Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.03.1981, Az.: 10 UF 25/81

Voraussetzungen für die Durchführung des Versorgungsausgleichs; Erfüllung der Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung der Kinder und Haushaltsführung; Unterhaltspflichtverletzung eines Ehepartners infolge von Alkoholsucht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.03.1981
Aktenzeichen
10 UF 25/81
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1981, 18998
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1981:0318.10UF25.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 07.01.1981 - AZ: 212 F 86/80

Verfahrensgegenstand

Ehescheidung und Folgesachen

Versorgungsausgleich

Der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die Beschwerde des Antragsgegners vom 30. Januar 1981
gegen das am 7. Januar 1981 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover
in der Sitzung vom 18. März 1981
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sch.
den Richter am Oberlandesgericht von H. und die Richterin am Landgericht B.
beschlossen:

Tenor:

Beiden Parteien wird das Armenrecht für die Berufungsinstanz gerichtsgebührenfrei versagt.

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners nach einem Beschwerdewert von 3.847,80 DM zurückgewiesen.

Gründe

1

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich rechnerisch zutreffend in der Weise durchgeführt, daß es von dem Rentenversicherungskonto des Antragsgegners Anwartschaften auf das Altersruhegeld von monatlich 320,65 DM, bezogen auf den 30. April 1980, auf das Rentenversicherungskonto der Antragstellerin übertragen hat. Gegen diese Durchführung des Versorgungsausgleichs hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die Antragstellerin sei seit 1967 der Trunksucht verfallen. Deshalb habe sie sich seit dieser Zeit zunächst jährlich mehrere Monate in den W. Anstalten aufgehalten. Während dieser Anstaltsaufenthalte sei er gezwungen gewesen, neben seiner Berufstätigkeit auch die Kinder der Parteien zu versorgen und den Haushalt zu führen. Da sich der Zustand der Antragstellerin verschlechtert habe, lebe sie seit 1976 ständig in den W. Anstalten und erhalte sie seit dem 1. September 1977 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Durch dieses Verhalten habe die Antrags teil er in längere Zeit hindurch gröblich ihre Unterhaltspflicht verletzt. Der Versorgungsausgleich dürfe deshalb nach § 1587 c Nr. 3 BGB nicht durchgeführt werden.

2

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 3 BGB nicht vorliegen.

3

Der Ausschlußtatbestand des § 1587 c Nr. 3 verlangt als objektive Voraussetzung eine Nichtgewährung des Unterhalts über längere Zeit. Diese Voraussetzung kann allenfalls für die Zeit seit der dauerhaften Unterbringung der Antragstellerin in den W. Anstalten im Jahre 1976 angenommen werden.

4

Bis zum Jahre 1966 hat die Antragstellerin ihre Unterhaltspflicht stets erfüllt. Danach war sie nach der Versorgungsauskunft der Landesversicherungsanstalt H. bis Ende Juni 1970 mit Ausnahme weniger Tage nicht erwerbstätig. Darin kann jedoch keine Unterhaltspflichtverletzung gesehen werden. Nach dem Vortrag des Antragsgegners oblag der Antrags teil er in die Pflege und Erziehung der Kinder sowie die Haushaltsführung. Bei dieser Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe der Parteien war die Antragstellerin nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, denn. Ende Juni 1970 war die jüngste Tochter der Parteien erst 7 Jahre alt.

