Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 11.12.2020, Az.: 15 UF 147/20

Rückführung eines Kindes nach Polen; Einverständnis mit einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes von Polen nach Deutschland; Zustimmung durch schlüssiges Verhalten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.12.2020
Aktenzeichen
15 UF 147/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 69048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Celle - 15.10.2020 - AZ: 23 F 23149/20

Tenor:

I. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 15. Oktober 2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kindeseltern streiten um die Rückführung des aus ihrer nichtehelichen Beziehung hervorgegangenen Kindes J. O. M., geboren am 18. März 2015. Die Kindeseltern leben voneinander getrennt. Die Kindesmutter verzog mit dem Kind im September 2017 von Irland, wo das Kind geboren wurde und wo die Kindeseltern bis 2016 zusammengelebt hatten, nach Polen. Der Kindesvater war zuvor ebenfalls nach Polen verzogen.

Seit September 2018 besuchte J. in G./Polen den Kindergarten. Der Kindesvater hatte mit ihm regelmäßige Besuchskontakte.

Ende 2019 fasste die Kindesmutter den Entschluss, mit J. nach Deutschland überzusiedeln. Am 19. Januar 2020 kam es zu einem Treffen der Kindeseltern in Begleitung eines Rechtsanwalts der Kindesmutter und der Mutter des Kindesvaters. Der genaue Inhalt dieser Besprechung zwischen den Beteiligten ist streitig. Beabsichtigt war zwischen den Kindeseltern in der Folgezeit der Abschluss einer umfassenden Elternvereinbarung, deren beabsichtigter Inhalt zwischen den Beteiligten indes ebenfalls streitig ist. Zu einem förmlichen Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung kam es nicht.

Am 16. März 2020 fuhr die Kindesmutter mit J. nach W./Bundesrepublik Deutschland, um dort einen Kindergarten für J. auszuwählen. Zwei Tage später wurden in Deutschland umfassende staatliche Maßnahmen zur Reduzierung persönlicher Kontakte der Bevölkerung zum Zweck der Eindämmung der COVID-19-Pandemie beschlossen. Die Kindesmutter verblieb daraufhin mit J. entgegen ihrem ursprünglichen Plan, sich lediglich vier Tage in Deutschland aufzuhalten, in Deutschland. Am 30. April 2020 stellte sie bei der Familien- und Jugendabteilung des Amtsgerichts in Gostyn/Polen einen Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Ausreise von J. zwecks Wohnsitzname in Deutschland sowie auf Regelung der Umgangskontakte des Kindes mit seinem Vater. Mit Beschluss vom 21. Juli 2020 (III Nsm 126/20) erklärte sich das Amtsgericht Gostyn für örtlich unzuständig und verwies die Sache an das Amtsgericht Posen-Grunwald.

Mit Antragsschrift vom 22. Juli 2020 leitete der Kindesvater über die zentrale Behörde Polens und das deutsche Bundesamt für Justiz das vorliegende Verfahren auf Rückführung des Kindes nach den Bestimmungen des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ) ein und beantragte bei dem in solchen Verfahren für W. zuständigen Amtsgericht - Familiengericht - Celle die Rückführung von J. nach Polen, hilfsweise die Herausgabe des Kindes an ihn zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Polen. Die Kindesmutter ist diesen Anträgen entgegengetreten. Sie wandte ein, der Kindesvater habe ihrer Ausreise mit dem Kind am 19. Januar 2020 vorab zugestimmt.

Das Amtsgericht Celle hat J. einen Verfahrensbeistand bestellt und ihn mit diesem zusammen am 30. September 2020 persönlich angehört. Am selben Tage hat es auch die anderen Beteiligten persönlich angehört. Auf das Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung vom 30. September 2020 nebst dem zugehörigen Anhörungsvermerk (Blatt 113 ff. der Akte) wird Bezug genommen.

