Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.08.2022, Az.: 13 K 18/21

Erlass eines Duldungsbescheids aufgrund einer Zwangssicherungshypothek

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.08.2022
Aktenzeichen
13 K 18/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 41057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: VII R 32/22

Fundstellen

  • InsbürO 2023, 163
  • ZVI 2022, 466-472

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids vom 27. Juli 2020.

Die Klägerin war verheiratet mit Herrn A (im Folgenden: Vollstreckungsschuldner). Mit diesem zusammen hatte die Klägerin das Flurstück XX/YY, Flur Z, verzeichnet im Grundbuch von S, Amtsgericht S, Blatt XXX (bis 19. Mai 2004 auf Blatt YYY), erworben. Das Grundstück wurde am 23. Dezember 2003 aufgelassen und die Eheleute am 19. Mai 2004 jeweils als hälftige Eigentümer eingetragen.

Der Vollstreckungsschuldner war in den Jahren 2001 und 2002 Umsatzsteuervorauszahlungen und Umsatzsteuernachzahlungen schuldig geblieben. Diese summierten sich einschließlich der Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge bis zum 27. Juli 2004 auf eine fällige Forderung von 14.488,85 Euro auf. Wegen dieser beantragte der Beklagte beim zuständigen Amtsgericht S die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek auf den Anteil des Vollstreckungsschuldners. Unter dem 09. August 2004 erfolgte die Eintragung in Abt. III unter lfd. Nr. 3 des Grundbuchs.

Zu jenem Zeitpunkt bestanden vorrangige Belastungen in Form einer Sicherungsgrundschuld zugunsten der L iHv. 165.000,00 Euro sowie - nur für den Anteil des Vollstreckungsschuldners - einer Sicherungshypothek für die Stadt P iHv. 29.531,59 Euro. Zugunsten der Stadt P wurde in der Folgezeit schließlich eine weitere Sicherungshypothek eingetragen.

Mit Grundstückskaufvertrag vom 13. September 2004 (UR-Nr. 428 des Notars W in P) verkaufte der Vollstreckungsschuldner seinen ihm gehörenden hälftigen Anteil an die Klägerin. Unter § 5 des Vertrages ("Lastenfreistellung") heißt es:

1.) Der Verkäufer verpflichtet sich, den Kaufgegenstand frei von Belastungen in Abt. II und Abt. III des Grundbuchs und frei von schuldrechtlichen Ansprüchen Dritter zu übertragen, soweit nicht abweichende Regelungen erfolgen.

2.) Die in Abteilung lll Ziffer 1 bis 3 eingetragenen Rechte über insgesamt 209.020,44 werden als dingliche Last übernommen.

3.) Eine Befreiung des Erschienenen zu 1) (Anm.: des Vollstreckungsschuldners) von der persönlichen Schuldhaft bezüglich der Rechte Abteilung lll Ziffer 1 bis 3 erfolgt nicht.

Aufgrund der in § 6 des Grundstückkaufvertrages vereinbarten Auflassung erfolgte die Eintragung der Klägerin als alleinige Eigentümerin am 08. Oktober 2004.

Über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners wurde am XX. Oktober 2009 beim Amtsgericht H unter dem Az. XX IN YY/ZZ das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem Vollstreckungsschuldner wurde schließlich durch Beschluss vom YY. Dezember 2015 gem. § 300 Insolvenzordnung Restschuldbefreiung erteilt. Das Finanzamt hat für die der Zwangssicherungshypothek zugrundeliegenden Steuerforderungen im Insolvenzverfahren kein Absonderungsrecht iSd. § 49 f. Insolvenzordnung geltend gemacht. Eine Verwertung oder Geltendmachung des vom Vollstreckungsschuldner an die Klägerin veräußerten Grundstücksanteils durch den Insolvenzverwalter des Vollstreckungsschuldners zugunsten der Insolvenzmasse ist nicht erfolgt. Die Forderungen des Beklagten wurden zur Insolvenztabelle angemeldet und vom Insolvenzverwalter des Vollstreckungsschuldners unter lfd. Nr. 13 in voller Höhe festgestellt.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2019 meldete sich der von der Klägerin mit der Löschung der Grundlasten beauftragte Notar M und bat um Hereingabe einer Löschungsbewilligung, da die Forderung - wie er erklärte - auskunftsgemäß nicht mehr bestehe.

Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22. Oktober 2019, dass die Zwangssicherungshypothek noch iHv. 14.353,22 Euro valutiere und die Übersendung einer Löschungsbewilligung nur nach Ausgleich der Steuerschulden erfolgen könne.

Im nachfolgenden Schriftwechsel stritten die Beteiligten sodann über die Entstehung der Steuerforderungen, weil der Beklagte unter Verweis auf § 30 AO Auskünfte über die zugrundeliegenden Steuerbescheide verweigerte, sowie die Wirkung der Restschuldbefreiung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner und der unterlassenen Geltendmachung des Absonderungsrechts. Ferner berief sich die Klägerin auf den Eintritt der Zahlungsverjährung. Sie unterstrich ihr Begehren ferner damit, dass die Stadt P ihr Vorbringen anerkannt habe und die Löschungsbewilligungen für die zu ihren Gunsten eingetragenen Sicherungshypotheken am 23. Dezember 2019 erteilt habe.

Mit Anwaltsschreiben vom 13. Juli 2020 wies die Klägerin schließlich darauf hin, dass der Erlass eines Duldungsbescheides nach §§ 323, 191 AO erforderlich sei, bevor der Beklagte aufgrund der Hypothek vollstrecken könne.

