Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 25.10.1991, Az.: 15 U 7/91

Widerruf der Zustimmung zur Fremdinsemination ; Ehelichkeitsanfechtung bei heterologer Insemination ; Bewusst wahrheitswidrige Anerkennung der Vaterschaft zu einem nichtehelichen Kind

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
25.10.1991
Aktenzeichen
15 U 7/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 14743
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1991:1025.15U7.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 28.02.1991 - AZ: 502 C 260/90

Fundstellen

  • FamRZ 1992, 851 (amtl. Leitsatz)
  • JuS 1992, 884-885 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1992, 1516-1517 (Volltext mit red. LS)
  • NJW 1993, 3024

Prozessführer

D. C.

Prozessgegner

a) F., geboren am Juni 1989,

b) M. geboren am Juni 1989, U.R. P., als ... Ergänzungspfleger,

In der Kindschaftssache
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 1991
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaul
sowie die Richter am Oberlandesgericht Treppens und Brick
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 28. Februar 1991 - 502 C 260/90 geändert.

Es wird festgestellt, daß die Beklagten nicht die ehelichen Kinder des Klägers sind.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Mit seiner am 5. Januar 1990 beim Amtsgericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 8. März 1990 zugestellt worden ist, macht der Kläger die Nichtehelichkeit der Beklagten geltend.

2

Der 1956 geborene Kläger und die 1960 geborene Mutter der Beklagten hatten am 11. Juni 1982 die Ehe geschlossen. Diese ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 3. Mai 1990 - 600/614 F 3663/89 -, welches seit dem 12. Juni 1990 rechtskräftig ist, geschieden worden.

3

Im Jahre 1985 kam der Kläger, der an einer Hodenatrophie III. Grades mit Oligospermie leidet und der infolgedessen zeugungsunfähig ist, mit der Kindesmutter über ein, bei dieser durch einen Arzt Befruchtungsversuche mit dem Sperma eines fremden Mannes durchführen zu lassen. Am 19. Juli 1985 schlossen sie mit der Klinik ... Instrumentelle Fertilitätsbehandlungen GmbH in ... eine auf einem von der Klinik erstellten vorgedruckten Formular niedergelegte Vereinbarung über die Durchführung einer entsprechenden Behandlung. Unter II 3 der Vereinbarung verpflichtete sich die Klinik

"sowohl dem Ehepaar als auch dem Spender gegenüber dafür zu sorgen, daß weder der Spender den Namen des Ehepaares noch das Ehepaar den Namen des Spenders erfährt, um etwaige Komplikationen juristischer und psychologischer Art, die durch solche Kenntnis entstehen könnten, weitgehend auszuschließen."

4

Unter II 4 verpflichtete sich der Kläger

"gegenüber seiner Ehefrau, der Klinik, den behandelnden Ärzten und Erfüllungsgehilfen der Klinik sowie dem Spender, die Ehelichkeit des aus der therapeutischen Befruchtung erzeugten Kindes nicht anzufechten und das Kind als sein eheliches anzuerkennen."

5

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den bei den Akten (Bl. 178) befindlichen Vordruck, der mit der zwischen den Kindeseltern und der Klinik ... getroffenen - erst nach der letzten mündlichen Verhandlung abschriftlich zu den Akten gelangten (Bl. 180) - Vereinbarung gleichlautend ist, Bezug genommen.

6

In der Folgezeit ließ sich die Mutter der Beklagten regelmäßig in der Klinik ... behandeln. Im Oktober 1986 wurde erstmals eine Schwangerschaft festgestellt, die im Dezember 1986 mit einer Fehlgeburt endete. Die im Jahre 1987 und in der ersten Hälfte des Jahres 1988 weiterhin durchgeführten regelmäßigen Inseminationsversuche blieben erfolglos. Im Juli 1988 ließ die Mutter der Beklagten eine Durchpustung der Eileiter vornehmen. Die Inseminationsversuche wurden anschließend durch die Klinik Schaad fortgesetzt. Im September 1988 wurde bei der Kindesmutter eine Schwangerschaft diagnostiziert. Bei einer weiteren Untersuchung im Krankenhaus ... ergab sich die medizinische Notwendigkeit eines sofortigen stationären Aufenthalts der Kindesmutter. Hiervon unterrichtete diese den Kläger und teilte ihm dabei mit, daß sie schwanger sei. Während des Krankenhausaufenthaltes stellte sich heraus, daß sie Zwillinge - die Beklagten - erwartete. Bei einem Besuch des Klägers im Krankenhaus, dessen zwischen den Parteien streitiger Zeitpunkt nicht genauer hat aufgeklärt werden können, übergab die Kindesmutter dem Kläger einen in dessen Anwesenheit zuvor von ihr geschriebenen und unterschriebenen Zettel mit folgendem Wortlaut:

