Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 16.09.2022, Az.: 3 U 22/21

Schadensersatzansprüche gegen eine Rechtsanwältin aus einem Mandat in einer Kapitalanlagesache; Zeichnung einer Geldanlage für ein minderjähriges Kind; Rechtliches Interesse an der Prozessführung der Eltern im eigenen Namen; Gewillkürte Prozessstandschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
16.09.2022
Aktenzeichen
3 U 22/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 44280
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2022:0916.3U22.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 09.06.2021 - AZ: 4 O 15/19

Fundstellen

  • NZFam 2023, 336
  • ZAP 2022, 1202

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Ermächtigung der Eltern durch ein minderjähriges Kind, eine Forderung des Kindes in gewillkürter Prozessstandschaft gerichtlich geltend zu machen, ist für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft.

  2. 2.

    Ein rechtliches Interesse an der Prozessführung der Eltern im eigenen Namen, die für sich und ihr minderjähriges Kind eine Geldanlage gezeichnet haben, ergibt sich nicht schon daraus, dass die geltend gemachten Ansprüche einem Lebenssachverhalt entstammen, an dem nur die Eltern, nicht aber das Kind beteiligt war. Die Sachnähe mag eine Prozessführung durch die Eltern sinnvoll erscheinen lassen, hat aber keine Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung (Fortführung von BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - III ZR 164/08 -, NJW 2009, S. 1213 [1215 Rn. 21] m.w.N.; Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15 -, NJW 2017, S. 487 [488 Rn. 19]).

Tenor:

Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen ihre ehemalige Rechtsanwältin aus einem Mandat in einer Kapitalanlagesache geltend.

1. Die verwitwete Klägerin ist allein sorgeberechtigt für ihren im Jahr 2004 geborenen Sohn. Aufgrund Vermittlung durch den Zeugen E., der als Anlagevermittler für die F. AG tätig war, zeichnete die Klägerin im Jahr 2013 Orderschuldverschreibungen der G. KG für sich und ihren Sohn in Höhe von jeweils 12.000,00 € sowie für sich ein Nachrangdarlehen in Höhe von 33.000,00 €. Im weiteren Verlauf des Jahres 2013 wurde über das Vermögen der G. KG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Im Dezember 2013 trat die Klägerin an die Beklagte - die damals noch als Rechtsanwältin tätig war - heran, da sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen wollte. In diesem Zusammenhang holte die Beklagte mit Schreiben vom 15. Januar 2014 (Anlage K 5, Bl. 12 d.A.) eine Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung der Klägerin ein "für insolvenzrechtliche Fragen ... sowie Haftungsfragen des Vermittlers E./F. AG", die die Rechtsschutzversicherung mit Schreiben vom 22. Januar 2014 (Anlage B 6, Bl. 9 AB Beklagte) erteilte.

Gemäß Absprache mit der Klägerin sollte die Beklagte zunächst die Forderung gegen die G. KG zur Insolvenztabelle anmelden. Bezüglich etwaiger Ansprüche gegen den Zeugen E. wollten die Parteien zunächst die Gläubigerversammlung abwarten. Die Beklagte wies die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie "wegen der Verjährung hinsichtlich der Ansprüche gegen den Zeugen E. noch Zeit hätten." In weiteren Gesprächen - deren Inhalt zum Teil streitig ist - ging es um die Frage, ob die Beklagte für die Klägerin an der Gläubigerversammlung teilnehmen könne; die Kosten dafür wollte die Rechtsschutzversicherung ausweislich ihres Schreibens vom 22. April 2014 (Anlage B 3, Bl. 4 AB Beklagte) aber nicht tragen. Die Klägerin schloss sich hinsichtlich des insolvenzrechtlichen Verfahrens einer Interessengemeinschaft an, die von einem anderen Rechtsanwalt vertreten wurde.

Im Mai 2014 fand ein letztes Gespräch zwischen den Parteien in der Kanzlei der Beklagten statt, dessen Inhalt streitig ist. Danach meldete sich die Klägerin erst mit anwaltlichen Schreiben vom 29. August 2018 und 16. Oktober 2018 (Anlagen K 8, Bl. 17 ff. d.A.) wieder bei der Beklagten und machte Schadensersatzansprüche geltend, da die Beklagte Schadensersatzansprüche der Klägerin in Höhe von 57.000,00 € gegen den Zeugen E. habe verjähren lassen.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 nicht an sie weitergeleitet. Sie habe sie auch nicht darauf hingewiesen, dass etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Zeugen E. mit Ablauf des Jahres 2016 verjährten. Das Mandatsverhältnis habe auch nach dem letzten Gespräch im Mai 2014 noch fortbestanden, die Beklagte habe - was unstreitig ist - aber nichts unternommen, um die Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Zeugen E. zu verhindern.

Die Klägerin hat die am 19. Dezember 2018 bei dem Landgericht Göttingen eingegangene Klage zunächst insgesamt im eigenen Namen erhoben und Zahlung von 57.000,00 € an sich selbst beantragt. Mit Schriftsatz vom 11. März 2019 (Bl. 40-46 Bd. I d.A.) hat sie vorgetragen, hinsichtlich des Betrags von 12.000,00 €, der für ihren Sohn angelegt worden sei, mache sie den Anspruch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend. Ihr Sohn habe - vertreten durch die Klägerin selbst - sie zur Prozessführung ermächtigt. Sie sei nicht gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 BGB daran gehindert, da die Prozessführung ihrem minderjährigen Sohn lediglich einen rechtlichen Vorteil bringe (Bl. 42 f. Bd. I d.A.). Unter dem 3. April 2019 hat die Klägerin einen Betrag von 577,67 € aus dem Insolvenzverfahren auf ihre eigene Geldanlage erhalten und die Klage in dieser Höhe für erledigt erklärt; dem hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Juni 2019 angeschlossen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin selbst 44.422,33 € sowie weitere 12.000,00 € an H., gesetzlich vertreten durch die Klägerin, jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € freizustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2-5, Bl. 130 R.-132 d.A.) Bezug genommen.

2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; diese sei größtenteils zulässig, aber unbegründet.

