Anlage 1 AVNot - Kriterienkatalog zur Feststellung der notarspezifischen Ausrichtung von Fortbildungsveranstaltungen i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO
Bibliographie
- Titel
- Angelegenheiten der Notarinnen und Notare (AVNot)
- Amtliche Abkürzung
- AVNot
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 32370000000008
Die Bundesnotarkammer hat in Abstimmung mit den Landesjustizverwaltungen im Bereich des Anwaltsnotariats auf der Grundlage der Rechtsprechung folgenden Kriterienkatalog entwickelt, bei dessen Einhaltung die Justizbehörden eine Fortbildungsveranstaltung in der Regel als notarspezifische Fortbildungsveranstaltung i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO ansehen werden. Damit soll für die Notarkammern und anderen beruflichen Organisationen eine bessere Planbarkeit, für die Landesjustizverwaltungen eine einheitliche Verwaltungspraxis und für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine erhöhte Rechtssicherheit erreicht werden.
I. Formelle Kriterien einer notarspezifischen Ausrichtung
1. Ausschreibung an einen notarspezifischen Teilnehmerkreis
Die Art der Ausschreibung und Bewerbung der Fortbildungsveranstaltung muss deutlich machen, dass sich die Veranstaltung gezielt an den Kreis der Notarinnen und Notare oder der künftigen Notarbewerberinnen und Notarbewerber richtet. Dies wird in der Regel dadurch gewährleistet, dass die Notarkammer oder andere berufliche Organisation als Veranstalter notarspezifischer Fortbildungsveranstaltungen in Erscheinung tritt und darauf hinweist, dass die Veranstaltung als notarspezifische Fortbildungsveranstaltung i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO konzipiert ist.
Eine Veranstaltung ist in der Regel dann nicht notarspezifisch i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO, wenn in der Ausschreibung ausdrücklich auch weitere Berufsgruppen wie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als angehende Fachanwältinnen und Fachanwälte, Steuerberaterinnen und Steuerberater, Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer oder Verwaltungsjuristinnen und Verwaltungsjuristen beworben werden.
Wird neben dem Kreis der Notarinnen und Notare oder der künftigen Notarbewerberinnen und Notarbewerber auch die Gruppe der qualifizierten Notariatsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter beworben, handelt es sich in der Regel gleichwohl um eine notarspezifische Fortbildungsveranstaltung i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO.
2. Tagungsleitung; Referentinnen und Referenten
a) Die sachliche Durchführung der Veranstaltung soll grundsätzlich ausschließlich in der Verantwortung von Notarinnen und Notaren, Notarinnen und Notaren außer Dienst sowie Notarassessorinnen und Notarassessoren liegen. Zur sachlichen Durchführung gehören:
die Planung und inhaltliche Konzeption der Veranstaltung,
die Gestaltung der Ausschreibung,
die fachliche Leitung und Mitwirkung als Referentin oder Referent,
die Erstellung der Arbeitsunterlagen sowie
ggf. die Erstellung und Korrektur der Testaufgaben.
b) Bei zwei oder mehr Vortragenden sollen Notarinnen und Notare, Notarinnen und Notare außer Dienst sowie Notarassessorinnen und Notarassessoren mindestens die Hälfte der Referentinnen und Referenten stellen oder es soll eine der Referentinnen oder einer der Referenten aus dem vorgenannten Kreis zugleich die verantwortliche fachliche Tagungsleitung innehaben. Hierzu gehören:
die maßgebliche inhaltliche Konzeption der Veranstaltung,
die Skriptkoordination und -prüfung,
die fachliche Moderation der Veranstaltung sowie
ggf. die Erstellung der Testaufgaben.
c) Berufsfremde Referentinnen und Referenten sollen nur beteiligt werden, wenn sie einen unmittelbaren berufspraktischen Bezug zu dem notariellen Veranstaltungsthema sowie eine herausgehobene berufliche Stellung haben. In Betracht kommen neben Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der Notarkammern und juristischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Deutschen Notarinstituts (DNotI) insbesondere Richterinnen und Richter, Universitäts- und Fachhochschulprofessorinnen und -professoren sowie, je nach Inhalt der Fortbildungsveranstaltung, in der Materie besonders kundige Personen (wie z. B. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Steuerberaterinnen und Steuerberater, Bankjuristinnen und Bankjuristen, Fachbeamtinnen und Fachbeamte, Bürovorsteherinnen und Bürovorsteher sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger).
II. Materielle Kriterien einer notarspezifischen Ausrichtung
Fortbildungsveranstaltungen sind notarspezifisch ausgerichtet, wenn es sich um Veranstaltungen handelt, in denen die erforderlichen Rechtskenntnisse den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter Beachtung der besonderen Anforderungen und Gegebenheiten des Notarberufs nahegebracht werden. Eine notarspezifische Ausrichtung fehlt bei Veranstaltungen, die auch zur Vorbereitung auf einen anderen juristischen Beruf bestimmt sind, selbst wenn sie Sachgebiete zum Gegenstand haben, die einen Bezug zum Notarberuf aufweisen.
