Landgericht Hannover
Urt. v. 08.03.1994, Az.: 6 O 81/94
Anspruch auf Ausstrahlung von Wahlwerbespots anlässlich einer Landtagswahl im Rahmen einer eintsweiligen Verfügung; Vorliegen der erforderlichen Eilbedürftigkeit im Rahmen einer einstweiligen Verfügung bei Ablehnung eines Antrags auf Ausstrahlung von Wahlwerbespots
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 08.03.1994
- Aktenzeichen
- 6 O 81/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 16705
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:1994:0308.6O81.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 935 ZPO
- § 1 LRG, NI
- § 21 LRG, NI
Fundstelle
- NJW 1994, 2236 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Einräumung von Sendezeiten für Wahlwerbung
In dem Rechtsstreit
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 1994
unter Mitwirkung der Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Verfügung aufgegeben, in dem von ihr ausgestrahlten Fernsehprogramm zwei Wahlwerbespots der Antragstellerin von je 30. Sekunden Dauer in der Zeit zwischen dem 08.03.1994 und dem 10.03.1994 jeweils zwischen 15.00 Uhr und 19.00 Uhr nach Wahl der Antragsgegnerin mit folgendem Text zu senden und der Antragstellerin die Ausstrahlungstermine zuvor mitzuteilen:
"Liebe Niedersachsen!
Aufgabe der Politik ist es vor allem, den Bürger vor Gefahren zu schützen und in besonders schwierigen Zeiten den rechten Weg zu weisen.
Die Altparteien haben hier versagt. Die innere Sicherheit ist dahin.
Das internationale Verbrechertum durchdringt bereits alle Lebensbereiche. Wir meinen daher: Bürger, wehrt euch! Wählen Sie jetzt Republikaner!"
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Streitwert: 25.000,00 DM. ...
Tatbestand
Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin die Ausstrahlung von zwei Werbespots anläßlich der Landtagswahl in Niedersachsen. Zur Begründung ihres Eilantrags macht sie glaubhaft, von der Antragsgegnerin hingehalten worden zu sein.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, in dem von ihr ausgestrahlten Fernsehprogramm zwei Wahlwerbespots der Antragstellerin von je 30 Sekunden Dauer in der Zeit zwischen dem 20.02.1994 und dem 10.03.1994 jeweils zwischen 15.00 Uhr und 19.00 Uhr nach Wahl der Antragsgegnerin mit folgendem Text zu senden und der Antragstellerin die Ausstrahlungstermine bis spätestens 08.03.1994 mitzuteilen:
"Liebe Niedersachsen!
Aufgabe der Politik ist es vor allem, den Bürger vor Gefahren zu schützen und in besonders schwierigen Zeiten den rechten Weg zu weisen.
Die Altparteien haben hier versagt. Die innere Sicherheit ist dahin.
Das internationale Verbrechertum durchdringt bereits alle Lebensbereiche. Wir meinen daher: Bürger, wehrt euch! Wählen Sie jetzt Republikaner!"
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,
hilfsweise,
dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nur gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung von 8.400,00 DM bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Hannover stattzugeben.
Sie bestreitet die Aktivlegitimation der Antragstellerin und die Bevollmächtigung ihres Rechtsanwalts ... meint, aus dem vorprozessualen Schriftverkehr zwischen den Parteien herleiten zu können, daß die Antragstellerin die Verzögerungen zu verantworten habe und ist der Ansicht, diese könne nun wegen eigener Säumnisse nicht auch noch das Recht in Anspruch nehmen, Werbespots zu besonders guter Sendezeit, nämlich unmittelbar vor der Wahl, eingeräumt zu bekommen, zumal wegen grundsätzlicher Ablehnung der Ausstrahlung von Wahlwerbesendungen auch den anderen Parteien - jedenfalls bisher - keine Wahlwerbung zugestanden worden sei.
