Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.03.1981, Az.: 2 UH 1/80
Mieterhöhung infolge eines Investitionsaufwandes für Energiesparmaßnahmen; Abwälzen der Kosten für die Erneuerung von Fenstern und Türen auf den Mieter; Abgrenzung zwischen Modernisierung und Instandsetzung in Bezug auf eine Mieterhöhung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.03.1981
- Aktenzeichen
- 2 UH 1/80
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1981, 18997
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1981:0316.2UH1.80.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 28.10.1980
Rechtsgrundlagen
- § 3 MHG
- § 14 Abs. 3 ModEnG
- § 4 ModEnG
Fundstellen
- MDR 1981, 761 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1981, 1625-1626 (Volltext mit amtl. LS)
- WuM 1981, 151-152 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Zahlung von Mietzins
Der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
am 16. März 1981
auf den Vorlagebeschluß des Landgerichts Hannover vom 28. Oktober 1980
beschlossen:
Tenor:
Es ergeht folgender Rechtsentscheid:
Ersetzt der Vermieter herkömmliche Fenster und Türen durch isolierverglaste Bauteile, so sind bei der Mieterhöhung nach § 3 MHG die Kosten beim Austausch fällig gewesener Instandsetzungen von den Gesamtkosten abzuziehen. Zukünftige Ersparnisse und anderweitige Vorteile des Vermieters werden nicht angerechnet.
Gründe
I.
Der Kläger hat der Beklagten durch Mietvertrag vom 6. Dezember 1968 in seinem Hause in ..., eine Wohnung vermietet. Im Jahre 1979 hat der Kläger die Wohnung mit drei isolierverglasten Kunststoffenstern und einer isolierverglasten Tür-Fensterkombination ausgestattet; er hat ferner an der Außenwand der Hofseite eine wärmedämmende Vorhangfassade anbringen lassen.
Der Kläger hat aufgrund dessen durch seine Schreiben vom 11. September und 10. Oktober 1979 die Miete erhöht und verlangt mit der Klage von der Beklagten, welche seine Berechtigung zur Mieterhöhung abstreitet, Zahlung rückständiger Miete sowie die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Entrichtung des höheren Mietzinses.
Das Landgericht hat den Senat zur Entscheidung über folgende Fragen angerufen:
Kann der Vermieter nach einer gemäß § 3 MHG in Verbindung mit dem ModEnG durchgeführten Renovierung sämtliche Renovierungskosten auf die Miete umlegen
oder muß der Vermieter
a)
diejenigen fiktiven Kosten von dem Gesamtinvestitionsaufwand in Abzug bringen, die für neue Fenster der alten Güteklasse hätten aufgewendet werden müssen,b)
diejenigen Kosten in Abzug bringen, die er für notwendige Reparatur und Instandsetzung des alten mangelhaften Zustandes hätte aufwenden müssen?
II.
Der Senat hat zunächst zu prüfen, inwieweit der Sach- und Streitstand des Verfahrens eine Entscheidung der vorgelegten Rechtsfrage erfordert. Der Kläger begehrt eine Mieterhöhung für zwei unterschiedliche Energiesparmaßnahmen: Den Einbau isolierverglaster Fenster und Türen sowie das Anbringen einer wärmedämmenden Außenwandfassade. Gefragt ist u.a. nach der Anrechnung ersparter Instandsetzungskosten. Bezüglich der Außenwandfassade zieht der Kläger von vornherein etwa 1/3 des Aufwandes als "Betrag für Instandsetzungskosten" ab. Insoweit stellt sich für das Landgericht die Frage nach der grundsätzlichen Anrechnung von Instandhaltungskosten nicht; daher hat sich auch der Senat nicht mit der Außenwandfassade zu befassen; denn der Rechtsentscheid hat nur in dem Umfange über die vorgelegte Rechtsfrage zu befinden, als diese für den zugrundeliegenden Rechtsstreit erheblich ist. Die vom Landgericht zu beantwortende weitere Frage, ob der Kläger bei der Außenwandfassade einen nach Lage des Falles ausreichenden Kostenabschlag vorgenommen Hat, ist dem Senat nicht vorgelegt und wäre, weil im wesentlichen von tatrichterlichen Erwägungen abhängig, auch nicht durch Rechtsentscheid zu beantworten.
Der Senat hat sich daher mit der vorgelegten Frage insoweit zu befassen, als diese den Austausch der vorhandenen gegen isolierverglaste Fenster und Türen betrifft; die Formulierung in Abschnitt a) der Frage und die Zitate in Absatz 3 der Gründe des Beschlusses lassen vermuten, daß das Landgericht den Umfang der Vorlage ebenfalls so verstanden hat.
