Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 18.03.2004, Az.: 2 A 345/03
Aufhebung eines versagenden Bauvorbescheids; Erteilung einer fachaufsichtlichen Weisung, einen positiven Bauvorbescheid zu erteilen; Wahrnehmung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises; Klagemöglichkeiten einer im Staatsauftrage handelnden kommunalen Behörde; Eingriff in eigene Rechte der kommunalen Gebietskörperschaft; Raumbedeutung geplanter Windkraftanlagen; Begründung einer fachaufsichtlichen Weisung; Ausweisung von Vorrangstandorten im Raumordnungsprogramm; Begriff der raumbedeutsamen Vorhaben
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 18.03.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 345/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 13401
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2004:0318.2A345.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Nr. 6 ROG
- § 42 VwGO
- § 3 Abs. 1 NLO
- § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB
- § 74 NBauO
Verfahrensgegenstand
Bauaufsichtlicher Widerspruchsbescheid - Aufhebung eines Bauvorbescheides; Anweisung zur Bauvorbescheidserteilung -
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nimmt eine Behörde Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises wahr, so handelt sie als Organ der mit dieser Aufgabe befassten staatlichen Verwaltung. Daraus folgt, dass eine Klage gegen die höhere Bauaufsichtsbehörde in der Regel ausgeschlossen ist, weil eigene Rechte der Baugenehmigungsbehörde nicht verletzt werden.
Diese Einschränkung der Klagemöglichkeiten einer im Staatsauftrage handelnden kommunalen Behörde gilt indessen nicht, wenn die fachaufsichtliche Weisung gleichzeitig in eigene Rechte der kommunalen Gebietskörperschaft eingreift.
- 2.
Unter den Begriff der raumbedeutsamen Vorhaben sind nicht nur Planungen und Maßnahmen zu fassen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen wird, sondern auch solche, durch die die räumliche Entwicklung eines Gebiets beeinflusst wird.
In der Verwaltungsrechtssache hat
das Verwaltungsgericht Stade - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. von Kunowski,
den Richter am Verwaltungsgericht Leiner,
den Richter am Verwaltungsgericht Klinge sowie
die ehrenamtlichen Richter Frau E. und Herrn F.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Februar 2003 und die Weisung an den Kläger, dem Beigeladenen den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen, werden aufgehoben.
Die Beklagte und der Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens sowie jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte und der Beigeladene dürfen die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festzusetzenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die durch die Beklagte als Widerspruchsbehörde vorgenommene Aufhebung eines versagenden Bauvorbescheides und die gleichzeitige Erteilung einer fachaufsichtlichen Weisung einen positiven Bauvorbescheid zu erteilen.
Unter dem 29. April 2002, eingegangen bei dem Kläger am 30. April 2002, beantragte der Beigeladene die Erteilung eines Bauvorbescheides gemäß § 74 NBauO für den Neubau von zwei Windkraftanlagen auf den Flurstücken 346/21 und 368/21 der Flur 1 in der Gemarkung G., Gemeinde H..
Mit Schreiben vom 17. Juni 2002 teilte der Kläger dem Beigeladenen mit, seine Prüfung habe ergeben, dass das Vorhaben aus raumplanerischen Gründen unzulässig sei. Es handele sich um ein raumbedeutendes Vorhaben. Dies ergebe sich aus dem besonderen Standort der geplanten Anlagen. Dieser liege an einem der höchsten Punkte des betroffenen Landschaftsraumes zwischen I. und J.. Es handele sich um eine unverbaute Geestkuppe von 60 Meter über NN, sodass sich die beiden Anlagen insgesamt 130 bis 140 Meter über NN in der Landschaft erheben würden. Nennenswerte landschaftliche Vorbelastungen seien nicht vorhanden. Für raumbedeutsame Windkraftanlagen seien im Regionalen Raumordnungsprogramm des Klägers Vorrangstandorte als Ziel der Raumordnung im Sinne des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB ausgewiesen. Diese Ausweisung stünde der Zulassung entgegen. Außerdem bestünden aus naturschutzfachlicher Sicht erhebliche Bedenken, weil die Anlagen das Landschaftsbild in einem Raum von 5 Kilometer im Umkreis maßgeblich bestimmen und technisch industriell verfremden würden. Zu berücksichtigen seien insbesondere die Blickbeziehungen aus den Bachtälern des Dannhorstgrabens und des Grapenmühlenbaches auf die bisher unverbaute Geestkuppe, die westlich und östlich des geplanten Standortes verliefen und im Entwurf des Landschaftsrahmenplanes, Karte II "Landschaftserleben", kleinräumige Talräume mit der höchsten Wertstufe bewertet seien. Die Geestkuppe sei als Teilraum mit besonderem Reliefeigenschaften gekennzeichnet. Das "K. Holz" mit Altbaumbestand erfülle laut Landschaftsrahmenplan, Karte III die Voraussetzung für ein Landschaftsschutzgebiet. Der Standort liege im Übrigen ca. 85 Meter entfernt von einer gemäß § 33 Nds. NatSchG geschützten Wallhecke. Mit Schreiben vom 11. Juli 2002 teilte der Beigeladene mit, dass er das Vorhaben gleichwohl fortsetzen wolle. Nach seiner Auffassung handele es sich nicht um raumbedeutsame Vorhaben. Die Stadt L. teilte unter dem 12. Juli 2002 mit, das Einvernehmen gemäß § 36 BauGB gelte nur als erteilt, wenn die Voraussetzungen des § 35 BauGB vorlägen und es sich nicht um ein raumbedeutsames Vorhaben handele, das den Ausweisungen des Regionalen Raumordnungsprogramms des Klägers widerspreche. Das Amt für Agrarstruktur M. äußerte unter dem 26. Juni 2002 ebenfalls Bedenken. Die Flächen lägen innerhalb eines Bereiches in dem ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werde und die beantragte Errichtung von zwei Windkraftanlagen beeinträchtige die mögliche Zusammenlegung der angrenzenden Flächen. Es sei zu berücksichtigen, dass im Falle der Errichtung der Windkraftanlagen für die angrenzenden Flächen keine Verbesserung durch Zusammenlegung erreicht werden könne. Für die Zustimmung nach § 34 Flurbereinigungsgesetz sei daher die Voraussetzung, dass die nördlich und südlich angrenzenden Flächen mit in den Einwirkungsbereich einbezogen würden und mit den Eigentümern Nutzungsverträge geschlossen würden.
