Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.03.1981, Az.: 8 U 109/80

Erforderlichkeit eines Verbleibens des Erlöses aus der Verwertung von Büroinventar in der Masse i.R.e. Zwangsvollstreckung; Beweislastverteilung bzgl. der Kenntnis des Vorliegens eines Konkursantrages bei Zahlung einer Schuldnerin an den Gerichtsvollzieher

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.03.1981
Aktenzeichen
8 U 109/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 22793
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1981:0320.8U109.80.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 16.07.1980 - AZ: 2 O 557/79

In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 1981
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ... und
...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Juli 1980 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - teilweise geändert und neu gefaßt.

Es wird festgestellt, daß der Erlös der vom Obergerichtsvollzieher ... in Bremen zu DR II Nr. 57/79 gepfändeten Gegenstände dem Kläger zusteht.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 3/8, der Beklagte 5/8 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Entscheidungsbeschwer beträgt für den Kläger 4.733,33 DM, für den Beklagten 3.000 DM.

Tatbestand

1

Der Beklagte hat aus einem gerichtlichen Vergleich vom 28. November 1978 wegen einer Hauptforderung von 7.733,33 DM gegen die nachmalige Gemeinschuldnerin vollstreckt. Diese hat am 15. Januar 1979 zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher 3.000 DM in bar gezahlt; wegen der Restforderung hat der Gerichtsvollzieher zu DR II Nr. 57/79 Gegenstände der Büroeinrichtung gepfändet.

2

Schon am 9. Januar 1979 hatte die ... die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin beantragt; diesem Antrag ist am Tage nach der Vollstreckungshandlung entsprochen worden (40 N ... Amtsgericht Bremen).

3

Der Kläger hat die Vollstreckung vom 15. Januar 1979 als anfechtbare Rechtshandlung gewertet und verlangt, daß der Beklagte die Ergebnisse zur Masse zurückgewähre. Im Einvernehmen der Parteien ist der von der Gemeinschuldnerin in bar gezahlte Betrag von den Bremer Anwälten in Verwahrung genommen worden, die für den Beklagten die Zwangsvollstreckung betrieben haben. Das gepfändete Büroinventar ist verwertet worden; die Parteien haben bestimmt, daß dem Kläger das Ergebnis zustehen solle, soweit seine Anfechtung sich als berechtigt erweise.

4

Der Kläger hat demgemäß Klage erhoben und vorgetragen: Soweit der Beklagte durch die Pfändung eine inkongruente Deckung erhalten habe, sei die Anfechtung schon nach §30. Nr. 2 KO begründet, weil er zeitlich nach dem Konkursantrag vollstreckt habe und nicht beweisen könne, daß er oder seine Bremer Anwälte von der Krise der Gemeinschuldnerin nichts gewußt hätten. Daß zumindest einer dieser Anwälte von dem Konkursantrag positive Kenntnis gehabt habe, folge aus den Umständen und werde durch die Zeugenvernehmung der Anwälte bewiesen werden. Deshalb sei die Anfechtung auch insoweit, als der Beklagte die ihm an sich zukommende Zahlung erhalten habe, nach §30 Nr. 1 KO begründet. Derörtlichen Presse hätten die ... Anwälte des Beklagten nämlich schon vor dem 9. Januar 1979 entnehmen können und entnommen, daß die Gemeinschuldnerin in finanziellen Schwierigkeiten gewesen sei; am 12. Januar 1979 sei sodann über den Konkursantrag berichtet worden. Die Lebenserfahrung spreche dafür, daß die ... Anwälte des Beklagten, die eine Wirtschaftspraxis betrieben, diese Nachricht wie andere einschlägige Nachrichten auch gelesen hätten.

5

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, in die Auszahlung des bei den Rechtsanwälten ... u.a. in ... hinterlegten Betrages von 3.000 DM an ihn einzuwilligen,

  2. 2.

    im übrigen festzustellen, daß der Erlös der bei der Gemeinschuldnerin gepfändeten Gegenstände ihm zustehe.