III.
Die Frage, inwieweit der Vermieter die Kosten des Austauschs alter gegen neue isolierverglaste Fenster und Türen im Rahmen des § 3 MHG ganz oder teilweise auf den Mieter abwälzen kann, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortet.
Teils wird angenommen, der Vermieter könne in jedem Falle der Mieterhöhung den gesamten Aufwand zugrundelegen; ein Abzug ersparter Instandsetzungskosten sei grundsätzlich nicht geboten, weil eine Kürzung der vom Vermieter für bauliche Verbesserungen aufgewendeten Mittel um fiktive Einsparungen mit Wortlaut und Zweck des § 3 MHG nicht zu vereinbaren sei (AG Dortmund WuM 79, 248 [OLG Köln 30.05.1979 - 2 U 7/79]; Palandt-Putzo, Anm. 3 c zu § 3 MHG; Gelhaar in ZMR 78, 164 unter Hinweis auf die zu der vergleichbaren Vorschrift des § 11 AMVO Berlin ergangenen Entscheidungen des OVG Berlin - ZMR 78, 62 und 189 -; Hamm in NJW 79, 2496). Überwiegend wird die Auffassung vertreten, von dem Gesamtaufwand des Vermieters seien die fiktiven Kosten einer Instandsetzung abzuziehen, wenn durch die Modernisierung zugleich eine notwendige Instandsetzung vorgenommen werde, wenn also etwa schadhafte, reparaturbedürftige oder verbrauchte Bauteile ausgetauscht oder notwendige Erhaltungsarbeiten erspart werden (LG Dortmund ZMR 79, 281, LG Aachen WuM 80, 203 [LG Aachen 04.01.1980 - 3 S 312/79]; AG Hannover ZMR 79, 251; AG Mannheim Wulf 79, 98; AG Braunschweig WuM 79, 154 [AG Braunschweig 14.03.1978 - 11 C 782/77]; AG Kiel WuM 79, 128, AG Flensburg WuM 79, 128; Barthelmess, Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz, 2. Aufl., Rdn. 7 zu § 3 MHG; Schmidt-Futterer, Wohnraumschutzgesetze, 4. Aufl., Anm. C 175 zu § 3 MHG; Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., Abschnitt III Rdn. 234; Gellwitzki in ZMR 78, 225/227 und Marienfeld in ZMR 78, 38); dabei wird nicht immer deutlich zwischen den Kosten von Instandsetzungen, die zur Zeit des Austausches fällig waren, und anderen, etwa ersparten künftigen Kosten unterschieden. Eine weitere Ansicht legt der Mieterhöhung nur den Teil des Gesamtaufwandes des Vermieters zugrunde, der der Erhöhung des Gebäudewertes entspricht; außerdem müsse sich der Vermieter den ersparten künftigen Erhaltungsaufwand (etwa die Einsparung künftiger Malerarbeiten) anrechnen lassen (LG Hamburg NDR 78, 935; AG Kassel WuM 80, 203 [AG Kassel 27.11.1979 - 82 C 3728/79]).
Die Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 7/2011 mit der Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucksache 7/2638 mit dem Bericht des Rechtsausschusses) ergeben, worauf schon Hamm (NJW a.a.O.) hingewiesen hat, für die hier zu entscheidende Frage nichts.
IV.
Nach Auffassung des Senats hat der Vermieter bei einer Mieterhöhung nach § 3 MHG von den Gesamtkosten seiner Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die der Verbesserung des Gebrauchswerts der Wohnung sowie der Einsparung von Heizenergie dienen, nur die fiktiven Kosten solcher Instandsetzungen abzuziehen, die zur Zeit seiner Maßnahmen fällig, d.h. bei wirtschaftlicher Betrachtung sowie unter Berücksichtigung seiner Verpflichtungen aus dem Mietvertrag notwendig waren. Eine weitergehende Beschränkung des umlagefähigen Betrags auf eine Differenz zwischen den Kosten der Modernisierung und des Einbaues von Bauteilen der bisherigen Art oder die Anrechnung ersparter künftiger Instandsetzungen ist dagegen nicht geboten.
1.