Mit Bescheid vom 27. September 2002 lehnte der Kläger die Erteilung des Bauvorbescheides ab. Das Grundstück liege im Außenbereich der Stadt L. i.S.d. § 35 BauGB. Dem Vorhaben stünden jedoch gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGBöffentliche Belange entgegen. Es handele sich um ein raumbedeutsames Vorhaben und das Regionale Raumordnungsprogramm des Klägers habe Standortzuweisungen für raumbedeutsame Windenergieanlagen getroffen. Zu diesen ausgewählten Standorten gehöre die zur Bebauung vorgesehene Geestkuppe zwischen I. und N. nicht. Hierbei handele es sich um eine unverbaute Geestkuppe mit einer Höhe von 60 Meter über NN, sodass sich die beiden Anlagen insgesamt ca. 120 Meter über NN in der Landschaft erheben würden, während die Landschaft in der näheren Umgebung des Standortes Höhen von ca. 35 bis 40 Meter über NN aufweise. Wie in der einschlägigen Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde dargelegt worden sei, würden die geplanten Windenergieanlagen das Landschaftsbild in einem Raum von mindestens 5 Kilometer im Umkreis maßgeblich bestimmen und technisch industriell verändern. Der Kläger habe daher bei der Aufstellung des regionalen Raumordnungsprogramms 1998 von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht und Vorrangstandorte für Windenergieanlagen an besonderen Stellen im Kreisgebiet ausgewiesen, um damit das Konfliktpotenzial zu konzentrieren. Danach seien Windenergieanlagen außerhalb der Vorrangstandorte nur zulässig, wenn sie nicht raumbedeutsam seien oder sie überwiegend der Eigenversorgung eines landwirtschaftlichen Betriebes dienen. Das vorliegende Vorhaben sei auch im Einzelfall nicht zulässig. Es lägen keine Gründe vor, von der Regelvermutung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB abzuweichen. Darüber hinaus sei die Erschließung des Grundstücks nicht gesichert und es bestünden landschaftsschutzrechtliche Bedenken, die ebenfalls aus der besonderen Lage des Grundstücks auf einer unverbauten Geestkuppe herrührten.
Der Beigeladene legte gegen den ablehnenden Bauvorbescheid mit Schreiben vom 30. Oktober 2002, eingegangen am 31. Oktober 2002 Widerspruch ein. Das im Widerspruchsverfahren erneut eingeschaltete Amt für Agrarstruktur M. teilte unter dem 13. Januar 2003 mit, dass es durch die Genehmigung zweier Windkraftanlagen auf den Grundstücken des Beigeladenen zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange kommen könnte. Durch die Errichtung der Anlagen auf den Flurstücken des Beigeladenen komme es zu Einwirkungen auf den südlich und nördlich angrenzenden Flächen, durch welche die Tauschbarkeit bzw. Zusammenlegbarkeit dieser benachbarten Flurstücke im Flurbereinigungsverfahren beeinträchtigt werden könne, was letztlich einer Verbesserung der Agrarstruktur in diesem Teilbereich des Flurbereinigungsgebietes zuwiderlaufen würde (§ 35 Absatz 3 Nr. 6 BauGB). Eine abschließende Beurteilung, ob dieser Fall eintrete, könne zum derzeitigen Bearbeitungsstand nicht getroffen werden. Die erforderliche Einbeziehung der Nachbarflächen mache es aber in jeden Fall erforderlich, mit deren Eigentümern Nutzungsverträge zu schließen. Außerdem weist das Amt für Agrarstruktur darauf hin, dass der vom Beigeladenen als Zuwegung genannte Feldweg im Osten des Flurstücks 368/21 nur noch zum Teil in den Katasterunterlagen enthalten sei. Das Amt vermutet, die übrigen Wegeflurstücke seien im Rahmen einer Verschmelzung durch das Kataster mit anderen Flurstücken verbunden worden. Es sei nicht geklärt worden, inwieweit sich dies auf die vom Beigeladenen erwähnten Dienstbarkeiten zu Gunsten des Energieversorgers ausgewirkt habe.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2003 ersetzte die Beklagte unter Anordnung des Sofortvollzuges das versagte Einvernehmen der Stadt L. mit der Begründung, dass Versagungsgründe gemäß § 36 Absatz 2 Satz 1 BauGB nicht vorlägen.