Sodann hat es mit Beschluss vom 15. Oktober 2020 die Anträge des Kindesvaters zurückgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Rückführungsanordnung nach Art. 12 HKÜ lägen nicht vor, weil das Kind nicht widerrechtlich im Sinne von Art. 3 HKÜ nach Deutschland verbracht worden sei, als die Kindesmutter mit ihm am 16. März 2020 nach Deutschland reiste. Zu diesem Zeitpunkt habe zwischen den Kindeseltern nämlich bereits ein Grundkonsens in Form einer verbindlichen Richtungsnahme dahingehend bestanden, dass J. zukünftig mit seiner Mutter in Deutschland leben solle. Nach den insoweit übereinstimmenden Erklärungen der Eltern, die sich aus dem vorgelegten SMS-Verkehr ergäben, und den von ihnen im Rahmen der gerichtlichen Anhörung abgegebenen Äußerungen hätten diese zumindest ab Ende Januar 2020 Verhandlungen geführt, die auf den Abschluss eines Elternvertrages gerichtet gewesen seien. Diese seien auf der Grundannahme erfolgt, dass J. mit seiner Mutter in Deutschland leben und die Kontakte zu seinem Vater näher geregelt und festgelegt werden sollten. Mit seiner SMS vom 26. Januar 2020, 12:15 Uhr, habe der Kindesvater zum Ausdruck gebracht, dass auch er seinerzeit davon ausgegangen sei, dass J. zukünftig mit seiner Mutter in Deutschland leben würde. Die Kindesmutter habe ihn zuvor am selben Tage um 10:33 Uhr per SMS angeschrieben und ihre Bitte geäußert, sich mit ihm über den Elternfreibetrag verständigen zu wollen; sie habe zudem mitgeteilt, dass sie bis Mitte Februar beim Kindergarten in Deutschland die Anmeldung abgeben müsse. Die daraufhin vom Kindesvater erfolgte Bitte um Übermittlung einer Liste der Kindergärten, bei denen die Kindesmutter J. anzumelden beabsichtige, sowie um Mitteilung, ob seine Unterschrift dafür benötigt werde, sei nur vor dem Hintergrund verständlich, dass auch er seinerzeit der Auffassung gewesen sei, der gemeinsame Sohn soll zukünftig mit der Mutter in Deutschland leben. Anders seien seine vorgenannte Bitte und die Nachfrage nicht einzuordnen. Der Besuch eines Kindergartens sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass ein Kind an dem Ort oder in der Nähe des Ortes, in dem sich der Kindergarten befindet, seinen Wohnort begründen solle bzw. dort längerfristig verbleiben solle.

Auch als die Kindesmutter am 14. Februar 2020 dem Kindesvater geschrieben habe, sie denke, sie werde ihre aktuellen Pläne vorerst umsetzen, und ihm vorgeschlagen habe, in der nächsten Woche, wenn sie den Elternvertrag vereinbarten, die Umgangskontakte bis zum Zeitpunkt der Abreise festzulegen, habe der Kindesvater nicht mit einem generellen Widerspruch geantwortet, sondern lediglich mit SMS sein Begehren bezüglich der Vereinbarung eines Termins bekundet. Auch hieraus ergebe sich, dass der vorgenannte Grundkonsens einer verbindlichen Richtungsnahme hinsichtlich eines zukünftigen Aufenthalts des Kindes in Deutschland fortbestanden habe.

Der weitere Verbleib der Kindesmutter in Deutschland nach ihrer zunächst nur für wenige Tage geplanten Einreise am 16. März 2020 sei ebenfalls nicht auf ein widerrechtliches Verbleiben in Deutschland zurückzuführen, sondern allein darauf, dass aufgrund der Corona-Pandemie inzwischen Reisebeschränkungen eingetreten seien, die es unmöglich gemacht hätten, wieder nach Polen zu reisen. Dem Vorbringen des Kindesvaters, dem insoweit die Darlegungslast obliege, sei auch nicht zu entnehmen, dass der Verbleib des Kindes in Deutschland zu einem späteren Zeitpunkt widerrechtlich im Sinne des Art. 3 HKÜ geworden sei oder zu einem späteren Zeitpunkt ein erneutes widerrechtliches Verbringen des Kindes von Polen nach Deutschland stattgefunden habe.

Auch aus seinem vorliegenden Rückführungsbegehren ergebe sich ein solches nicht. Denn zwischen den Kindeseltern habe seit Ende Januar 2020 ein grundsätzliches Einvernehmen über den künftigen Aufenthalt J. in Deutschland bestanden, von dem der Kindesvater sich nicht wirksam durch einseitige Erklärung in Form der Geltendmachung des Rückführungsbegehrens habe trennen könne.