5

Unterstellt man zugunsten des Antragsgegners, daß sich die Antragsteller in während des vorgenannten Zeitraums jährlich für längere Zeit in den W. Anstalten aufgehalten hat und deshalb weder die Kinder versorgen noch den Haushalt führen konnte, so kann auch darin keine Nichtgewährung des Familienunterhalts während längerer Zeit erblickt werden. Es muß davon ausgegangen werden, daß diese Aufenthalte in den W. Anstalten zu keiner Zeit länger als 6 Wochen gedauert haben. Wie die Versorgungsauskunft der Landesversicherungsanstalt H. ergibt, ist die Antragstellerin in der späteren Zeit von Ende Juni 1970 bis April 1975 wieder erwerbstätig gewesen. Diese Zeit ist mit Ausnahme weniger Tage durchgängig mit Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung belegt. Aus dieser Tatsache ergibt sich gemäß §§ 1259 Abs. 1 Nr. 1 RVO, 1 Abs. 1 LFG, daß die Antragstellerin zu keiner Zeit Krankengeld erhalten hat, sondern sich ihre Anstaltsaufenthalte immer innerhalb einer Zeit von 6 Wochen gehalten haben, in der ihr Arbeitgeber ihren Lohn fortzuzahlen hatte. Da sich der Zustand der Antragstellerin nach der Darstellung des Antragsgegners immer mehr verschlechtert hat, ist davon auszugehen, daß die Aufenthalte in den W. Anstalten in den Jahren 1967 bis 1970 nicht länger waren als in den späteren Jahren. Bei einer Ehe von insgesamt 28 Jahren stellen jedoch solche Ausfälle von höchstens 6 Wochen keine längere Zeit i.S.v. § 1587 c Nr. 3 BGB dar.

6

In der Zeit von Ende Juni 1970 bis Mitte April 1975 ist die Antragstellerin mit Ausnahme weniger Tage im Dezember 1971 ständig erwerbstätig gewesen. Danach hat sie mit Ausnahme einiger Monate im Jahre 1976, in der sie wieder erwerbstätig war, bis Anfang März 1977 Krankengeld erhalten. Mit diesen Einkünften hat sie einen maßgeblichen Beitrag zum Familienunterhalt geleistet. Auch während dieser Zeit soll sie sich nach Darstellung des Antragsgegners jährlich längere Zeit in den W. Anstalten aufgehalten haben. Wie bereits dargelegt worden ist, können diese Aufenthalte jeweils nicht länger als 6 Wochen gedauert haben. Es kann deshalb aus den vorgenannten Gründen auch für diesen Zeitraum bis zur letzten Einlieferung der Antragstellerin in die W. Anstalten von einer Nichtgewährung des Familienunterhalts über längere Zeit keine Rede sein.

7

Der Ausschlußtatbestand des § 1587 c Nr. 3 BGB verlangt ferner eine gröbliche Unterhaltspflichtverletzung. Im objektiven Sinne bedeutet dieses Erfordernis der Gröblichkeit, daß die Familie infolge der Nichtgewährung des Unterhalts in ernste Schwierigkeiten geraten muß (Bastian/Roth-Stielow/Schmeidurch, 1. EheRG § 1587 c BGB Rz 30; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, Rz 666). Daß die gelegentliche Nichtgewährung des Unterhalts durch die Antrags teil er in diese Folgen gehabt hat, ist nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat zwar während der Anstaltsaufenthalte der Antragstellerin neben seiner Berufstätigkeit die Kinder der Parteien versorgen und den Haushalt führen müssen. Er macht jedoch mit seiner Beschwerde geltend, die Unterhaltspflichtverletzung der Antrags teil er in liege darin, daß sie nicht ständig ganztags erwerbstätig gewesen sei und nicht immer die Kinder versorgt und den Haushalt geführt habe. Damit verlangt er von der Antragstellerin als ständige Leistung das, was er selbst nur gelegentlich während ihrer Anstaltsaufenthalte zu leisten brauchte. Was jedoch aus der Sicht des Antragsgegners der Antragstellerin als ständige Leistung zumutbar ist, kann aus derselben Schau keine ernsthafte Gefährdung des Lebensbedarfs der Familie der Parteien bedeuten, wenn diese Leistung gelegentlich von dem Antragsgegner erbracht werden mußte.