Mit weiterem Bescheid vom 4. Februar 2003 (Widerspruchsbescheid) hob die Beklagte die Versagung des Bauvorbescheids des Klägers vom 27. September 2002 auf und wies den Kläger an, dem Beigeladenen den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen. Der für den Kläger (Seite 3 bis 4 des Bescheides) beigefügten Begründung stützt die Beklagte die Aufhebung der Versagung des Bauvorbescheides und die Weisung an den Kläger zunächst darauf, dass nach ihrer Auffassung im Hinblick auf zwischenzeitliche Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und Nds. Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2001 zur Frage der Beteiligung von privaten Grundstückseigentümern bei der Aufstellung von Regionalen Raumordnungsprogrammen nicht mehr von einer unmittelbaren Zielbindung der im RROP 1998 des Klägers festgelegten Ausschlusswirkung für raumbedeutsamen Windenergieanlagen außerhalb der festgelegten Vorrangstandorte ausgegangen werden könne, weil bei der Aufstellung des RROP keine Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden habe. Die fehlende Beteiligung der privaten Grundeigentümer könne entsprechende "nachvollziehbare Abwägung" bei der Bescheidung der Bauvoranfrage bzw. des Bauantrages berücksichtigt werden. Dies sei nicht geschehen. Im Zuge des Verfahrens wäre es erforderlich gewesen, die konkreten raumordnerischen Ziele selbst, die zur Auswahl der Vorrangstandorte geführt hätten, den Vorhaben detailliert und nachvollziehbar gegenüber zu stellen. Dies sei nicht geschehen. Die Zulassung des Vorhabens sei daher nicht als Ausnahme von der Auswirkung des RROP zu betrachten, sondern das privilegiert zulässige Bauvorhaben wäre nur durch einen konkreten Widerspruch zu den Zielen der Raumordnung im Einzelfall unzulässig. Es lägen auch "keine Bereiche mit besonderen landschaftsprägenden geomorphologischen Formationen" vor, da es sich bei dem betroffenen Grundstück eben nicht um eine besonders landschaftsprägende Formation, sondern lediglich um eine ausgeprägte Geestkuppe handele. Die Höhendifferenz in der weit gehend ausgeräumten Landschaft sei kaum wahrnehmbar. Ein Widerspruch zu den Darstellungen des Landschaftsrahmenplanes stelle eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange i.S.d. § 35 Absatz 3 Ziffer 2 BauGB dar, die einem sonstigen, nicht aber einem privilegiertem Vorhaben entgegen gehalten werden können. Hinsichtlich der Frage der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wird auf die Leitlinie zur Anwendung des Eingriffsregelung des Nds. Naturschutzgesetzes von Windkraftanlagen (Bekanntmachung des MU vom 21.06.1993, Punkt 6.1. hingewiesen.
Der Kläger hat am 5. März 2003 die vorliegende Klage erhoben mit der er eine Verletzung eigener Rechte durch die Aufhebung des versagenden Bauvorbescheides geltend macht. Die aufsichtsrechtliche Maßnahme verletze ihn in seiner kommunalen Planungshoheit und damit auch in seinem kommunalen Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Absatz 2 Grundgesetz und Art. 47 Absatz 1 Nds. Verfassung i.V.m. § 26 Absatz 1 Nds. Raumordnungsgesetz (NROG). Gemäß § 26 Absatz 1 Satz 1 NROG seien die Landkreise für ihr Gebiet Träger der Regionalplanung. Sie nähmen gemäß Satz 2 der Vorschrift die Aufgabe der Regionalplanung als Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises wahr. Der Kläger habe als Träger der Regionalplanung sein Regionales Raumordnungsprogramm im Jahre 1998 aufgestellt. Hiernach sei für die Errichtung von Einzelanlagen und Anlagengruppen zur Windenergienutzung Vorrangstandorte ausgewiesen worden, um die Errichtung dieser Anlagen im Kreisgebiet auf Räume mit verhältnismäßig geringem Konfliktpotenzial zu konzentrieren. Plansatz D 3.5 Ziffer 03 des RROP bestimme, dass außerhalb der Vorrangstandorte Windenergieanlagen nur zulässig seien, wenn sie nicht raumbedeutsam seien oder wenn sie überwiegend der Eigenversorgung eines landwirtschaftlichen Betriebes dienten. Dieses Vorgehen entspreche auch der Rechtslage. Der Aufsteller des Regionalen Raumordnungsprogramms sei keineswegs verpflichtet, auf jeder in Betracht kommenden Einzelfläche eine Windenergienutzung zu ermöglichen, sondern besitze sowohl bei der Definition als auch bei Umsetzung raumordnerischer Ziele und Grundsätze einen weiten Gestaltungsspielraum. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Kläger in der Begründung seiner Ablehnung des Bauvorbescheides eine nachvollziehbare Abwägung nachgeholt und sich nicht darauf beschränkt, das RROP und damit einhergehende regionalplanerische Belange dem Vorhaben entgegenzuhalten. Er habe vielmehr auch detaillierte landschaftsschutzrechtliche Belange aufgeführt, die dem Vorhaben widersprächen. Den Überlegungen bei der Aufstellung des RROP und der Ausschreibung von Vorrangstandorten sei ein langwieriger Abwirkungsprozess vorausgegangen. Bei dem geplanten Standort der Windenergieanlagen handele es sich um eine Geestkuppe von 60 m über NN, die sich von der sie umgebenden Talraumlandschaft deutlich abhebe. Der Standort widerspreche damit den im Regionalen Raumordnungsprogramm auf Seite 126 unter bc) zu Grunde gelegten Kriterien zur Auswahl geeigneter Vorrangsstandorte für Windenergiegewinnung: "Freihaltung von Bereichen mit besonderen landschaftsprägenden geomorphologischen Formationen, z.B. landschaftsbestimmende Geesthügel oder Übergangsbereiche Moor-Geest bzw. Niederung/Geest." Landschaftliche Vorbelastungen am Eingriffsort seien bis auf eine 20 kV-Leitung von 6 bis 8 m Höhe nicht vorhanden. Damit würden die geplanten Windenergieanlagen das Landschaftsbild in einem Raum von mindestens 5 Kilometer im Umkreis maßgeblich bestimmen und technisch industriell verfremden. Insgesamt habe der Kläger eine detaillierte Güterabwägung vollzogen. Dass dabei private eigentumsrechtliche Interessen des Beigeladenen nur bedingt hätten berücksichtigt werden können, liege allein in der Sphäre des Beigeladenen. Mehrfach habe ihn der Kläger aufgefordert, positive Argumente für sein Vorhaben vorzutragen. Dies sei lediglich immer angekündigt worden doch niemals erfolgt. Das Regionale Raumordnungsprogramm stehe damit gemäß § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB dem Vorhaben entgegen.
