Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 08.09.2020, Az.: L 7 AS 354/19

Aufhebungs- und Erstattungsbescheid; Doppelter Abzug; Einkommen; Kindergeld; Versicherungspauschale

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
08.09.2020
Aktenzeichen
L 7 AS 354/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71534
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 04.06.2019 - AZ: S 44 AS 290/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Versicherungspauschale von 30,00 Euro ist bei Einkommen aus Sozialleistungen – hier Kindergeld - nicht in Anlehnung an die Entscheidung des BSG vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 – BSGE 116, 194 [BSG 17.07.2014 - B 14 AS 25/13 R]) mehrfach in einem Monat zum Abzug zu bringen.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 4. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem dieser zuvor bewilligte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat September 2016 teilweise aufgehoben und die Erstattung eines überzahlten Betrages von 350,00 Euro geltend gemacht hat.

Die am 2. April 1998 geborene, alleinstehende Klägerin bewohnte im streitgegenständlichen Monat September 2016 eine 42,87 qm große Wohnung in C., J. K., für die eine monatliche Kaltmiete von 295,80 Euro, monatliche Nebenkostenvorauszahlungen von 76,00 Euro und monatliche Heizkostenvorauszahlungen von 48,00 Euro anfielen. Erwerbseinkommen erzielte die Klägerin im hier streitgegenständlichen Monat nicht.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11. April 2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29. Juni 2016 und 13. September 2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II u.a. für den Monat September 2016 in Höhe von 823,80 Euro (404,00 Euro Regelbedarf, 295,80 Euro Grundmiete, 48,00 Euro Heizkosten, 76,00 Euro Nebenkosten).

Am 15. September 2016 überwies die Familienkasse Niedersachsen-Bremen an die Klägerin Kindergeld in Höhe von insgesamt 380,00 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus dem Kindergeld für die Monate August und September 2016 in Höhe von jeweils 190,00 Euro.

Nachdem der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, hörte er die Klägerin mit Schreiben vom 22. September 2016 zu der beabsichtigten teilweisen Aufhebung der bewilligten SGB II-Leistungen und zur beabsichtigten Geltendmachung eines Erstattungsbetrags von 350,00 Euro wegen der erhaltenen Kindergeldzahlungen abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 Euro an. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass ihr das Kindergeld zustehe und sie nicht einsehe, etwas erstatten zu müssen.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 hob der Beklagte seine Bewilligungsentscheidung für den Monat September 2016 in Höhe von 350,00 Euro auf und machte diesen Betrag als Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin geltend. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 13. Dezember 2016 beantragte die Klägerin nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 24. Oktober 2016. Der Bescheid sei bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, weil er nicht ordnungsgemäß begründet worden sei.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei ausreichend begründet worden.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Es sei zwar richtig, dass ihr im September 2016 Kindergeld für die Monate August und September 2016 in Höhe von 380,00 Euro überwiesen worden sei. Von diesem Betrag hätte aber die Versicherungspauschale von 30,00 Euro nicht nur einmalig abgezogen werden müssen, sondern doppelt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gelte nämlich, dass wenn in einem Monat Einkommen bestehend aus mehreren Monaten aus- bzw. nachgezahlt werde, dieses zwar im Zuflussmonat angerechnet werde, jedes Monatseinkommen aber für sich um die monatlichen Abzugsbeträge bereinigt werden müsse. Dieser Grundsatz erstrecke sich nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg auch auf die Nachzahlung von Sozialleistungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2019 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er habe die angegriffene Entscheidung geprüft. Sie sei jedoch rechtmäßig.