Zu berücksichtigen sei auch, dass das vorliegende Begehren des Kindesvaters nach Rückführung des Kindes vor dem Hintergrund seiner eigenen Argumentation in dem von der Kindesmutter vor dem Familiengericht in Gostyn/Polen eingeleiteten Verfahren treuwidrig und widersprüchlich sei. Dort habe er die internationale Zuständigkeit der polnischen Gerichte unter Hinweis darauf bestritten, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes inzwischen in Deutschland sei. Auch hierin liege eine Bestätigung des Fortbestehens des vorgenannten grundsätzlichen Einvernehmens der Kindeseltern über einen auf Dauer angelegten Aufenthalt des Kindes mit der Kindesmutter in Deutschland. Sinn und Zweck der Regelungen des HKÜ sei es, das Kind in sein Herkunftsland zurückzuführen, damit die Gerichte jenes Landes über die das Kind betreffenden Angelegenheiten, insbesondere die elterliche Sorge, entscheiden könnten. Eine Rückführung von J. nach Polen sei jedoch widersinnig, wenn der Kindesvater den polnischen Gerichten die internationale Zuständigkeit abspreche. Hierauf sei der Kindesvater im Rahmen der gerichtlichen Anhörung wiederholt hingewiesen worden, habe sein Vorgehen dort jedoch weder erläutern noch die Unklarheiten und Widersprüche auflösen können.

Gegen diese seiner Verfahrensbevollmächtigten am 19. Oktober 2020 zugestellte Entscheidung hat der Kindesvater mit einem am 30. Oktober 2020 sowohl beim Oberlandesgericht als auch beim Amtsgericht Celle eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese im selben Schriftsatz auch sogleich begründet. Er verfolgt sein erstinstanzliches Rechtsschutzbegehren unverändert weiter. Hierzu trägt er vor, er habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Kindesmutter eine Zustimmung zu einer dauerhaften Ausreise des Kindes nach Deutschland erteilt. Lediglich die Ausreise des Kindes zur Auswahl des Kindergartens sei zwischen den Kindeseltern abgesprochen gewesen. Seine Zustimmung habe er jedoch nur für diese kurze Fahrt erteilt, nicht für einen dauerhaften Verbleib. Zwar sei es zutreffend, dass er grundsätzlich bereit gewesen sei, nach dem Abschluss des Elternvertrages seine Zustimmung zur Ausreise seines Sohnes nach Deutschland zu erteilen. Dies sei jedoch an die Voraussetzung geknüpft gewesen, dass in dem Elternvertrag Umgangsregelungen getroffen würden, die es ihm ermöglichten, auch im Ausland Kontakt zu seinem Sohn zu pflegen. Durch die Ausreise der Kindesmutter mit dem Kind sei es dann jedoch nicht mehr zu dem Abschluss des Elternvertrages gekommen, vielmehr sei er vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Seit der Ausreise habe er auch nur eingeschränkten Kontakt zu seinem Sohn via Skype zu den durch die Kindesmutter einseitig festgelegten Zeiten. Es habe nie seinem Willen entsprochen, dass die Kindesmutter Polen mit seinem Sohn verlasse, ohne dass der Elternvertrag einschließlich der Umgangsregelungen geschlossen worden wäre. Entgegen der Behauptung der Kindesmutter sei ihr als polnische Staatsangehörige eine Rückreise nach Polen auch nach den Mitte März 2020 eingetretenen umfangreichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens infolge der Corona-Pandemie jederzeit möglich gewesen. Spätestens seit dem 13. Juni 2020 seien auch sämtliche Reisebeschränkungen an den polnischen Grenzen aufgehoben worden, sodass seitdem auch keine Quarantänepflicht mehr bestanden habe.

Dem von der Kindesmutter behaupteten konkludenten Einverständnis mit der Ausreise des Kindes stehe auch entgegen, dass die Kindesmutter am 30. April 2020 den Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Ausreise für einen ständigen Aufenthalt des Kindes im Ausland bei dem Familiengericht in Gostyn gestellt habe. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn sie sich seiner Zustimmung bereits sicher gewesen sei. Vielmehr habe sie dadurch versucht, nachträglich die Widerrechtlichkeit der Verbringung des Kindes ins Ausland zu beseitigen. Die Beweislast für eine solche Zustimmung liege nicht bei ihm, sondern bei dem entführenden Elternteil.

