Landgericht Göttingen
Beschl. v. 19.06.1998, Az.: 10 T 9/98

Anforderungen an die Sicherung und Feststellung der Masse; Voraussetzungen für die Anordnung der Sequestration; Grundlagen der Vergütung des Sequesters

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
19.06.1998
Aktenzeichen
10 T 9/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 30562
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1998:0619.10T9.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 02.09.1997 - AZ: 71 N 65/97

Fundstelle

  • ZInsO 1998, 189-190 (Volltext mit red. LS)

Aus den Gründen

1

Mit Beschl. v. 02.09.1997 hat das AG zur Sicherung und Feststellung der Masse die Sequestration der Gemeinschuldnerin angeordnet und den Beschwerdeführer zum Sequester bestellt.

2

Die Gemeinschuldnerin betreibt eine Buch- und Offsetdruckerei. In den letzten Jahren vor Konkursantragstellung lagen die Umsatzerlöse zwischen 500.000,00 DM und 723.000,00 DM pro Monat. Im Zeitpunkt der Sequestrationsanordnung beschäftigte die Gemeinschuldnerin 43 Mitarbeiter. Der Beschwerdeführer hat den Betrieb bis zur Konkurseröffnung am 26.11.1997, mithin über einen Zeitraum von ca. 11 Wochen fortgeführt. U. a. hat er durch Kündigungen die Anzahl der Mitarbeiter auf 28 verringert.

3

Der Sequester hat die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von insgesamt 106.775,94 DM beantragt. Dabei hat er ein Aktivvermögen i. H. v. 2.001.685,74 DM zugrunde gelegt. Den sich danach nach der Vergütungsverordnung (VergVO) ergebenden Regelsatz von 27.308,42 DM hat er mit 4 multipliziert und so 109.233,68 DM errechnet. Als Normalvergütung hat er sodann 25 % dieses Betrages angenommen (= 27.308,42 DM). Aufgrund seiner speziellen Tätigkeit im Rahmen der Betriebsfortführung (Kündigung von Arbeitsverhältnissen, Kündigung eines Mietverhältnisses für eine Betriebsstätte usw.) hat er einen Zuschlag von 5 % vorgenommen. Da die Zeit der Sequestration länger als der Normalfall der Sequestration andauerte, nämlich ca. 11 Wochen, hat der Beschwerdeführer einen weiteren Zuschlag von 5 % vorgenommen und deshalb die Normalvergütung von 35 % von 109.233,68 DM angenommen (= 38.231,80 DM). Für die Betriebsfortführung hat der Sequester darüber hinaus eine Vergütung von weiteren 54.616,84 DM angesetzt. Dabei ist er davon ausgegangen, daß die Betriebsfortführung einem Konkursverwalter zwei zusätzliche Staffelstufen einbringen würde.

4

Das AG hat mit Beschl. v. 16.01.1998 die Vergütung des Sequesters auf 59.668,71 DM festgesetzt und den Antrag im übrigen zurückgewiesen.

5

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, statt der beantragten 54.616,84 DM seien für die Betriebsfortführung nur 13.654,21 DM angemessen. Grundsätzlich sei hier für die Fortführung des Betriebs ein Zuschlag von zwei Punkten zuzubilligen. Der sich daraus ergebende Betrag von 54.616,94 DM sei jedoch in Höhe von 25 % in Ansatz zu bringen. Zum einen müsse bedacht werden, daß die Betriebsfortführung schon durch den Zuschlag auf die Regelvergütung berücksichtigt worden sei. Zum anderen sei die Tätigkeit von Sequester und Konkursverwalter verschieden. Betriebsfortführungen durch den Sequester seien von kürzerer Dauer als solche des Konkursverwalters.

6

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Sequester mit der sofortigen Beschwerde.

7

...

8

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Der Sequester hat keinen Anspruch analog §§ 3, 4 VergVO auf eine höhere Vergütung, als ihm das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluß zuerkannt hat.

9

Zwar weicht hier die Tätigkeit des Sequesters vom Normalfall einer Sequestration ab, so daß die Regelvergütung zu erhöhen ist. Auch muß die Vergütung des Sequesters analog § 4 VergVO wegen der Betriebsfortführung eine weitere Erhöhung erfahren. Indes ist es nicht angemessen, die Vergütung für die Betriebsfortführung mit einem Multiplikator von 2 zu erhöhen.