Im übrigen hält die Antragsgegnerin den Inhalt des Werbespots wegen Verstoßes gegen strafrechtliche Bestimmungen für unzulässig.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der auf die §§ 1, 21 Nds. Landesrundfunkgesetz, 935 ff. ZPO gestützte Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat Erfolg, wobei in Bezug auf die im Antrag enthaltenen Daten eine Entscheidung nach verständiger Würdigung und Auslegung des Antrags dahin zu ergehen hatte, daß die beiden Wahlwerbespots in dem verbliebenen Zeitraum nach Verkündung dieser Entscheidung auszustrahlen und die Sendezeiten zuvor mitzuteilen sind.
Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert, denn sie ist eine politische Partei und tritt als Landesverband und damit als höchster Gebietsverband für das Land Niedersachsen, in welchem die Wahl stattfindet, auf (vgl. zur Parteifähigkeit Baumbach/Lauterbach, ZPO, 52. Aufl., § 50 Rdr. 15).
Auch die Prozeßvollmacht von Rechtsanwalt ... als Oberbevollmächtigten und von Rechtsanwalt ... als Unterbevollmächtigen der Antragstellerin ist aufgrund entsprechender Versicherung in der mündlichen Verhandlung belegt.
Daß ein Verfügungsanspruch vorliegt und die Antragsgegnerin verpflichtet ist, Wahlwerbung für zugelassene Parteien auszustrahlen, ist nicht streitig, ebensowenig die begehrte Anzahl der Sendungen. Dieser Verpflichtung handelt die Antragsgegnerin schon deshalb zuwider, weil sie - noch in der mündlichen Verhandlung - ihre grundsätzliche Weigerung, zur Landtagswahl in Niedersachsen überhaupt Wahlwerbesendungen auszustrahlen, zum Ausdruck gebracht hat. Infolgedessen ist auch eine Eilbedürftigkeit und damit ein Verfügungsgrund gegeben, der seine Ursache schon in der Ablehnung der Antragsgegnerin hat, ohne daß es darauf ankommt, ob die Antragstellerin selbst ihre Rechte gegenüber der Antragsgegnerin nachlässig und zögerlich verfolgt hat.
Davon abgesehen folgt aus der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen ..., deren inhaltliche Richtigkeit von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt worden ist, daß die Vorlage des Werbespots zweimal in der Zeit vom 21. bis 24.02.1994 telefonisch angeboten wurde, so daß auch die von der Antragsgegnerin geforderte Vorlage- und Prüfungsfrist von 10 Tagen vor Ausstrahlung eingehalten werden konnte. Die rechtzeitige Prüfung ist jedoch von ihr verhindert worden; erst mit Schreiben vom 28.02.1994 hat sich die Antragsgegnerin bequemt, auf das Angebot der Antragstellerin zur Übersendung des Werbespots zu reagieren, wie sie schon zuvor erst nach Wochen und wiederholter Antrage geantwortet hat.
Eine ohne Zeitdruck mögliche Überprüfung des Inhalts der Werbesendung hätte schließlich zu keinen Beanstandungen führen können, denn der Spot - von dem Fernsehsender RTL längst ausgestrahlt - beschränkt sich auf die Wiedergabe eines der Antragsgegnerin bereits übermittelten Textes durch eine abgebildete Person, der rechtlich nicht zu beanstanden ist. Insbesondere läßt sich der Passage "Das internationale Verbrechertum durchdringt bereits alle Lebensbereiche" nicht entnehmen, daß pauschal alle Gesellschaftsgruppen organisierter krimineller Machenschaften bezichtigt werden.
Vielmehr wird - als Meinungsäußerung - die Ansicht vertreten, daß internationale Verbrecherorganisationen und mafiose Strukturen von außen in unsere Gesellschaft eindringen, eine Auffassung, die von Vertretern nahezu aller Parteien geteilt wird.
Anlaß zur Anordnung einer Sicherheitsleistung bestand nicht, weil aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen ... glaubhaft gemacht ist, daß Zahlungsbereitschaft von Anfang an bestanden hat und nicht zu erkennen ist, daß sich die Antragstellerin in einer schlechten Vermögenslage befindet oder der Antragsgegnerin mit Vollziehung der einstweiligen Verfügung ein Schaden droht.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 25.000,00 DM. ...