"Ich, A. C. geborene ..., verzichte auf jeglichen Unterhaltsanspruch für mich und die Kinder.

A. C.

7

Ferner unterzeichnete sie einen vom Kläger handschriftlich vorformulierten Zettel mit folgendem Text:

"Hannover, den 1.11.88

Ich, A. C., geborene ... bestätige hiermit, daß die Befruchtung durch einen Samenspender zuletzt gegen den Willen meines Mannes ausgeführt wurde. Ich übernehme die volle Verantwortung für die daraus entstehenden Konsequenzen.

A."

8

Unter dem 7. Dezember 1988 teilte der Kläger der Klinik durch eingeschriebenen Brief mit, er ziehe seine Genehmigung für weitere Inseminationsbehandlungen bei der Kindesmutter zurück.

9

Der Kläger hat vorgetragen: Seine Ehe mit der Kindesmutter sei bereits seit Januar 1988 zerrüttet gewesen. Seit Juni 1988 sei es zwischen ihm und seiner Ehefrau täglich zu lautstarkem Streit mit Schlagen der Türen gekommen. Infolgedessen habe er mit ihr auch seit Januar 1988 keinen Geschlechtsverkehr mehr gehabt. Er sei mit der Kindesmutter überein gekommen, daß diese die Inseminationsversuche nicht fortführe. Im Juni 1988 habe er eine feste Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen, was der Kindesmutter bekannt gewesen sei. Er habe deshalb auch ihren Wunsch nach Geschlechtsverkehr mit ihm im Juni 1988 abgelehnt.

10

Am 1. November 1988 habe er seine Ehefrau im Krankenhaus aufgesucht, um ihr mitzuteilen, daß er sich von ihr trennen wolle. Daraufhin habe diese ihm erstmals erklärt, daß sie Zwillinge erwarte. Auf seine Vorhaltungen, daß sie zugesagt habe, die Inseminationsversuche abbrechen zu wollen, habe sie zunächst den Zettel mit dem Unterhaltsverzicht mit eigener Hand geschrieben und unterschrieben. Anschließend habe er ihr den zweiten Zettel vorgelegt, den sie in voller Kenntnis von dessen Bedeutung unterzeichnet habe.

11

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagten nicht die ehelichen Kinder des Klägers seien.

12

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Sie haben behauptet: Ihre Mutter habe davon, daß der Kläger seit Juni 1988 eine Freundin gehabt habe, nichts gewußt. Sie sei auch mit dem Kläger nicht dahin übereingekommen, daß die Inseminationsversuche durch die Klinik ... nicht fortgeführt werden sollten. Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen ihrer Mutter und dem Kläger habe Ende August/Anfang September 1988 stattgefunden. Als im September 1988 die Schwangerschaft der Kindesmutter festgestellt worden sei und sie ihm hiervon telefonisch berichtet habe, sei eine Reaktion - positiver oder negativer Art. - des Klägers hierauf nicht erfolgt. Als die Kindesmutter dem Kläger Ende September/Anfang Oktober 1988 erklärt habe, sie erwarte Zwillinge, habe dieser darauf gedrängt, die Kinder abtreiben zu lassen. Wegen befürchteter Komplikationen bei der Schwangerschaft habe die Kindesmutter im Oktober/November 1988 zwei bis drei Wochen im Krankenhaus verbringen müssen. Auch hier habe der Kläger sie aufgesucht und auf einer Abtreibung bestanden. Daraufhin habe die Kindesmutter den Zettel mit dem Unterhaltsverzicht geschrieben und unterschrieben. Bei einem weiteren Besuch am 1. November 1988 habe der Kläger dieser den vorformulierten Zettel vorgelegt, den sie ohne sich über dessen Bedeutung klar gewesen zu sein allein aus dem Grunde unterschrieben habe, um ihre Ruhe zu haben. Die niedergelegte Erklärung habe ihrem damaligen Willen nicht entsprochen, weshalb die Kindesmutter die Erklärung zwischenzeitlich auch angefochten habe.