Hinsichtlich der 12.000,00 €, die an ihren Sohn gezahlt werden sollten, sei die Klägerin nicht zur Prozessführung befugt. Die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft lägen nicht vor, denn es fehle an einer wirksamen Ermächtigung der Klägerin durch ihren Sohn. Es sei zwar zutreffend, dass sich die Ermächtigung auch konkludent und durch Auslegung ergeben könne, jedoch seien Anhaltspunkte, die das Gericht in die Lage versetzen würden, eine solche Auslegung vorzunehmen oder eine stillschweigende Ermächtigung zu subsumieren, vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Es liege gar kein Vortrag zu einem Handeln des Sohnes in irgendeiner Art vor.

Soweit die Klägerin eigenes Recht geltend mache, habe sie keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz in begehrter Höhe aus §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1, 611 BGB, da es schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehle. Für einen Rechtsanwalt bestehe die Pflicht, auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinzuweisen. Diese Pflicht habe der Rechtsanwalt auch bei Beendigung des Mandats, wenn das Mandat kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist ende und dem Mandanten deshalb erkennbar ein Schaden drohe. Allerdings könne nach den Umständen des Einzelfalls auch eine eingeschränkte Belehrung ausreichend sein. Nach diesen Maßstäben sei ein Verstoß der Beklagten nicht ersichtlich. Eine Verjährung habe bei Mandatsende offensichtlich nicht gedroht.

Dabei gehe das Gericht mit der Beklagten davon aus, dass das Mandatsverhältnis im Mai 2014 geendet habe. Der Klägerin habe ihre Behauptung, dass das Mandat nicht beendet gewesen sei, nicht bewiesen. Die Beklagte sei der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem sie detailreich und ausführlich vorgetragen habe, wie die einzelnen Beratungsgespräche verlaufen seien. Aufgrund der Ausführungen der Parteien im Rahmen ihrer jeweiligen persönlichen Anhörung habe das Gericht im Rahmen der ihm nach § 286 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung jedoch nicht zu der Überzeugung zu gelangen vermocht, dass die streitigen Darstellungen der Klägerin als bewiesen anzusehen seien. Soweit die Klägerin der Auffassung sei, dass das Mandat jedenfalls nicht vor dem Ende des Jahres 2016 geendet habe, weil sie den Anwaltsvertrag nicht ausdrücklich gekündigt habe, sei dies schon lebensfern. Es sei unstreitig, dass sich die Klägerin nach dem Termin im Mai 2014 nicht mehr bei der Beklagten gemeldet habe und auch die Beklagte keine weiteren Tätigkeiten mehr entfaltet habe. Wäre die Klägerin tatsächlich noch im Jahr 2015 oder später von einem laufenden Mandat ausgegangen, erschließe sich dem Gericht nicht, warum sie sich nicht bei ihrer Anwältin bezüglich des Sachstandes erkundigt habe.

Es könne daher auch dahinstehen, ob die Klägerin tatsächlich über die Verjährung innerhalb von drei Jahren aufgeklärt worden sei oder nicht. Diesbezüglich bleibe aber festzuhalten, dass es unstreitig sei, dass grundsätzlich über die Verjährung gesprochen worden sei. Die Parteierklärungen widersprächen sich lediglich in der Frage, ob die dreijährige Frist ausdrücklich angesprochen worden sei oder nicht. Letztlich habe die Klägerin aber hierfür auch keinen Beweis angetreten.

Soweit die Klägerin Schadensersatz wegen einer Verletzung der Unterrichtungspflicht aus § 11 Abs. 1 Satz 1 BORA begehre, habe sie eine solche Pflichtverletzung nicht bewiesen. Sie habe nicht bewiesen, dass die Beklagte die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 nicht an sie weitergeleitet habe. Die Beklagte habe diesen Vortrag bestritten und ihrer sekundären Darlegungslast insbesondere dadurch genügt, dass sie das Schreiben der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 sowie ihre Übersendungsverfügung vom selben Tage und letztlich auch noch das Postausgangsbuch im Original vorgelegt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (S. 5-9, Bl. 132 R. bis 134 d.A.) Bezug genommen.

3. Gegen dieses den Klägervertretern am 10. Juni 2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. Juni 2021 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29. Juli 2021 wie folgt begründet:

Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft lägen vor, das Landgericht habe offenbar die Ausführungen im Schriftsatz vom 27. Mai 2019 entweder übersehen oder nicht zutreffend gewürdigt. Dort sei auf Seite 3 ausdrücklich klargestellt worden, dass die Klägerin ermächtigt worden sei, die Ansprüche ihres Sohnes im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend zu machen. Dieser Vortrag sei unstreitig geblieben. Die Beklagte habe im Schriftsatz vom 20. Juni 2019 lediglich Zweifel dahingehend geäußert, dass der minderjährige Sohn die Klägerin habe ermächtigen können, Ansprüche im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen. Dieser Einwand greife jedoch nicht, da die Klägerin als alleinige Sorgeberechtigte nicht gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB an der Erteilung der Ermächtigung gehindert gewesen sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass erst ab diesem Zeitpunkt eine Ermächtigung durch den Sohn, vertreten durch die Klägerin, vorgelegen habe, ändere dies nichts an der Prozessführungsbefugnis, denn auch eine nachträglich erteilte Ermächtigung wirke bei offengelegter Prozessstandschaft auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurück. Der Umstand, dass die Klage auf Zahlung an den minderjährigen Sohn der Klägerin umgestellt worden sei, ändere nichts an der Zulässigkeit der Klage.