Aus dem Wortlaut des § 3 MHG läßt sich keine der oben dargestellten zu dieser Bestimmung vertretenen Auffassungen zwingend ableiten. Der Abzug der fiktiven Kosten ersparter fälliger Instandsetzungen von dem Modernisierungsaufwand ergibt sich jedoch aus allgemeinen Grundsätzen des Mietrechts. Die Instandsetzung der Mietsache obliegt dem Vermieter als Teil der Gebrauchsgewährung (§§ 535, 536 BGB); er hat Fenster und Türen durch Pflege (Streichen, Lackieren) und durch die Beseitigung von Schäden zu erhalten oder infolge ihres Alters untauglich gewordene Teile auszuwechseln. Hätten zur Zeit des Einbaues isolierverglaster Fenster und Türen die ausgewechselten Teile ohnehin gepflegt, ausgebessert oder erneuert werden müssen, so stellt die Modernisierung zugleich eine Instandsetzung der Mietsache dar. Der Vermieter kann deshalb den Teil der Kosten nicht zum Gegenstand der Mieterhöhung machen, den er ohnehin für die Erhaltung der vorhandenen oder den Einbau neuer gleichwertiger Bauteile hätte aufwenden müssen.
In die gleiche Richtung weist auch § 14 Abs. 3 ModEnG; nach dieser Vorschrift bleiben die für die Instandsetzung aufgewendeten Kosten bei der Ermittlung der Miete unberücksichtigt.
2.
Andere als die Kosten fälliger Instandsetzungen muß sich der Vermieter nicht anrechnen lassen. Für eine solche Verringerung des umlagefähigen Modernisierungsaufwandes besteht keine gesetzliche Grundlage.
Maßnahmen zur Verbesserung von Wohnraum oder zur Energieeinsparung (Modernisierungen), die nicht zugleich fällige Instandsetzungen bewirken, dienen nicht der dem Vermieter obliegenden Erhaltung der Mietsache. Eine Anrechnung von Vorteilen, die dem Vermieter - etwa in der Form ersparten künftigen Erhaltungsaufwandes - zufallen, ist nicht geboten. Eine solche Anrechnung würde dem Gesetzeszweck des § 3 MHG ebenso widersprechen wie der Rückgriff auf schadensersatzrechtliche Vorstellungen (Abzug "neu für alt").
§ 3 MHG ist unter Berücksichtigung seines Zusammenhangs mit dem Modemisierungs- und Energieeinsparungsgesetz auszulegen (Hamm a.a.O.). Das Auswechseln einfach verglaster Fenster und Türen gegen solche mit Isolierverglasung sind Maßnahmen nach § 4 ModEnG. Sie dienen regelmäßig der Einsparung von Heizenergie (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 ModEnG), vielfach auch dem Schallschutz (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 ModEnG) und damit der Verbesserung der Wohnung. Durch die offentliche Förderung solcher Maßnahmen wird im öffentlichen Interesse ein Anreiz für den Vermieter geschaffen, durch bauliche Maßnahmen den Gebrauchswert der Wohnung zu verbessern und Energie einzusparen. Die gleiche Aufgabe erfüllt § 3 MHG auf dem Gebiet des Mietrechts. Die Bestimmung will durch ein vereinfachtes Verfahren bei der Mieterhöhung die Bereitschaft des Vermieters verstärken, Mittel in die Modernisierung der Wohnung zu investieren. Diesem Zweck entspricht die vereinfachende und pauschalierende Systematik der Vorschrift. Mit diesem Gesetzeszweck läßt sich zwar der Abzug von Kosten fälliger Instandsetzungen vereinbaren, weil § 3 MHG an den Grundregeln des Interessenausgleichs zwischen den Parteien eines Mietvertrages, zu denen die Erhaltungspflicht des Vermieters gehört, nichts ändert. Auf anderen Grundlagen beruhende Abzüge, wie etwa die Beschränkung des Umlagefähigen Modernisierungsaufwandes auf eine Kostendifferenz oder der Abzug ersparten künftigen Erhaltungsaufwands, können jedoch den Anreiz zur Modernisierung von Wohnraum entscheidend vermindern und zwingen zu Differenzierungen, die sich nicht aus dem Gesetz ergeben und mit seinem Zweck nicht vereinbar sind (OVG Berlin ZMR 78, 62). Solche Abzüge dürfen deshalb von dem Vermieter nicht verlangt werden.
3.
Der Senat verkennt nicht, daß diese Rechtslage den Vermieter veranlassen kann, Maßnahmen zur Verbesserung des Gebrauchswerts von Wohnraum oder zur Energieeinsparung nach Möglichkeit vor dem Fälligwerden von Instandsetzungen durchzuführen, um den Gesamtaufwand der Modernisierung voll auf den oder die Mieter umlegen zu können. Dies ist jedoch mit den Absichten des Gesetzgebers vereinbar.