14

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines serologischen Abstammungsgutachtens des Prof. Dr. ... von der Medizinischen Hochschule Hannover. Danach ist der Kläger als Erzeuger der Beklagten ausgeschlossen. Ferner ist die Hausfrau ... im Wege der Rechtshilfe durch das Amtsgericht Fürstenfeldbruck zu den Umständen der Unterzeichnung der Zettel als Zeugin vernommen worden. Schließlich hat das Amtsgericht den Kläger und die Kindesmutter angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sachverständigengutachten sowie das Rechtshilfeprotokoll und die Sitzungsniederschrift vom 16. Januar 1991 Bezug genommen.

15

Durch das am 28. Februar 1991 verkündete angefochtene Urteil, welches dem Kläger am 5. März 1991 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht Hannover die Klage mit der Begründung abgewiesen, durch seine Zustimmung zur Fremdinsemination habe der Kläger sein Anfechtungsrecht verloren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

16

Mit seiner am 4. April 1991 eingelegten und innerhalb der - verlängerten - Frist begründeten Berufung strebt der Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils an.

17

Er wiederholt im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Dieses präzisiert er hinsichtlich der beiden von der Kindesmutter unterschriebenen Zettel dahin: die Kindesmutter habe bei seinem Besuch am 1. November 1988 im Krankenhaus auf seine Vorhaltungen wegen der ihm gerade zuvor eröffneten Schwangerschaft hin zunächst nur den Zettel, der den Unterhaltsverzicht beinhaltete, geschrieben und unterschrieben. Nach Beendigung des Besuches habe er sofort seine erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte aufgesucht. Diese habe ihm erklärt, er solle sich auch die Tatsache, daß die Kindesmutter die Inseminationsversuche zuletzt gegen seinen Willen vorgenommen habe, schriftlich bestätigen lassen. Daraufhin habe er die Erklärung auf dem zweiten Zettel vorformuliert und sich von der Kindesmutter unterschreiben lassen.

18

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, daß die Beklagten nicht die ehelichen Kinder des Klägers sind.

19

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie wiederholen im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

22

Der Senat hat über die Frage Beweis erhoben, ob der Kläger bei den seit Juni 1988 bei der Kindesmutter vorgenommenen Inseminationsbehandlungen anwesend gewesen ist, durch Einholung einer schriftlichen Auskunft der derzeitigen Geschäftsführerin der Klinik ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Auskunft Bl. 172 d.A. Bezug genommen.

23

Im Verhandlungstermin vom 2. Oktober 1991 hat der Senat den Kläger und die Kindesmutter angehört. Der Kläger hat weiterhin erklärt, er habe die Kindesmutter im Juni 1988 davon unterrichtet, mit weiteren Inseminationen nicht einverstanden zu sein, während die Kindesmutter angegeben hat, ein solcher Widerruf des vorher gegebenen Einverständnisses sei nicht erfolgt. Auch im übrigen sind der Kläger und die Kindesmutter bei den gegensätzlichen, bereits aktenkundigen Darlegungen geblieben.

Entscheidungsgründe

24

Der Senat erachtet die form- und fristgerecht eingelegte und somit zulässige Berufung für begründet.

25

Die Beklagten haben gemäß § 1591 BGB mit ihrer Geburt die rechtliche Stellung von ehelichen Kindern des Klägers erlangt.

26

Aufgrund des vom Amtsgericht eingeholten serologischen Abstammungsgutachtens des Prof. Dr. ..., Medizinische Hochschule Hannover, vom 22. Mai 1990 steht jedoch fest, daß die Beklagten nicht vom Kläger abstammen, weil dieser in den Systemen Rh, JK und GLO, sowie bei Florian zusätzlich im Pi-System als Erzeuger auszuschließen ist.