10

Zutreffend hat das AG entsprechend dem Antrag des Sequesters für die Berechnung der Vergütung das verwaltete Aktivvermögen zugrunde gelegt. Auch ist nicht zu beanstanden, daß der Sequester den analog ermittelten einfachen Regelsatz i. H. v. 27.308,42 DM auf 38.231,80 DM erhöht hat, denn die Tätigkeit des Sequesters weicht hier von den quantitativen Kriterien eines Normalfalls der Sequestration ab. Geht man mit Haarmeyer/Wutzke/ Förster davon aus, daß ein quantitativer Normalfall der Sequestration vorliegt, wenn der Umsatz des Unternehmens bis zu 3 Mio DM jährlich beträgt, die Sequestration zwischen 4 und 6 Wochen dauert, weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt werden, nur eine Betriebsstätte vorhanden ist und Forderungen gegen bis zu 100 Schuldner bestehen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütung in Insolvenzverfahren, Einführung Rn. 105), übersteigen hier die quantitativen Kriterien eindeutig den Normalfall. Der Umsatz der Gemeinschuldnerin liegt bei ca. 6 Mio DM jährlich, die Sequestration hat 11 Wochen gedauert und die Gemeinschuldnerin hat 43 Arbeitnehmer beschäftigt.

11

Im Hinblick darauf ist es nicht zu beanstanden, daß der Sequester bei der Berechnung seiner Vergütung zunächst den 4-fachen Satz des Regelsatzes als Vergütung des Konkursverwalters zugrundegelegt und hiervon 35 % für die Sequestervergütung (= 38.231,80 DM) angesetzt hat.

12

Unangemessen ist hingegen die vom Sequester vorgenommene Erhöhung der Vergütung wegen der Betriebsfortführung um insgesamt 54.616,84 DM (doppelte Regelvergütung). Vielmehr kann der Sequester analog § 4 VergVO allenfalls die vom AG für die Betriebsfortführung festgesetzten 13.654,21 DM verlangen.

13

Die Zu- und Abschlagsfaktoren für den Konkursverwalter gemäß § 4 VergVO schlagen auf die Vergütung des Sequesters durch, allerdings nur in dem Verhältnis 1 : 4, in dem auch im übrigen die Vergütung des Sequesters an die Vergütung des Verwalters angepaßt wird. Hat mithin der Verwalter für eine Betriebsfortführung nach den allgemeinen Kriterien einen Zuschlag von 1,0 Regelsatz verdient, so schlägt dies für den Sequester bei einer Betriebsfortführung in der Sequestration mit 1/4 Regelsatzerhöhung zu Buche (Haarmeyer/Wutzke/Förster a. a. O., Einführung Rn. 112). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. Eickmann, VergVO, Anhang A Rn. 20 c; AG Potsdam, ZIP 1997, 1800 f.), wonach der Sequester bei einer Betriebsfortführung genauso zu vergüten ist wie der Konkursverwalter, schließt sich die Kammer nicht an. Zutreffend hat das Amtsgericht insoweit schon darauf hingewiesen, daß die Tätigkeit von Sequester und Konkursverwalter unterschiedlich ist und deshalb auch eine unterschiedliche Vergütung folgerichtig ist. Die Tätigkeit des Konkursverwalters ist auf einen längeren Zeitraum angelegt. Während der Konkursverwalter - wie auch hier - regelmäßig mehrere Monate tätig wird und den Betrieb fortführt, erstreckt sich die Tätigkeit des Sequesters bei der Betriebsfortführung auf einen kürzeren Zeitraum. Zwar fällt dem Sequester die Aufgabe zu, die ersten Verhandlungen im Rahmen der Betriebsfortführung mit den Gläubigern, Lieferanten, Banken und der Belegschaft zu führen. Demgegenüber muß jedoch der Konkursverwalter über einen regelmäßig langen Zeitraum die Geschäfte führen und über das weitere Schicksal des Gemeinschuldners bestimmen.

14

Dafür, daß die Vergütung des Sequesters geringer ausfallen muß als die des Konkursverwalters, spricht im übrigen auch die am 01.01.1999 in Kraft tretende Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV), in welcher nunmehr die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters (jetzt Sequester) geregelt wird. Nach § 11 InsVV soll die Vergütung in der Regel einen angemessenen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters nicht übersteigen. Der Gesetzgeber hat sich also in Kenntnis der Tätigkeit des Sequesters (auch) bei einer Betriebsfortführung und der damit verbundenen Erschwernisse dafür entschieden, dem vorläufigen Insolvenzverwalter grundsätzlich nur einen Bruchteil der Vergütung des Insolvenzverwalters zuzubilligen. Es besteht deshalb keine Veranlassung, von dieser Vorstellung des Gesetzgebers abzuweichen und den Sequester bei der Betriebsfortführung in bezug auf seine Vergütung dem Konkursverwalter gleichzustellen.