Unter dem 27. Juli 2020, zugestellt am 30. Juli 2020, erließ der Beklagte daraufhin den streitgegenständlichen Duldungsbescheid gestützt auf § 191 AO iVm. § 323 AO. Die zu vollstreckende Abgabenforderung bezeichnete er mittels Verweis auf die beigefügte Anlage.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17. August 2020, eingegangen am 24. August 2020, Einspruch ein. Der Duldungsbescheid sei rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Denn der Beklagte möge wegen § 301 InsO nach zivilrechtlichen Grundsätzen auch nach erteilter Restschuldbefreiung zur Verwertung der Hypothek berechtigt sein. Da § 191 AO indes einen vollstreckbaren Steueranspruch voraussetze, werde die Akzessorietät zwischen Forderung und Hypothek auf Ebene des Steuerrechts wiederhergestellt. Und da die Steuerschuld gegenüber dem Vollstreckungsschuldner gemäß §§ 286, 301 Abs. 1 InsO undurchsetzbar, mithin nicht vollstreckbar sei, fehle es an den notwendigen Voraussetzungen für einen Duldungsbescheid. Darüber hinaus sei eine Inanspruchnahme der Klägerin nach 16 Jahren der Untätigkeit verwirkt. Und schließlich sei der Duldungsbescheid schon deshalb rechtswidrig, weil es an jedweder Ausübung des Entschließungsermessens fehle.

Mit Schreiben vom 23. September 2020 trat der Beklagte den Ausführungen insoweit entgegen, als er ausführlich die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit aufgrund § 301 InsO hervorhob. Zur Verwirkung führte er aus, dass ein Duldungsbescheid keiner eigenständigen Festsetzungsfrist unterliege. Der Zahlungsanspruch gegenüber dem Vollstreckungsschuldner sei durch die Eintragung der Zwangssicherungshypothek wiederum unterbrochen, womit eine Verwirkung ausscheide. Ein Vertrauenstatbestand scheide zudem deshalb aus, weil der zwischen den Eheleuten geschlossene Grundstückskaufvertrag explizit auf die Belastung des Grundstücksteils verweise.

Ferner legte er seine Ermessenserwägungen dergestalt dar, dass die Inanspruchnahme der Klägerin erfolgt sei, weil diese den mit der Zwangssicherungshypothek belasteten Anteil des Vollstreckungsschuldners übernommen habe und daher eine Verwertung ihm gegenüber nicht mehr erfolgen könne. Einer Ermessensausübung, welchen von mehreren in Betracht kommenden Schuldnern es in Anspruch nehme oder eines Hinweises, dass die Vollstreckung gegen den Vollstreckungsschuldner zuvor keinen Erfolg gebracht habe, bedürfe es ferner nicht, da die Durchsetzung des Steueranspruchs allein auf das mit der Sicherungshypothek belastete Grundstück gerichtet sei.

Die Klägerin erneuerte ihre Auffassung im Schreiben vom 12. Oktober 2020. Ergänzend führte sie aus, dass die gesicherte Forderung für den Erlass eines Duldungsbescheids nach §§ 191, 323 AO "völlig unstreitig" vollstreckbar sein müsse. Das Ergebnis möge der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Im Bereich der Eingriffsverwaltung stelle jedoch der Wortlaut einer Norm die äußere Grenze ihrer Auslegung dar.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06. Januar 2021 wies der Beklagte den Einspruch zurück.

Hierin stellte er über die zuvor geäußerten Rechtsauffassungen hinaus heraus, dass die Forderungen des Beklagten zur Tabelle angemeldet worden seien und vom Insolvenzverwalter festgestellt worden seien. Bei titulierten und zur Tabelle festgestellten Forderungen werde der bisherige Titel in Form der Steuerbescheide bzw. Voranmeldungen durch den Tabelleneintrag aufgezehrt. Der Tabelleneintrag diene somit als Vollstreckungstitel für die am Insolvenzverfahren Beteiligten. Zutreffend führe die Klägerin aus, dass die Insolvenzforderungen grundsätzlich der dem Vollstreckungsschuldner erteilten Restschuldbefreiung unterlägen und danach als unvollkommene Forderungen nicht mehr vollstreckbar seien. Die Klägerin verkenne jedoch die gesetzliche Regelung des § 301 InsO und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen, soweit das Finanzamt für seine Forderungen ein Absonderungsrecht beanspruchen durfte. Entgegen der Ausführungen der Klägerin werde die Vollstreckbarkeit der Steuerforderungen nicht durch die dem Vollstreckungsschuldner erteilte Restschuldbefreiung berührt. Die Wirkungen der Restschuldbefreiung würden insoweit nicht für erlangte Absonderungsrechte der lnsolvenzgläubiger gelten (§ 301 Abs. 2 S. 1 InsO). Die Forderungen seien in diesen Fällen weiterhin fällig und vollstreckbar. Das Finanzamt sei danach befugt gewesen, die Klägerin durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen. Dies gelte unabhängig davon, ob zuvor eine konkrete Anmeldung des Absonderungsrechts erfolgt sei, da Voraussetzung für eine Berücksichtigung nach § 301 Abs. 2 InsO nur das bloße Innehaben eines Absonderungsrechts an sich sei.

Zudem übersehe die Klägerin, dass sie als Übernehmerin des belasteten Grundstücksanteils nicht persönlich gegenüber dem Finanzamt hafte, sondern die Inanspruchnahme nur auf den mit der Zwangssicherungshypothek belasteten und von ihr übernommenen Grundstücksanteil gerichtet sei. Insoweit sei der ergangene Duldungsbescheid nur deklaratorischer Art, als dass der Klägerin hierdurch formell mitgeteilt worden sei, dass sie als Übernehmerin und Rechtsnachfolgerin die Vollstreckung in den vom Vollstreckungsschuldner übernommenen Grundstücksanteil zu dulden habe.