Auch liege eine Pflichtverletzung der Beklagten vor. Das Landgericht habe außer Betracht gelassen, dass eine wesentliche Pflicht des Anwalts sei, den Mandanten vor Irrtümern zu bewahren und den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen. Selbst wenn man vorliegend also unterstelle, dass das Mandat im Mai 2014 beendet worden wäre und die Klägerin auch die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 24. Januar 2014 erhalten habe, sei eine Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen der Beratung darin zu sehen, dass sie bei der Klägerin den Irrtum hervorgerufen habe, dass sie für die Verfolgung weiterer Ansprüche gegen den Berater Herrn E. durch die Beklagte Kosten auf sich habe nehmen müssen. Dieser Irrtum sei dadurch hervorgerufen worden, dass zu Beginn des Mandats sowohl Ansprüche gegen die G. KGaA als auch gegen den Anlagevermittler E. besprochen worden seien und die Beklagte (unstreitig) die Klägerin darauf verwiesen habe, zunächst die Gläubigerversammlung abzuwarten. Damit sei für die Klägerin der Eindruck erweckt worden, dass die Gläubigerversammlung im Ergebnis auch maßgebend für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche gegen den Vermittler sei. Außerdem sei der Eindruck entstanden, dass die insolvenzrechtlichen Ansprüche und die Schadensersatzansprüche rechtlich miteinander verknüpft seien. Aus diesem Grund sei es für die Klägerin auch von großer Bedeutung gewesen, dass die Beklagte an der Gläubigerversammlung teilnehme. Nachdem sie die Mitteilung erhalten habe, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten für die Teilnahme an der Gläubigerversammlung nicht übernehmen werde, sondern gemäß dem Schreiben vom 22. April 2014 nur die Kosten der Anmeldung zur Insolvenztabelle, sei bei der Klägerin der Irrtum hervorgerufen worden, dass damit auch kein Kostenschutz für ein weiteres Vorgehen gegen den Anlagevermittler gegeben sei. Der Erhalt der Deckungszusage vom 24. Januar 2014 sei ihr nicht erinnerlich. Für sie sei die zuletzt erhaltene Nachricht der Rechtsschutzversicherung maßgeblich gewesen, woraus sie letztlich auch den Schluss gezogen habe, dass für die Verfolgung weiterer Schadensersatzansprüche außerhalb der Forderungsanmeldung kein Deckungsschutz bestehe, und zwar gerade weil die Beklagte die Ansprüche gegen den Anlagevermittler mit der Gläubigerversammlung in Verbindung gebracht habe. Dies sei letztlich für die Klägerin auch der Anlass gewesen, die Beklagte im Mai 2014 aufzusuchen, um klarzumachen, dass sie kein weiteres eigenes Geld für die Rechtsverfolgung investieren wolle, wenn die Rechtsschutzversicherung keine Kosten übernehme. Insoweit habe die Klägerin ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass kein Deckungsschutz bestehen solle. Eine Beendigung des Mandats sei hiermit jedoch nicht verbunden gewesen.

Spätestens in diesem Gespräch hätte der Beklagten auffallen müssen, dass sich die Klägerin in einem Irrtum dahingehend befunden habe, dass die Ablehnung der Kostenübernahme durch die Rechtsschutzversicherung der Klägerin im Schreiben vom 22. April 2014 ausschließlich auf die Teilnahme der Beklagten an der Gläubigerversammlung bezogen gewesen sei, weiterhin aber Deckungsschutz für mögliche Schadensersatzansprüche gegen den Anlagevermittler bestehe. Dies habe die Beklagte in dem im Mai 2014 geführten Gespräch nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht. Vielmehr sei der Irrtum der Klägerin dadurch bestärkt worden, dass ihr die Beklagte nahegelegt habe, sich der Interessengemeinschaft anzuschließen. In diesem Zusammenhang hätte die Beklagte die Klägerin ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass auch diese Interessengemeinschaft ausschließlich die Gläubigeransprüche der Anleger im Rahmen der Insolvenz vertrete und in keinem Zusammenhang mit möglichen Schadensersatzansprüchen gegen den Anlagevermittler bestehe. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin der Beklagten das Formular der Interessengemeinschaft vorgelegt und diese das Formular nach ihren eigenen Ausführungen auch kopiert und offenbar zur Akte genommen habe. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass der Klägerin die komplexe Rechtslage und die daraus resultierenden Gefahren nicht bewusst gewesen seien, und hätte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie selbst das Mandat im Mai 2014 als beendet angesehen habe, auf diese Gefahren hinweisen müssen. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil sie die Gefahr aus den zuvor genannten Gründen erkennbar mitverursacht habe. Das Landgericht habe diesen wesentlichen Aspekt nicht berücksichtigt.

Zu Unrecht komme das Landgericht auch zu dem Ergebnis, dass die Angaben der Beklagten als glaubhaft anzusehen seien, weil die Klägerin detailreich den Verlauf des letzten Gespräches habe schildern können. Die Angaben der Beklagten seien zum Teil offensichtlich falsch gewesen - etwa hinsichtlich des Ehemannes der Klägerin, der bereits vor der Geldanlage verstorben gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Göttingen vom 8. Juni 2021 [gemeint: 9. Juni 2021], Az. 4 O 15/19, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 44.422,33 € sowie weitere 12.000,00 € an H., jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 29. Juli 2021 (Bl. 161-166 Bd. II d. A.) und die Berufungserwiderungsschrift vom 9. September 2021 (Bl. 171-175 Bd. II d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil erweist sich auch gemessen an den Ausführungen in der Berufungsbegründung als im Ergebnis zutreffend. Soweit die Klägerin Ansprüche ihres Sohnes im Wege der Prozessstandschaft geltend macht, ist die Klage unzulässig (1), im Übrigen ist sie unbegründet (2).

1. Die Klage ist nicht zulässig, soweit die Klägerin Ansprüche ihres Sohnes im Wege der Prozessstandschaft geltend macht.

Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende - hier die Klägerin - vom Rechtsinhaber - hier dem Sohn der Klägerin - zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist und der Prozessführende ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung im eigenen Namen hat (BGH, Urteil vom 7. März 2017 - VI ZR 125/16 -, NJW 2017, S. 2352 [Rn. 8] m.w.N.).

Hier hat die Klägerin eine Ermächtigung durch ihren Sohn unwidersprochen vorgetragen (a) und diese Ermächtigung zur Prozessführung ist auch nicht aus rechtlichen Gründen unwirksam (b); es fehlt allerdings an einem schutzwürdigen Interesse im obigen Sinne (c).

a) Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 11. März 2019 (Bl. 40-46 Bd. I d.A.) eine Ermächtigung zur Prozessführung im eigenen Namen durch ihren Sohn - vertreten durch sie selbst - vorgetragen.