Die hiergegen von der Klägerin am 22. Februar 2019 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig unter Wiederholung des Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 4. Juni 2019 ohne mündliche Verhandlung abgewiesen. Der Beklagte habe die bewilligten SGB-Leistungen für den Monat September 2016 zurecht teilweise aufgrund des zuvor noch nicht berücksichtigten Kindergeldbezugs aufgehoben und von der Klägerin die Erstattung von 350,00 Euro verlangt. Er habe entgegen der Auffassung der Klägerin die Versicherungspauschale nicht zweimal in Abzug bringen müssen. Die Entscheidung des BSG vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 R) zum mehrfachen Abzug des Grundfreibetrags von 100,00 Euro in einem Monat sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall sei der Klägerin hier nicht Erwerbseinkommen aus mehreren Monaten in einem Monat ausgezahlt worden, sondern mit dem Kindergeld eine Sozialleistung. Für den Bezug von Kindergeld habe der Gesetzgeber aber kein Anreizsystem geschaffen, das mit dem zweimaligen Abzug eines Freibetrags umgesetzt werden müsste. Vielmehr werde das Kindergeld einkommensunabhängig gezahlt und diene als Sozialleistung der verfassungsrechtlich garantierten Sicherung des Existenzminimums des Kindes und zwar unabhängig von einem Zutun der Leistungsberechtigten. Darüber hinaus fehle es an der Übertragbarkeit der Entscheidung des BSG auf die hiesige Konstellation auch deshalb, weil sich der Grundfreibetrag auf das jeweilige monatliche Erwerbseinkommen beziehe. Hingegen beziehe sich der Pauschbetrag von 30,00 Euro nicht auf das Erwerbseinkommen, sondern auf Einkommen jeglicher Art. Auch bestehe kein Anreizsystem dafür, dass SGB II-Bezieher bestimmte Versicherungen abschließen sollten, was mit dem Pauschbetrag „belohnt“ werden müsste. Vielmehr diene der Pauschbetrag der Verwaltungsvereinfachung und dem Ausgleich von Belastungen, die durch die Zahlung von notwendigen Versicherungen entstünden. Soweit das LSG Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 17. September 2015 (L 31 AS 1571/15) demgegenüber eine abweichende Auffassung vertrete, folge die Kammer dem nicht. Das LSG Berlin-Brandenburg setze sich nicht ausreichend mit der tragenden Begründung des BSG auseinander, welche sich maßgeblich auf das im SGB II bei der Erzielung von Erwerbseinkommen bestehende Anreizsystem beziehe. Anders als das LSG meine, habe das BSG keinesfalls allgemeine, auf jegliches Einkommen bezogene Grundsätze aufgestellt, sondern lediglich solche, die sich auf Erwerbseinkommen und die dazugehörigen Freibeträge bezögen.

Gegen das ihr am 11. Juni 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Juni 2019 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, dass auch das LSG Berlin-Brandenburg entsprechend ihrer Rechtsansicht entschieden habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 4. Juni 2019 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 24. Oktober 2016 aufzuheben, soweit der Beklagte dort einen Erstattungsbetrag von mehr als 320,00 Euro geltend macht.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 4. Juni 2019 zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg nicht für überzeugend. Dass insbesondere die Absetzung der Versicherungspauschale das soziokulturelle Existenzminimum sichern solle – wie das LSG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung ausführe -, sehe der Beklagte nicht. Es bestünden zwischen Erwerbseinkommen und anderen Einkommen strukturelle Unterschiede, die es nicht erforderlich machten, die Entscheidung des BSG auf alle Einkommensarten zu übertragen. Im Übrigen verweist der Beklagte auf eine Entscheidung des SG Duisburg, die seine Rechtsauffassung stützen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

1.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Berufungsbeschwerdewert lediglich 30,00 Euro beträgt, weil die Berufung vom SG gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen worden ist. Der Senat ist an die Zulassung gemäß § 144 Abs. 3 SGG gebunden.

2.

Die Berufung ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben der vorinstanzlichen Entscheidung des SG der Bescheid vom 30. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Januar 2019, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, seinen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. Oktober 2016 zurückzunehmen. Da die streitige Versicherungspauschale kein abtrennbarer Streitgegenstand ist (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 38, juris RdNr. 17), ist die Höhe des gesamten Leistungsanspruchs der Kläger für September 2016 zu überprüfen.

Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Mit der Anfechtungsklage begehrt die Klägerin die Aufhebung des eine Rücknahme ablehnenden Verwaltungsakts. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, durch den dieser die begehrte Änderung des bindenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheids bewirken soll.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Ein Anspruch der Klägerin auf teilweise Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 24. Oktober 2016 besteht indes nicht, denn durch diesen Bescheid hat der Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch ist er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

a)

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24. Oktober 2016 ist formal nicht zu beanstanden. Er wurde ordnungsgemäß begründet und genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit gemäß § 33 Abs. 1 SGB X. Die Klägerin wurde vor Erlass des Bescheids ordnungsgemäß angehört.

b)

Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung des Beklagten ist auch materiell rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für den Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids ist § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, jeweils in der am 22. Januar 2019 geltenden Fassung.

Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hat am 15. September 2016 nach Erlass des Bewilligungsbescheids vom 11. April 2016 (in der Fassung der Änderungsbescheide vom 29. Juni 2016 und 13. September 2016) Kindergeld in Höhe von 380,00 Euro von der Familienkasse Niedersachsen-Bremen für die Monate August und September 2016 überwiesen bekommen, das gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB II in der zum 22. Januar 2019 geltenden Fassung auf den Leistungsanspruch der Klägerin im Zuflussmonat anzurechnen war. Durch die Erzielung dieses Einkommens ist gegenüber den bei Erlass des Bewilligungsbescheids am 11. April 2016 bestehenden tatsächlichen Umständen mit dem Zufluss der 380,00 Euro auf dem Konto der Klägerin im September 2016 eine wesentliche nachträgliche Änderung in Bezug auf ihre Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II eingetreten, weil sich dadurch ihre Hilfebedürftigkeit reduziert hatte.

Von diesem Einkommen war gemäß § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 13 SGB II in Verbindung mit § 4 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der zum 22. Januar 2019 geltenden Fassung der Alg II-V Änderungsverordnung vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1858) ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind, als Pauschbetrag abzusetzen. Die Absetzung der Versicherungspauschale hat dabei unabhängig davon zu erfolgen, ob tatsächlich Versicherungsbeiträge entrichtet worden sind oder nicht (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14 AS 55/07 RSozR 4-4200 § 9 Nr 4 = juris RdNr. 42). Diese Absetzung ist hier durch den Beklagten erfolgt, weshalb die Leistungsbewilligung für September 2016 lediglich in Höhe von 350,00 Euro aufgehoben wurde.

c)

Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Pauschbetrag von 30,00 Euro im September 2016 von dem Einkommen nicht zweimal in Abzug zu bringen. Die Entscheidung des BSG vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 – BSGE 116, 194 [BSG 17.07.2014 - B 14 AS 25/13 R]) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In dieser Entscheidung hatte das BSG den Grundfreibetrag des § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.; nunmehr § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II) in Höhe von 100,00 Euro zweimal in Abzug gebracht, weil einem Leistungsberechtigten innerhalb eines Monats in zwei Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis zugeflossen war. Das BSG hat die doppelte Ansetzung des Grundfreibetrags mit der vom Gesetz intendierten Anreizwirkung des Freibetrags für die Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer nicht bedarfsdeckenden Erwerbstätigkeit begründet (BSG, Urteil vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 25/13 – BSGE 116, 194 = juris RdNr. 13). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um ein Erwerbseinkommen, sondern um die Zahlung von Kindergeld, also um Einkommen aus einer Sozialleistung, bei der die Argumentation des BSG zur Anreizwirkung des Grundfreibetrags keinerlei Rolle spielt.

Soweit das LSG Berlin Brandenburg in seinem Urteil vom 17. September 2015 (L 31 AS 1571/15 - juris) der Auffassung ist, die Entscheidung des BSG zur mehrfachen Absetzung des Freibetrags gelte unabhängig von der Einkommensart, weil es rechtsdogmatisch um die Berücksichtigung von Aufwendungen gehe, die der Gesetzgeber unabhängig von der Art des Einkommens für absetzbar erklärt habe (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, aaO. Juris RdNr. 31), überzeugt dies den Senat nicht. Für diese Auffassung finden sich weder Anhaltspunkte in den Gesetzgebungsunterlagen des Freibetragsneuregelungsgesetzes, durch das der Grundfreibetrag von 100,00 Euro in § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. eingeführt worden war (vgl. BT-Drs. 15/5446), noch in der Entscheidung des BSG vom 17. Juli 2014. In der Gesetzesbegründung werden allein die seinerzeit mangelnde Transparenz der Berechnung der Freibeträge, die Anreizfunktion des neuen Freibetrags für mögliche Hinzuverdienstmöglichkeiten und der Effekt der Vereinfachung für die Verwaltung erwähnt (vgl. BT-Drs. 15/5446, S. 4). Das BSG wiederum stellt allein auf Erwerbseinkommen ab und äußert sich nicht dazu, dass die mehrfache Absetzung des Freibetrags unabhängig von der Einkommensart erfolgen solle.