8

Auch eine nachhaltige Gefährdung des Familienunterhalts der Parteien in wirtschaftlicher Hinsicht als Folge des gelegentlichen Ausfalls der Antragstellerin ist nicht gegeben. Es sind keine Tatsachen ersichtlich, aus denen sich ergibt, daß die Familie materielle Not gelitten hätte. Das gilt insbesondere für die Zeit von Juli 1970 bis Februar 1977, in der die Antragstellerin mit ihrem eigenen Einkommen maßgeblich zum Familienunterhalt beigetragen hat.

9

Seit September 1976 ist die Antrags teil er in in den W. Anstalten untergebracht. Die Zeit von ihrer Unterbringung an bis zum Ende der Ehezeit am 30. April 1980 kann als längere Zeit i.S.v. § 1587 c Nr. 3 BGB betrachtet werden. Aber auch während dieser Zeit hat die Antragsteller in nicht gröblich ihre Unterhaltspflicht verletzt.

10

Als objektive Folge der Gröblichkeit der Unterhaltspflichtverletzung fehlt es auch für die Zeit seit September 1976 aus den vorerörterten Gründen daran, daß die Familie der Parteien in ernsthafte Schwierigkeiten geraten ist. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die beiden älteren Kinder der Parteien während dieses letzten Zeitraums nicht mehr unterhaltsbedürftig waren.

11

Die Antragsteller in hat sich jedoch auch in subjektiver Hinsicht keiner gröblichen Unterhaltspflichtverletzung schuldig gemacht. Das Erfordernis der Gröblichkeit einer Unterhaltspflichtverletzung hat nicht nur in objektiver, sondern auch in subjektiver Hinsicht Bedeutung. Von einer gröblichen Unterhaltspflichtverletzung kann nur gesprochen werden, wenn sie mindestens auf grober Fahrlässigkeit beruht. Das ist jedoch bei der Antragstellerin nicht der Fall gewesen. Die Antrags teil er in ist infolge übermäßigen Alkoholgenusses in die W. Anstalten eingeliefert worden. Ihre Unterbringung war deshalb krankheitsbedingt notwendig. Einbaus diesem Grunde erfolgte Nichtgewährung des Familienunterhalts kann nicht als grob fahrlässig angesehen werden, sondern ist schicksalsbedingt (vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 1979, 522).

12

Beiden Parteien kann das Armenrecht für die Beschwerdeinstanz nicht bewilligt werden. Das Armenrechtsgesuch des Antragsgegners scheitert an der mangelnden Erfolgsaussicht seiner Beschwerde. Der Antragstellerin kann das Armenrecht aus folgenden Gründen nicht bewilligt werden: Sie hat die Bewilligung des Armenrechts unter Beiordnung ihres erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Die Beiordnung ihres erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten ist jedoch rechtlich nicht möglich, da vor dem Beschwerdegericht in Folgesachen nach § 78 Abs. 1 ZPO nur ein bei diesem Gericht zugelassener Rechtsanwalt wirksame Erklärungen abgeben kann. Eine Beiordnung eines bei dem Oberlandesgericht C. zugelassenen Rechtsanwalts von Amts wegen kommt ebenfalls nicht in Betracht, da nach Zurückweisung der Beschwerde für dessen Tätigwerden keine Veranlassung mehr besteht. Es käme deshalb nur die Bewilligung des Armenrechts ohne Beiordnung eines Rechtsanwalts in Betracht. Diese würde jedoch nur die einstweilige Befreiung der Antragstellerin von Gerichtskosten und Auslagen bedeuten. Da auf die Antragstellerin als Beschwerdegegnerin jedoch solche Aufwendungen nicht zukommen können, erübrigt sich auch die Bewilligung des Armenrechts ohne Beiordnung eines Rechtsanwalts.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, [...].

Streitwertbeschluss:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners nach einem Beschwerdewert von 3.847,80 DM zurückgewiesen.

[D]er Beschwerdewert ergibt sich aus § 17 a Nr. 1 GKG.