Landgericht Hannover
Urt. v. 18.11.1994, Az.: 6 O 81/94
Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen fehlender Vollziehung; Zustellung der einstweiligen Verfügung
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 18.11.1994
- Aktenzeichen
- 6 O 81/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 16706
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:1994:1118.6O81.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Celle - 09.03.1994 - AZ: 13 U 31/94
Rechtsgrundlagen
- § 929 Abs. 2 ZPO
- § 198 ZPO
Prozessführer
...
Prozessgegner
...
In dem Rechtsstreit
auf Aufhebung einer einstweiligen Verfügung
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Oktober 1994
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht
des Richters am Landgericht sowie
der Richterin am Landgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hannover vom 08.03.1994 - 6 O 81/94 - in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts Celle vom 09.03.1994 - 13 U 31/94 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Aufhebungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Das. Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,00 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 35.000,00 DM.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt die Aufhebung der gegen sie durch Urteil des Landgerichts vom 08.03.1994 in diesem Rechtsstreit ergangenen, von Amts wegen zugestellten einstweiligen Verfügung, derzufolge sie in der Zeit zwischen dem 08. und dem 10.03.1994 verpflichtet gewesen wäre, Wahlwerbespots der Beklagten zu senden. Die Berufung der Klägerin gegen diese Entscheidung ist durch Urteil vom 09.03.1994 des Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen 13 U 31/94) mit der Maßgabe zurückgewiesen worden, daß die Klägerin nur Zug um Zug gegen Zahlung von 8.400,00 DM zu senden hatte. Diesen Antrag hat die Beklagte einem Anwalt der Klägerin am gleichen Tag übergeben. Die Zustellung des Urteils erfolgte wiederum von Amts wegen am 10.03.1994. Noch am 09.03.1994 beantragte der am Landgericht Hannover nicht zugelassene Rechtsanwalt die Festsetzung, eines Zwangsgeldes gegen die Klägerin. Diesem Begehren hat die Kammer mit Beschluß vom 10.03.1994 entsprochen. Das Oberlandesgericht Celle hat den Beschluß unter Zurückweisung des Antrags auf Zwangsgeldfestsetzung wegen Verstoßes gegen § 78 Abs. 1 ZPO aufgehoben (Aktenzeichen: 13 W 25/94).
Die Klägerin ist der Ansicht, daß ein Vollziehungsversuch der einstweiligen Verfügung bis zum 10.03.1994 nicht erfolgt sei, so daß sie aufzuheben sei. Die neben der Amtszustellung, die zur Vollziehung einer Leistungsverfügung nicht ausreiche, auch durch Rechtsanwalt erfolgte Zustellung des erstinstanzlichen Urteils sei nicht nur zu spät, sondern wegen fehlender Bevollmächtigung des Anwalts durch die Beklagte auch unwirksam gewesen. Da auch der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes ins Leere gegangen sei, gebe es keine Maßnahme, die als Vollziehung der einstweiligen Verfügung gelten könne.
Die Klägerin beantragt,
die durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 08.03.1994 - 6 O 81/94 - in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts Celle vom 09.03.1994 - 13 U 31/94 - erlassene einstweilige Verfügung aufzuheben und der Verfügungsklägerin die Kosten des Verfügungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des klägerischen Schriftsatzes vom 15.07.1994 (Bl. 319 ff.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der auf die §§ 927, 929 Abs. 3, 936 ZPO gestützte Antrag ist unbegründet.
Die einstweilige Verfügung ist nicht wegen fehlender Vollziehung aufzuheben. Zwar lief die Frist zur Vollziehung im vorliegenden Fall nicht einen Monat, wie in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehen, sondern nur bis zum 10.03.1994. Innerhalb dieses Zeitraumes ist jedoch die einstweilige Verfügung von Amts wegen zugestellt worden, ferner hat die Beklagte die vom Oberlandesgericht Celle angeordnete Zug-um-Zug-Leistung erbracht und einen - wenn auch unzulässigen - Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen die Klägerin gestellt. Damit ist von der einstweiligen Verfügung Gebrauch gemacht und eine Vollziehung eingeleitet worden.
