Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 26.03.2004, Az.: 2 A 4/03

allgemeines Wohngebiet; Außenbereich; Bauaufsichtliches Einschreiten; Bauliche Anlage; baurechtswidrige Zustände; Bienenhaltung; Bienenstock; Bienenvölker; Gattung Carnica; Gebietsverträglichkeit; genehmigungsfrei; Kleintierhaltung; Nachbarbeschwerde; nachbarschützende Vorschriften; ortsfeste Gesamtanlage; Ortsüblichkeit

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
26.03.2004
Aktenzeichen
2 A 4/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50543
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 10.06.2005 - AZ: 1 LA 166/04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein aus einer 2,40 m breiten, 1,35 hohen und 1,05 m tiefen Holzkonstruktion (mit darin integrierten Beuten) bestehender Bienenstock stellt eine bauliche Anlage dar.

2. Die Haltung von 6 - 7 Bienenvölkern in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen und faktisch relativ dicht besiedelten allgemeinen Wohngebiet ist nicht "gebietsverträglich" i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Bauaufsichtsanordnung des Beklagten.

2

Er ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks F. 24 in G.. Das Grundstück ist Bestandteil einer Bauzeile entlang der genannten Straße, die - ebenso wie die Bebauung auf der gegenüberliegenden Straßenseite - durch jeweils straßenseitig ausgerichtete Wohnhäuser mit rückwärtigen Gartenbereichen geprägt ist; die Größe der einzelnen Grundstücke liegt nach Angaben des Beklagten zwischen 500 und 900 m². Der vorgenannte Bereich liegt im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. 40 der Stadt G. und ist dort als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen.

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Im Oktober 2000 stellte der Beklagte anlässlich einer örtlichen Überprüfung fest, dass der Kläger im nördlichen Bereich seines Grundstücks in einem Abstand von ca. 80 cm zum nördlichen Nachbargrundstück einen Bienenstock errichtet hatte, in dem seinerzeit zwei Bienenvölker gehalten wurden. Aufgrund dieser Feststellungen forderte er den Kläger auf, den Bienenstock so umzusetzen, dass ein Grenzabstand von mindestens 3 m zum nördlichen Nachbargrundstück eingehalten werde (was in der Folgezeit auch geschah), und wies gleichzeitig darauf hin, dass gegen die Haltung von maximal zwei Bienenvölkern auf dem Grundstück keine Bedenken bestünden.

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Im Mai 2002 beschwerten sich die Eigentümer des nördlichen Nachbargrundstücks darüber, dass der Kläger auf seinem Grundstück zwischenzeitlich mindestens sieben Bienenvölker halte, was zu erheblichen Belästigungen für ihr eigenes Grundstück führe. So sei es bereits mehrfach vorgekommen, dass ein Schwarm Bienen auf ihr Grundstück geflogen und dort vom Kläger wieder eingefangen bzw. eingesammelt worden sei, wobei es jeweils auch zu Beschädigungen der in ihrem Garten vorhandenen Pflanzen und Beete gekommen sei. Der Kläger selbst habe - auf diese Vorfälle angesprochen - die Auffassung vertreten, dass er ihr Grundstück jederzeit zum Zwecke des Einsammelns dorthin entflogener Bienen betreten und im Übrigen auf seinem Grundstück bis zu 17 Bienenvölker halten dürfe. Im Hinblick darauf wies der Beklagte den Kläger zunächst nochmals schriftlich darauf hin, dass auf dem Grundstück maximal zwei Bienenvölker gehalten werden dürften. Nachdem sich die Nachbarn des Klägers Anfang Juli 2002 unter Beifügung entsprechender Lichtbilder erneut darüber beschwert hatten, dass auf dem Grundstück derzeit sechs Bienenvölker gehalten würden, forderte der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 22.07.2002 auf, die auf seinem Grundstück gehaltenen Bienenvölker innerhalb von vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheides auf maximal zwei Völker zu reduzieren. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei dem vom Kläger aufgestellten Bienenstock um eine bauliche Anlage handele, die so zu gestalten und zu nutzen sei, dass dadurch keine unzumutbaren Belästigungen für die Nachbarschaft entstünden. Zu derartigen Belästigungen sei es hier ausweislich der eingegangenen Nachbarbeschwerden in der Vergangenheit jedoch tatsächlich gekommen. Angesichts dessen und der im hier interessierenden Bereich vorhandenen Grundstücksgrößen sei es daher erforderlich, die Zahl der tatsächlich gehaltenen Bienenvölker auf zwei zu reduzieren.