Das Berufungsgericht ist an der Berücksichtigung dieses Vortrags nicht deshalb gehindert, weil das Landgericht ihn im Tatbestand seines Urteils nicht erwähnt hat und ausweislich der Ausführungen unter Ziffer I.1 der Entscheidungsgründe (dort Absatz 3, Bl. 132 Bd. I d.A.) möglicherweise übersehen hat. Eine generelle negative Beweiskraft des Tatbestands dahingehend, dass nicht erwähnte Angriffs- und Verteidigungsmittel auch tatsächlich unterblieben sind, existiert nicht, denn der Urteilstatbestand muss das Parteivorbringen nicht vollständig wiedergeben; eine "knappe" Darstellung nur des "wesentlichen Inhalts" der vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel reicht aus, § 313 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Da im Zweifel mit der Antragstellung und der mündlichen Verhandlung eine Bezugnahme der Parteien auf den Inhalt der zur Vorbereitung vorgelegten Schriftstücke verbunden ist, ergibt sich der Prozessstoff auch aus dem Inhalt der Gerichtsakten. Allein mit dem Hinweis auf die negative Beweiskraft des Urteilstatbestands kann mithin Parteivorbringen, das sich aus den vorbereitenden Schriftsätzen ergibt, in den Rechtsmittelverfahren nicht unberücksichtigt bleiben (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03 -, NJW 2004, S. 1876 [1879] m.w.N.).

Der Vortrag der Klägerin, ihr Sohn - vertreten durch sie selbst - habe sie zur Prozessführung ermächtigt, ist auch ist unbestritten geblieben. Soweit die Beklagte in der Berufungserwiderung darauf abstellt, dass "eine solche Ermächtigung nicht nachgewiesen" sei (Bl. 172 Bd. II d.A.), kommt es darauf nicht an, denn in dem dort genannten Schriftsatz vom 8. April 2019 hat die Beklagte gerade nicht die Existenz einer solchen Ermächtigung bestritten. Dort hat sie lediglich ausgeführt (Bl. 56 Bd. I d.A.):

Bei einer gewillkürten Prozessstandschaft muss eine Ermächtigung durch den Rechtsinhaber stattfinden. Das Kind ist aber noch minderjährig. Es handelt sich auch nicht um ein ausschließlich vorteilhaftes Geschäft.

Diese Ausführungen sind so zu verstehen, dass die Beklagte der Ansicht ist, die vorgetragene Ermächtigung sei aus rechtlichen Gründen unwirksam, da die Vertretung des Sohnes durch die Klägerin gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 BGB ausgeschlossen sei. Dabei handelt es sich aber um eine Rechtsansicht und nicht um das Bestreiten des zugrundeliegenden Tatsachenvortrags.

Soweit die oben wiedergegebenen Ausführungen aus der Berufungserwiderung nunmehr als Bestreiten zu verstehen sein sollten, wäre dieses neue Bestreiten nicht zuzulassen, § 531 Abs. 2 ZPO.

b) Die Ermächtigung zur Prozessführung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Vertretung des Sohnes durch die Klägerin gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 BGB oder gemäß § 181 BGB ausgeschlossen wäre.

Wenn - wie hier bei der Ermächtigung zur Prozessführung - ein Elternteil selbst Vertragspartner des Minderjährigen sein soll, greift grundsätzlich das in § 181 Alt. 1 BGB geregelte Verbot des Selbstkontrahierens. Zwar ist § 181 BGB auf Prozesshandlungen samt der Erteilung einer Prozessvollmacht nicht unmittelbar anwendbar, da Prozesshandlungen keine bürgerlichen Rechtsgeschäfte darstellen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1964 - VII ZR 5/63 -, NJW 1964, S. 1129 [1130]; Schubert, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 181, Rn. 21 f. m.w.N.) und die Ermächtigung zur Prozessführung im obigen Sinne eine Prozesshandlung ist (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1988 - VII ZR 129/88 -, NJW 1989, S. 1932 [1933]; Althammer, in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, Vorb. § 50, Rn. 41 m.w.N.). Dies ändert aber nichts daran, dass sich Erteilung, Bestand und Willensmängel der Ermächtigung mangels näherer Regelung in der Zivilprozessordung grundsätzlich nach den Vorschriften des Rechtsgebiets richten, dem das streitige Recht angehört, im Zivilprozess also regelmäßig nach bürgerlichem Recht (BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 128/14 -, NJW 2015, S. 2425 [2427 Rn. 21; Althammer, a.a.O.).

Neben den gesetzlich geregelten Ausnahmetatbeständen ist anerkannt, dass § 181 BGB, um den Schutz des Vertretenen nicht in sein Gegenteil zu verkehren, der teleologischen Reduktion dahin bedarf, dass für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhafte Geschäfte von dem Verbot ausgenommen werden (BGH, Urteil vom 27. September 1972 - IV ZR 225/69 -, NJW 1972, S. 2262 [2263]; Schubert, in: MüKo BGB, 9. Auflage 2021, § 181, Rn. 34 m.w.N.).

Nach einer Ansicht wird die Erteilung einer Ermächtigung, eine Forderung des Kindes in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen, als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen (Lafontaine/Herberger, in: jurisPK-BGB, 9. Auflage, Stand: 1. August 2022, § 1795 BGB, Rn. 94 a.E.; AG Bielefeld, Urteil vom 6. August 2001 - 42 C 1224/00 -, juris; AG Frankfurt a. M., Schlussurteil vom 14. Mai 2019 - 31 C 3652/18 -, BeckRS 2019, 28325, Rn. 15 f.). Dies wird zum Teil damit begründet, dass die Erfüllung eines Anspruchs gegenüber einem Minderjährigen für diesen insoweit rechtlich nachteilhaft sei, als er mit der Erfüllung seinen Anspruch verliere (AG Frankfurt a. M., a.a.O.). Andere stellen darauf ab, dass die gewillkürte Prozessstandschaft das rechtliche Risiko für den Minderjährigen begründe, den Anspruch mit Wirkung zu seinen Lasten durch eine ungenügende Prozessführung des Prozessstandschafters zu verlieren (Lafontaine/Herberger, a.a.O.).

