Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 22.12.1994, Az.: 1 U 9/94

Pflichtteilsanspruch gegen den Erben bei Ausschlagung einer zugefallenen Miterbenstellung; Letztwillige Verfügung als Erbeinsetzung bei ausschließlicher Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes und fehlender Bezeichnung des Begünstigten als Erbe ; Erbeinsetzung bei Zuwendung von Grundstücksvermögen als wesentlicher Teil des Gesamtvermögens des Erblassers; Zeitpunkt des Fristbeginns zur Ausschlagung einer Erbschaft; Wirksamkeit einer Erbschaftsausschlagung bei vorheriger Annahme der Erbschaft und nachfolgender Anfechtung der Annahmeerklärung; Annahme einer Erbschaft durch Beantragung eines Erbscheins

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
22.12.1994
Aktenzeichen
1 U 9/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 16714
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1994:1222.1U9.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 17.02.1994 - AZ: 10 O 360/93

Verfahrensgegenstand

Zahlung eines Pflichtteilanspruchs

In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01. Dezember 1994
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Aufgrund der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17. Februar 1994 abgeändert.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.783,46 DM nebst 12,5 % Zinsen seit dem 20. Oktober 1993 zu zahlen.

  3. 3.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen

  4. 4.

    Von den Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen die Klägerin 6 % und die Beklagte 94 %.

  5. 5.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  6. 6.

    Die Beschwer der Klägerin beträgt 2.486,32 DM, diejenige der Beklagten beträgt 35.783,46 DM.

  7. 7.

    Berufungsstreitwert: 38.269,78 DM.

Tatbestand

1

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

2

Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur in geringem Umfang Erfolg. Als Erbin von Frau ... muß die Beklagte der Klägerin einen Pflichtteil in Höhe von 35.783,46 DM zahlen.

3

1. Die Klägerin kann 1/6 des Nachlaßwerts als Pflichtteil geltend machen, wenn sie eine ihr zugefallene Miterbenstellung wirksam ausgeschlagen hat und wenn die Beklagte ihrerseits Erbin geworden und geblieben ist (§§ 2303 Abs. 1, 2306 Abs. 1 S. 2 BGB). Der erste Streitpunkt der Parteien betrifft die Frage, ob die 3 Schwestern tatsächlich Erbinnen ihrer Mutter ... geworden sind. Dieses Problem ist entstanden aufgrund des Berufungsvorbringens der Beklagten, die nunmehr geltend macht, in Wahrheit sei ihr Sohn ... Alleinerbe geworden. Aufgrund der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht allerdings fest, daß die Töchter der Erblasserin Miterben geworden sind, während ... ein Vermächtnis ausgesetzt worden ist.

4

Das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 16. April 1990 ist nach seinem Wortlaut eindeutig: Frau ... hat darin verfügt, daß ihr "Nachlaß gem. den gesetzlichen Regelungen unter (ihren) Erben verteilt werden" solle. Zusätzlich hat sie angeordnet, daß ihre Töchter ... sowie ... (die Klägerin) bereits erhaltene 10.000,00 DM sich anrechnen lassen sollten. Dem Wortlaut des Testaments zufolge sind die 3 Töchter also Erbinnen mit jeweils gleichem Anteil geworden mit der Maßgabe, daß bei 2 von Ihnen vorempfangene Geldbeträge berücksichtigt werden mußten.

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Auch der am 12.03.1991 von dem Notar ... beurkundete Erbvertrag ist seinem Wortlaut nach klar: ... der Sohn der Beklagten, sollte die Anteile an den ungeteilten Erbengemeinschaften betreffend das Grundstück ... in ... ausdrücklich als Vermächtnis erhalten, wie sieh aus den Absätzen II und III ergibt. Die Erbenstellung der Schwestern ist in diesem Vertrag weder aufgehoben noch auch nur erwähnt worden. Die Klägerin beruft sich jetzt ausdrücklich nicht mehr auf die von ihr früher geltend gemachte Unwirksamkeit dieses Erbvertrages.