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Den hiergegen erhobenen, im Wesentlichen mit den nachstehend wiedergegebenen Erwägungen begründeten Widerspruch wies die Bezirksregierung H. mit Bescheid vom 04.12.2002 unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück.

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Der Kläger hat daraufhin am 08.01.2003 Klage erhoben. Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten nicht vorlägen. Bei dem vom Beklagten beanstandeten Bienenstock handele es sich schon nicht um eine bauliche Anlage, sondern um eine 2,40 m breite, 1,35 m hohe und 1,05 m tiefe Holzkonstruktion, die auf einer Art „stabilem Tisch“ ruhe. Diese Konstruktion stelle keine bauliche Gesamtanlage dar, sondern bestehe aus separaten Teilen, nämlich dem genannten Tisch, der als Wetterschutz dienenden äußeren Holzkonstruktion und den darin integrierten, jeweils in einen Brut- und Honigraum eingeteilten Wohnungen für jeweils ein Bienenvolk (sog. Beuten). Bei diesen Einzelbestandteilen handele es sich daher lediglich um kleinere, weder untereinander noch mit dem Erdboden verbundene Gegenstände, die von einer oder zwei Personen ohne weiteres weggetragen werden könnten und deshalb auch nicht durch ihr Gewicht auf dem Erdboden ruhten. Inwieweit von diesen Gegenständen Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft ausgingen, sei nicht ersichtlich; auch der Beklagte selbst habe in diesem Zusammenhang nicht auf die Beuten bzw. die sonstigen Bestandteile als solche, sondern allein auf die darin lebenden Bienen abgestellt. Auch von diesen gingen jedoch keine Gefährdungen oder unzumutbare Belästigungen für die Nachbarschaft aus, weil sie lediglich die - der Lage nach zuvor ermittelten - lohnenden Trachten anflögen und das Maß des Bienenflugs deshalb letztlich von den jeweiligen Trachtverhältnissen auf den Nachbargrundstücken abhänge; im Übrigen hätten Bienen einen Flugradius von ca. 3 km, so dass die unmittelbar benachbarten Grundstücke eher selten direkt angeflogen, sondern häufig lediglich überflogen würden. Angesichts dessen würde auch die vom Beklagten geforderte, in der Sache letztlich jedoch nicht begründete Forderung nach einer Reduzierung auf zwei Bienenvölker nicht zu einer Veränderung bzw. Reduzierung des Bienenflugs insgesamt führen; ein entsprechender Rückbau des Bauwerks selbst, der vom Standpunkt des Beklagten aus an sich konsequent gewesen wäre, sei ebenfalls nicht gefordert worden. Abgesehen davon sei die Haltung von Bienenvölkern auch in einem Wohngebiet in einem weitaus größeren Umfang als vom Beklagten angenommen zulässig. Dies ergebe sich im vorliegenden Fall insbesondere daraus, dass im Stadtgebiet von G. fünf weitere Imker ansässig seien, die jeweils zwischen drei und zehn Bienenvölker hielten. Angesichts dessen sei die von ihm praktizierte Bienenhaltung hier als ortsüblich anzusehen mit der Folge, dass sie auch öffentlich-rechtlich erlaubt sei; dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Menschen von umherfliegenden Bienenschwärmen regelmäßig nicht gestochen würden. Im Übrigen sei nicht erkennbar, dass der Beklagte auch gegenüber den übrigen Imkern entsprechende bauaufsichtliche Maßnahmen ergriffen habe. Schließlich sei der Beklagte, wie sich aus der im Vorfeld geführten Korrespondenz ergebe, auch nicht im öffentlichen Interesse, sondern allein im Privatinteresse der nördlichen Grundstücksnachbarn eingeschritten; dafür sei jedoch in erster Linie der Zivilrechtsweg eröffnet.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 22.07.2002 in der Form des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung H. vom 04.12.2002 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er vertieft die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides und weist ergänzend darauf hin, dass die vom Kläger derzeit betriebene Bienenhaltung schon deshalb zu entsprechenden Gefahren und Belästigungen für die Nachbarschaft führe, weil nicht jeder Mensch besonnen auf eine Vielzahl ausschwärmender Bienen reagiere; dies gelte insbesondere für Kinder.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die zur Herstellung und Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlichen Maßnahmen anordnen, wenn (u.a.) bauliche Anlagen oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Von dieser Befugnis hat der Beklagte hier in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