Der Kläger beantragt,
die im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Februar 2003 ausgesprochene Aufhebung seines Bescheides vom 27. September 2002 sowie die gleichzeitig angeordnete Anweisung, dem Beigeladenen den von diesem beantragten Bauvorbescheid zu erteilen, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, aus ihrer Sicht bestünden bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf eine Klagebefugnis des Klägers gemäß § 42 Absatz 2 VwGO. Der Kläger mache hier als Träger der Regionalplanung eine Verletzung der Planungshoheit geltend, die durch die Aufhebung des negativen Bauvorbescheides durch die Beklagte eingetreten sei. Die Klägerin sei durch die Anweisung dem Beigeladenen einen nunmehr positiven Bauvorbescheid zu erteilen, lediglich als Fachaufsichtsbehörde tätig geworden. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nehme der Kläger seine Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis wahr und könne soweit in der Regel keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. Es gehe nicht um einen materiellen Eingriff in die Regionalplanung des Klägers, sondern vielmehr um die Umsetzung des RROP im einzelnen Genehmigungsverfahren -- wobei dem RROP nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 13. 03. 2003 - 4 C 4.02 - ) und entgegen der von ihr früher vertretenen Auffassung auch bei fehlender Öffentlichkeitsbeteiligung die Ausschlusswirkung gemäß § 35 Absatz 3 BauGB zukomme, soweit deutlich werde, dass eine Abwägung der entscheidenden Belange in der richtigen Gewichtung stattgefunden habe. Eine pauschalisierende Berücksichtigung der Eigentümerbelange sei dann ausreichend. Eine Verletzung des Rechts auf Regionalplanung käme nur in Betracht, wenn es sich bei der beantragten Errichtung von Windenergieanlagen überhaupt um ein raumbedeutsames Vorhaben handele. Dies sei hier nicht der Fall. Eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts des Klägers könne deswegen nicht vorliegen. Im Übrigen sei die Klage jedenfalls unbegründet, weil es sich nicht um ein raumbedeutsames Vorhaben handele. Im Zuge der nachgeholten Abwägung komme die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Beigeladenen an der Errichtung der Windkraftanlagen die von dem Kläger aufgeführten naturschutzrechtlichen Belange überwögen.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch er ist der Auffassung, die Klage sei bereits wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig. Im Übrigen schließt er sich in der Sache der Argumentation der Beklagten an. Es handele sich nicht um raumbedeutsame Anlagen, was sich schon aus der geringen Größe der geplanten Windkraftanlagen ergebe. Die Annahme des Klägers, es handele sich um eine unverbaute Geestkuppe mit einer Höhe von 60 m über NN rechtfertige die Ablehnung ebenfalls nicht. Es handele sich lediglich um leicht hügeliges Gelände, welches mit Bäumen bzw. Wald besetzt sei. Bei dem Standort selber handele es sich um Ackerbauflächen, welche intensiv genutzt werden. In der Nähe des Standortes befinde sich eine 20 kV-Leitung. Weiterhin sei der Standort geprägt durch die entlang des Flurstücks verlaufende Landesstraße sowie einen ausgebauten Wirtschaftsweg. Auf Grund des insgesamt hügeligen Geländes und der Tatsache, dass das Gebiet auch noch teilweise bewaldet sei, ergeben sich keine große Sichtweiten. Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung des Klägers, dass die Windkraftanlagen das Landschaftsbild in einem Raum von mindestens fünf Kilometer maßgeblich bestimmen und technisch industriell verfremden würden, nicht haltbar.
Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung das für die Errichtung der Anlagen vorgesehene Grundstück und dessen Umgebung in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Terminsniederschrift vom 18. März 2004 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers und der Beklagten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2004 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige (I.) Klage ist begründet (II.)
I.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger kann gemäß § 42 Abs. 1 VwGO den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 4. Februar 2003 mit der Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht anfechten, denn er kann geltend machen, dass er durch den Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt ist. Er ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.
Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2003 enthält neben der Aufhebung des versagenden Bauvorbescheides des Klägers vom 27. September 2002 die Anweisung an den Kläger, dem Beigeladenen den beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung von zwei Windkraftanlagen auf dem Grundstück in O. zu erteilen. Diesen Bescheid hat der Kläger vollumfänglich angegriffen, sodass die Frage offen bleiben kann, ob er allein durch die Aufhebung der Versagung des Bauvorbescheides vom 27. September 2002 in eigenen Rechten verletzt ist. Eine Verletzung eigener Rechte des Klägers durch die an ihn ergangene Weisung, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen, erscheint zumindest möglich.
Hiergegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, die Weisung an den Kläger sei von ihr als zuständiger Fachaufsichtsbehörde erlassen worden und könne deshalb nicht in eigene Rechte des Klägers eingreifen, weil dieser als untere Bauaufsichtsbehörde im sog. übertragenen Wirkungskreis hier lediglich staatliche Aufgaben wahrnehme. Diese Auffassung verkennt, dass der Kläger im vorliegenden Fall in einer Doppelfunktion in Erscheinung tritt. Gemäß § 63 Absatz 1 Nds. Bauordnung (NBauO) nimmt er die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde in seinem Zuständigkeitsbereich wahr. Er ist in dieser Funktion als Teil der staatlichen Bauordnungsverwaltung der Beklagten im staatlichen Organisationsgefüge nachgeordnet, unterliegt ihrer Fachaufsicht und ist den Weisungen der Fachaufsichtsbehörde unterworfen. Nimmt eine Behörde Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises wahr, so handelt sie als Organ der mit dieser Aufgabe befassten staatlichen Verwaltung. Daraus folgt, dass eine Klage gegen die höhere Bauaufsichtsbehörde in der Regel ausgeschlossen ist, weil eigene Rechte der Baugenehmigungsbehörde nicht verletzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1964 - VIII C 29.63 - BVerwGE 19, 121 = DVBl. 1965, Seite 86).