6

In der Berufungsinstanz ist nunmehr unstreitig, daß die Erblasserin ursprünglich beabsichtigt hatte, ihrem Enkel die von ihr gehaltenen Anteile an den Erbengemeinschaften zu verkaufen, und daß dieser Plan aufgegeben wurde mit Rücksicht auf das den anderen Mitgliedern der Erbengemeinschaften zustehende Vorkaufsrecht des § 2034 BGB.

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Nach § 2087 Abs. 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser sein Vermögen dem Bedachten zuwendet, als Erbeinsetzung auch dann anzusehen, wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist. Sind dem Bedachten dagegen nur einzelne Gegenstände zugewendet, dann ist nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht anzunehmen, daß er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist. Die Beklagte macht geltend, der Erbvertrag sei deshalb als Erbeinsetzung von ... anzusehen, weil das Vermögen der Erblasserin im wesentlichen nur aus ihrer Beteiligung an dem Grundstück bestanden habe. Ob eine letztwillige Verfügung, die ausschließlich die Zuwendung eines einzelnen Vermögensgegenstandes an eine bestimmte Person zum Inhalt hat, als Erbeinsetzung anzusehen ist, wird von dem Verhältnis des Werts dieses Gegenstandes zum sonstigen Vermögen des Erblassers abhängen. Maßgeblich sind jedoch die Vorstellungen, die der Erblasser z. Zt. der Testamentserrichtung von dem Verhältnis dieser Werte hatte. Die Zuwendung eines Vermögensgegenstandes ist eine Erbeinsetzung, wenn dieser die anderen, nicht im Testament genannten Gegenstände, an Wert so sehr übertrifft, daß anzunehmen ist, der Erblasser habe im wesentlichen in diesem zugewandten Gegenstand seinen Nachlaß erblickt (BayOblG Z 65, 464; 58, 250; RGRK - Johannsen, BGB, 12. Aufl., § 2087 Rdnr. 8; Palandt - Edenhofer, BGB, 52. Aufl., § 2087 Anm, 2 vor a).

8

Nach der von der Beklagten vorgelegten Vermögensaufstellung des Nachlasses am 29.05.1991, die die Klägerin allerdings bestreitet, sieht es tatsächlich so aus, als wenn die Beteiligung an dem Grundstück das einzig bedeutende Vermögen der Erblasserin war. Andererseits darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Notar ausdrücklich einen Erbvertrag des Inhalts beurkundet hat, daß der Enkel "nur" Vermächtnisnehmer sein sollte. Es kann davon ausgegangen werden, daß der Notar die Vertragschließenden über die Bedeutung dieses Rechtsbegriffs hinreichend aufgeklärt hat.

9

Die trotz dieser Sachlage von der Beklagten aufgestellten Behauptung, Notar ... hätte statt dessen eine Erbeinsetzung beurkundet, wenn bei der Verhandlung erörtert worden wäre, daß sonstiges Vermögen der Erblasserin nicht vorhanden war, ist durch die Vernehmung des Notars nicht bewiesen worden. Der Zeuge hat die Behauptung der Beklagten, es hätte dem Willen der Erblasserin entsprochen, ihren Enkel als Erben einzusetzen, ausdrücklich nicht bestätigt. Er hat im Gegenteil bekundet, ... jun. habe im Ergebnis lediglich den Grundstücksanteil der Erblasserin übernehmen sollen. Frau ... habe ausdrücklich nicht ihre 3 Töchter als Erbinnen ausschließen wollen, vielmehr klar betont, daß es bei der Erbeinsetzung bleiben solle. Die Frage des Notars, ob sie ihren gesamten 7/16 - Erbanteil an ihren Enkel übertragen wolle, habe die Erblasserin verneint. Über Art und Umfang ihres Gesamtvermögens habe Frau ... nichts gesagt. Es sei überhaupt nicht darüber gesprochen worden, ob z. B. die Anteile an der Erbengemeinschaft im wesentlichen ihren einzigen Vermögensgegenstand ausgemacht hätten. Der Zeuge hat weiter angegeben, er habe überhaupt nicht gewußt, welche Vermögensgegenstände Frau ... im einzelnen gehört hätten. Trotz der Formulierung in Abschnitt II des Erbvertrages wisse er nicht, ob in der Erbengemeinschaft, die in ihrer Gesamtheit Eigentümerin des Grundstücks ... gewesen sei, noch weitere Vermögenswerte gesteckt hätten. Schließlich hat der Zeuge angegeben, er habe nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine Geschäftsunfähigkeit von Frau ... gehabt, als er den Erbvertrag beurkundet habe.

