand fehlt es an einer Spezifizierung durch den Kläger. Auch im Senatstermin hat er dazu keine Rechnungen oder Unterlagen vorlegen können. Sein Vortrag, er habe einen Motorblock, drei Liter, den Motorträger, die Ölwanne, Ventildeckel und Ventilfedern besorgt, genügt allein nicht.

19

Die Zahlung des Klägers in Höhe von 8.000,- DM ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Hinzukommen zugunsten des Klägers 400,- DM als Ersatz für die bei dem Kläger entstandenen Abschleppkosten. Dies ergibt insgesamt den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 8.900,- DM.

20

2.

Das Zinsbegehren des Klägers knüpft zu Recht an den Fristablauf des anwaltlichen Schreibens vom 05.06.1991 an. Der Beklagte hat sich bereits anfänglich vollständig geweigert, Abhilfe zu schaffen bzw. Ersatz zu leisten. Der Höhe nach sind die Zinsen aber lediglich auf 4 % zu stellen. Zu dem begehrten Zinssatz von 11 % trägt der Kläger nichts vor.

21

C)

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97; 708 Nr. 10, 713; 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Kläger ist mit 2.540,- DM beschwert, der Beklagte ist mit 8.900,- DM beschwert.