6

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er hat erwidert: Weder ihm noch dem sachbearbeitenden Anwalt, auf dessen Wissen es aus Rechtsgründen allein ankomme, sei von dem Konkursantrag etwas bekannt gewesen.

8

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung die Klage mit dem am 16. Juli 1980 verkündeten Urteil abgewiesen.

9

Gegen die ihm am 17. September 1980 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 1. Oktober 1980 Berufung eingelegt, die am 3. November 1980 (Montag) begründet worden ist.

10

Der Kläger ergänzt und wiederholt seine erstinstanzliche Sachdarstellung und hält die rechtliche und tatsächliche Würdigung des Landgerichts für fehlerhaft. Er beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils nach seinen Anträgen aus dem ersten Rechtszug zu erkennen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Auch er wiederholt und ergänzt sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und verteidigt das angefochtene Urteil.

13

Zu Information des Gerichts ist eine dienstliche Äußerung des Obergerichtsvollziehers ... eingeholt worden; auf dessen schriftliche Erklärung vom 15. Januar 1981 wird Bezug genommen. Zur Ergänzung der Sachdarstellung wird im übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Der Erlös aus der Verwertung des Büroinventars muß der Masse verbleiben, denn insoweit ist die Konkursanfechtung gemäß §30 Nr. 2 KO gerechtfertigt; dagegen braucht der Beklagte den Barbetrag, welchen die Gemeinschuldnerin zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher gezahlt hat, nicht zurückzugewähren.

15

1.

Der erwähnte Barbetrag muß dem Beklagten verbleiben, denn er hat damit eine kongruente Deckung erhalten und der Beweis dafür, daß er oder Rechtsanwalt ... seinerzeit von dem Konkursantrag, der zur Konkurseröffnung geführt hat, gewußt hätten, ist nicht erbracht.

16

a)

Durch die Leistung von Geld hat der Beklagte nicht mehr und nichts anderes erhalten, als er nach dem vollstreckbaren Titel zu beanspruchen hatte, so daß von einer inkongruenten Deckung und den daran geknüpften gesetzlichen Vermutungen (§30 Nr. 2 KO) keine Rede sein kann.

17

b)

Den Beweis dafür, daß dem Kläger oder Rechtsanwalt ... zu der Zeit, als die nachmalige Gemeinschuldnerin dem Gerichtsvollzieher Zahlung leistete, der Konkursantrag vom 9. Januar 1979 bekannt gewesen wäre, ist nicht erbracht. Daß der Beklagte selbst, der sein Handwerk in einer ländlichen Gemeinde in größerer Entfernung von ... betreibt, die Ereignisse des ... Wirtschaftslebens verfolgt und so von dem Konkursantrag Kenntnis erhalten hätte, wird von dem Kläger nicht einmal substantiiert behauptet. Dafür, daß es sich gleichwohl so verhalten haben könnte, ergibt sich auch aus dem Zusammenhang kein greifbarer Anhaltspunkt; denn der Beklagte hat auf Frage des Berichterstatters unwidersprochen vorgetragen, seinen ... Anwälten einen Vollstreckungsauftrag nur in allgemeiner Form und insbesondere nicht erst in der Zeit nach dem Konkursantrag erteilt zu haben. - Zwar ist nach der Aussage von Rechtsanwalt ... im ersten Rechtszug die Möglichkeit nicht völlig auszuschließen, daß ihm der Konkursantrag bekannt gewesen sein könnte; eine sichere Feststellung dahin ist jedoch nicht möglich. Auf das Wissen der übrigen Mitglieder der Anwaltssoziietät, welcher Rechtsanwalt ... angehört, kommt es rechtlich nicht an, so daß ihre von dem Kläger beantragte Zeugenvernehmung zu unterbleiben hat. Selbst wenn alle Sozien außer Rechtsanwalt ... am 15. Januar 1979 gewußt haben sollten, daß gegen die nachmalige Gemeinschuldnerin ein Konkursantrag vorlag, wäre es angesichts des Umfangs der Kanzlei und des vergleichsweise geringfügigen Umfangs des Vollstreckungsauftrages geradezu abwegig abzunehmen, daß ein anderer Anwalt als gerade der intern damit befaßte Rechtsanwalt ... mit diesem Vollstreckungsauftrag vertraut oder auch nur beiläufig darüber unterrichtet gewesen wäre. Daß auch jeder andere Sozius ebenso wie Rechtsanwalt ... berechtigt gewesen wäre, den Beklagten im Verfahren der Zwangsvollstreckung anwaltlich zu vertreten, ist ohne Bedeutung, solange und weil unstreitig allein Rechtsanwalt ... die Sache bearbeitet hat. Allein dessen Wissen hätte deshalb für den Beklagten schädlich sein können (vgl. Jäger, 8. Aufl., Rdn. 20 zu §30 KO).