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Nach diesen Angaben des Zeugen ... ist davon auszugehen, daß Frau ... durch den Erbvertrag lediglich erreichen wollte, daß im Ergebnis ihr Enkel ... ihren 7/16 - Anteil an dem Grundstück erhielt, und zwar entsprechend dem im Erbvertrag gewählten Wortlaut in der rechtlichen Form eines Vermächtnisses. Sie wollte ihm weder mehr Vermögenswerte übertragen noch ihre 3 Töchter als Erbinnen ausschließen. Somit ist das Testament vom 16.04.1990 durch den nachfolgenden Erbvertrag nicht geändert worden: Die Töchter von Frau ... sind ihre gleichberechtigten Erbinnen geworden.

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2.

Die Klägerin hat das ihr ebenso wie der Beklagten angefallene Erbe wirksam ausgeschlagen.

12

Wenn ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis beschwert ist, dann gilt nach § 2306 Abs. 1 BGB folgendes: Sofern der durch letztwillige Verfügung hinterlassene Erbteil größer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist von 6 Wochen (vgl. § 1944 Abs. 1 BGB) beginnt erst, wenn er von der Beschwerung durch den Pflichtteil Kenntnis erlangt. Die erste der genannten Voraussetzungen ist gegeben. Denn mit 1/3 ist der der Klägerin hinterlassene Erbteil größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, die 1/6 des Nachlasses ausmacht.

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Die Klägerin hat auch die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft gewahrt. Grundsätzlich werden Kenntniserlangung des Pflichtteilsberechtigten von der ihn beeinträchtigenden Verfügung und Kenntnis vom Verfügungsinhalt zusammenfallen. Das gilt aber nicht, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe die Verfügung für rechtsunwirksam hält, zumindest dann, wenn diese Wirksamkeitsbedenken seinerzeit nicht von vornherein von der Hand zu weisen waren. Dann fehlt dem Erben nämlich dasjenige Maß an Kenntnis von der Wirksamkeit der Verfügung, aufgrund dessen ein Handeln von ihm verlangt werden kann ("berechtigte Zweifel", BGH NJW 1964, 297 [BGH 06.11.1963 - V ZR 191/62]; RGZ 140, 75, 76; ähnlich auch BGH NJW 1984, 2935, 2936 [BGH 05.04.1984 - IX ZR 71/83]). Die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten braucht in einem derartigen Fall nicht schon dadurch gewonnen zu sein, daß in einem Rechtsstreit ein Urteil des Landgerichts ergangen ist, in dem die betreffende letztwillige Verfügung für wirksam erklärt wurde, oder daß ein Rechtsanwalt sie für wirksam hält. Denn der Pflichtteilsberechtigte braucht sich diese Ansicht nicht zu eigen gemacht zu haben, und fahrlässige Unkenntnis steht der Kenntnis nicht gleich (BGH LM, 4 zu § 2306 BGB; RGRK-Johannsen, a.a.O., § 206 Rdnr. 23).