27

Der Senat geht im Hinblick auf den insoweit übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien davon aus, daß die Beklagten aus einer in der Klinik ... vorgenommenen heterologen Insemination hervorgegangen sind. Anhaltspunkte dafür, daß die Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit, die vom 9. August 1988 bis zum 8. Dezember 1988 gedauert hat, außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt haben könnte, bestehen nicht.

28

Die Nichtehelichkeit (§ 1591 Abs. 1 Satz 2 BGB) der Beklagten muß gemäß den §§ 1593, 1599 Abs. 1 BGB durch Klage geltend gemacht werden (vgl. BGHZ 87, 169, 171) [BGH 07.04.1983 - IX ZR 24/82].

29

Da die zweijährige Frist des § 1594 Abs. 1 BGB zur Erhebung der Anfechtungsklage eingehalten ist, hängt die Frage, ob der Kläger die Ehelichkeit anfechten kann, vorliegend allein davon ab, ob das Anfechtungsrecht des Klägers im Hinblick darauf, daß die Beklagten aus einer heterologen Insemination hervorgegangen sind, ausgeschlossen ist.

30

In diesem Zusammenhang ist zunächst die Frage von Bedeutung, ob der Kläger seine in der Vereinbarung mit der Klinik Schaad am 19. Juli 1985 erteilte Zustimmung zur heterologen Insemination vor Durchführung der Behandlung, die zur Schwangerschaft der Kindesmutter mit den Beklagten geführt hat, wirksam widerrufen hat. Daß ein solcher Widerruf gegenüber der Klinik Schaad nicht erfolgt ist, ist zwischen den Parteien unstreitig und folgt zudem aus der Tatsache, daß das an die Klinik gerichtete Schreiben des Klägers, in welchem er seine Einwilligung zurückgenommen hat, erst vom 7. Dezember 1988 datiert. Die Frage, ob der Kläger vor Durchführung der hier in Rede stehenden Behandlungen der Mutter der Beklagten dieser gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, er sei mit weiteren Inseminationsversuchen nicht einverstanden, hat sich nicht aufklären lassen. Der Sachvortrag des Klägers, wonach dieser seiner damaligen Ehefrau erklärt habe, er wünsche keine weiteren Behandlungen mehr, steht zu den Angaben der Kindesmutter sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Senat, wonach ihr ein derartiger Wunsch ebensowenig bekannt geworden sei wie die Tatsache, daß der Kläger seit Juni 1988 eine anderweitige feste ernsthafte Beziehung eingegangen sei, in unvereinbarem Widerspruch. Daraus, daß der vom Kläger vorformulierte, auf den 1. November 1988 datierte Text, wonach die Kindesmutter die Inseminationsversuche zuletzt gegen dessen Willen vorgenommen habe, von dieser unterschrieben worden ist, läßt sich die Richtigkeit des Klagvortrages in diesem Punkte nicht herleiten. Der Vortrag der Beklagten zu diesem Punkt, ihre Mutter habe diesen Zettel lediglich auf Drängen des Klägers unterschrieben, um im Krankenhaus ihre Ruhe zu haben, erscheint dem Senat lebensnah. Er wird zudem durch die Aussage der erstinstanzlich vernommenen Zeugin ... gestützt, wonach die Kindesmutter dieser erzählt hat, der Beklagte habe auf einer Abtreibung bestanden. Daß eine Frau, deren sehnlichster Wunsch es ist, Kinder zu bekommen, und die bereits eine Fehlgeburt erlitten hat, auf ein solches Ansinnen hin aus der Fassung gerät, liegt auf der Hand. Im übrigen vermag die vom Kläger abgegebene Erklärung, er habe seine Zustimmung nicht bereits im Sommer des Jahres 1988 gegenüber der Klinik ... widerrufen, weil er gehofft habe, seine Ehe könnte wieder in Ordnung kommen, den Senat nicht zu überzeugen, weil sie sich mit seinem an anderer Stelle gegebenen Sachvortrag, er sei bereits im Juni 1988 eine neue, feste, ernsthafte Beziehung eingegangen, nicht vereinbaren läßt.