Daß die Zustellung der einstweiligen Verfügung im Parteibetrieb gemäß § 198 ZPO zwar entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch für das erstinstanzliche Urteil wirksam (die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts durch die Beklagte ist schon im landgerichtlichen Urteil erwähnt, und die Zustellung der Entscheidung konnte auch von einem dort nicht zugelassenen Anwalt vorgenommen werden, vgl. BGHZ 31, 35 [BGH 07.09.1959 - IV ZR 68/59]), aber nicht mehr innerhalb der Frist bis zum 10.03.1994 erfolgt ist, spielt für die Vollziehung keine Rolle, denn beide Urteil sind den Parteien nach § 317 Abs. 1 ZPO zugestellt worden. Neben der Amts Zustellung war zur wirksamen Vollziehung der Verfügung nicht auch noch eine Zustellung im Parteibetrieb erforderlich (vgl. BGH NJW 1990, 122; OLG Celle NJW-RR 1990, 1088 [OLG Celle 29.05.1990 - 4 U 14/90]; OLG Oldenburg FamRZ 1989, 879). Allerdings schließt sich die Kammer ebenfalls der Auffassung an, daß bei einer Amtszustellung die Absicht des Verfügungsgläubigers, die Leistungsverfügung durchsetzen zu wollen, in irgendeiner Form daneben zum Ausdruck kommen muß. Dies kann auch durch andere Maßnahmen als durch die zusätzliche und überflüssige Parteizustellung geschehen, sofern der Durchsetzungswille nur unmißverständlich zum Ausdruck kommt. Hier hat die Verfügungsklägerin ihren Willen zur Durchsetzung der einstweiligen Verfügung innerhalb der Vollziehungsfrist hinreichend klar und für die Verfügungsbeklagte erkennbar dokumentiert. Zum einen ließ die sofortige, unmittelbar nach Verkündung der oberlandesgerichtlichen Entscheidung erfolgte Zahlung der 8.400,00 DM keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Verfügungsklägerin gewillt war, die zu ihren Gunsten ergangene Entscheidung durchzusetzen. Der Anspruch auf Sendung der Wahlwerbespots bestand nunmehr einredefrei, und die Klägerin war sich nach streitigen Verhandlungen in zwei Instanzen der Ernsthaftigkeit des Anliegens auf Seiten der Beklagten sicher bewußt. Dabei spielt es nach Ansicht der Kammer keine Rolle, daß die Zahlung selbst noch keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme war. Ausreichend ist, daß mit der Entrichtung des Betrages von 8.400,00 DM der unmißverständliche Wille zur Vollziehung der Verfügung hervorgetreten war. Zum anderen hat die Verfügungsklägerin innerhalb der Frist bis zum 10.03.1994 einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach Maßgabe des § 888 ZPO gestellt. Mit der Zustellung des - wenn auch rechts fehlerhaft ergangenen - landgerichtlichen Beschlusses am letzten Tag der Frist hat die Klägerin Kenntnis vom Durchsetzungswillen der Verfügungsgläubiger in erhalten. Bei einer Leistungsverfügung ist die Einleitung der Zwangsvollstreckung nach überwiegend vertretener Ansicht (vgl. Stein-Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 8929 II, Rdn. 15) zur Wahrung der Vollziehungsfrist ausreichend. Nicht erforderlich ist, daß die Vollstreckung schon begonnen hat. Positiv-rechtlicher Ansatzpunkt dafür ist § 932 Abs. 3 ZPO, der bestimmt, daß als Vollziehung im Sinne des § 929 Abs. 2 ZPO - der im vorliegenden Fall zumindest seinem Grundgedanken nach über § 936 ZPO anwendbar ist - bei der Arresthypothek die Stellung des Eintragungsantrags gilt. Der Arrestgläubiger soll aus der Dauer der Zeit bis zur Vornahme der Eintragung keinen Nachteil erleiden. Dieser Gesetzeswille ist insoweit erweiterungsfähig, als es auch bei einem anderen Vollstreckungsakt als der Eintragung einer Arresthypothek unbillig wäre, den Verfügungsberechtigten die Nachteile einer nicht sofort durchgeführten Vollstreckungsmaßnahme tragen zu lassen. Mithin scheint es gerechtfertigt, den bloßen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte als Voltziehung zu behandeln.
Diese Wertung wird nicht dadurch wieder aufgehoben, daß sich hier der entsprechende Antrag der Verfügungsklägerin als unzulässig erwiesen hat. Insbesondere kann aus der Unzulässigkeit nicht auf einen fehlenden Durchsetzungswillen geschlossen werden. Der Gläubiger einer einstweiligen Verfügung macht mit der Antragstellung als solcher bereits unmißverständlich klar, aus der Verfügung vorgehen zu wollen; er hat damit seiner Handlungspflicht im Rahmen der §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO genüge getan. Auch wenn der Antrag unzulässig bzw. vergeblich war, reichte er zur Wahrung der Vollziehungsfrist doch aus (vgl. Stein-Jonas a.a.O., Rdn. 11; OLG Celle NJW 1968, 1682 [OLG Celle 05.06.1968 - 4 Wx 10/68]). Allein entscheidend ist die Dokumentierung der Durchsetzungsabsicht, mag sich das Vorgehen auch als untauglich erweisen.
Somit war der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung mit den prozessualen Nebenentscheidungen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO abzuweisen.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 35.000,00 DM.