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Bei dieser rechtlichen Ausgangstage hat die 6-Wochenfrist erst mit der Zustellung des Urteils des Landgerichts Braunschweig vom 16.12.1992 in dem Rechtsstreit des ... gegen die Klägerin des vorliegenden Prozesses (3 O 202/92) am 29.12.1992 begonnen. Durch diese Entscheidung ist die Klägerin verurteilt worden, ihren Anspruch auf Befriedigung aus dem Versteigerungserlös betreffend das Grundstück an den Vermächtnisnehmer ... abzutreten. Das Landgericht hat den Erbvertrag entgegen der damaligen Annahme der Klägerin für wirksam gehalten, weil die Erblasserin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsfähig gewesen sei. Das Landgericht hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt, es sehe keine Veranlassung, den Beweisantritten der Klägerin bezüglich der behaupteten Geschäftsunfähigkeit nachzugehen. Es hat also das entsprechende Vorbringen der Klägerin als nicht hinlänglich schlüssig erachtet. Dennoch ist der Klägerin in ihrer jetzt vertretenen Rechtsansicht zu folgen, daß ihre damaligen Einwendungen "nicht von vornherein von der Hand zu weisen waren", so daß die 6-Wochenfrist noch nicht früher beginnen konnte. Das Landgericht hat in seinem Urteil immerhin 4 volle Seiten benötigt, um die verschiedenen Einwendungen der Klägerin abzuhandeln. Die Klägerin, anwaltlich beraten, hatte sich auf einen Rechtsstreit mit ihrem Neffen ... eingelassen. Auch wenn das Landgericht die von der Klägerin geäußerten Argumente rechtlich anders bewertet hat, kann man der Klägerin nicht vorhalten, ihre Annahmen seien von vornherein von der Hand zu weisen gewesen. Es kommt hinzu, daß das Landgericht in seiner Entscheidung recht hohe Anforderungen an die Substantiierungspflicht der jetzigen Klägerin bzgl. der von ihr behaupteten Geschäftsunfähigkeit ihrer Mutter gestellt und dementsprechend Beweisantritte mehrfach als unzulässige Ausforschungsanträge bezeichnet hat. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die maßgebliche Kenntnis in einem ähnlichen Fall ebenfalls erst frühestens ab Bekanntgabe des Urteils in einem Vorprozeß angenommen mit der Begründung - für die er keine zusätzliche Erklärung für notwendig gehalten hat -, die Kläger jenes Prozesses seien zu diesem Zeitpunkt von der Unwirksamkeit des betreffenden Vertrages überzeugt gewesen. Auch wenn diese Auffassung objektiv unzutreffend gewesen sei, so hindere sie doch die zum Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis (vgl. BGH NW 1964, 297).

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Da die Frist erst durch die Zustellung des Urteils in der Sache 3 O 202/92 am 29. Dezember 1992 in Gang gesetzt wurde, hat die Klägerin die sechswöchige Ausschlagungsfrist gewahrt. Ehre notariell beurkundete Auschlagungserklärung, die gem. § 1945 BGB formell wirksam abgegeben worden ist, ging beim Nachlaßgericht am 09.02.1993 ein.

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3.

Diese Erbausschlagung setzte zu ihrer rechtlichen Wrksamkeit allerdings weiter voraus, daß die Klägerin die Erbschaft nicht bereits vorher angenommen hatte (§ 1943 BGB). Auch diese Voraussetzung ist gegeben. Unabhängig von der erstinstanzlichen Streitfrage, ob die Klägerin etwa die Beklagte bevollmächtigt hatte, auch in ihrem Namen einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zu stellen - in dieser Vollmacht mußte man die Annahme der Erbschaft sehen -, ist eine etwaige Annahme jedenfalls rückwirkend durch die Anfechtung der Klägerin beseitigt worden. In der notariellen Urkunde vom 08.02.1993, in der die Klägerin die Erbschaft ausgeschlagen hat, hat sie außerdem vorsorglich eine möglicherweise erfolgte Annahme der Erbschaft gem. §§ 1954,119 Abs. 2 BGB angefochten mit der Begründung, ihr sei der tatsächliche Bestand der Erbschaft erst mit Zustellung des Urteils des Landgerichts am 29.12.1992 bekannt geworden. Als eine verkehrswesentliche Eigenschaft i. S. v. § 119 Abs. 2 BGB, derentwegen die Annahme der Erbschaft angefochten werden kann, ist z. B. der Bestand oder die Zusammensetzung des Nachlasses oder seine Oberschuldung anzusehen (RGRK - Johannsen, a.a.O., § 1954 Rdnr. 4). Erst mit Zustellung des Urteils wußte die Klägerin positiv, daß der Nachlaß mit dem wertvollen Vermächtnis zugunsten von ... beschwert war und ihr eigener Erbanteil von 1/3 dadurch erheblich reduziert, wenn nicht wirtschaftlich völlig ausgehöhlt wurde. Auch für die Anfechtung besteht eine Frist von 6 Wochen, und zwar wiederum beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 1954 Abs. 2 S. 1 BGB). Diese Frist ist mit der am 09.02.1993 beim Nachlaßgericht eingegangenen notariellen Erklärung der Klägerin vom Vortrag gewahrt.