Nach anderer Ansicht wird die Erteilung einer Ermächtigung, eine Forderung des Kindes in gewillkürter Prozessstandschaft geltend zu machen, als lediglich rechtlich vorteilhaft für das Kind angesehen (Lettmaier, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, § 1629, Rn. 141; LG Dortmund, Urteil vom 10. Januar 2013 - 11 S 54/12 -, juris, Rn. 10; AG Nürnberg, Endurteil vom 23. Januar 2019 - 19 C 7200/18 -, juris, Rn. 22; ebenso wohl AG Hamburg, Urteil vom 28. Juli 2015 - 35a C 126/15 -, zit. n. Maruhn, in: BeckOK Fluggastrechte-VO, 23. Edition, Stand 1. Juli 2022, Art. 7, Rn. 59). Eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Kindes sei ausgeschlossen, denn das Kind könne aufgrund der Prozessstandschaft weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber dem Beklagten oder dem Gericht verpflichtet werden (LG Dortmund, a.a.O.).

Die letztgenannte Ansicht überzeugt; ihr steht insbesondere nicht die Argumentation des Amtsgerichts Frankfurt entgegen, denn die Erteilung der Ermächtigung zur Klage im eigenen Namen zielt auf die Titulierung der Forderung des Minderjährigen ab; dadurch erlischt die Forderung noch nicht. Das reine Erlangen eines Titels - jedenfalls ohne Kostenrisiko (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2016 - 5 C 31/16 D -, juris, Rn. 2 m.w.N.) - ist aber lediglich rechtlich vorteilhaft. Auch das Risiko, den Anspruch aufgrund ungenügender Prozessführung des Prozessstandschafters zu verlieren, steht - jedenfalls bei gewillkürter Prozessstandschaft des einzigen gesetzlichen Vertreters - einer wirksamen Ermächtigung nicht entgegen: Zwar mindert das Prozessrisiko den in der Forderung liegenden wirtschaftlichen Vorteil, geht aber - zumal ohne Kostenrisiko - nicht über diesen hinaus (vgl. auch BGH, Beschluss vom 25. November 2004 - V ZB 13/04 - NJW 2005, 415 [417] m.w.N. zur Haftung für eine Grundschuld bei der dinglichen Übertragung einen Grundstücks auf einen Minderjährigen). Zum anderen ist das Prozessrisiko in der Sache im Falle der Prozessstandschaft identisch zu dem einer Klage des gesetzlichen Vertreters im Namen des Minderjährigen, die ohne Weiteres zulässig wäre, obwohl sie zusätzlich noch ein Kostenrisiko für den Minderjährigen selbst mit sich brächte. Es widerspräche dem Schutzgedanken des § 181 BGB, dem Minderjährigen den in der Sache gleich riskanten aber kostenrisikoärmeren Weg der Prozessstandschaft zu verwehren.

c) Allerdings fehlt der Klägerin hier ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung im eigenen Namen.

Ein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat. Nicht jedes wirtschaftliche Eigeninteresse des Prozessstandschafters ist ausreichend; auch dieses muss sich aus der Beziehung zu dem fremden Recht ergeben (BGH, Urteil vom 10. Juni 2016 - V ZR 125/15 -, NJW 2017, 486 [Rn. 10]). Dies wird zum Beispiel in solchen Konstellationen bejaht, in denen der Prozessführungsbefugte materiell (Mit-)Anspruchsinhaber und selbst betroffen ist (Rechtsverfolgung eines Eigentümers für die Wohnungseigentümergemeinschaft: BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05 -, NJW 2007, S. 1952 [1954 f. Rn. 22 a.E.] m.w.N.; Rechtsverfolgung eines Gesellschafters für die Gesellschaft: BGH, Urteil vom 3. Juni 2002 - XII ZR 234/99 -, NJW-RR 2002, S. 1377 [1378 a.E.] m.w.N.; Rechtsverfolgung einer Vereinigung mit dem satzungsgemäßen Zweck, die geschäftlichen Belange der Mitglieder zu wahren: BGH, Urteil vom 17. Februar 1983 - I ZR 194/80 -, juris, Rn. 3). Interessen der Prozesswirtschaftlichkeit und der technischen Erleichterung der Prozessführung genügen dazu nicht.

Ein rechtliches Interesse an der Prozessführung eines Klägers, der für sich und eine weitere Person Geldanlagen gezeichnet hat, ergibt sich nicht schon daraus, dass die geltend gemachten Ansprüche einem Lebenssachverhalt entstammen, an dem nur er, nicht aber die andere Person beteiligt war. Die Sachnähe mag eine Prozessführung durch einen solchen Kläger sinnvoll erscheinen lassen, hat aber keine Auswirkungen auf seine Rechtsstellung (BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - III ZR 164/08 -, NJW 2009, S. 1213 [1215 Rn. 21] m.w.N.; Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 182/15 -, NJW 2017, S. 487 [488 Rn. 19]; zur Prozessstandschaft von Eltern für ihre minderjährigen Kinder ebenso AG Bielefeld, Urteil vom 6. August 2001 - 42 C 1224/00 -, juris; zum fehlenden Interesse eines volljährigen Sohnes für eine erbrechtliche Klage für seine Mutter vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16. Juli 2015 - I-10 U 38/14 -, juris, Rn. 140 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Oktober 1953 - III ZR 34/52 -, BeckRS 1953, 31371382 [Abschnitt III.2.d a.E.]).

Nach diesem Maßstab fehlt der Klägerin hier ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung im eigenen Namen.

2. Soweit die Klägerin eigene Ansprüche geltend macht, ist die Klage unbegründet. Dies wäre im Übrigen - hielte man die Prozessstandschaft entgegen der obigen Ausführungen für zulässig - auch bezüglich der Ansprüche des Sohnes der Klägerin der Fall. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass ein Verstoß gegen die Pflicht aus dem Anwaltsvertrag, auf die Möglichkeit der Verjährung etwaiger Ansprüche hinzuweisen, von der Klägerin nicht bewiesen ist (a). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Schadensersatzansprüche aus einer Verletzung von § 11 Abs. 1 Satz 1 BORA nicht angenommen hat (b).

a) Ein Rechtsanwalt ist zwar grundsätzlich verpflichtet, seinen Mandanten auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinzuweisen (aa); hier ist aber unstreitig, dass die Parteien im Rahmen des Mandatsverhältnisses über die Möglichkeit der Verjährung etwaiger Ansprüche gegen den Zeugen E. gesprochen haben (bb) und es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass das Mandatsverhältnis mehr als zweieinhalb Jahre vor Eintritt der Verjährung beendet worden ist (cc).

