Amtsgericht Lüneburg
Urt. v. 15.02.2002, Az.: 11 C 339/00

Bibliographie

Gericht
AG Lüneburg
Datum
15.02.2002
Aktenzeichen
11 C 339/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36058
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLUENE:2002:0215.11C339.00.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat das Amtsgericht Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2002 durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.980,24 € nebst 11,5 % Zinsen seit dem 22.06.2000 zu zahlen.

  2. 2.)

    Die Beklagte wird ferner verurteilt, namens des Klägers 289,85 € an das xxxxxx auf dessen Rechnung vom 11.05.2000 zu zahlen.

  3. 3.)

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. 4.)

    Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

  5. 5.)

    Streitwert: 3. 270 €.

Tatbestand

1

Der Kläger ist verfügungsberechtigter Halter eines Pkw Toyota Yaris, der im Zeitpunkt des Schadensfalles sechs Monate alt war. Die Beklagte betreibt eine Waschanlage in Lüneburg.

2

Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten für Schäden, die anläßlich eines Waschvorganges am 8. Mai 2000 dem Fahrzeug des Klägers durch Teile der Waschanlage zugefügt worden sind.

3

Am genannten Tag fuhr der Kläger nach Bezahlung des Entgeltes in die vollautomatische Waschstraße der Beklagten ein, stellte den Motor ab und ließ das Fahrzeug ohne weiteres eigenes Zutun durch die Waschanlage ziehen.

4

Beim Waschvorgang wurde von der oben laufenden Rolle der Waschmaschine das Dach der Fahrzeuges eingedrückt.

5

Mit der Klage machte der Kläger schadensbedingte Reparaturkosten, Wertminderung und Gutachterkosten geltend.

6

Der Kläger beantragt,

  1. wie erkannt.

7

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

8

Sie behauptet, dass die Beschädigung des Fahrzeuges auf einem Konstruktionsbedingten Mangel des Toyota Yaris beruht habe. Üblicherweise würden die Fahrzeugdächer zwischen der A- und B-Säule noch mit einer Querverstrebung verstärkt, um möglichen mechanischen Einwirkungen auf das Dach insoweit begegnen zu können. Bei dem Toyota Yaris des Klägers, Baujahr 1999, sei diese Verstärkungsstrebe nicht vorhanden.

9

Im Übrigen ist sie der Ansicht, dass den Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür treffe, dass objektiv ein Vertragsverstoß sowie ein Schaden auf Klägerseite vorliege und dass die Schadensursache aus dem Gefahrenkreis der Beklagten stamme. Erst dann sei sie umgekehrt verpflichtet, den Nachweis zu führen, dass sie kein Verschulden treffe.

10

Vorsorglich behauptet sie , dass die Waschanlage regelmäßig gewartet werde und dem Stand der Technik entspreche und sowohl vor wie auch nach dem Schadensfall fehlerfrei funktioniert habe. Tatsächlich habe es sich um eine einmalige Fehlfunktion einer ansonsten beanstandungsfrei laufenden Waschanlage gehandelt und der gesamte Vorfall unterfalle dem allgemeinen Lebensrisiko des Klägers.

11

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung dreier Mitarbeiter der Beklagten.

12

Zum Beweisergebnis wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 02.05.2001, Blatt 112 der Akten.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist in vollem Umfang begründet, weil der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz seiner Schäden aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertragsverhältnis hat. Dieses enthält konkludent die Abrede, dass die Beklagte als Betreiberin einer Waschanlage sämtliche Nutzer der Waschanlage von solchen Schäden freistellt, die an den zu gewaschenen Kraftfahrzeugen bei Durchlaufen der Anlage entstehen.

14

1. Dabei kann das Gericht dahinstehen lassen, ob sich die Beklagte im Rahmen einer Beweislastumkehr zu exkulpieren hat und ob eine solche Exkulpation aufgrund der Angaben ihrer Mitarbeiter angenommen werden kann.