14

Bei dem auf dem Grundstück des Klägers aufgestellten Bienenstock (Holzkonstruktion einschließlich der darin integrierten einzelnen Beuten) handelt es sich um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Denn ausweislich der in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen befindlichen Lichtbilder ist dieser Bienenstock - insoweit unstreitig - aus Bauprodukten, nämlich überwiegend aus Holz, hergestellt und ruht infolge seines - u.a. durch seine insgesamt nicht unerheblichen Abmessungen bedingten - Gewichts auf dem Erdboden. Damit weist er das für die Annahme einer „Anlage“ erforderliche Mindestmaß an Schwere und Unbeweglichkeit auf und ist deshalb - anders als der Kläger meint - insbesondere nicht mit leichten Gegenständen wie etwa Kleinmöbeln, leichten Maschinen, Geräten o.ä. vergleichbar, die sich von ein oder zwei Personen jederzeit ohne besonderen Aufwand von dem konkreten Standort wegtragen lassen (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl., § 2 Rn. 7, 8). Zutreffend haben der Beklagte und die Widerspruchsbehörde insoweit auch auf den Bienenstock als Ganzes abgestellt, weil dieser vom Kläger selbst als ortsfeste „Gesamtanlage“ konzipiert worden ist, die an dem konkreten Standort (zumindest) während des überwiegenden Teils des Jahres ihrem Verwendungszweck entsprechend genutzt werden soll (vgl. OVG Münster, U. v. 05.12.1974 - IX A 700/73, BRS 28 Nr. 30). Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es deshalb nicht entscheidend darauf an, dass die einzelnen Beuten innerhalb der Gesamtanlage möglicherweise jeweils separat und ohne größeren Aufwand abtransportiert werden könnten; abgesehen davon verbliebe auch in diesem Fall immer noch die „äußere Hülle“ der Anlage, nämlich die die einzelnen Beuten umschließende und die Verbindung zum Erdboden herstellende Holzkonstruktion samt „Tisch“.

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Handelt es sich bei dem beanstandeten Bienenstock mithin um eine bauliche Anlage, so muss diese - unabhängig davon, ob sie gemäß § 68 Abs. 1 NBauO einer (hier tatsächlich nicht erteilten) Baugenehmigung bedarf oder ggf. nach § 69 Abs. 1 NBauO i.V.m. dem dazugehörigen Anhang genehmigungsfrei ist - jedenfalls in materieller Hinsicht dem öffentlichen Baurecht entsprechen, wobei zur Vermeidung von Missverständnissen (auf die Teile der Klagebegründung hindeuten) darauf hinzuweisen ist, dass sich diese Forderung nicht lediglich - isoliert - auf die äußere Bausubstanz als solche, sondern auf die gesamte Anlage in der ihr zugedachten Funktion erstreckt. Dies ist hier jedoch in dem Umfang, in dem die Anlage vom Kläger bislang genutzt worden ist (nämlich zur Haltung von sechs bis sieben Bienenvölkern), nicht der Fall.

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Nach § 14 Abs. 1 Sätze 1 u. 2. BauNVO sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen, u.a. solche für die Kleintierhaltung, in sämtlichen Baugebieten - und damit auch in allgemeinen Wohngebieten - grundsätzlich zulässig, soweit sie der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen. Als eine derartige wohngebietsverträgliche Nebenanlage kann ein Bienenstock für die Haltung von sechs bis sieben Bienenvölkern jedoch nicht angesehen werden; insbesondere unterscheiden sich die damit für die Nachbarschaft verbundenen Belästigungen deutlich von denjenigen, die von anderen, in Wohngebieten üblicherweise gehaltenen Tieren (beispielsweise Katzen, einzelne Hunde, Kleingeflügel u.ä.) ausgehen.