18

2.

Die auf Anfechtung der Pfändung von Büroinventar gestützte Feststellungsklage dahin, daß der Erlös aus der Veräußerung der Pfandstücke zur Masse gehöre, ist dagegen zulässig und begründet.

19

a)

Das rechtliche Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung (§254 ZPO) ergibt sich daraus, daß die Pfandstücke im Einvernehmen der Parteien verwertet worden sind und daß die Parteien übereinstimmend eine lediglich feststellende gerichtliche Entscheidung darüber, wem der Erlös zusteht, respektieren wollen.

20

b)

Daß der Erlös dem Kläger zusteht, folgt daraus, daß die Pfändung dem Beklagten eine inkongruente Deckung verschafft hat und daß er die gesetzlichen Vermutungen nicht widerlegt hat, die§30 Nr. 2 KO an mangelnde Kongruenz knüpft.

21

aa)

Daß der Beklagte einen Vollstreckungstitel gegen die nachmalige Gemeinschuldnerin erwirkt hatte, gab ihm keinen durchsetzbaren Anspruch auf Sicherung durch Mobiliarpfändung. Im konkursrechtlichen Sinn ist der Erwerb eines Pfändungspfandrechts aus einem Zahlungstitel deshalb eine Deckung, die nicht geschuldet ist; denn aus einem auf Zahlung gerichteten Titel wird die Leistung von Geld, nicht aber die Gewährung einer Sicherheit mit Verwertungsbefugnis geschuldet.

22

bb)

An die Gewährung einer inkongruenten Deckung zeitlich nach dem Konkursantrag aber knüpft das Gesetz die Vermutung, daß der Erwerber - hier der Beklagte bzw. Rechtsanwalt ... als der für ihn handelnde Vertreter - den Eröffnungsantrag und eine - ebenfalls vermutete - Absicht des Gemeinschuldners, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, gekannt habe. Diese Vermutung ist nicht ausgeräumt. Dabei kann es auf sich beruhen, ob dem Landgericht darin gefolgt werden kann, daß der Erwerb einer inkongruenten Deckung im Wege der Zwangsvollstreckung von vornherein eine Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners und eine Kenntnis des Gläubigers von solcher Absicht ausschließe. Denn jedenfalls vermittelt das erstinstanzliche Beweisergebnis dem Senat nicht die sichere Überzeugung, daß Rechtsanwalt ... am 15. Januar 1979 von dem Konkursantragnicht gewußt hätte. Seine Bekundung ist nämlich dahin gegangen, daß er zwar nicht glaube, zur Zeit der Vollstreckung von dem Konkursantrag gewußt zu haben, daß er eine sichere Erinnerung daran jedoch nicht habe. Mit dieser Bekundung aber kann ein Nachweis fehlender Kenntnis nicht geführt werden, so daß die gesetzliche Vermutung weiterhin gilt und die Anfechtung und damit auch das Feststellungsbegehren begründet ist.

23

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, denn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfände, liegen unzweifelhaft nicht vor.