Die Kindesmutter tritt der Beschwerde entgegen und beantragt, diese zurückzuweisen. Aus ihrer Sicht ergebe der vorgelegte WhatsApp-Chat-Verlauf eindeutig, dass sie den Kindesvater spätestens seit Januar 2020 frühzeitig über ihre Ausreisepläne unterrichtet und ihn in ihre Planungen einbezogen habe. In dem gesamten Zeitraum habe der Kindesvater jedoch nicht mit einer einzigen Silbe seine grundsätzlichen Bedenken gegen einen Umzug des Kindes nach Deutschland zum Ausdruck gebracht. Vielmehr sei sie es gewesen, die immer wieder auf den Abschluss eines solchen Elternvertrages gedrängt und entsprechende Vorschläge unterbreitet habe, während der Kindesvater die Angelegenheit nicht gefördert, sondern verhindert habe. Dies sei auch heute noch seine Strategie. Auch jetzt bringe er in keiner Weise zum Ausdruck, dass es ihm tatsächlich um den Abschluss eines Elternvertrages, der sein Umgangsrecht regele, gehe. Ihre Vorschläge habe er zu keinem Zeitpunkt aufgegriffen und hierüber auch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft verhandelt. Auch seine Strategie in dem von ihr in Polen eingeleiteten familiengerichtlichen Verfahren zeige diese Vorgehensweise, denn dort habe er nicht nur in erster Instanz, sondern nunmehr auch mit einer von ihm eingelegten Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts Gostyn vom 21. Juli 2020 erneut den Einwand erhoben, dass die polnischen Gerichte nicht zuständig seien. Seiner hiesigen Beschwerdebegründung sei ebenfalls nicht zu entnehmen, dass eine konkludente Zustimmung zu einer Ausreise allein für die Auswahl des Kindergartens erfolgt sei. Der Kindesvater habe in dem WhatsApp-Chat-Verlauf vielmehr ausdrücklich lediglich nach der Notwendigkeit von Mitwirkungshandlungen seinerseits bezüglich der Kindergartenanmeldung gefragt und diese aus ihrer Sicht auch in Aussicht gestellt. Dies ergebe jedoch nur dann einen Sinn, wenn es dann auch zu einem Kindergartenbesuch in W. kommen solle. Aus ihrer Sicht habe das Verhalten des Kindesvaters daher nur dahingehend gewertet werden können, dass der Kindesvater gegen die Ausreise des Kindes nach Deutschland keine Einwendungen erhebt. Das familiengerichtliche Verfahren in Polen habe sie lediglich angestrebt, um Rechtssicherheit zu erzielen, nachdem eine schriftliche Vereinbarung nicht zustande gekommen sei.

Der Senat hat die Beteiligten persönlich angehört. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2020 wird Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere formgerecht und innerhalb der Zweiwochenfrist des § 40 Abs. 2 Satz 2 IntFamRVG eingelegt und begründet worden. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Anträge des Kindesvaters auf Rückführung des Kindes nach Polen, hilfsweise auf Herausgabe zum Zwecke der Rückführung nach Polen, zurückgewiesen.

Ebenso wie das Amtsgericht ist auch der Senat nach persönlicher Anhörung der Beteiligten und unter Berücksichtigung des gesamten zu den Akten gereichten und in der mündlichen Anhörung mit den Beteiligten erörterten Messenger-Chat-Verlaufs der Überzeugung, dass zwischen den Kindeseltern im Rahmen eines persönlichen Treffens am 19. Januar 2020 eine Einigung darüber zustande gekommen ist, dass die Kindesmutter künftig zusammen mit dem gemeinsamen Kind J. ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und J. deshalb an dem neuen Wohnort der Kindesmutter in W. den Kindergarten besuchen solle. Die Zustimmung des Kindesvaters, der nach dem insoweit gemäß Art. 16 Abs. 1 des Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (KSÜ; BGBl. II 2010, 1527) maßgeblichen polnischen Recht mit der Mutter gemeinsam die elterliche Sorge ausübt, brauchte nicht in Gestalt einer förmlichen, etwa schriftlichen Erklärung zu erfolgen. Vielmehr ist hierfür nach allgemeiner Auffassung auch eine Zustimmung durch schlüssiges Verhalten ausreichend (OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 17 UF 105/09 - FamRZ 2009, 2017; Staudinger-Pirrung, BGB, Neubearbeitung 2018, HKÜ, Anm. E 70). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine solche Zustimmung durch den anderen Elternteil erfolgt ist, trägt derjenige Elternteil, der das Kind ins Ausland verbracht hat (OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2017 - 17 UF 274/16 - IPRax 2019, 434 [OLG Stuttgart 30.01.2017 - 17 UF 274/16]).

