Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.09.2022, Az.: 1 WF 112/22

Beschwerde gegen die Höhe von Ratenzahlungen in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren; Berücksichtigung von Wohnkosten eines Antragstellers; Aufteilung von Wohnkosten auf mehrere Bewohner einer Wohnung im Verhältnis ihrer Einkünfte

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
21.09.2022
Aktenzeichen
1 WF 112/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 33615
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2022:0921.1WF112.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Helmstedt - 20.04.2022

Fundstellen

  • FuR 2023, 97-98
  • JurBüro 2022, 600-601
  • NJW-RR 2022, 1587-1588
  • NZFam 2022, 1093
  • NZM 2022, 895-896

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Einer um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Person ist im Rahmen der Prüfung ihrer Bedürftigkeit in der Regel keine Beteiligung ihrer Mitbewohner an der Deckung der Wohnkosten zuzurechnen, soweit deren Einkommen die für sie einschlägige Freibetragsgrenze nicht übersteigt.

  2. 2.

    Bei erheblichen Einkommensunterschieden kommt eine Aufteilung der Wohnkosten auf mehrere Bewohner im Verhältnis ihrer Einkünfte in Betracht.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 20.04.2022 dahingehend abgeändert, dass die vom Antragsteller zu zahlenden Raten auf die Verfahrenskosten auf monatlich 233,00 € festgesetzt werden. Im Übrigen wird der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die Höhe der festgesetzten Ratenzahlungen in dem Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 20.04.2022.

Das Amtsgericht ist von einem Monatsnettoeinkommen des Antragstellers i.H.v. 2.815,34 € ausgegangen, von dem es Fahrtkosten i.H.v. 78,00 €, hälftige Wohnkosten i.H.v. 532,50 €, Versicherungsbeiträge i.H.v. 45,11 €, Kindesunterhalt für seine bei deren Mutter lebenden Töchter M. und T. i.H.v. zusammen 761,00 € sowie Freibeträge i.H.v. 223,00 € und 491,00 € in Abzug gebracht hat und so zu einer Ratenzahlungsanordnung i.H.v. 384,00 € gelangt ist.

Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 04.05.2022 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 03.06.2022 sofortige Beschwerde eingelegt.

Er ist der Auffassung, die von ihm gezahlten Wohn- und Wohnnebenkosten in Höhe von insgesamt monatlich 1.065,00 € seien vollumfänglich zu berücksichtigen, da seine Lebensgefährtin, die mit ihren vier und sieben Jahre alten Kindern mit ihm in der gemeinsam angemieteten Wohnung lebe, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sei, sich an den Mietkosten zu beteiligen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass in dem Verfahren 4 F 901/21 VKH2 ebenfalls Monatsraten i.H.v. 384,00 € festgesetzt worden seien.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache dahingehend Erfolg, dass die Ratenhöhe auf den im Tenor genannten Umfang herabzusetzen ist.

Das der Berechnung der Ratenhöhe gemäß § 115 Abs. 1 ZPO zu Grunde gelegte Monatsnettoeinkommen des Antragstellers von 2.815,34 € wird mit der Beschwerde nicht beanstandet. Hiervon sind unstreitig Fahrtkosten i.H.v. 78,00 €, Versicherungsbeiträge i.H.v. 45,11 € sowie Kindesunterhaltszahlungen i.H.v. insgesamt 761,00 € abzuziehen.

Als Freibeträge für den Antragsteller sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1b und Nr. 2a ZPO die aufgrund der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2022 seit dem 01.01.2022 geltenden Beträge zu berücksichtigen, mithin der Grundfreibetrag von 494,00 € sowie der Zusatzfreibetrag für Erwerbstätige in Höhe von 225,00 € (vgl. B. v. 17.12.2021, BGBl. I S. 5239).

Die Kosten für die vom Antragsteller gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und deren Kindern bewohnte Mietwohnung sind nicht nur zur Hälfte, sondern zu einem Anteil von 70 Prozent berücksichtigungsfähig. Leben weitere Personen mit eigenen Einkünften mit im Haushalt eines Verfahrensbeteiligten, erfolgt die Verteilung der Unterkunftskosten zwar in der Regel ungeachtet des Verhältnisses ihrer Einkünfte nach der Anzahl der Personen (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 115 Rn. 40; OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.02.2019 - 13 WF 17/19 -, juris Rn. 7; OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 - II-10 WF 60/17, juris Rn. 3). Etwas anderes kommt aber dann in Betracht, wenn der Verdienst einer Person so gering ist, dass eine Beteiligung nach Kopfteilen unbillig erscheint (Zöller/Schultzky, a.a.O.). Eine Beteiligung scheidet dabei regelmäßig dann vollständig aus, wenn das Einkommen einer unterhaltsberechtigten Person unterhalb des für sie zu Gunsten des Antragstellers gem. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO geltenden Freibetrags liegt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.02.2003 - 14 WF 22/03, juris Rn. 7).