15

2. Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass die vereinbarte Garantiezusage ausnahmsweise nicht greifen könnte, weil die Schadensursache unzweifelhaft auf Seiten des Klägers, und zwar in einer fehlerhaften Beschaffenheit seines Fahrzeuges, zu suchen sein könnte. Die Beklagte verweist auf einen Artikel der "Autobild" vom 13. Februar 2001, in dem es heißt, dass nach Informationen eines Augsburger Waschanlagenherstellers auch der Kleinwagen Toyota "Yaris" unter gelegentlichen (!) Dachschäden leide. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag nicht ausreichend konkretisiert ist, um einen Konstrukteurfehler beim klägerischen Fahrzeug zu begründen, läßt doch der Wortlaut des Artikels den Umkehrschluß zu, dass es sich bei dem vorliegend zu beurteilenden Schaden um einen sogenannten "Ausreißer" handelt, d. h. : ein in 99,99 % der Vertragsabwicklungen einwandfreies Produkt wird angeboten und aufgrund technischer Gegebenheiten lassen sich ganz vereinzelt fehlerhafte Leistungen nicht vermeiden.

16

3. Bei dieser Sachlage ist der Vertrag ergänzend dahin auszulegen, dass die Beklagte gegenüber den Nutzern der Waschanlage uneingeschränkt für solche Schäden einsteht, die den Pkw auch aufgrund des ordnungsgemäßen Betriebes der Anlage (ohne menschliches Versagen) zugefügt werden.

17

a) Interessengerecht ist diese Auslegung zum einen, weil es nur die Beklagte ist, die von solchen "Ausreißern" weiß und die die Nutzer der Waschanlage unstreitig nicht darauf hingewiesen hat. Demgegenüber kann der Kläger als durchschnittlicher Autofahrer das mit dem Waschvorgang verbundene Restrisiko nicht überschauen.

18

b) Zum anderen konnte der Kläger nach der Verkehrssitte damit rechnen, dass die Beklagte mit einer vom Verschulden unabhängigen Haftung einverstanden ist, weil sich die Beklagte als Betreiberin einer vollautomatischen Waschanlage gegen sogenannte "Ausreißerschäden" nicht nur versichern kann, sondern auch in aller Regel versichern wird. In weitesten Bereichen der Rechtsordnung (Eisenbahnbetrieb, Energieanlagen, Straßenverkehr, Luftverkehr, Wasserhaushalt, Arzneimittel, Produkte, Umweltemissionen) müssen Betreiber von Anlagen von Gesetzes wegen für die typischen Gefährdungen, die aus solchen Anlagen resultieren, einstehen, so dass eine Ausdehnung auf entsprechende Sachverhalte durch eine Interpretation des schuldvertraglichen Bandes auch deshalb gerecht ist. Ähnliche Ergebnisse werden letztlich auch in parallelen Sachverhalten durch denkbar strenge Maßstäbe bei der Formulierung von Verkehrssicherungspflichten erreicht.

19

Zuzugeben wäre der Beklagten zwar, dass sich auch der Kläger im Rahmen einer (Voll-) Kaskoversicherung absichern könnte, bei einer ökonomischen Analyse des Rechtsverhältnisses scheint es jedoch geboten, die Kosten hier in Frage stehender "Ausreißer" auf die Gemeinschaft der Autowaschanlagennutzer umzulegen als auf die Zufallsgemeinschaft der Versicherungsnehmer einer Autovollkaskoversicherung.

20

c) Die in der Rechtsprechung ( BGH NJW 75, 685) und Literatur (Padeck, VersR 89, 541, 543) gegen die hier vertretene Ansicht vorgebrachten Bedenken vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen, denn der BGH und auch Padeck kommen nicht zu anderen Ergebnissen5, sondern dehnen vielmehr die Pflichten und Obliegenheiten der Waschanlagenbetreiber im Rahmen von Verschuldenshaftung und Beweislastumkehr in einer Weise aus, dass es methodenehrlicher erscheint, von vornherein von einer schuldrechtlichen Vereinbarung, gerichtet auf unbedingtes Einstehen, auszugehen.

21

Bei dieser Sach- und Rechtslage verlangt der Kläger den Ersatz der erlittenen Schäden von der Beklagten zu Recht.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf § 709 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert ergibt sich zwanglos aus § 12 Abs. 1 GKG.