aa) Ein Rechtsanwalt ist im Rahmen des Anwaltsauftrags verpflichtet, den Auftraggeber allgemein, umfassend und möglichst erschöpfend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und die Geschäfte so zu erledigen, dass Nachteile für ihn - soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind - vermieden werden. Daraus folgt ohne Weiteres die Verpflichtung, darauf zu achten, ob dem Mandanten wegen Verjährung ein Rechtsverlust droht, und dem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Insbesondere ist auf den drohenden Eintritt der Verjährung hinzuweisen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 75/10 -, NJW 2011, S. 2889 [Rn. 12] m.w.N.). Dabei "droht" im obigen Sinne eine Verjährung jedenfalls dann noch nicht, wenn bei Beendigung des Mandats noch mehr als ein Jahr und fünf Monate bis zum Verjährungseintritt bleiben (OLG Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2021 - 4 U 129/20 -, NJOZ 2021, S. 1172 [1175 Rn. 33]) oder noch mindestens elf Monate Zeit (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 6. Februar 2017 - 29 U 146/16 -, NJW-RR 2017, S. 1338 [1339 f. Rn. 31 ff.]). Etwas anderes gilt, wenn es nur noch drei Monate bis zum Eintritt der Verjährung sind (BGH, Urteil vom 18. März 1993 - IX ZR 120/92 -, NJW 1993, S. 1779 [1780 Abschnitt I.2.b.bb a.E.]).

bb) Dazu ist hier als unstreitig zugrunde zu legen, dass die Parteien im Rahmen des Mandatsverhältnisses über die Möglichkeit der Verjährung etwaiger Ansprüche gegen den Zeugen E. gesprochen haben. Die Klägerin hat zwar in der Klageschrift (dort S. 4, Bl. 4 Bd. I d.A.) vorgetragen, sie sei nicht darauf hingewiesen worden, dass etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Anlagevermittler "spätestens Ende 2016 verjähren." In ihrer Parteivernehmung hat die Klägerin aber ausgeführt, die Beklagte habe ihr gesagt, "dass wir wegen der Verjährung hinsichtlich der Ansprüche gegen den Zeugen E. noch Zeit hätten." Dies reicht hier als Hinweis auf die Verjährung aus, soweit bei Mandatsbeendigung die Verjährung noch nicht im obigen Sinne drohte, das Mandat also jedenfalls mehr als elf Monate vor Eintritt der Verjährung beendet worden ist.

cc) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf Basis der Anhörung beider Parteien von einer Beendigung des Mandatsverhältnisses im Mai 2014 ausgegangen ist (1); zu diesem Zeitpunkt war bis zur Verjährung etwaiger Ansprüche aber noch mehr als zweieinhalb Jahre Zeit (2).

(1) Ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ist vom Mandanten darzulegen und zu beweisen, selbst soweit es dabei um negative Tatsachen geht. Der Rechtsanwalt darf sich aber nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie darauf der Mandant reagiert hat. Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt auch, wenn dem Anwalt - wie hier - vorgeworfen wird, den Mandanten nicht auf den Ablauf der Verjährung hingewiesen zu haben (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 75/10 -, NJW 2011, S. 2889 [Rn. 10] m.w.N.).

Zu den von der Klägerin nach diesem Maßstab darzulegenden und zu beweisenden Tatsachen gehört auch das (Fort-)Bestehen des Mandatsverhältnisses über Mai 2014 hinaus als für sie günstige Behauptung. Da hier der Inhalt des letzten zwischen den Parteien geführten Gesprächs im Mai 2014 streitig ist, war über den tatsächlichen Inhalt dieses zwischen der Klägerin als Mandantin und der Beklagten als deren rechtlichen Beraterin - in Ermangelung sonstiger Beweismittel - eine beiderseitige Parteianhörung durchzuführen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 75/10 -, NJW 2011, S. 2889 [2890 Rn. 19]). Diesen Anforderungen ist das Landgericht gerecht geworden. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf Basis des Ergebnisses der Parteianhörung von einer Beendigung des Mandatsverhältnisses ausgegangen ist.

Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang die Beweiswürdigung des Landgerichts angreift und die erhobenen Beweise im Sinne der Klägerin interpretiert, greift dies nicht durch: § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statuiert die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Erstgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen. Die erstinstanzliche Beweiswürdigung darf, wenn auch nicht nur auf Verfahrensfehler, so gleichwohl nur eingeschränkt überprüft werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2013 - I-24 U 120/12 -, juris, Rn. 8; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 67/15 -, juris, Rn. 7). Die neue Rekonstruktion des Sachverhalts steht nicht im Ermessen des Gerichts (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 34. Auflage 2022, § 529, Rn. 2 m.w.N.). Erschöpft sich die Berufung in einem Angriff auf die Beweiswürdigung, so muss sie schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen begründen, so dass ein Neueinstieg in die Beweisaufnahme sich förmlich gebietet. Solche Zweifel setzen voraus, dass aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle der (nochmaligen) Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03 -, BGHZ 159, 254-263, juris, Rn. 15, 19). Zweifel dieser Art kommen lediglich aufgrund unterlassener oder fehlerhafter Erfassung von Tatsachen, einer Verletzung materiellen Rechts (z.B. die Verkennung der Beweislast), verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellung (z.B. Verletzung der Hinweispflicht) oder einer sonstigen Fehlerhaftigkeit des Beweisergebnisses (beispielsweise eine nicht erschöpfende Beweisaufnahme oder Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen) in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. März 2013 - I-24 U 120/12 -, juris, Rn. 8 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Zwar dürfen nach § 141 ZPO abgegebene Erklärungen einer Partei nicht als Beweismittel verwertet werden (BGH, Urteil vom 3. Juli 1967 - VII ZR 48/65 -, juris, Rn. 32), es ist aber allgemein anerkannt, dass die Ergebnisse einer Anhörung gem. § 141 ZPO ohne weiteres im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses (Beweiswürdigung nach § 286 ZPO) verwertet werden dürfen (BGH, Urteil vom 24. April 1991 - IV ZR 172/90 -, juris, Rn. 18; Urteil vom 3. Dezember 1991 - VI ZR 48/91 -, juris, Rn. 23).