In Anlehnung daran erscheint es sachgerecht, unabhängig von einer Unterhaltspflicht der Verfahrenskostenhilfe beantragenden Person grundsätzlich nur diejenigen Mitbewohner an den Wohnkosten zu beteiligten, deren Einkommen über dem für sie einschlägigen Freibetrag liegt. Die Freibeträge im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO richten sich nach den in der Anlage zu § 28 SGB XII festgelegten, um zehn Prozent erhöhten Regelbedarfssätzen. Diese umfassen nach § 27a Abs. 2 SGB XII den notwendigen Lebensunterhalt (Existenzminimum) einer Person mit Ausnahme der gesondert in den Abschnitten zwei bis vier geregelten Bedarfe, zu denen auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zählen. Im Unterschied zu den Kindesunterhaltssätzen der Düsseldorfer Tabelle enthalten somit die Regelbedarfssätze nach SGB XII keinen Wohnkostenanteil, da der Wohnkostenbedarf im vierten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB XII gesondert geregelt ist. Dies entspricht auch der Systematik von § 115 Abs. 1 ZPO, nach dessen Nr. 3 die Kosten der Unterkunft und Heizung neben den Freibeträgen nach Nr. 1 und 2 gesondert abzugsfähig sind. Angesichts dessen ist einer um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Person im Rahmen der Prüfung ihrer Bedürftigkeit in der Regel keine Beteiligung ihrer Mitbewohner an der Deckung der Wohnkosten zuzurechnen, soweit deren Einkommen die für sie einschlägige Freibetragsgrenze nicht übersteigt.

Aber auch jenseits dieser Grenze kann ein erheblicher Einkommensunterschied eine Aufteilung im Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte rechtfertigen (so bei Nettoeinkünften von 925 € zu 2.569 €: OLG Köln, Beschluss vom 15.05.2017 - II-10 WF 60/17, juris Rn. 4; vgl. auch Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 05.11.2010 - 6 WF 103/10, juris Rn. 3; Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 115 Rn. 56).

Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten für die vom Antragsteller, seiner Lebensgefährtin und deren Kindern bewohnte Wohnung in Höhe von insgesamt monatlich 1.065,00 € zu einem Anteil von 70 Prozent dem Antragsteller zuzurechnen.

Das aus den vorgelegten Verdienstabrechnungen ersichtliche Monatsnettoeinkommen der Lebensgefährtin des Antragstellers von durchschnittlich 620,00 € liegt weit unterhalb seines eigenen Einkommens von 2.815,34 €, von dem nach Abzug des von ihm für seine Kinder M. und T. zu zahlenden Barunterhalts und der Fahrtkosten noch rund 1.980,00 € für seinen Lebensunterhalt verbleiben. Zwar ist zu dem Erwerbseinkommen der Lebensgefährtin noch der Anteil des Kindesgeldes hinzuzurechnen, der über den zur Deckung der Freibeträge für ihre bei ihr lebenden vier- und siebenjährigen Kinder L. und F. - zusätzlich zu den UVG-Leistungen - benötigten Betrag hinausgeht, so dass sich für sie ein Gesamteinkommen von 815,00 € ergibt. Ihr Anteil an dem gemeinsamen Einkommen beträgt aber dennoch lediglich etwa 30 Prozent. Oberhalb des Freibetrags von 494,00 € stehen ihr nur 321,00 € zur Beteiligung an den Wohnkosten zur Verfügung. Angesichts dessen erscheint eine hälftige Aufteilung der Wohnkosten vorliegend unangemessen. Vielmehr ist eine Verteilung nach dem Verhältnis der zum Haushaltseinkommen beitragenden Nettoeinkünfte vorzunehmen, woraus sich ein berücksichtigungsfähiger Wohnkostenanteil des Antragstellers i.H.v. 746,00 € und ein Anteil seiner Lebensgefährtin i.H.v. 319,00 € errechnet, den sie aus ihrem Einkommen tragen kann.

Auf die im Haushalt lebenden minderjährigen Kinder L. und F. entfällt dabei kein Wohnkostenanteil. Diese verfügen oberhalb des für sie gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2b ZPO im Verhältnis zu ihrer Mutter einschlägigen Freibetrags von 314,00 € bzw. 342,00 € über kein eigenes Einkommen, da der zur Deckung des Freibetrags nicht verbrauchte Kindergeldanteil - wie oben dargelegt - dem Einkommen ihrer Mutter hinzugerechnet wurde und der Freibetrag als solcher keinen Wohnkostenanteil enthält.

Das für die Verfahrenskosten einzusetzende Einkommen des Antragstellers beträgt damit 466,23 €.

Die im Verfahren zum Aktenzeichen 4 F 901/21 VKH 2 vom Amtsgericht Helmstedt festgesetzten Raten auf die Verfahrenskosten sind hiervon nicht abzuziehen, da der Senat über die Höhe der dortigen Raten in dem parallel anhängigen Beschwerdeverfahren zum Aktenzeichen 1 WF 118/22 zu befinden hat. Dort wird die Höhe der im vorliegenden Verfahren festgesetzten Rate als Abzugsposten zu berücksichtigen sein. Eine gleichzeitige Berücksichtigung der dort festgesetzten Raten im hiesigen Verfahren kommt nicht in Betracht.

Nach alledem ergibt sich gemäß § 115 Abs. 2 ZPO eine zu zahlende Monatsrate i.H.v. 233,00 €.

III.

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Gerichtskosten aus §§ 1, 3 Abs. 2 FamGKG i. V. m. Nr. 1912 KV FamGKG und hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aus § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.