Diesen Nachweis hat die hier darlegungsbelastete Kindesmutter zur Überzeugung des Senats indes auch erbracht. Nach dem Gesamteindruck der persönlichen Anhörung unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass der Kindesvater sich sowohl bei dem Treffen der Kindeseltern am 19. Januar 2020 wie auch in den folgenden Wochen tatsächlich so verhalten hat, dass aus Sicht eines objektiven Betrachters (allein auf diese Sichtweise kommt es an, vergleiche OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 17 UF 105/09 - FamRZ 2009, 2017 [Rn. 12]; OLG Nürnberg, Beschluss vom 1. September 2008 - 7 UF 835/08 - FamRZ 2009, 240) der Eindruck entsteht, dass der Kindesvater gegen eine Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes von Polen nach Deutschland als solcher keine grundsätzlichen Bedenken hatte und in den folgenden Wochen lediglich noch die Ausgestaltung dieses Aufenthaltswechsels in Gestalt der näheren Regelung der Modalitäten des persönlichen Umgangs erfolgen sollte. In einem anderen Sinne können die Chat-Mitteilungen des Kindesvaters, insbesondere diejenige vom 26. Januar 2020, 12:15 Uhr (Bl. 75 der Akte), in denen dieser um eine Liste der von der Kindesmutter in Aussicht genommenen Kindergärten in Deutschland und um die Mitteilung bat, ob seine Unterschrift dort benötigt werde, verbunden mit dem Zeichen eines lächelnden Gesichtes, nicht verstanden werden.

Auch in der Folgezeit bis zum 16. März 2020 finden sich keinerlei konkrete Äußerungen des Kindesvaters, wonach er - entgegen dem vorgenannten objektiven Eindruck eines grundsätzlichen Einverständnisses mit der Wahl eines Kindergartens in Deutschland - einem Umzug des Kindes dorthin widerspreche. Einer solchen unzweideutigen Erklärung hätte es angesichts seines vorangegangenen Verhaltens hier jedoch bedurft.

Auch dem nach dem Umzug der Kindesmutter mit dem Kind nach Deutschland von dem Kindesvater gezeigten Verhalten lässt sich insgesamt kein eindeutiger Widerspruch gegen einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland entnehmen. Zwar hat der Kindesvater ab dem 21. März 2020 die Kindesmutter in dem zu den Gerichtsakten gereichten Chat-Verlauf wiederholt gefragt, wann sie wieder zurück nach Polen komme. Auch hat er mit dem vorliegenden Verfahren ein insoweit unzweideutiges Rückführungsbegehren anhängig gemacht. Abgesehen davon, dass dieses Rückführungsverlangen eine lediglich einseitige Abstandnahme von der zwischen den Kindeseltern im Januar 2020 erzielten Einigkeit über einen Umzug des Kindes mit der Kindesmutter darstellt, steht es auch im Widerspruch zu dem prozessualen Verhalten des Kindesvaters in dem familiengerichtlichen Verfahren vor den polnischen Gerichten in Gostyn und Posen, wo dieser, soweit hier zu den Akten mitgeteilt, die internationale Zuständigkeit der polnischen Gerichte wiederholt und auch nach der Einleitung des vorliegenden HKÜ-Verfahrens bestritten und dazu vertreten hat, dass der gewöhnliche Aufenthalt von J. im Sinne von Art. 8 der VO (EG) Nr. 2201/2003 nunmehr in Deutschland sei. Entgegen der Auffassung des Kindesvaters ist dieses Prozessverhalten für das vorliegende Verfahren nicht ohne jede rechtliche Bedeutung. Aus dem Blickwinkel eines objektiven Betrachters ist es vielmehr mit zu berücksichtigen, denn es steht im Widerspruch zu der von ihm hier vertretenen Auffassung. Einem uneinheitlichen Verhalten kann jedoch kein eindeutiger Erklärungswert beigemessen werden.

Auch insoweit stellen sich die rechtlichen Schlussfolgerungen der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung als zutreffend dar und lassen auch insoweit keinen Korrekturbedarf erkennen.

Die Beschwerde des Kindesvaters war daher zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 11, 14 Nr. 2 IntFamRVG, 84 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf §§ 33 RVG i.V. mit 45 Abs. 3 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 4 RVG ausgeschlossen.