Diese Einschränkung der Klagemöglichkeiten einer im Staatsauftrage handelnden kommunalen Behörde gilt indessen nicht, wenn die fachaufsichtliche Weisung gleichzeitig in eigene Rechte der kommunalen Gebietskörperschaft eingreift. Aus dem in Artikel 28 Abs. 2 GG garantierten Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände, das in § 1 Absatz 1 Nds. Landkreisordnung (NLO) seinen einfachgesetzlichen Ausdruck gefunden hat, folgt aber, dass eine mit diesem Selbstverwaltungsrecht ausgestattete kommunale Körperschaft, wie der Kläger, sich jedenfalls dann im Klagewege gegen fachaufsichtliche Weisungen der übergeordneten Behörde verteidigen können muss, wenn diese zugleich in sein verfassungsrechtlich garantiertes Selbstverwaltungsrecht eingreifen.
Dies ist hier der Fall. Gemäß § 3 Absatz 1 NLO gehören zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise die von ihnen im Rahmen des Aufgabenbereichs freiwillig übernommenen Aufgaben sowie diejenigen Aufgaben, die den Landkreisen als eigene zugewiesen sind.
Nach § 26 Abs. 1 Nds. Raumordnungsgesetz (NROG) sind die Landkreise und kreisfreien Städte für ihr Gebiet Träger der Regionalplanung und nehmen diese Aufgabe als Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises wahr. Als Träger der Regionalplanung tritt demnach der Kläger der Beklagten als unabhängiger mit Selbstverwaltungskompetenz ausgestatteter Rechtsträger gegenüber. Er ist verpflichtet, das Regionale Raumordnungsprogramm in eigener Verantwortung aufzustellen und beschließt dieses gemäß § 8 Abs. 3 NROG als Satzung, welche der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf, die die Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung überprüfen muss. Eine Weisungsbefugnis, die über die Einhaltung der im Landesraumordnungsprogramm niedergelegten Zielvorgaben hinausgeht, steht der Aufsichtsbehörde nicht zu und der Träger der Regionalplanung kann die Erteilung der Genehmigung für sein Regionales Raumordnungsprogramm ggf. im Klagewege vor den Verwaltungsgerichten erstreiten. Die gesetzlich verbriefte sachliche Unabhängigkeit des Klägers (§ 26 Abs. 1 NROG) würde unterlaufen, wenn es der oberen Bauaufsichtsbehörde, wie die Beklagte meint, möglich wäre, den Kläger im Wege der fachaufsichtlichen Weisung zum Ergreifen von Maßnahmen zwingen, die er als mit seinem Selbstverwaltungsrecht unvereinbar ansieht. Soweit es um die Wahrung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus Artikel 28 Abs. 2 GG geht, kann sich auch der Kläger auf das in Artikel 19 Abs. 4 GG niedergelegte Gebot effektiven Rechtsschutzes berufen und gegen die fachaufsichtliche Weisung Klage erheben.
Dem steht die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts nicht entgegen, denn sie betrifft eine andere Fallgestaltung. Das Nds. OVG hat grundsätzlich die Befugnis von Trägern der Regionalplanung hervorgehoben, Vorhaben öffentlicher Planungsträger entgegenzutreten, die aus ihrer Sicht dem Gebot des § 10 Abs. 2 NROG widersprechen, Ziele der Raumordnung und Landesplanung bei Planungen und sonstigen Maßnahmen, welche die räumliche Entwicklung eines Gebietes beeinflussen können, zu beachten (Vgl. Urt. v. 6.3.1995 - 7 L 5424/93; Beschl. v. 12.10.2000, - 7 M 3378/00 -). Im Urteil vom 20.12.2000 - 7 L 1941/00 - hat es ausgeführt, soweit in den zuvor zitierten Entscheidungen die Planungshoheit eines Planungsträgers auf dem Gebiet der regionalen Raumordnung als wehrfähiges Recht anerkannt worden sei, bedeute das nicht, dass damit jeder der in seinem Raumordnungsprogramm aufgeführten Belange dem regionalen Planungsträger einen Anspruch auf gerichtliche Kontrolle gegenüber anderen Planungsträgern vermittle. Eine Rechtskontrolle könne er nur insoweit beanspruchen, soweit er auf Belange verweise, die Ausfluss seines Selbstverwaltungsrechts seien oder sonst in eigenen Rechten wurzelten. Ein solcher Anspruch stehe dem dortigen Kläger nicht zu, weil der dort im Streit stehende Schienenpersonennahverkehr gemäß ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu den Angelegenheiten des Klägers gehöre.
Kläger und Beklagte des vorliegenden Verfahrens stehen sich indes nicht wie zwei mit unterschiedlichen Planungsaufgaben betraute Planungsträger gegenüber. Der Kläger beansprucht vielmehr die Beachtung von planerischen Zielvorgaben - Festlegung von Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen - für deren Festlegung er im Rahmen der Zielvorgaben des Landesraumordnungsprogramms gemäß § 7 NROG zuständig ist und deren Erfüllung ihm ausdrücklich als Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises (§§ 26 Abs. 1 NROG, 3 NLO) mit den gesetzlich vorgesehenen Außenwirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGBübertragen wurde. Seine Stellung ist insofern mit einem Bauplanungsträger vergleichbar, der sein bauplanungsrechtliches Selbstverwaltungsrecht durch Versagung des Einvernehmens gem. § 36 Abs. 1 BauGB und ggf. Klage gegen die Ersetzungsentscheidung verteidigt.
Dagegen ist es keine Frage der Zulässigkeit der Klage, ob die zur Genehmigung gestellten Anlagen raumbedeutsam im Sinne des § 3 Nr. 6 ROG sind und das RROP ihrer Genehmigung an dieser Stelle entgegensteht. Diese Frage ist erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage zu untersuchen.
II.
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die von dem Beigeladenen geplanten Windkraftanlagen stellen sich an dem vorgesehenen Standort als raumbedeutsam im Sinne des § 3 Ziffer 6 ROG dar. Damit ist die Errichtung der geplanten Windkraftanlagen an dem vorgesehenen Standort unzulässig, denn ihr steht das Regionale Raumordnungsprogramm 1998 des Beklagten, das Vorrangstandorte für raumbedeutsame Windkraftanlagen an anderer Stelle im Kreisgebiet ausweist, gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen.