31

Nach alledem hat der Senat davon auszugehen, daß die im Jahre 1985 gegebene Zustimmung des Klägers bei Zeugung der Beklagten noch vorlag.

32

Die Frage, ob der Mann die Ehelichkeit von Kindern, die mit seiner Zustimmung durch heterologe Insemination gezeugt worden sind, anfechten kann, ist vom Bundesgerichtshof (BGHZ 87, 169 ff. [BGH 07.04.1983 - IX ZR 24/82]) bereits grundlegend entschieden worden. Der Senat schließt sich der in dem genannten Urteil niedergelegten Auffassung, wonach die Einwilligung des Ehemannes in eine heterologe künstliche Samenübertragung und seine Erklärung, die Vaterschaft zu dem so gezeugten Kinde "anzuerkennen", zum (rechtsgeschäftlichen) Ausschluß des Anfechtungsrechts nicht ausreicht, an. Der zu diesem Punkt von Giesen (JZ 1983, 552 ff.; vgl. Kollhosser JA 1985, 553, 555) vorgebrachten Kritik vermag der Senat nicht zuzustimmen. Schon deren Ansatzpunkt, Sinn und Zweck der zweijährigen Anfechtungsfrist in § 1594 BGB sei der, daß derjenige eine zweijährige Bedenkzeit haben solle, der plötzlich und unvorbereitet von Umständen Kenntnis erlangt, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen, erscheint so nicht zutreffend. Wie sich aus § 1594 Abs. 2 Satz 2 BGB ergibt, kommt die zweijährige Anfechtungsfrist auch dem Mann ungeschmälert zugute, dem die Umstände, die für die Nichtehelichkeit des Kindes sprechen, bereits vor dessen Geburt bekannt sind oder der vor der Geburt des Kindes eine - nicht von ihm - schwangere Frau heiratet (vgl. dazu BGH NJW 1979, 418, 419) [BGH 03.11.1978 - IV ZR 199/77]. Dies zeigt, auch ohne daß dies aus den amtlichen Begründungen zur Änderung des § 1594 BGB durch das Gesetz über die Änderung und Ergänzung familienrechtlicher Vorschriften vom 12. April 1938 (DJ 1938, 619) sowie das Familienrechtsänderungsgesetz 1961 (BT-Drs. III/530 S. 14) hervorgeht, daß es dem Gesetzgeber darum ging, dem Mann bis zu zwei Jahren die Gelegenheit zu geben, im Umgang mit dem Kind zu prüfen, ob er seelisch in der Lage ist, ein fremdes Kind als eigenes zu betrachten. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, diese mit der Person des Kindes untrennbar verbundene Gewissensentscheidung auf einen Zeitpunkt vorzuverlegen, zu dem das Kind noch nicht einmal gezeugt ist. Daß die Frage der Ehelichkeitsanfechtung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht bereits vor der Geburt des Kindes zur Disposition des Anfechtungsberechtigten durch Willensakt stehen soll, folgt zudem auch aus der früheren Fassung des § 1598 BGB, die durch das genannte Gesetz vom 12. April 1938 (RGBl. I S. 380) aufgehoben worden ist. Danach konnte der seinerzeit grundsätzlich allein anfechtungsberechtigte Mann die nach seinem Tode mögliche Ehelichkeitsanfechtung durch Dritte dadurch ausschließen, daß er das Kind nach der Geburt als das seinige anerkannte. Auch hier war nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der damaligen Rechtsprechung (vgl. dazu RGRK/Sayn, 6. Aufl., § 1598 BGB Anm. 1) eine solche Anerkennung vor der Geburt des Kindes rechtlich wirkungslos. Schließlich spricht auch die Tatsache, daß selbst bei bewußt wahrheitswidriger Anerkennung der Vaterschaft zu einem nichtehelichen Kind das Anfechtungsrecht des Anerkennenden gemäß § 1600 g BGB nicht ausgeschlossen ist (BT-Drucksache V/2370 S. 31), gegen die These Giesens, mit der Zustimmung zur Fremdinsemination entfalle die Möglichkeit einer Ehelichkeitsanfechtung. Der Unterschied zu einer Adoption, an deren Bindungswirkung der Ausschluß des Anfechtungsrechts bei konsentierter Fremdinsemination nach Ansicht eines Teils des Schrifttums angelehnt werden soll, besteht darin, daß jene in einem strengen formellen Verfahren durch das Gericht ausgesprochen wird, während es sich bei der Zustimmung zur Fremdbefruchtung lediglich um eine formlose oder privatschriftliche Erklärung handelt.