Weiter stehe - wie auch der Bundesgerichtshof - BGH - in seinem Urteil vom 22. März 2018, IX ZR 163/17 hinsichtlich einer Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz (AnfG) ausführe - eine dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung der Gläubigeranfechtung auch dann nicht entgegen, wenn der Gläubiger die Anfechtung(sklage), die Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffe, erst nach Aufhebung des Verfahrens erhebe.

Auch wenn das Urteil des BGH (a.a.O) im Kern die Anfechtung nach § 18 AnfG betreffe, zeige sich doch anhand dieses Beispiels, dass mit der Restschuldbefreiung allein der Schuldner geschützt werde, dessen Vermögen im Rahmen des Insolvenzverfahrens vollständig zugunsten der Gläubiger verwertet worden ist. Gegenstand einer Gläubigeranfechtung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei ehemaliges Vermögen des Schuldners, welches zur Insolvenzmasse gehört hätte und zugunsten aller lnsolvenzgläubiger hätte verwertet werden müssen. Wenn ein Gläubiger danach zur Anfechtung - d.h. Geltendmachung und ggf. anschließender Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung - nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und einer dem Schuldner erteilten Restschuldbefreiung berechtigt wäre, müsse dieses auch für den hier zu entscheidenden Fall gelten, in dem das Finanzamt bereits vor der dem Schuldner erteilten Restschuldbefreiung durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ein "insolvenzfestes" Absonderungsrecht erworben habe.

Schließlich ergänzt der Beklagte zum Ermessen, dass weder anderweitige Duldungsschuldner bekannt seien, noch andere (mögliche) Duldungsbescheide mangels Vollstreckbarkeit möglich seien, zumal die Vollstreckung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner aufgrund dessen rechtskräftig erteilter Restschuldbefreiung rechtlich unzulässig sei. Daher erscheine es auch unter diesen Erwägungen nur ermessensgerecht, die Klägerin als neue Eigentümerin des Grundstücks durch den Duldungsbescheid vom 27. Juli 2020 in Anspruch zu nehmen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 07. Februar 2021 bei Gericht eingegangener Klage.

Hierin erklärt sie sich zunächst mit Nichtwissen hinsichtlich etwaiger Quotenzahlungen des Insolvenzverwalters auf die festgestellte Forderung.

Im Übrigen erneuert und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Die Ausführungen des Beklagten zu Anfechtungen nach dem AnfG bzw. Vollstreckungen aufgrund des § 301 Abs. 2 S. 1 InsO seien zwar grundsätzlich zutreffend. In beiden Fällen setze die Abgabenordnung jedoch der Anfechtung bzw. der Vollstreckung insoweit eine Grenze, als weiterhin Voraussetzung sei, dass die Erstschuld selbst vollstreckbar sein müsse, um einen Duldungsbescheid erlassen zu können, weil der Duldungsbescheid gemäß § 218 AO nicht selbst Grundlage der Verwirklichung des Steueranspruchs sei. Damit weiche die Rechtslage von den vom BGH entschiedenen Fällen ab, wenn es sich beim Gläubiger um ein Finanzamt handele und dieses zwecks Verwertung zunächst einen Duldungsbescheid erlassen müsse.

Es verbiete sich auch, die materiell-rechtlichen Folgen des § 301 InsO zur Auslegung der verfahrensrechtlichen Anordnungen des § 191 AO heranzuziehen. Sie seien streng voneinander zu trennen - mit der Konsequenz, dass ein Duldungsbescheid nicht ergehen könne.

Das streitrelevante Grundstück wurde während des finanzgerichtlichen Verfahrens verkauft (Vertrag vom 15. September 2021). Aus dem Kaufpreis wurden am 10. November 2021 von den Käufern weisungsgemäß für die Klägerin 14.353,22 € "zur Ablösung [der] Restforderung(en)" an den Beklagten gezahlt. Zuvor hatte der Beklagte am 19. Oktober 2021 die Löschungsbewilligung unter Erteilung eines Treuhandauftrags an den beurkundenden Notar übersandt.

Der Beklagte hat erklärt, im Falle des Unterliegens in diesem Verfahren den gezahlten Betrag an die Klägerin auszukehren.

Die Klägerin beantragt,

den Duldungsbescheid vom 27. Juli 2020 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 6. Januar 2021 aufzuheben,

hilfsweise - für den Fall, dass sich der angegriffene Verwaltungsakt auch ohne seine Aufhebung erledigt hat - gemäß § 100 Abs. 1 S. 4 FGO

festzustellen, dass der Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, die Voraussetzungen für den Erlass eines Duldungsbescheids seien gegeben. Namentlich seien die Steueransprüche vor Insolvenzeröffnung beschieden, fällig geworden und auch durchsetzbar. Auch eine Tilgung sei durch den Vollstreckungsschuldner nicht erfolgt, ein Erlass nicht ausgesprochen worden.

§ 251 Abs. 2 AO besage, dass sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gegen den Steuerschuldner nach den Regeln der InsO vollziehe. Das bedeute, dass in der Wohlverhaltensphase bzw. im Fall einer Restschuldbefreiung die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zwar weiterhin erfüllbar seien, aber nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Ausgenommen von der Wirkung der Restschuldbefreiung und dem Vollstreckungsverbot gegen den Schuldner seien u.a. Vormerkungen oder Rechte, die im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigen (§ 301 Abs. 2 InsO). Dinglich gesicherte Abgabenforderungen nähmen nicht an der Restschuldbefreiung teil. Diese dinglich gesicherten Ansprüche seien gegenüber dem Steuerschuldner weiterhin fällig und durchsetzbar.