Hier hat die Klägerin angegeben, sie sei nach dem Gespräch nicht von einer Beendigung des Mandatsverhältnisses ausgegangen; es ist aber nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass die Klägerin allein mit dieser Schilderung ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht gerecht geworden ist und der Schilderung der Beklagten gefolgt ist, da diese detailreicher und plastischer gewesen sei. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte unstreitig keine Post mehr bezüglich der Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle bekommen hat - die Klägerin also jedenfalls diesbezüglich selbst tätig geworden ist bzw. eine andere Person mandatiert hat - und dass sich die Klägerin nach dem Gespräch im Mai 2014 über mehrere Jahre nicht mehr bei der Beklagten gemeldet hat, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Regressansprüche gegen diese geltend machte. Bei lebensnaher Betrachtung hätte sich die Klägerin - wäre sie wirklich von einem Fortbestand des Mandatsverhältnisses ausgegangen - über eine jahrelange Untätigkeit der Beklagten wundern und bei dieser nach dem Sachstand nachfragen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, spricht stark gegen ein Fortbestehen des Mandatsverhältnisses; auf dieser Basis ist nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht im Rahmen der Anhörung der Klägerin nicht vom Gegenteil hat überzeugen lassen.

(2) Zum Zeitpunkt der Mandatsbeendigung im Mai 2014 war bis zum Eintritt der Verjährung etwaiger Ansprüche aber noch mehr als zweieinhalb Jahre Zeit - namentlich bis zum Ende des Jahres 2016. Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung verjähren gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (vgl. Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK BGB, Stand 1. Juli 2022, § 675, Rn. 648 f. m.w.N.). Diese Kenntnis ist im Falle eines Beratungsvertrags dann gegeben, wenn der Beratene aus den ihm bekannten Umständen den Schluss auf einen gegen den Berater gerichteten Schadensersatzanspruch gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 10/20 -, NJW 2021, 1957 [1959 Rn. 29]). Dies war bei der Klägerin spätestens im Dezember 2013 der Fall, denn zu diesem Zeitpunkt wandte sie sich - nach der Insolvenz der G. KG - unter anderem wegen etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Zeugen E. erstmals an die Beklagte.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Äußerung der Beklagten zur Verjährung sich in der von der Klägerin geschilderten wenig konkreten Anmerkung erschöpft hat oder die von der Beklagten vorgetragene konkretere Form hatte. Der von der Klägerin geschilderte Hinweis auf die Verjährung hat zu diesem frühen Zeitpunkt auf jeden Fall ausgereicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 29. November 2001 - IX ZR 278/00 -, NJW 2002, S. 1117 [insb. 1120]), denn diese behandelt die Frage des Zurechnungszusammenhangs zwischen anwaltlicher Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden, während hier schon keine Pflichtverletzung vorliegt.

b) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Schadensersatzansprüche aus einer Verletzung von § 11 Abs. 1 Satz 1 BORA nicht angenommen hat. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sie die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 nicht von der Beklagten erhalten hat (aa) und auch nicht, dass sie einem Irrtum über den Umfang der Deckungszusage unterlegen ist, den die Beklagte hätte erkennen und aufklären müssen (bb).

aa) Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass sie die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 nicht von der Beklagten übersandt bekommen hat. Dabei gilt - wie oben ausgeführt (Abschnitt a.cc.1) -, dass ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts vom Mandanten darzulegen und zu beweisen ist, selbst soweit es dabei um negative Tatsachen geht.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe ihre Behauptung nicht bewiesen. Die Beklagte hat substantiiert bestritten, dass die Klägerin die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung vom 22. Januar 2014 nicht übersandt bekommen habe. Sie hat vorgetragen, sie habe die Deckungszusage an die Klägerin abgesendet, dazu eine Ablichtung der begleitenden Kurzmitteilung vom 22. Januar 2014 vorgelegt (Anlage B 6, Bl. 11 AB Beklagte), eine Ablichtung des Postausgangsbuchs vom 22. Januar 2014 - aus der hervorgeht, dass am 22. Januar 2014 ein Brief an die Klägerin abgesendet worden ist (Anlage B 7, Bl. 13 AB Beklagte) - sowie das Postausgangsbuch im Original, aus dem dasselbe hervorgeht. Die Würdigung dieser Tatsachen durch das Landgericht lässt keine Fehler erkennen, die eine Neubewertung oder Wiederholung der Beweisaufnahme geböten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Schreiben der Rechtsschutzversicherung vom 22. April 2014 - das die Klägerin unstreitig von der Beklagten übersendet bekommen hat - im Postausgangsbuch identisch dokumentiert worden ist.

bb) Auch aus der Behauptung der Klägerin, sie sei einem Irrtum über den Umfang der Deckungszusage unterlegen, den die Beklagte hätte erkennen und aufklären müssen, ergibt sich kein Anspruch gegen die Beklagte. Dieser Vortrag ist zwar nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (1), die Klägerin hat aber eine entsprechende Pflichtverletzung der Beklagten nicht bewiesen (2).

(1) Der Vortrag ist nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Klägerin hat zwar in der Klageschrift lediglich vorgetragen (Hervorhebung hinzugefügt): "Ein weiteres Tätigwerden im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurde mangels erteilter Rechtsschutzdeckung abgelehnt und war im Ergebnis auch nicht erforderlich." Dies ist unstreitig und bezieht sich darauf, dass die Rechtsschutzversicherung mit Schreiben vom 22. April 2014 (Anlage B 3, Bl. 4 AB Beklagte) mitgeteilt hat, sie werde im Insolvenzverfahren keine Kosten für Tätigkeiten tragen, die über die Anmeldung zur Tabelle hinausgehen. Im darauffolgenden Absatz (S. 3 der Klageschrift, Bl. 3 Bd. I d.A. a.E.) hat die Klägerin ausdrücklich vorgetragen: "Die von der Beauftragung durch die Klägerin umfasste Prüfung von Ansprüchen gegen den Anlagevermittler Herrn E. bzw. die F. AG wegen fehlerhafter Beratung ist unterblieben."