Die Beklagte hat die Aufhebung der Versagung des Bauvorbescheides und die fachaufsichtliche Weisung an den Kläger zunächst damit begründet, das Regionale Raumordnungsprogramm 1998 (RROP 1998) des Klägers sei nach Maßgabe neuester höchstrichterlicher Rechtsprechung insgesamt unwirksam, weil bei der Aufstellung eine ordnungsgemäße Beteiligung der Grundstückseigentümer nicht stattgefunden habe. Damit könne das RROP dem Vorhaben nicht gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegengehalten werden. Von dieser Auffassung ist die Beklagte im späteren Verfahren mit Schriftsatz vom 20. August 2003 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2003 - 4 C 4/02 - ausdrücklich abgerückt und stützt ihre Weisung an den Kläger nunmehr nur noch darauf, dass die beantragten Windkraftanlagen wegen ihrer Höhe nicht raumbedeutsam seien und das RROP der Genehmigung schon aus diesem Grunde der Genehmigung nicht entgegen stehe.
Im Urteil vom 28.11.2003 - 2 A 90/01 - hat die Kammer zur Frage der Wirksamkeit des RROP 1998 des Klägers und dazu, ob die Ausweisung von Vorrangstandorten an anderer Stelle gegenüber raumbedeutsamen Vorhaben gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Ausschlusswirkung entfalten kann, bereits ausgeführt (vgl. S. 10 f des Urteilsabdrucks):
"Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 13. März 2003 - 4 C 3/02 - NVwZ 2003 , 1261 = BauR 2003, 1172 ) stellt § 35 Abs. 3 Abs. 3 BauGB die Errichtung von Windenergieanlagen (sowie anderer Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB) im gemeindlichen Außenbereich unter einen Planungsvorbehalt, der sich an die Gemeinden als Träger der Flächennutzungsplanung und an die Träger der Raumordnungsplanung, insbesondere der Regionalplanung, richtet. Der Planungsvorbehalt setzt gebietsbezogene Festlegungen des Plangebers über die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Standorten voraus, durch die zugleich ein Ausschluss der Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet angestrebt und festgeschrieben wird. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB verleiht derartigen Festlegungen rechtliche Ausschlusswirkung gegenüber dem Bauantragsteller mit der Folge, dass Vorhaben außerhalb der Konzentrationszonen in der Regel unzulässig sind. Die negative und die positive Komponente der festgelegten Konzentrationszonen bedingen einander. Der Ausschluss der Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zu Grunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird. Die Abwägung aller beachtlichen Belange muss sich auf die positiv festgelegten und die ausgeschlossenen Standorte erstrecken. Eine normative Gewichtungsvorgabe, der zufolge ein Planungsträger der Windenergienutzung im Sinne einer speziellen Förderungspflicht bestmöglich Rechnung zu tragen habe, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Eine gezielte (rein negative) "Verhinderungsplanung" ist dem Plangeber jedoch verwehrt. Er muss die Entscheidung des Gesetzgebers, Windenergieanlagen im Außenbereich zu privilegieren (§ 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB), beachten und für die Windenergienutzung im Plangebiet in substanzieller Weise Raum schaffen. Eine "Verhinderungsplanung" liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn die Festlegung von Konzentrationsflächen im Ergebnis zu einer Art Kontingentierung der Anlagenstandorte führt.
Das Raumordnungsprogramm 1998 des Beklagten hat anhand eines Kriterienkataloges Standorte für die Errichtung von Windenergieanlagen im Kreisgebiet ausgewählt und die nach diesen Kriterien gefundenen Potenzialflächen einer Abwägung mit den übrigen Aussagen des RROP unterzogen und auf dieser Grundlage an verschiedenen Standorten im Kreisgebiet Vorrangstandorte ausgewiesen. Eine Ausweisung der hier zur Bebauung mit Windkraftanlagen vorgesehenen Flächen ist nicht erfolgt. Auch im Rahmen der Änderung des Regionalen Raumordnungsprogramms durch Satzungsbeschluss des Kreistages des Beklagten vom 26. Juni 2001 ist der zunächst in die Planungen aufgenommene Windenergiestandort in der Gemarkung P. nicht berücksichtigt worden, weil von Seiten der Bezirksregierung und des Landkreises M. als benachbartem Träger der Regionalplanung sowie von den anerkannten Naturschutzverbänden wegen der Nähe zu ökologisch wertvollen Bereichen schwer wiegende Bedenken geäußert worden waren.
Substantiierte Bedenken gegen die von dem Beklagten vorgenommene Auswahlentscheidung und Abwägung bezüglich der Ausweisung von Vorrangstandorten sind von der Klägerin nicht vorgetragen worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Ihre allgemeine Behauptung, der Beklagte verfolge aus politischen Gründen eine Verweigerungsstrategie lässt sich nicht belegen. Festzustellen ist, dass insgesamt 15 Vorrangstandorte für Windenergieanlagen im Kreisgebiet ausgewiesen worden sind, sodass von einer Verhinderungsplanung nicht die Rede sein kann."
An dieser Auffassung hält die Kammer auch für das vorliegende Verfahren fest. Es besteht daher auch keine Veranlassung mehr, der Frage nachzugehen, ob die Beklagte die fachaufsichtliche Weisung damit begründen durfte, das im eigenen Wirkungskreis von dem Kläger erlassene und von der Beklagten genehmigte RROP 1998 sei unwirksam, ohne zuvor ihre eigene inzwischen bestandskräftige Genehmigung zu widerrufen.
Das danach wirksame RROP 1998 des Klägers steht dem Vorhaben der Beigeladenen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen, weil dieses Vorrangstandorte für raumbedeutsame Windkraftanlagen an anderer Stelle im Kreisgebiet des Klägers ausweist.