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4.

Die Beklagte ist Erbin der Mutter der Parteien, so daß sie den Pflichtteilsanspruch der Klägerin zu erfüllen hat.

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Bereits in der Klageerwiderung hat die Beklagte eingeräumt, die Erbschaft angenommen zu haben. Im übrigen hat sie die Behauptung der Klägerin nie bestritten, sie habe den Nachlaß nach dem Tod der Mutter als einzige in Besitz genommen. Damit hat sie die Erbschaft angenommen i. S. v. § 1943 BGB. Als Bestätigung dieses Annahmewillens der Beklagten ist außerdem der Umstand zu sehen, daß sie einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auch für sich selbst gestellt hat (vgl. RGRK - Johannsen, a.a.O., § 1943 Rdnr. 8 m. w. N). Diese Annahme der Erbschaft bewirkt, daß die Beklagte sie nicht mehr ausschlagen kann (§ 1943 BGB). Zwar hätte die Beklagte die Annahme anfechten können, wie es die Klägerin getan hat. Eine derartige Anfechtung hat die Beklagte aber nicht erklärt, weder in der Urkunde über die Erbausschlagung vom 26.02.1993 noch in der weiteren Urkunde vom 25.11.1993. In dieser zuletzt genannten Erklärung hat die Beklagte lediglich vorsorglich die Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über ihren Lauf angefochten und hat erneut die Erbschaft ausgeschlagen. Darauf kommt es aber nicht an. Eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft ist nicht erklärt. Auf diesen Umstand hat bereits das Landgericht hingewiesen, was die Beklagte im übrigen nicht beanstandet.

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5.

Als Pflichtteilsberechtigter steht der Klägerin 1/6 des Nachlaßwertes zu. Die Klägerin beschränkt sich mangels weiterer Kenntnisse auf den anteiligen Erlösüberschuß, der bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks verblieben ist. Dieser Erlösüberschuß, den der Rechtspfleger zugunsten der 3 Schwestern hinterlegt hatte, beträgt 214.700,78 DM, so daß der 1/6-Anteil der Klägerin 35.783,46 DM ausmacht. Die Klägerin kann dagegen nicht beanspruchen, auch an den 14.916,90 DM beteiligt zu werden, die Rechtsanwalt Trittermann am 10.03.1993 zugunsten der Schwestern hinterlegt hat. Dieser Betrag ist nicht Teil des Versteigerungseriöses, sondern stammt aus der gerichtlichen Verwaltung des Grundbesitzes, die das Amtsgericht Braunschweig in dem Verfahren betreffend die Teilungsversteigerung des Grundstücks gem. § 25 ZVG am 06.12.1991 angeordnet hatte. Rechtsanwalt ... war zum Verwalter bestellt worden und hatte den 7/16-Anteil der Erben von Frau ... an den während der Zeit seiner Verwaltung eingegangenen Mieteinnahmen beim Amtsgericht hinterlegt. Diese Mieteinnahmen sind als Früchte des Nachlasses nicht zugunsten des Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen.

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Die Zinsforderung ergibt sich in dem vom Landgericht zuerkannten Umfang aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.

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6.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 sowie § 546 Abs. 2 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer der Klägerin beträgt 2.486,32 DM, diejenige der Beklagten beträgt 35.783,46 DM.

Berufungsstreitwert: 38.269,78 DM.