Auch in den weiteren Schriftsätzen vom 11. März, 27. Mai und 28. Juni 2019 (Bl. 40 ff., 63 ff. und 77 f. Bd. I d.A.) hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie aus (irrtümlicher) Angst vor den Kosten Ansprüche gegen den Zeugen E. nicht habe weiterverfolgen wollen. Im Gegenteil: Im Schriftsatz vom 27. Mai 2019 (dort S. 2, Bl 64 d.A.) trägt die Klägerin vor, dass "die Geltendmachung sämtlicher Schadensersatzansprüche von dem erteilten Mandat umfasst war."

Allerdings hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung (erstmals in der ersten Instanz) angegeben (Protokoll vom 23. April 2021, S. 5, Bl. 109 Bd. I d.A.):

Ich hatte das Gefühl, dass sie [die Beklagte] mich ernst nimmt. Dies zeigt sich auch daran, dass sie in ihrer ersten Anfrage an die Rechtsschutzversicherung auch die Ansprüche gegen Herrn E. einbezogen hatte. Die Deckungszusage wurde dann aber nur für die Anmeldung zur Insolvenztabelle erteilt. Eigenes Geld wollte ich aber nicht in den Prozess investieren, sodass ich dies Frau C. auch mitteilte ... Für Ansprüche darüber hinaus [die nicht von der Interessengemeinschaft verfolgt werden] hätte ich aber eigenes Geld investieren müssen, obwohl möglicherweise Deckungsschutz auch gegenüber Forderungen gegenüber Herrn E. bestanden hätte.

Damit ist der Vortrag, die Klägerin habe gedacht, die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung umfasse Ansprüche gegen den Zeugen E. nicht, nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO.

(2) Gleichwohl hat die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Klägerin eine darauf fußende Pflichtverletzung der Beklagten nicht bewiesen.

Der Vortrag der Klägerin zu dem vermeintlichen Irrtum ist schon in sich widersprüchlich, denn sie hat zunächst mehrfach vorgetragen, das Mandat habe die Geltendmachung sämtlicher Schadensersatzansprüche - auch gegen den Zeugen E. - umfasst und hat erstmals in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, sie sei davon ausgegangen, dafür eigenes Geld investieren zu müssen. Gleichwohl will sie im Mai 2014 - als nach ihrem jüngsten Vortrag für sie nur noch die Alternativen bestanden haben sollen, gegen den Zeugen E. auf eigene Kosten vorzugehen oder aber gar nicht - nicht das Mandat beendet haben. Es ist aber nicht ersichtlich, was dann das Ergebnis dieser Besprechung gewesen sein soll. Die Klägerin wird kaum eine kostenlose Fortführung des Mandats erwartet haben, also sowohl ohne Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung als auch ohne Kostenübernahme durch sie selbst.

Selbst wenn man den uneinheitlichen Vortrag an dieser Stelle zu Gunsten der Klägerin so auslegte, dass das in der persönlichen Anhörung Angegebene gelten soll, bliebe die Klägerin beweisfällig: Die Beklagte hat diesen Vortrag substantiiert bestritten, indem sie einen anderen Ablauf der Gespräche geschildert hat, nach dem mögliche Ansprüche gegen den Zeugen E. zunächst lediglich zurückgestellt werden sollten und erst einmal die Gläubigerversammlung abgewartet werden sollte. Zudem hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung ausgeführt (Protokoll vom 23. April 2021, S. 3, Bl. 107 Bd. I d.A.):

Ich habe ihr dann gesagt, dass sie frei sei, sich einen anderen Rechtsbeistand zu suchen. Insofern habe ich darauf hingewiesen, dass ich noch nicht weiter tätig gewesen bin. Denn dadurch sind dann keine weiteren Kosten für sie entstanden. Dies wäre insbesondere mit der Rechtsschutzversicherung auch ein Problem geworden, weil diese nicht zweimal für die gleiche Tätigkeit bezahlt hätte ... Ich habe ihr nochmals erklärt, dass es gut ist, dass ich noch nicht weiter tätig geworden bin wegen der Kostenproblematik. Ich habe dann auch gesagt, dass wir mit der Verjährung noch kein Problem haben.

Der von der Beklagten vorgetragene Ablauf widerspricht aber der Irrtums-Behauptung der Klägerin; Beweis für ihre Behauptung hat die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Klägerin aber nicht angeboten, insbesondere nicht in der ersten Instanz, aber auch nicht in der Berufungsbegründungsschrift, so dass dahinstehen kann, ob ein solcher Beweisantritt gemäß § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt zuzulassen wäre.

c) Vor diesem Hintergrund können auch die weiteren Fragen bezüglich eines Beratungsfehlers durch den Zeugen E. und zu dessen Stellung dahinstehen.

Es spricht allerdings einiges dafür, dass die Anlageberatung der Klägerin nicht durch den Zeugen E. als selbständiger Anlageberater stattgefunden hat, sondern als gebundener Vermittler unter dem Haftungsdach der F. AG Finanzdienstleistungsinstitut. Zum einen hat das Landgericht im Tatbestand des angegriffenen Urteils festgestellt - ohne dass dies mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen worden wäre:

Diese Kapitalanlagen kamen durch die Vermittlung durch den Anlageberater Herrn E. zustande, der als Anlagevermittler für die F. AG tätig geworden war.

Zum anderen sind auf den Zeichnungsscheinen (Anlage K 6, Bl. 13 ff. d.A. oben - zum Teil zweifach - das Logo und der Schriftzug der F. AG aufgedruckt und zwar in zwei von drei Fällen in dem Feld, das ausdrücklich als "Ihr/e Berater/in" bezeichnet ist. Handelte der Zeuge E. aber als gebundener Vermittler unter dem Haftungsdach der F. AG, hätte eine Klage gegen ihn selbst keine Aussicht auf Erfolg gehabt (vgl. zum Beispiel OLG Schleswig, Beschluss vom 9. März 2015 - 5 U 203/14 -, juris, Rn. 20 ff.). Eine Klage gegen die F. AG hätte jedenfalls wirtschaftlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt, da diese - was allgemein bekannt ist - bereits im Mai 2014 Insolvenzantrag gestellt hat.

III.

Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme oder zur Rücknahme der Berufung bis zum

12. Oktober 2022

gegeben.