Überdies würden eventuelle Einschränkungen des Insolvenzverfahrens oder Restschuldbefreiungen ausschließlich zugunsten des Insolvenzschuldners (hier: Vollstreckungsschuldners) wirken. Haftungs- oder Duldungsschuldner könnten sich hierauf nicht berufen. Dementsprechend habe der BFH entschieden, dass die insolvenzverfahrensbedingte Undurchsetzbarkeit dem Erlass eines Haftungsbescheids nicht entgegenstehe (Urteil v.15. Mai 2013, VII R 2/12, BFH/NV 2013, 1543). Das sei uneingeschränkt auf die Duldungskonstellation übertragbar.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 S. 4 FGO zulässig.

1. Der von der Klägerin in erster Linie gestellte Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts (Anfechtungsklage gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 FGO) kann keinen Erfolg haben. Denn der Duldungsbescheid vom 27. Juli 2020 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 6. Januar 2021 hat sich dadurch erledigt, dass die Klägerin mittelbar zur Erteilung der Löschungsbewilligung am 10. November 2021 14.353,22 € an den Beklagten gezahlt hat.

a. Im Falle freiwilliger Zahlungen an die Steuerbehörden hat der Zahlende das Bestimmungsrecht, welche Schuld getilgt werden soll (§ 225 Abs. 1 AO). Die Bestimmung kann in jeder Form, schriftlich, mündlich und auch konkludent, getroffen werden Sie muss nur ausreichend bestimmt sein. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen, als die Zahlung ist "zur Ablösung [der] Restforderung(en)" und zur Ermöglichung der Veräußerung aus dem Kaufpreis erfolgte. Zwar haben die Käufer des Grundstücks auf Weisung und gemäß den Abreden des Kaufvertrags, für die Klägerin gezahlt. Die Überweisung musste der Beklagte in der Gesamtschau aber so verstehen, dass auf Rechnung der Klägerin diejenigen Ansprüche getilgt werden sollten, für welche das Grundstück dinglich haftet, um so die Erteilung der Löschungsbewilligung zu ermöglichen. Denn vor der Veräußerung des Grundstücks hat die Klägerin ausführlich über die ursprüngliche Steuerschuld und die Zwangssicherungshypothek korrespondiert und die Erteilung einer Löschungsbewilligung erfordert. Sie hat sodann den Notar mit der Lastenfreistellung beauftragt, der von dem Beklagten wiederum die Hergabe zu treuen Händen erfordert hat.

Es hat auch keine persönliche Steuerschuld der Klägerin bestanden, die sie hätte tilgen können. Der Duldungsbescheid enthielt auch keinen an die Klägerin gerichteten, eigenständigen Zahlungsbefehl. Zwar hat der Beklagte in dem Duldungsbescheid die Möglichkeit aufgezeigt, dass die Klägerin die Vollstreckungsmaßnahme in das Grundstück durch Zahlung des Gesamtbetrages abwenden könne. Damit hat der Beklagte jedoch lediglich auf die von Rechts wegen bestehende Möglichkeit der Zahlung durch Dritte (§ 48 Abs. 1 AO) und die damit einhergehende Abwendungsbefugnis für die Zwangsvollstreckung hingewiesen.

Die vorgenommene Zahlung hat demnach zur Folge, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis - jedenfalls im Verhältnis zum bisherigen Steuergläubiger - gemäß § 47 AO erlischt, wobei nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 48 Abs. 1 AO für die Erfüllungswirkung unerheblich ist, dass die persönliche Steuerschuld des Vollstreckungsschuldners durch die Klägerin als Dritte beglichen wurde. Für den Eintritt der Wirkung der Zahlung durch die Überweisung ist es weiter unerheblich, dass die Durchsetzung der Steuerforderung wegen § 301 Abs. 1 InsO gegenüber dem Vollstreckungsschuldner unmöglich ist. Denn durch die erteilte Restschuldbefreiung ist die Forderung nicht untergegangen, sondern lediglich undurchsetzbar geworden, war mithin weiterhin erfüllbar.

b. Mit der so verstandenen Zahlung der Klägerin auf die Steuerschulden des Vollstreckungsschuldners hat sich der Duldungsbescheid auf sonstige Weise erledigt.

Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 124 Abs. 2 AO wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der Eintritt einer Erledigung richtet sich danach, ob der Regelungsgehalt des zu beurteilenden Verwaltungsakts fortwirkt oder entfällt (BFH, Urteil vom 26. September 2007, I R 43/06, Rz. 14 bei juris). Hiervon ausgehend ist aufgrund der erfolgten Zahlung auf die Steuerschulden von einer Erledigung des hierzu erlassenen Duldungsbescheides in sonstiger Weise auszugehen.

Als akzessorisch öffentlich-rechtliches Sicherungsmittel setzt die Duldungspflicht das Bestehen und Fortbestehen einer Abgabenschuld voraus. Mit dem Erlöschen des zu vollstreckenden Steueranspruchs hat der (bisherige) öffentliche Steuergläubiger die Vollstreckung, einschließlich der Vollstreckung in die dinglichen Sicherungsrechte, einzustellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben. Dies hat der Beklagte durch die Übersendung der Löschungsbewilligung für die für ihn eingetragene Zwangssicherungshypothek getan. Mit der Begleichung der Steuerschuld endet kraft Gesetzes die Duldungspflicht für die Zwangsvollstreckung. Die Zwangsvollstreckung ist ohne weiteres Zutun zu beenden. Damit ist zugleich die beschwerende Regelung des streitgegenständlichen Duldungsbescheides ex nunc entfallen.