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Insoweit fällt zulasten des Klägers zunächst ins Gewicht, dass ein Bienenvolk zumindest in den Monaten April bis Juli in der Regel aus ca. 40.000-60.000 Bienen besteht (vgl. Der Große Brockhaus, 18. Aufl. 1978, S. 113 f. sowie VGH Kassel, U. v. 05.09.1969 - IV OE 20/68 -, BRS 22 Nr. 70 und OVG Saarlouis, U. v. 10.12.1971 - II R 78/71 -, BRS 24 Nr. 68, die sogar von 50.000-70.000 Bienen pro Volk ausgehen). Unter Berücksichtigung dessen würde sich bei sechs bis sieben Bienenvölkern die Gesamtzahl der auf dem Grundstück des Klägers gehaltenen Bienen während dieser Zeit immerhin auf mindestens 240.000 bis zu maximal 420.000 belaufen; selbst wenn man davon ausgeht, dass die vom Kläger gehaltenen Bienenvölker - wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist - tatsächlich lediglich eine Größe von jeweils ca. 35.000 Bienen aufweisen, beliefe sich deren Gesamtzahl immer noch auf ca. 210.000 - 245.000. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Bienen, sobald es die Witterung zulässt, ihrem Verwendungszweck entsprechend zum Honig sammeln ausschwärmen und dabei - wenn auch sicher nicht alle gleichzeitig, so doch zumindest jeweils in erheblicher Anzahl (nämlich zu Tausenden) - jedenfalls auch auf die innerhalb des Wohngebiets gelegenen Grundstücke (einschließlich der unmittelbar benachbarten) fliegen. Dass Derartiges auch im vorliegenden Fall tatsächlich schon mehrfach geschehen ist, ergibt sich aus den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten dokumentierten Beschwerden der nördlichen Grundstücksnachbarn und wird letztlich auch vom Kläger nicht bestritten; dieser hat in der mündlichen Verhandlung vielmehr selbst eingeräumt, dass in der Regel 20 %, maximal ein Drittel der von ihm gehaltenen Bienen ihre Beuten regelmäßig, nämlich dreimal am Tag, verlassen. Allein der Umstand, dass die Bienen - wie der Kläger vorträgt - einen Flugradius von ca. 3 km haben und deshalb ggf. nicht nur die unmittelbar benachbarten bzw. innerhalb des Wohngebiets gelegenen, sondern auch andere Grundstücke in diesem Umkreis anfliegen, ändert an der dargestellten Situation nichts. Die damit verbundenen Einwirkungen auf fremde Grundstücke aber - sei es, dass die sich dort gerade aufhaltenden Bewohner durch die ausschwärmenden Bienen erschreckt werden oder ggf. sogar Gefahr laufen, von diesen gestochen zu werden, sei es, dass sie allein schon den Anblick größerer Bienenschwärme oder die von diesen ausgehenden Flugtöne als bedrohlich bzw. störend empfinden - sind generell als Belästigungen bzw. Unzuträglichkeiten zu qualifizieren, die der Eigenart eines vorwiegend der Wohnnutzung vorbehaltenen (§ 4 Abs. 1 BauNVO) allgemeinen Wohngebiets widersprechen (vgl. OVG Münster, aaO; aus zivilrechtlicher Sicht: OLG Hamm, U. v. 03.07.1989 - 22 U 204/88 -, ZMR 1989, 420). Demgemäß geht die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass schon die Haltung von 8 oder 17 Bienenvölkern wegen der damit verbundenen nachteiligen Einwirkungen auf die Umgebung regelmäßig nur im Außenbereich zulässig ist bzw. allenfalls innerhalb einer stark ländlich geprägten Ortschaft als noch vertretbar angesehen werden kann (vgl. VGH Kassel und OVG Saarlouis, jew. aaO). Einen derartigen Umfang erreicht die vom Kläger bislang praktizierte Bienenhaltung zwar noch nicht (ganz); gleichwohl bedarf auch diese einer zahlenmäßigen Begrenzung. Denn das Grundstück des Klägers liegt weder im Außenbereich noch in einer stark ländlich geprägten Gegend mit vergleichsweise großen Abständen zur nächsten Nachbarbebauung, sondern in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet. In einem solchen Gebiet aber dürfen die dort lebenden Anwohner zu Recht davon ausgehen, dass sie einen erhöhten Schutz der Wohnruhe bzw. Wohnqualität genießen und deshalb von Belästigungen der oben beschriebenen Art zumindest weitgehend verschont bleiben, zumal diese in erster Linie in einem Zeitraum - nämlich während der „schönen Jahreszeit“ - stattfinden, in denen auch die Anwohner selbst ihre Außenwohnbereiche (Terrassen, Gärten) erfahrungsgemäß vermehrt nutzen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das hier ausgewiesene Wohngebiet auch tatsächlich relativ dicht besiedelt ist und die innerhalb dieses Gebiets gelegenen Grundstücke lediglich zwischen 500 und 900 m² groß sind. Abzustellen ist in diesem Zusammenhang im Übrigen nicht nur auf den Empfindungsmaßstab eines „verständigen Erwachsenen“, der den o.g. Belästigungen oder ggf. sogar Gefährdungen der körperlichen Unversehrtheit durch Bienenstiche möglicherweise durch ein besonnenes Verhalten begegnen kann, sondern auch auf die Empfindungen von Kindern und älteren Menschen, die in derartigen Situationen erfahrungsgemäß in erhöhtem Maße zu unbedachten Reaktionen neigen. Deshalb kommt es auch nicht entscheidend darauf an, wie hoch ggf. die Gefahr einzuschätzen ist, dass fremde Menschen von den vom Kläger konkret gehaltenen Bienen - nämlich solchen der Gattung „Carnica“, die grundsätzlich offenbar als eher „friedfertig“ angesehen werden - tatsächlich gestochen werden; immerhin hat aber auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass dies möglich sei, sofern sich die Bienen durch Menschen „gereizt“ fühlten.

