Amtsgericht Lüneburg
Beschl. v. 21.06.2001, Az.: 20 AR 88/01

Zulässigkeit einer Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft (Limited) als Briefkastenfirma in das deutsche Handelsregister

Bibliographie

Gericht
AG Lüneburg
Datum
21.06.2001
Aktenzeichen
20 AR 88/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 29263
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGLUENE:2001:0621.20AR88.01.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 10.12.2002 - AZ: 9 W 168/01

Fundstellen

  • IPRax 2003, 266-267 (Volltext mit red. LS)
  • IPRspr 2001, 12
  • IPRspr 2002, 16

Tenor:

Die Anmeldung der Registereintragung vom 20. April 2001 (UR. Nr. 32/2001 des Notars) ... wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe

1

Angemeldet zur Eintragung ins Handelsregister ist die Zweigniederlassung der ... Fliesenverlegung Limited. Diese Limited hat ihren Sitz in England und Wales genauer in ... stol England. Sie ist eingetragen in das Gesellschaftsregister für England und Wales in Cardiff. Der Gegenstand der ... Fliesenverlegung Limited ist in der Gründungsurkunde vom 14. März 2001 dort in Ziffer 3. über vier eng bedruckte Seiten beschrieben. Er umfasst annähernd alle denkbaren Tätigkeiten des Wirtschaftslebens, und zwar von "Herstellung, Import, Export, Agentur, Handel (sowohl Großhandel als auch Einzelhandel) mit allen Gütern des kommerziellen, erzeugenden, persönlichen und hauswirtschaftlichen Gebrauchs sowie aller Arten von Rohstoffen, ... Arbeitsvermittler, Lagerhalter, ... Versand- und Speditionsunternehmer, Immobilienhändler, Bauträger, ... Makler, Nachlasspfleger, Verwalter, Kurator für oder im Namen von Gesellschaften, Körperschaften, Firmen oder Personen, Bauunternehmer, Gerüstbauer, Heizungs- und Lüftungstechniker, Ingenieure, Tapezierer, Maler, Mauer, Zimmerleute ... über Stukateure, Installateure, Elektriker, Schweißer, Schmiede, Taxifahrer, Reisebüroveranstalter, Buchmacher, Inhaber von Läden, Gaststätten, Clubs, Hotels und Restaurants, Bauern, Floristen, Bäcker, Tabakhändler, Drucker, Computerprogrammierer ..." und so weiter und so fort.

2

Das Stammkapital der Limited beträgt 100 englische Pfund.

3

Unter dem 14. März 2001 ist die Einrichtung der Niederlassung in Deutschland beschlossen worden.

4

Die Limited ist mit Hilfe der Firma ... gegründet worden. Die Firma ... hat der Limited mit Mietvertrag vom 2. März 2001 einen Büroraum in ... Bristol für monatlich 75,00 DM vermietet.

5

Die Eintragung der Zweigniederlassung der Keraflex Fliesenverlegung Limited in das Handelsregister des Amtsgerichts Lüneburg kommt nicht in Betracht.

6

Bei der "Hauptniederlassung" der Limited in England handelt es sich offensichtlich um eine Schein- und Briefkastenfirma, die am Geschäftsleben nicht teilnimmt und nur gegründet wurde, um unter Umgehung der deutschen Gründungsvorschriften die Eintragung einer Zweigniederlassung zu ermöglichen.

7

Eingetragen werden kann die Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft nur dann, wenn die Hauptgesellschaft im Ausland wirksam gegründet wurde und dort auch einen effektiven Verwaltungssitz hat (sogenannte Sitztheorie). Das Registergericht lässt offen, ob die Gründung der Hauptgesellschaft angesichts der Gründungsurkunde und der Satzung dem englischen Gesellschaftsrecht entspricht. In Deutschland könnte eine derartige Firma wirksam wohl nicht gegründet werden, da der Gesellschaftszweck, der sich aus der Regelung des Firmengegenstandes ergibt, nicht erreichbar ist.

8

Eng damit zusammen hängt aber die feste Überzeugung des Registergerichts, dass die ... Fliesenverlegung Limited für die Betätigungsbereiche, die sich aus ihrer Gründungsurkunde ergeben, gar keinen effektiven Verwaltungsitz haben kann, weil alle diese Unternehmensgegenstände schlichtweg nicht zu bewältigen sind. Tatsächlich soll in England überhaupt kein Gewerbe betrieben werden und kann es auch nicht. Dies wird eindrucksvoll durch den vorgelegten Mietvertrag untermauert, der für die Anmietung eines Büroraums eine monatliche Miete in Höhe von 75,00 DM vorsieht. Ein derartiger Mietzins entspricht in keiner Weise den Gepflogenheiten des Wirtschaftslebens. Auch in England wird für Büroraum ein höherer Mietzins zu zahlen sein. Der Mietvertrag, so wie er vorgelegt wurde, unterstreicht vielmehr den Charakter der Scheinfirmengründung in England bzw. der Gründung einer sogenannten Briefkastenfirma.

9

Die Centrosentscheidung des europäischen Gerichtshofs steht all dem nicht entgegen. Zum einen betrifft sie die Eintragung einer Zweigniederlassung einer englischen Privat Limited Compani in Dänemark. Zum anderen bestimmt § 13 d Abs. 3 HGB - eine entsprechende Vorschrift ist dem dänischen Gesellschaftsrecht fremd, vgl. Müller, Rpfl. 2000, S. 316 (318) -, dass für Anmeldungen und Eintragungen, wie die Zweigniederlassung einer GmbH mit Hauptniederlassung im Ausland betreffen, die Vorschriften für Hauptniederlassungen oder Niederlassungen am Sitz der Gesellschaft sinngemäß anzuwenden sind. An deren Voraussetzungen fehlt es jedoch. Der Gegenstand des Unternehmens weist eine Vielzahl von erlaubnispflichtigen Tätigkeiten nach der Gewerbeordnung bzw. anderen Vorschriften auf (beispielsweise Immobilienmakler, der Betrieb von Gaststätten, Hotels und Restaurants, Speditionsunternehmer, Bauträger, Vermögensverwalter, Finanzierungsvermittler pp.). Derartige Genehmigungen liegen nicht vor.

10

Die Eintragung der Zweigniederlassung einer Briefkastenfirma wirkt darüber hinaus auch irreführend. Denn aus der Eintragung ergibt sich, dass es sich bei der Niederlassung lediglich um eine Zweigstelle handelt und dementsprechend für den allgemeinen Verkehr der irrige Eindruck entsteht, dass in England noch eine Hauptniederlassung vorhanden ist. Dies trifft jedoch, anders als bei den echten Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften, gerade nicht zu.

11

Nach alledem kommt eine Eintragung der Zweigniederlassung der ... Fliesenverlegung Limited in das Handelsregister des Amtsgerichts Lüneburg nicht in Betracht.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus den § 2 Nr. 1, 130 KostO.

Schäfer Richter am Amtsgericht