2. Die Klägerin hat ihre Klage sodann - hilfsweise - umgestellt, indem sie "für den Fall, dass sich der Verwaltungsakt auch ohne seine Aufhebung erledigt hat" die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt. Die Zulässigkeit dieser Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 S. 4 FGO ist zu bejahen.

a. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Antrag nur hilfsweise stellt. An seiner entgegenstehenden Rechtsprechung (Urteil v. 25. Juni 1975, I R 78/73, BStBl II 1976, 42) hat der BFH nicht weiter festgehalten (vgl. Urteil v. 16. April 1986, I R 32/84, BStBl II 1986, 736).

b. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit - und zwar in Gestalt der sog. Präjudizialität. Denn der entsprechenden Feststellung wohnt die Verpflichtung zur Rückerstattung gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 AO inne. Entsprechend hat der Beklagte mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 mitgeteilt, im Falle des Unterliegens den erhaltenen Betrag iHv. 14.353,22 Euro zu erstatten.

II. Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat indes in der Sache keinen Erfolg, als sich der Duldungsbescheid als rechtmäßig erweist. Denn die Voraussetzungen für den Erlass eines Duldungsbescheids sind gemäß §§ 191, 323 AO erfüllt (siehe Ziff. 1.). Ferner sind keine Ermessensfehler ersichtlich (Ziff. 2.).

1. Gemäß § 191 Abs. 1 Alt. 2 AO kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden. Die §§ 322, 323 AO konkretisieren dies im Falle der Eintragung einer Sicherungshypothek, für die wiederum nach § 322 Abs. 1 S. 2 AO die für die gerichtliche Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften, namentlich die §§ 864 bis 871 ZPO und das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung anzuwenden sind, dahingehend, dass ein Duldungsbescheid nur dann erforderlich ist, wenn nach der Eintragung einer Sicherungshypothek ein Eigentumswechsel eingetreten ist.

a. Danach konnte und musste in der vorliegenden Konstellation ein Duldungsbescheid ergehen. Denn zugunsten des Beklagten wurde zum einen unter dem 09. August 2004 eine Zwangssicherungshypothek auf den Anteil des Vollstreckungsschuldners in Abt. III unter lfd. Nr. 3 des Grundbuchs eingetragen. Zum anderen kam es aufgrund des Grundstückskaufvertrag vom 13. September 2004 (UR-Nr. XX des Notars W in P) zur Übertragung des hälftigen Anteils des Vollstreckungsschuldners an die Klägerin. Auf die bereits im Grundstückkaufvertrag vereinbarte Auflassung erfolgte die Eintragung der Klägerin als alleinige Eigentümerin am 08. Oktober 2004.

b. Weiter sind die allgemeines Voraussetzungen des § 191 AO erfüllt. Vor Erlass eines Duldungsbescheides ist der Duldungspflichtige anzuhören. Der Duldungsbescheid ist nach § 191 Abs. 1 Satz 3 AO schriftlich zu erteilen und zu begründen (arg. § 121 Abs. 1 AO). Er muss inhaltlich bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO).

Eine Anhörung erfolgte insoweit, als die Klägerin ihrerseits die Nichtexistenz eines Duldungsbescheids mit Schreiben vom 13. Juli 2020 rügte und der Beklagte erst daraufhin den angefochtenen - schriftlichen und begründeten - Bescheid erließ. Dieser ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis, dass die der Anfechtung zugrundeliegenden Forderungen im Einzelnen aufgeführt sein müssen und dass der Gesamtbetrag, bis zu welchem der Anfechtungsgegner die Vollstreckung in das Erlangte zu dulden hat, ausgewiesen wird (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2018 VII R 21/18, BStBl II 2019, 299, Rz. 11 bei juris), ist im Duldungsbescheid vom 27. Juli 2020 durch Beifügung der Anlage mit einer Einzelaufstellung der Forderungen Genüge getan worden.

c. Die Klägerin hatte die Vollstreckung bis zur Zahlung auch nach dem Gesetz zu dulden.

aa. Der vormals im Eigentum des Vollstreckungsschuldners stehende Miteigentumsanteil wurde auf Antrag des Beklagten gemäß §§ 322 Abs. 1 S. 2 AO, 864 Abs. 2, 866 Abs. 1, 867 Abs. 1 ZPO durch Eintragung der Sicherungshypothek belastet. Hierdurch erwächst dem Beklagten ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 1147 BGB gegenüber dem jeweiligen Grundstückseigentümer.

Am Vorliegen der Voraussetzungen für die Entstehung der Hypothek bestehen - jedenfalls bis zur Valuta von 14.353,22 Euro - keine Zweifel. Dies gilt namentlich für das Bestehen eines vollstreckbaren Titels, hier der Steuerbescheide, gegenüber dem seinerzeitigen Grundstückseigentümer. Die Klägerin hat sich diesbezüglich zulässigerweise mit Nichtwissen erklärt, als dem Beklagten der Nachweis des Bestehens des zugrundeliegenden Anspruchs obliegt. Denn anders als bei der Verkehrshypothek wird nicht gemäß §§ 1138, 891 BGB vermutet, dass die Sicherungshypothek in Höhe der eingetragenen persönlichen Forderung dem Gläubiger zustehe (§§ 1184, 1185 Abs. 2 BGB). Deshalb muss der Gläubiger einer Sicherungshypothek, der aus dem dinglichen Recht die Duldung der Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück begehrt (§ 1147 BGB), das Bestehen des persönlichen Anspruchs darlegen und gegebenenfalls beweisen (vgl. BGH, Urteil v. 19. November 1987, IX ZR 251/86, NJW-RR 1988, 459, Tz. 10 bei juris).