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Dem kann der Kläger schließlich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die von ihm bislang betriebene Bienenhaltung als „ortsüblich“ anzusehen und die damit für die (unmittelbare) Nachbarschaft verbundenen Beeinträchtigungen deshalb als „unwesentlich“ hinzunehmen seien. Zum einen beurteilt sich die Gebietsverträglichkeit i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO in erster Linie nach der Eigenart und der damit ggf. verbundenen Störanfälligkeit des konkreten Baugebiets insgesamt, nicht dagegen nur mit Blick auf eine etwaige Schutzbedürftigkeit einzelner (unmittelbarer) Nachbarn. Zum anderen kann - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - in einem bauplanungsrechtlich ausgewiesenen allgemeinen Wohngebiet jedenfalls nicht generell von einer Gebietsverträglichkeit bzw. „Ortsüblichkeit“ der Bienenhaltung ausgegangen werden. Dass speziell für den hier interessierenden Bereich etwas anderes gelten könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich, ergibt sich insbesondere nicht aus dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers selbst. Der bloße Hinweis darauf, dass im Stadtgebiet von G. fünf weitere Imker ansässig seien, die jeweils zwischen drei und zehn Bienenvölker hielten, reicht für eine solche Annahme nicht aus. Denn ausweislich der von beiden Beteiligten vorgelegten Kartenauszüge sind die insoweit angesprochenen Grundstücke über das ganze Stadtgebiet verteilt und liegen ganz überwiegend auch nicht in einem Wohngebiet - teilweise sogar im Außenbereich -, so dass sich allenfalls die Frage stellt, ob dort unter Berücksichtigung der jeweiligen planungsrechtlichen Situation und der tatsächlich vorhandenen baulichen Nutzungen eine Bienenhaltung (in welchem Umfang auch immer) zugelassen werden kann oder nicht. Einen Rückschluss darauf, dass die vom Kläger praktizierte Bienenhaltung auch in dem hier durch den Bebauungsplan Nr. 40 ausgewiesenen und relativ dicht besiedelten allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, lässt dies dagegen nicht zu.

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Angesichts der damit verbundenen Belästigungen für die Bewohner des ausgewiesenen Wohngebiets hält die Kammer daher im Ergebnis die Haltung von sechs bis sieben Bienenvölkern für nicht gebietsverträglich im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO; deshalb bedarf es letztlich keiner abschließenden Entscheidung, ob mit einer Bienenhaltung diesen Umfangs gleichzeitig auch Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder unzumutbare Belästigungen im bauordnungsrechtlichen Sinne (vgl. § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 3 NBauO) verbunden wären. Demgemäß lässt auch die vom Beklagten geforderte Reduzierung auf zwei Bienenvölker - unabhängig davon, ob in einem allgemeinen Wohngebiet die Bienenhaltung ggf. nicht gänzlich untersagt werden könnte - Rechtsfehler nicht erkennen. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 16.03.2004 überreichten Gerichtsentscheidungen rechtfertigen insoweit keine andere Beurteilung. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 23.10.1975 (I A 444/74 S) befasst sich ausschließlich mit der Frage, ob die Beeinträchtigungen durch auf einem Nachbargrundstück gehaltene Bienenvölker eine - ein entsprechenden behördliches Einschreiten rechtfertigende - Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne der seinerzeit geltenden polizeirechtlichen Vorschriften darstellen; darum geht es im vorliegenden Verfahren - wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt - nicht. Auch das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 12.12.2002 (1 O 1939/00) gibt für die hier entscheidungserhebliche Frage der Gebietsverträglichkeit im bauplanungsrechtlichen Sinne letztlich nichts her, weil der dort geltend gemachte Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch im Wesentlichen mit der Erwägung abgelehnt worden ist, die dortige Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass für die von ihr geltend gemachten Beeinträchtigungen - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen - die auf dem Nachbargrundstück gehaltenen Bienen (und nicht vielmehr Wildbienen oder Wespen) verantwortlich seien.