III. Feststellung der notarspezifischen Ausrichtung
Von der notarspezifischen Ausrichtung einer Fortbildungsveranstaltung wird in der Regel ausgegangen, wenn die formellen Kriterien gemäß Abschnitt I. erfüllt und keine Umstände bekannt sind, die Anlass geben, an der notarspezifischen Ausrichtung zu zweifeln. Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf die inhaltliche Ausrichtung einer Fortbildungsveranstaltung geben, sind insbesondere der Titel der Veranstaltung und inhaltliche Hinweise oder Gliederungen in den Veranstaltungsprospekten. Eine Einsicht in die Tagungsunterlagen oder ein exemplarischer Besuch der Veranstaltung ist zur Feststellung ihrer notarspezifischen Ausrichtung in der Regel nicht veranlasst. Bei Veranstaltungen außerhalb der typisch notariellen Kernbereiche (z. B. Steuerrecht) muss die notarspezifische Ausrichtung zusätzlich in den Themenschwerpunkten zum Ausdruck kommen.
IV. Sonderfragen von Fortbildungsveranstaltungen mit steuerrechtlichen Inhalten
Ziel einer steuerrechtlichen Fortbildungsveranstaltung ist es, Notarinnen und Notaren die Kenntnisse zu vermitteln, die für eine pflichtgemäße Amtsausübung erforderlich sind, die - spezifisch ausgerichtet an der notariellen Amtsausübung - eine optimale Erfüllung der Beratungs- und Belehrungsfunktion durch die Notarin oder den Notar ermöglichen und die darüber hinaus für eine qualifizierte Zusammenarbeit mit steuerberatenden Berufen oder einen qualifizierten Verweis an steuerberatende Berufe erforderlich sind.
1. Unmittelbar notarspezifische Steuerthemen
Notarspezifisch sind demnach zunächst alle steuerrechtlichen Inhalte, die unmittelbar Amtspflichten der Notarin oder des Notars betreffen und damit auch haftungsrelevant sind. Hierzu zählen insbesondere:
die Anzeigepflichten bei Grunderwerbsteuer, Erbschaftsteuer und Kapitalgesellschaften,
die notarrelevanten Steuerarten der Grunderwerb-, der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Spekulationssteuer und
Hinweispflichten bei gesamtschuldnerischem Steueranspruch.
2. Steuerrechtliche Bezüge zu besonders notarrelevanten Rechtsgebieten
Notarspezifisch sind des Weiteren die steuerrechtlichen Bezüge zu besonders notarrelevanten Rechtsgebieten, bei denen es für eine bedarfsgerechte Beratung bei der Vertragsgestaltung und Belehrung bei der Beurkundung erforderlich ist, steuerrechtliche Zusammenhänge und Auswirkungen zivilrechtlicher Maßnahmen erkennen und beurteilen zu können. Diese Interdependenzen zwischen Zivil- und Steuerrecht werden beispielsweise bei folgenden Themen berücksichtigt:
steuerrechtliche Aspekte bei der Begründung und Veräußerung von Wohnungs- und Teileigentum, des Altbaukaufvertrages oder des Bauträgervertrages,
steuerrechtliche Behandlung von Einzelkaufmann und Personengesellschaften,
einkommensteuerrechtliche Behandlung von Grundstücksverkauf und Grundbesitz,
einkommensteuerrechtliche Behandlung von Nießbrauch, Wohnungsrecht und Reallasten,
Umsatzsteuer in Übergabe- oder Einbringungsverträgen und Kaufverträgen sowie
steuerrechtliche Behandlung von Kapitalgesellschaften, insbesondere Fragen des Umwandlungs-, Grunderwerb- und Ertragsteuerrechts bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen.
3. Kombinationsveranstaltungen
Die ausschließliche Vermittlung allgemeiner steuerrechtlicher Grundlagen begründet keine notarspezifische Ausrichtung der Fortbildungsveranstaltung. So richten sich beispielsweise allgemeine Veranstaltungen auf den Gebieten des allgemeinen und besonderen Steuerrechts, des finanzgerichtlichen Verfahrens, der steuerlichen Gewinnermittlung sowie der Buchführung und Bilanzierung allgemein an steuerlich interessierte Juristinnen und Juristen, insbesondere an angehende Fachanwältinnen und Fachanwälte für Steuerrecht. Solche Veranstaltungen werden nur dann als notarspezifische Fortbildungsveranstaltungen i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO angesehen, wenn die Vermittlung der allgemeinen steuerrechtlichen Grundlagen mit den unter Nummer 1 und 2 aufgeführten unmittelbar notarspezifischen Steuerthemen oder steuerrechtlichen Bezügen zu besonders notarrelevanten Rechtsgebieten kombiniert wird und die notarspezifische Ausrichtung in den Themenschwerpunkten zum Ausdruck kommt.
V. Online- und hybride Fortbildungsveranstaltungen
Online- und hybride Fortbildungsveranstaltungen werden als notarspezifische Fortbildungsveranstaltungen i. S. des § 5b Abs. 1 Nr. 4 BNotO angesehen, wenn die in den Abschnitten I. bis IV. genannten Kriterien erfüllt sind, die Online- oder hybride Fortbildungsveranstaltung hinsichtlich ihrer inhaltlichen Anforderungen nicht hinter entsprechenden Präsenzveranstaltungen zurückbleibt und sichergestellt ist, dass
während der gesamten Dauer der Fortbildungsveranstaltung die Möglichkeit der Interaktion der Referentin oder des Referenten mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander besteht und
der Nachweis der durchgängigen Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung gewährleistet ist und erbracht wird.