Seiner Darlegungslast hat der Beklagte durch die Auflistung in Anlage 1 zum Duldungsbescheid genügt. Den Strengbeweis vermag er indes hierdurch nicht zu führen. Und weitergehend vorgetragen hat der Beklagte bewusst nicht, als er die Steuerbescheide aufgrund seiner Verpflichtung aus § 30 AO nicht vorzulegen vermag. Insofern bleibt aus strengbeweislicher Sicht offen, ob der Anspruch bestandskräftig oder rechtskräftig festgesetzt worden ist. Anders als die Klägerin meint, führt dies indes nicht dazu, dass der Beklagte beweisfällig bliebe.

Denn der Umstand, dass weder der Insolvenzverwalter noch einer der Insolvenzgläubiger noch der Schuldner der Feststellung der ursprünglich streitbefangenen Umsatzsteuerforderungen und Nebenforderungen zur Insolvenztabelle widersprochen haben, hat unstreitig zur vorbehaltlosen Feststellung zur Tabelle nach § 178 Abs. 1 InsO geführt. Und nach § 178 Abs. 3 InsO wirkt die in die Tabelle eingetragene und festgestellte Forderung wiederum wie ein rechtskräftiges Urteil (BFH, Beschluss v. 23.09.2005, V B 159/14, BFH/NV 2016, 60 [BFH 23.09.2015 - V B 159/14]). Ein Gläubiger, der aufgrund einer durch rechtskräftiges Urteil oder rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid zuerkannten Geldforderung die Eintragung einer Zwangshypothek auf dem Grundstück seines Vollstreckungsschuldners erwirkt hat und von diesem die Duldung der Zwangsvollstreckung in dessen Grundstück begehrt, ist des Nachweises wiederum enthoben (vgl. BGH, Urteil v. 19. November 1987, IX ZR 251/86, NJW-RR 1988, 459, Tz. 10 bei juris).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus eine hinreichende Gewissheit im Hinblick auf das Bestehen bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der Sicherungshypothek - dies jedenfalls in Höhe des später festgestellten Betrages. Denn in Anbetracht der minimalen betragsmäßigen Abweichung (nach unten), die der Beklagte mit einer geringfügigen Auskehrung durch den Insolvenzverwalter erklärt, und in Ermangelung jedweden substantiieren Bestreitens seitens der Klägerin, bestehen keine Zweifel, denen nicht Schweigen geboten werden könnte.

bb. Im Hinblick auf die - auch klägerseits erwähnte - Quotenzahlung vom Insolvenzverwalter infolge der Forderungsanmeldung ergeben sich für das Bestehen der Sicherungshypothek schließlich keine weiteren Rückschlüsse. Ist der klägerische Vortrag auch zutreffend, dass mit einer etwaigen Zahlung auf die Steuerschulden die Hypothek wegen der strengen Akzessorietät erlischt bzw. auf den Zahlenden übergeht, so fehlt es insoweit aber an substantiiertem Vortrag der Klägerin. Und dieser obliegt insoweit die Beweislast, soweit sie geltend machen will, der Anspruch, für den die Sicherungshypothek eingetragen ist, sei ganz oder teilweise gem. § 47 AO erloschen (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 10. Februar 1995, 9 K 173/91, EFG 1995, 701). Auch im Übrigen gibt der Streitstoff hierfür nichts her. Vielmehr streiten die weiteren auf dem vormaligen Anteil des Vollstreckungsschuldners lastenden Sicherungshypotheken dafür, dass keine Verteilung stattgefunden hat. Die Dauer bis zur Restschuldbefreiung, nämlich nach Ablauf der Regelfrist von sechs Jahren, § 287 Abs. 2 InsO a.F. (gültig für Insolvenzen, deren Eröffnung vor dem 01. Oktober 2020 beantragt worden ist), deutet zudem darauf hin, dass eine signifikante Schuldtilgung nicht stattgefunden hat. Denn dann wäre es u.U. zu einer Verkürzung gem. § 300 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO a.F. gekommen.

cc. Im Übrigen sind die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt. Da Duldungsbescheide in § 218 Abs. 1 AO nicht genannt werden, können sie nicht als Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis dienen. Die Duldungspflicht ist daher streng akzessorisch zur Erstschuld. Für den Erlass eines Duldungsbescheids muss die zugrundeliegende Steuer daher festgesetzt, fällig und vollstreckbar sein und darf nicht durch Zahlungsverjährung oder auf andere Weise erloschen sein.

(1) Die Vollstreckung erfolgt vorliegend aufgrund der in der Anlage aufgeführten Steuerforderungen. Diese sind aufgrund der Feststellung zur Tabelle, die für neuerliche Vollstreckungen ihrerseits den Titel darstellt (vgl. § 201 Abs. 2 S. 1 InsO), der alle bisherigen konsumiert (vgl. OVG Münster, Beschluss v. 16. Dezember 2019, 9 B 618/19, juris), rechtskräftig festgestellt und fällig.

(2) Sie sind, ob des vorliegenden vollstreckbaren Titels, auch vollstreckbar. Dem steht im hiesigen Fall auch nicht die dem Vollstreckungsschuldner erteilte Restschuldbefreiung, die nach § 201 Abs. 3 InsO den Grundsatz der Durchsetzbarkeit aus § 201 Abs. 1 und 2 InsO zu überwinden vermag, entgegen.