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Die angefochtene Bauaufsichtsanordnung ist auch im Übrigen, insbesondere unter Ermessensgesichtspunkten, nicht zu beanstanden. Zwar steht ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände gemäß § 89 Abs. 1 NBauO grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Vorschriften des öffentlichen Baurechts und auf die Breitenwirkung etwaiger (ggf. ungeahndeter) Verstöße gegen diese Vorschriften, ist ein entsprechendes Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde jedoch regelmäßig geboten und damit auch ohne besondere Abwägung des Für und Wider einer solchen Maßnahme ermessensgerecht (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, aaO, § 89 Rn. 44 m.w.N.). Dies gilt entgegen der vom Kläger offenbar vertretenen Auffassung auch dann, wenn (äußerer) Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten - wie hier - eine entsprechende Nachbarbeschwerde war; denn zu den Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde gehört es grundsätzlich auch, die Nachbarschaft vor unzumutbaren Beeinträchtigungen durch eine bestimmte bauliche Anlage zu schützen, insbesondere wenn diese bzw. deren Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften - hier gegen § 14 Abs. 1 BauNVO (vgl. BVerwG, B. v. 05.01.1999 - 4 B 131.98 -, NVwZ-RR 1999, 426) - verstößt. Anderweitige Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte hier (ausnahmsweise) von einem bauaufsichtlichen Einschreiten hätte absehen müssen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die geforderte Reduzierung der Bienenvölker ggf. mit einem gewissen Kostenaufwand verbunden ist und/oder das ideelle Interesse des Klägers an der Fortführung seiner Hobby-Bienenhaltung im bislang praktizierten Umfang beeinträchtigt, macht die angefochtene Maßnahme jedenfalls nicht ermessenswidrig, zumal der Kläger den baurechtswidrigen Zustand selbst herbeigeführt hat. Entsprechendes gilt, soweit sich der Beklagte auf die Forderung nach einer Reduzierung der Bienenvölker beschränkt, nicht dagegen - was möglicherweise auch (alternativ oder kumulativ) in Betracht gekommen wäre - einen entsprechenden Rückbau des Bienenstocks verlangt hat; denn dieses „Unterlassen“ wirkt sich jedenfalls nicht zulasten des Klägers aus. Soweit der Kläger schließlich mit seinem Hinweis auf andere Imker im Stadtgebiet (möglicherweise) geltend machen will, die angefochtene Bauaufsichtsanordnung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, trifft/träfe dies ebenfalls nicht zu. Zwar ist es im Grundsatz richtig, dass die im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde stehenden Anordnungen nach § 89 Abs. 1 NBauO den Grundsatz der Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte beachten müssen und die Behörde deshalb in vergleichbaren, insbesondere räumlich benachbarten Fällen nicht unterschiedlich vorgehen darf. Diesen Anforderungen ist jedoch - nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Bauaufsichtsbehörde von bestimmten Baurechtsverstößen häufig nicht „zeitgleich“, sondern vielfach erst aus Anlass anderer festgestellter Baurechtsverstöße Kenntnis erlangen und im Übrigen ein gleichzeitiges Einschreiten gegen sämtliche in einem bestimmten Gebiet festgestellten Baurechtsverstöße vielfach aus praktischen Gründen nicht möglich sein wird - regelmäßig dann Genüge getan, wenn die Behörde ein sachgerechtes System zur Schaffung ordnungsgemäßer Zustände zugrunde legt und anschließend auch dementsprechend vorgeht (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, aaO, § 89 Rn. 49, 50 m.w.N.). Letzteres ist hier der Fall, weil der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er entsprechende Nachforschungen hinsichtlich der vom Kläger angesprochenen „Vergleichsfälle“ - von denen er seinen glaubhaften Angaben zufolge erstmals durch dessen Schriftsatz vom 16.03.2004 Kenntnis erlangt hat - anstellen und dann ggf. über weitere Maßnahmen entscheiden werde. Abgesehen davon dürfte es sich angesichts der (oben bereits angesprochenen) unterschiedlichen planungsrechtlichen Situation der vom Kläger im Einzelnen benannten Grundstücke zum großen Teil ohnehin nicht um echte „Vergleichsfälle“ handeln.