33

Darin, daß der Kläger entgegen der unter II 4 der Vereinbarung vom 19. Juli 1985 von ihm anerkannten Verpflichtung die Ehelichkeit der Beklagten anficht, vermag der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O., S. 177) keinen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens zu sehen, der die Rechtsausübung unzulässig machen würde. Die gegen jenes Urteil in diesem Punkt von Teilen des Schrifttums gerichteten Angriffe (Giesen a.a.O. S. 553; Kollhosser, a.a.O. S. 555; Deutsch MDR 1985, 177, 180; Bernat MedR 1986, 245, 247 f.; Staudinger/Göppinger Rn. 40 zu § 1591 BGB) vermögen den Senat nicht von der gegenteiligen Ansicht zu überzeugen.

34

Ein Abwägen der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten (Giesen a.a.O.) führt in der Regel und auch vorliegend nicht dazu, daß die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Mann im Interesse der Kinder zu unterbleiben hat. Hierdurch würde der Mann gezwungen, eine Vaterrolle beizubehalten, die auszuüben er nicht gewillt oder zu der er seelisch nicht in der Lage ist. Die Mitverantwortung des zustimmenden Ehemannes für die fremde Zeugungshandlung und damit die Weckung des Lebens läßt den aus der gesetzlichen Einräumung einer Frist zur Anfechtung der rechtlichen Vaterstellung hervorgehenden und mit ihr intendierten Grundsatz, daß ihm ausreichende Gelegenheit zur Prüfung zu geben ist, ob er diese Vaterstellung durchhalten wird, nicht gegenstandslos werden. Diese Prüfung wird er schwerlich in der Zeit der Inseminationsbehandlung, selbst wenn diese - wie hier - bisweilen länger anhält und zu Befruchtungsansätzen ohne bleibenden Erfolg führt, im voraus ausreichend vornehmen können, weil sich das Spannungsfeld im wesentlichen erst nach Erlangung der Vaterstellung entfaltet. Dem Familienfrieden und dem Kindeswohl wäre mit einer Beschneidung der Prüfgelegenheit "an der Familienfront" in den kritisch werdenden Fällen - und nur sie führen überhaupt zur Geltendmachung des Anfechtungsrechts - nicht gedient. Außerdem dürfen auch die Kinder nicht daran gehindert werden, ihre wahre biologische Abstammung feststellen zu lassen (vgl. Coester-Waltjen, in: Verhandlungen des 56. Deutschen Juristentages, Gutachten S. B 51 ff.). Der Argumentation von Deutsch (a.a.O.), wonach der Ehemann an seiner Zustimmung zur Fremdinsemination nach allgemeinen Regeln festgehalten werden müsse, weil es im Interesse des Kindes liege, ehelich zur Welt zu kommen, ist entgegenzuhalten, daß das durch heterologe Insemination gezeugte Kind einer verheirateten Mutter gemäß § 1591 Abs. 1 BGB stets als eheliches geboren wird. Zutreffend weist im übrigen Gaul (Soergel/Gaul Rn. 33 zu § 1591 BGB) darauf hin, daß das Ehelichkeitsanfechtungsrecht bei der Zustimmung des Ehemannes zu einem Ehebruch der Frau (sc. zum Zwecke der Empfängnis) nicht entfällt.