(a) Zwar haben die §§ 286 f., 301 Abs. 1 und 3 InsO zur Folge, dass sämtliche zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehenden Forderungen undurchsetzbar werden. Sie wandeln sich aus Sicht des Schuldners in unvollkommene Verbindlichkeiten, zu Naturalobligationen, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar sind. Dies hat zum einen zur Folge, dass eine Hypothek, auch eine Zwangssicherungshypothek (BGH, Urteil v. 10. Dezember 2020, IX ZR 24/20, NJW-RR 2021, 303), die eine Insolvenzforderung sichert, durch die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht gemäß § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Eigentümer übergeht. Weiter werden die Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem solchen Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, durch die Restschuldbefreiung gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO auch im Übrigen nicht berührt. Die Hypothek berechtigt weiterhin zur Befriedigung aus dem belasteten Grundstück (vgl. § 1113 Abs. 1 BGB), als sie im Insolvenzverfahren gemäß § 49 InsO zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.

All dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht ernstlich streitig. Der Streit konzentriert sich auf die Frage, ob die zur Naturalobligation gewordene Steuerforderung des Beklagten gegen den Vollstreckungsschuldner aufgrund des fortbestehenden zivilrechtlichen Rechts zur Vollstreckung in das Grundstück "vollstreckbar" ist im Sinne des abgabenrechtlichen Erfordernisses im Rahmen des Erlasses eines Duldungsbescheids. Der Senat ist der Auffassung, dass dies zu bejahen ist.

(b) Man mag dies schon darauf stützen, dass die Restschuldbefreiung des Vollstreckungsschuldners nur zu seinen Gunsten wirkt und sich ein Dritter hierauf nicht berufen können soll (vgl. FG München, Urteil v. 20. Juni 2017, 2 K 1716/15, EFG 2018 915 f.). In der Allgemeinheit vermag dies jedoch nicht zu überzeugen, als die Wirkung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner grundsätzlich die Vollstreckbarkeit der Steuerforderung entfallen lässt. Und gerade jene ist Voraussetzung für den Erlass eines Duldungsbescheids. Entsprechend betrifft die vom FG München (Urteil v. 20. Juni 2017, 2 K 1716/15, a.a.O.) bezüglich der Streitfrage in Bezug genommenen Entscheidung des BFH (Urteil v. 10. November 2020, VII R 8/19, BFH/NV 2021, 1091, Rz. 65 bei juris) die Konstellation, in der der Duldungsbescheid bereits vor Erteilung der Restschuldbefreiung erlassen wurde. Heißt: Im Zeitpunkt des Erlasses war die Steuerforderung noch vollstreckbar. Für den zeitlich umgekehrten, hier zu entscheidenden Fall, lässt sich hieraus mithin nichts ableiten.

Soweit das FG München daneben auf den BGH verweist (Urteil v. 12. November 2015, IX ZR 301/14, BGHZ 2018, 1) gilt zunächst das Gleiche. Der BFH hat diese Entscheidung indes, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, mit Urteil vom 22. März 2018 (IX ZR 163/17) ergänzt und führt aus, dass eine dem Schuldner erteilte Restschuldbefreiung der Gläubigeranfechtung auch dann nicht entgegensteht, wenn der Gläubiger die Anfechtungsklage, die Rechtshandlungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft, erst nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erhebt.

Dies hält der Senat jedoch nicht in der Form für übertragbar, dass Dritte einem Duldungsbescheid per se nicht die Restschuldbefreiung entgegenhalten dürfen. Denn für die rein zivilrechtliche Anfechtungskonstellation, heißt ohne Einkleidung in einen Duldungsbescheid, kommt es auf die Durchsetzbarkeit der Gläubigerforderung nicht an. Der BGH hatte sich dementsprechend mit der Frage zu befassen, ob aus systematischen Gründen etwas gegen die Anfechtung spricht, die insoweit grundsätzlich uneingeschränkt möglich ist. Dagegen muss im hiesigen Verfahren die Frage danach gestellt werden, ob von den strengen Voraussetzungen aus besonderen Gründen abgewichen werden kann oder muss.

Unter dem von allen vorgenannten Entscheidungen als maßgeblich behandelten Topos der "Schutzwürdigkeit" dürfte dies jedenfalls im vorliegenden Fall nicht der Fall sein. Denn die Restschuldbefreiung war bereits seit fast fünf Jahren erteilt, als der Duldungsbescheid erlassen worden ist. Allein der Zeitablauf streitet im vorliegenden Fall deshalb für die Klägerin und ihr Recht, sich darauf berufen zu dürfen, dass die Steuerforderung nicht mehr vollstreckbar sei.

(c) In letzter Konsequenz kommt es darauf aber nicht an. Denn die Forderung ist aus systematischen Gründen als vollstreckbar iSd. §§ 191, 323 AO zu behandeln.

Denn § 301 Abs. 2 S. 1 InsO durchbricht mittelbar die Undurchsetzbarkeit der besicherten Forderung. Zwar trifft er im Kern - anders als der Beklagte offenbar meint - keine Anordnung zur Durchsetzbarkeit der Forderung. Vielmehr bleibt nur das Recht, welches zur abgesonderten Befriedigung führt, von der Restschuldbefreiung unberührt. Ist damit indes die Vollstreckung zulässig und führt sie gleichzeitig zur Erfüllung der besicherten Forderung, so ist die Forderung insoweit auch noch durchsetzbar. M.a.W.: Wenn ein Gläubiger nach §§ 201 Abs. 1 und 2, 286 f., 301 Abs. 1-3 InsO noch aus dem zur Besicherung einer Forderung bestellten Recht, hier der Zwangssicherungshypothek, vollstrecken kann und so die Erfüllung der als Naturalobligation fortbestehenden Forderung herbeiführen kann, so ist die besicherte Forderung faktisch auch noch vollstreckbar. Denn ihre Erfüllung kann tatsächlich weiterhin zwangsweise herbeigeführt werden. Das muss für die Annahme einer vollstreckbaren Forderung iSd. §§ 191, 323 AO genügen.