Zwar gilt die Ausschlusswirkung, die § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an bestimmte Ziele der Raumordnung knüpft, nur für raumbedeutsame Vorhaben (BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4.02 - DVBl. 2003, 1064). Die Ausweisung von Vorrangstandorten von Windenergieanlagen an anderen Stellen im Kreisgebiet des Klägers steht der Erteilung eines Bauvorbescheides gemäß § 74 NBauO hier aber entgegen, weil sich die Errichtung von 2 Windkraftanlagen mit der geplanten Größe von 58 m Nabenhöhe an dem vorgesehenen Standort als raumbedeutsam darstellt. Unter den Begriff der raumbedeutsamen Vorhaben sind nicht nur Planungen und Maßnahmen zu fassen, durch die Grund und Boden in Anspruch genommen wird, sondern auch solche, durch die die räumliche Entwicklung eines Gebiets beeinflusst wird. Wann das Merkmal der Raumbeeinflussung erfüllt ist, ist eine Frage der Würdigung des Einzelfalles (BVerwG, Beschl. vom 07.11.1996 - 4 B 170/96 - NVwZ-RR 1997, 523 = Buchholz 442.40 § 8 Luftverkehrsgesetz Nr. 13 = DVBl. 1997, 434). Raumbedeutsam ist u.a. ein Vorhaben, das die räumliche Funktion eines Gebietes beeinflusst (BVerwG, Urt. v. 13.03.2003 - 4 C 4.02 - a.a.O.). Hiernach kann bereits eine einzelne Windkraftanlage mit einer Höhe von knapp 100 Metern wegen ihrer vertikalen Ausdehnung und ihren Wirkungen auf die weitere Umgebung als raumbedeutsam angesehen werden (BVerwG, Beschluss vom 02.08.2002 - 4 B 36/02 zitiert nach Juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.02.2003 - 1 AL 406/01 - zitiert nach Juris).
Für die Annahme, dass bereits eine einzige Windkraftanlage und damit erst recht 2 Anlagen als raumbedeutsam im Sinne des § 35 Absatz 3 Satz 2 und 3 BauGB angesehen werden können, sprechen auch die Gesetzesmaterialien. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Baugesetzbuches heißt es zur Frage der Einführung einer Privilegierung für Windenergieanlagen im Außenbereich:
"Es ist notwendig, über die von der Rechtsprechung erfasste Privilegierung nach § 35 Absatz 1 BauGB hinaus auf der bundesrechtlichen Ebene für Anlagen zur Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Windenergie eine allgemeine Privilegierung wie in den anderen Fällen des § 35 Absatz 1 BauGB festzulegen. Diese Privilegierung lässt die Befugnis und Obliegenheit der kommunalen und regionalen Planungskörperschaften unberührt, die Standortwahl für die Errichtung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie durch die Aufstellung lenkender und qualifizierter Planungen bzw. durch die Ausweisung von Vorranggebieten und -flächen entsprechend den abzuwägenden Interessen zu lenken."
Zu Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfes heißt es dann:
"Für die Steuerung bietet sich die Konzentration von solchen Anlagen an. Mit dem angefügten Satz in § 35 Absatz 3 BauGB soll daher unter Berücksichtigung der Systematik des § 35 BauGB die Möglichkeit der planerischen Konfliktbewältigung gegeben werden. Da das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 57/84 - entschieden hat, dass Gemeinden Abgrabungsgebiet für Kies und Sand darstellen können mit dem Ziel, diese in den ausgewiesenen Standort zu konzentrieren und der Folge, sie im übrigen Außenbereich zu vermeiden, wurde die Formulierung in dem dazufügenden Satz bewusst offen gehalten und nicht auf Windenergieanlagen beschränkt. Eine entsprechende Formulierung ist auch für die Raumordnung und Landesplanung aus mehreren Gründen erforderlich. Zum einen bezieht sich das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 22. Mai 1987 hinsichtlich der Abgrabungskonzentration nur auf den Bereich der Bauleitplanung. Die Frage inwieweit sich diese Rechtsprechung auf die Raumordnung und Landesplanung übertragen lässt, kann zu Streitigkeiten führen. Zum Anderen kann Streit über die Frage entstehen, ob eine einzelne Windkraftanlage ein raumbedeutsames Vorhaben ist und ob insofern § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGBüberhaupt Anwendung findet. Verneint man diese Frage, entfällt für die Raumordnung und Landesplanung jegliche Steuerungsmöglichkeit. Da die Landesplanung von ihrem Auftrag her an der Konzentration von Vorhaben in bestimmten Gebieten interessiert sein muss, muss auch für die Raumordnung und Landesplanung eine entsprechende Steuerungsmöglichkeit vorgesehen werden. Eine Einschränkung der Privilegierung auf Einzelanlagen ist abzulehnen, weil dies zu einer Zersplitterung des Außenbereichs führen kann, mögliche Standorte nicht optimal ausgenutzt werden könnten und Gründe des Natur- und Landschaftsschutzes entgegen stehen."
Hieraus wird erkennbar, dass wesentliches Ziel der Gesetzesänderung - neben der Schaffung einer grundsätzlichen Privilegierungsmöglichkeit für Windenergieanlagen im Außenbereich - vor Allem auch die Schaffung eines Instrumentariums zur bauplanungsrechtlichen Steuerung der Zulassung solcher Anlagen in Konzentrationsräumen sein sollte. Das Ziel des Gesetzgebers, Windenergieanlagen durch die Mittel des Raumordnungs- und Bauplanungsrechts trotz der Einführung der gesetzlichen Privilegierung in bestimmten Regionen zu konzentrieren, würde durch eine zu enge Auslegung des Begriffes der Raumbedeutsamkeit konterkariert. Wie sich aus der oben zitierten obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage der Raumbedeutsamkeit ergibt, können auch einzelne Anlagen mit einer Höhe von knapp 100 Meter wegen ihrer optischen Wirkung und der planerischen Auswirkung auf die Umgebung bereits als raumbedeutsam angesehen werden (Vgl. Urt. der Kammer v. 18.11.2003 - 2 A 90/01 -).