35

Schließlich spricht nach der Überzeugung des Senats gegen die Annahme, die Ehelichkeitsanfechtung sei im Hinblick auf die gegebene Zustimmung zur heterologen Insemination rechtsmißbräuchlich, die Tatsache, daß das Gesetz dem Manne, der eine nichteheliche Vaterschaft bewußt wahrheitswidrig anerkannt hat, dennoch ein Anfechtungsrecht zugesteht (BT-Drucksache V/2370 S. 31; Coester-Waltjen a.a.O. S. B 50, 51). Wenn aber in diesem vergleichbaren Fall eine nach fremder Zeugung (zulässigerweise schon vor der Geburt des Kindes, § 1600 b Abs. 2 BGB) abgegebene öffentlich beurkundete Erklärung (§ 1600 e BGB), die biologisch nicht bestehende Vaterschaft zu "übernehmen", dem Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht ausgesetzt ist, kann eine vor Zeugung des Kindes nur formlos oder privatschriftlich abgegebene Zustimmung zur Fremdinsemination keinen entscheidend gewichtigeren Vertrauenstatbestand schaffen, keine größere Bindungswirkung entfalten und keinen stärkeren Bestandsschutz genießen und dementsprechend die Rechtsmißbräuchlichkeit der Ehelichkeitsanfechtung (erst recht) nicht begründen.

36

Die Tatsache, daß der Kläger vorliegend neben der Zustimmung zur Insemination auch die Verpflichtung abgegeben hat, die Ehelichkeit nicht anzufechten, kann aus den genannten Gründen nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führen.

37

Ob auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen überhaupt Fälle denkbar sind, in denen die Ausübung des Anfechtungsrechts rechtsmißbräuchlich ist (zweifelnd auch Dölle, Festschrift für Rabel, 1954, S. 187, 243/244), und ob gegebenenfalls die Tatsache, daß der wirkliche Erzeuger nicht feststellbar ist, hierfür ausreichend sein kann (BGHZ 87, 169, 178) [BGH 07.04.1983 - IX ZR 24/82], - was im Hinblick darauf, daß die Nichtfeststellbarkeit des wahren Vaters das Anfechtungsrecht des Mannes, der die nichteheliche Vaterschaft wahrheitswidrig anerkannt hat, nicht beseitigt, zweifelhaft sein kann - braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Aufgrund der schriftlichen Beantwortung der mit Senatsbeschluß vom 20. August 1991 gestellten Beweisfrage durch die Geschäftsführerin der Klinik ... am 11. September 1991 steht fest, daß die Unterlagen betreffend den Kläger und die Behandlung der Kindesmutter in der Klinik noch vorhanden sind. Daß sich die Identität des Samenspenders nicht mehr feststellen lasse, ist im Hinblick auf die Leitsätze der Rechtsberatertagung der Ärztekammern des Bundesgebietes vom 5. Juni 1970 (zitiert bei Balz, Heterologe künstliche Samenübertragung beim Menschen, 1980, S. 10) nach der Überzeugung des Senats ausgeschlossen. Hiergegen spricht zudem die Formulierung in II 3 der Vereinbarung. Danach hat sich die Klinik lediglich verpflichtet, einen Austausch der Personalien zwischen dem Spender einerseits und dem Kläger und der Kindesmutter andererseits zu unterbinden. Von einer - standeswidrigen - Vernichtung der Unterlagen über den Spender ist nicht die Rede.

38

Da sich zwischen dem Kläger und den Beklagten eine Vater-Kind-Beziehung nicht bilden konnte, weil er sich von der Kindesmutter bereits vor der Geburt der Beklagten getrennt hatte, wäre die Ehelichkeitsanfechtung auch aus diesem Gesichtspunkt nicht ausgeschlossen, wenn man ihn für ausreichend erachten würde.

39

Die Frage der Unterhaltspflicht kann in diesem Verfahren keine Rolle spielen, weil es allein um die Klärung der Abstammung geht, so daß der Senat zu der Frage, ob in der Zustimmung zur heterologen Insemination eine vertragliche Übernahme der Unterhaltspflicht zu sehen ist (vgl. LG Duisburg FamRZ 1987, 197), nicht Stellung zu nehmen braucht.

40

Nach alledem liegen Gründe, aufgrund derer dem Kläger das Anfechtungsrecht versagt sein könnte, nach Ansicht des Senats nicht vor.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 c ZPO.

42

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der sich aus diesem Verfahren ergebenden und höchstrichterlich noch nicht ausreichend geklärten Rechtsfragen macht der Senat vorliegend von der Möglichkeit Gebrauch, die Revision zuzulassen (§ 547 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kaul
Treppens
Brick