Für eine solche Auslegung spricht, dass die andernfalls eintretende Ungleichbehandlung von zivilrechtlichen Gläubigern und Abgabengläubigern vermieden wird. Denn verneinte man das Bestehen einer vollstreckbaren Forderung, wäre die Vollstreckung einer Steuerforderung wegen der Notwendigkeit eines Duldungsbescheids nach § 323 AO (dauerhaft) unmöglich, wohingegen ein zivilrechtlicher Gläubiger uneingeschränkt vollstrecken kann, da es für seine Vollstreckung auf die zugrundeliegende Forderung nicht ankommt. Eine solche Ungleichbehandlung erscheint nicht angezeigt, gerade weil § 301 Abs. 2 InsO keine Unterscheidung zwischen den von der Restschuldbefreiung betroffenen Forderungen macht. Die klägerische Auffassung, dass ebendiese Unterscheidung vom Gesetzgeber - wenn auch ungewollt - durch § 323 AO etabliert worden sei und hingenommen werden müsse, überzeugt nicht. Der Senat meint vielmehr, dass das Widerspiel von § 301 Abs. 2 InsO auf der einen und §§ 191, 323 AO auf der anderen Seite einer systematischen Auslegung zugänglich ist. Und in diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass - gerade weil die Auswirkung vom Gesetzgeber so nicht gewollt gewesen sein kann - die Regelung des § 301 Abs. 2 InsO auch auf das Steuerrecht ausstrahlt und insoweit die Vollstreckbarkeit anzunehmen ist.

Insoweit erkennt der Senat keine Beschränkung durch den Wortlaut der auszulegenden Normen. Denn weder die §§ 191, 323 AO, noch die Paragrafen des sechsten Teils der Abgabenordnung treffen konkrete Anordnungen für die Vollstreckbarkeit von Forderungen, die von der Restschuldbefreiung betroffen sind. So ist die Konstellation der vorausgegangenen systematischen Auslegung zugänglich. Zudem macht § 251 Abs. 2 AO deutlich, dass die Vorschriften der Insolvenzordnung auf die steuerverfahrensrechtlichen Regelungen ausstrahlen. Insofern hat der Senat auch keine Bedenken die materiellen Anordnungen der Insolvenzordnung als systematischen Anknüpfungspunkt für die Auslegung des Steuerverfahrensrechts heranzuziehen.

Für den hiesigen Fall bedeutet dies: Da die Zwangssicherungshypothek zur Vollstreckung in den Miteigentumsanteil, der vormals dem Vollstreckungsschuldner zustand, möglich ist, weil sie zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, ist die zugrunde liegende - grundsätzlich undurchsetzbare - Steuerforderung beschränkt auf die Geltendmachung des aus der Hypothek folgenden Rechts auch noch vollstreckbar.

(3) Es ist schließlich weder Zahlungsverjährung eingetreten noch ist die Durchsetzung verwirkt.

(a) Aufgrund der strengen Akzessorietät der Duldungspflicht unterliegt sie keiner eigenständigen Verjährung, sondern ist auch insofern von der Steuerforderung abhängig. Und Zahlungsverjährung ist zugunsten des Vollstreckungsschuldners nicht eingetreten. Denn durch Eintragung der Zwangssicherungshypothek am 09. August 2004, welche nach § 322 Abs. 1 S. 2 AO iVm. §§ 866 Abs. 1, 867 ZPO eine Vollstreckungshandlung darstellt, wurde die Verjährung des streitrelevanten Steueranspruchs gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 3 AO unterbrochen und dauerte gemäß § 231 Abs. 2 Nr. 3 AO jedenfalls bis zur Zahlung fort, da die Zwangssicherungshypothek zumindest bis zu jenem Zeitpunkt nicht erloschen war.

(b) Für eine Verwirkung ist zudem kein Raum.

Verwirkung setzt regelmäßig voraus, dass ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss, wobei Zeitablauf allein noch nicht zur Verwirkung führt (BFH II R 9/01, BFH/NV 2006, 478 [BFH 26.10.2005 - II R 9/01] mwN).

Im hiesigen Fall ist nur ein erheblicher Zeitablauf eingetreten. Irgendwelche Verhaltensweisen des Beklagten, seinen Anspruch nicht weiter geltend machen zu wollen, sind nicht erkennbar. Der Zeitablauf von "16 Jahren" ist im Übrigen im Lichte des Umstandes zu sehen, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vollstreckungsschuldners von 2009 bis 2015 währte und in jener Zeit eine Vollstreckung nicht angezeigt war.

Dass die Klägerin auf die Nichtgeltendmachung vertraut hat, ist schließlich weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Aufgrund der in § 5 des Kaufvertrages vom 13. September 2004 vereinbarten Lastenfreistellung war sie über die Haftung des Grundstücks vollständig im Bilde. Dass sie gleichwohl ab einem bestimmten Zeitpunkt davon ausging, dass das Grundstück lastenfrei wäre, ist nicht erkennbar.

2. Die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Klägerin durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. In der Konstellation des § 323 AO kommt personell einzig die Klägerin in Frage, so dass es dahingehender Erwägungen nicht bedarf. Ferner sind die Überlegungen ausreichend, dass der Erlass anderer Duldungsbescheide mangels Vollstreckbarkeit nicht möglich sei und dass die Vollstreckung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner aufgrund dessen rechtskräftig erteilter Restschuldbefreiung rechtlich unzulässig sei. Ermessenfehler sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III. Die Revisionszulassung hatte gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zu erfolgen.