Die Beklagte ist im vorliegenden Verfahren zunächst selbst von der Raumbedeutsamkeit der Anlagen, die zwischen zwei im RROP des Klägers ausgewiesenen Vorsorgegebieten für Natur und Landschaft errichtet werden sollen, ausgegangen. Sie hat diese Auffassung dann im Hinblick auf die nach ihrer Ansicht fehlende Beeinflussung der zwischen N. und I. vorherrschenden Agrarlandschaft und der nur sehr geringen Höhenunterschiede in diesem Bereich, die eine optische Fernwirkung nicht erwarten ließen, aufgegeben.
Dem steht der von der Kammer in der Ortsbesichtigung gewonnene Eindruck entgegen. Die Höhenunterschiede in diesem Teil des Kreisgebietes des Klägers sind naturgemäß nicht mit denen einer Mittelgebirgslandschaft zu vergleichen. Gleichwohl war festzustellen, dass der geplante Standort der Anlagen sich auf einer Richtung Süd-Südwest und Osten merklich abfallenden höhergelegenen Fläche befindet. Diese Fläche war bis auf eine 20 KV Stromleitung von jeglicher Bebauung frei und der Blick führt insbesondere in Richtung Süden und Osten weit in die Ferne. Gleiches gilt für die Richtung Norden. Lediglich in westlicher und nordöstlicher Richtung war der Blick durch Wald begrenzt. Unter diesen Umständen muss von einer großen optischen Fernwirkung der Anlagen an diesem Standort ausgegangen werden, gerade weil es sich um Baukörper handelt, die bezüglich ihrer Höhe in der gesamten Umgebung kein Vorbild haben. Gerade weil die Umgebung des Standortes nicht durch bedeutende Bodenerhebungen oder andere topographische Besonderheiten gekennzeichnet ist, wäre selbst eine Windkraftanlage dieser Größe schon aus relativ großer Entfernung und nahezu allen Richtungen deutlich als die Landschaft maßgeblich prägendes Element sichtbar. Erst recht gilt dies für zwei relativ dicht beieinander stehende Anlagen. Die Argumentation der Beklagten, die Landschaft im Bereich des Standortes zeichne sich nicht durch deutliche Höhenunterschiede aus, widerlegt dies nicht. Gerade weil bedeutende Höhenunterschiede von Natur aus in diesem Bereich nicht vorkommen, ist die Empfindlichkeit des Landschaftsbildes in vertikaler Richtung besonders hoch, denn anders als in topographisch stark gegliederten Gebieten gibt es keine Hindernisse, die die Blickbeziehungen unterbrechen.
Die Raumbedeutsamkeit der Anlagen folgt auch daraus, dass diese, wie die Beklagte selbst einräumt, zwischen zwei im RROP 1998 des Klägers ausgewiesenen Vorsorgegebieten für Natur und Landschaft liegt. Südwestlich, westlich der Ortschaft N. befindet sich ein weiteres Vorsorgegebiet. Das Landesraumordnungsprogramm weist in diesem Bereich große Gebiete am und in unmittelbarer Nähe des Standortes als Erholungsräume aus, die aus Landessicht für eine Festlegung von Vorsorgegebieten für Erholung in Betracht kommen (vgl. Beikarte 5 zum LROP). Dieser Vorgabe ist der Kläger nachgekommen und hat die östlich des Standortes in ca. 5 km Entfernung liegende Stadt L. im RROP 1998 als Standort mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Fremdenverkehr dargestellt. Dazu heißt es im RROP 1998 (C + D 1.5 Siedlungsentwicklung, Wohnen, Schutz siedlungsbezogener Freiräume - S. 30), dass an diesen Standorten andere Nutzungen frühzeitig mit dem Fremdenverkehr so in Einklang gebracht werden, dass sie langfristig die Sicherung und Entwicklung des Fremdenverkehrs unterstützen. Das Freizeitangebot selbst soll überwiegend der ruhigen landschaftsbezogenen Erholung und damit einem "sanften" Tourismus dienen, bei dem das Wandern, Radfahren und Naturerleben im Vordergrund stehen (E 3.1 RROP 1998 - S. 115). In der Umgebung eines "Standortes mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Fremdenverkehr" und zwar eines Fremdenverkehrs, der in seiner Erholungsfunktion auf ein weites Ausgreifen in die Umgebung angelegt ist (Wandern, Radfahren), stellt sich die Errichtung der geplanten Windkraftanlagen und damit eine nachhaltige und weiträumig sichtbare Veränderung der Landschaft als raumbedeutsam gemäß § 3 Ziffer 6 ROG dar.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung gegen dieses Urteil war gemäß § 124a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil der Frage, ob der Kläger durch die Aufhebung seines Ablehnungsbescheides und die fachaufsichtliche Weisung der Beklagten einen positiven Bauvorbescheid zu erteilen in eigenen Rechten verletzt ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Streitwertbeschluss:
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in Anlehnung an den Streitwertkatalog des Nds.OVG für Verfahren, die nach dem 1.1.2002 eingegangen sind (Nds.VBl. 2002, S. 192). Die Kammer hält die analoge Anwendung der Ziffer 16 des Streitwertkataloges für vertretbar. Denn ebenso wie beim Streit um die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens geht es auch in der vorliegenden Fallgestaltung um die Geltendmachung kommunaler Planungshoheit durch den Kläger. Ziffer 16 des Streitwertkataloges enthält einen Streitwertrahmen von 5.000,-- bis 150.000,- EUR. Hier hält die Kammer einen Streitwert von 20.000,-- Euro je Anlage, mithin einen Gesamtstreitwert von 40.000,-- EUR für vertretbar.
Leiner, Richter am Verwaltungsgericht
Klinge, Richter am Verwaltungsgericht