Abgesehen davon, dass bereits der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO („ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich“) der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg entgegensteht, die Versicherungspauschale von 30,00 Euro in einem Monat mehrfach zum Abzug zu bringen, gibt es – anders als beim Erwerbseinkommen – auch kein Bedürfnis für den mehrfachen Abzug der Versicherungspauschale bei Einkommen aus Sozialleistungen. Das LSG Berlin-Brandenburg argumentiert deshalb im Ergebnis sozialpolitisch, indem es behauptet, der Zweck der Absetzungsbeträge und insbesondere der Versicherungspauschale bestehe darin, einen dem unteren Lebensstandard in Deutschland entsprechendes Leben auch dem Hilfeempfänger zu ermöglichen, also das sog. soziokulturelle Existenzminimum zu sichern, weshalb die erst nachträgliche, zusammengefasste Auszahlung dem Hilfeempfänger ebenso wenig zum Nachteil gereichen dürfe wie verspätet und deshalb für mehrere Monate ausgezahltes Arbeitsentgelt. Diese Prämisse des LSG Berlin-Brandenburg wird jedoch vom LSG nicht belegt und ist zudem fraglich. In der Gesetzesbegründung zum Freibetragsneuregelungsgesetz wird z.B. nicht die Wahrung des soziokulturellen Existenzminimums als Grund für die Gewährung des Pauschalfreibetrags genannt, sondern – wie schon oben ausgeführt – der von der Pauschale ausgehende Anreiz für Erwerbstätigkeit, die Transparenz der Berechnung und Verwaltungsvereinfachung. Auch für die Pauschalierungen nach der Alg II-V werden als Gründe für deren Schaffung vor allem die Verwaltungsvereinfachung angeführt (vgl. Schmidt in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 11b RdNr. 27; Söhngen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 11 RdNr. 14). Ausgehend von dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Monatsprinzip erweist sich die Argumentation des LSG Berlin-Brandenburg außerdem auch als rechtlich zweifelhaft. In dem Monat des Zuflusses des Kindergelds sind die Beiträge für nach Grund und Höhe angemessene Versicherungen durch den – einmaligen – Abzug der Versicherungspauschale bereits berücksichtigt, so dass in dem Monat des Zuflusses eine Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums ausgeschlossen ist. In dem Monat zuvor, in dem kein Kindergeld zugeflossen ist, ist zwar kein Abzug der Versicherungspauschale erfolgt. Dies führt aber auch in diesem Monat nicht zu einer Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums. Anderenfalls würde in all den Fällen, in denen Leistungsberechtigte zwar eine nach Grund und Höhe angemessene Versicherung abgeschlossen haben, aber keinerlei Einkommen beziehen, das soziokulturelle Existenzminimums trotz Gewährung des Regelbedarfs und der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung stets unterschritten. Ein solches Verständnis des soziokulturellen Existenzminimums stünde in Widerspruch zur Gesamtkonzeption der Leistungsgewährung nach dem SGB II, wonach gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Bedarfe nach § 19 Absätzen 1 und 2 SGB II erbracht werden, die bei Leistungsberechtigten ohne Einkommen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfassen, also ohne Berücksichtigung von Beiträgen für Versicherungen. Nach § 3 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB II ist damit der Bedarf der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen vollständig gedeckt, was nach dem Verständnis des LSG Berlin-Brandenburg dagegen nicht der Fall wäre.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 29. Januar 2015 (L 7 AS 4641/12). Dem vom LSG Baden-Württemberg entschiedenen Fall lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem dem dortigen Kläger eine Rentenzahlung für mehrere Monate in einem Monat ausgezahlt worden war. Das LSG hat dort keinerlei Argumente dafür angeführt, warum bei einer Rentennachzahlung für mehrere Monate für jeden dieser Monate die Versicherungspauschale abgesetzt werden sollte. Es hat lediglich auf das Urteil des BSG vom 17. Juli 2014 verwiesen, das aber – wie bereits oben ausgeführt –keine Aussagen zur mehrfachen Absetzung von Freibeträgen bei Sozialleistungen trifft. Die Bedeutung der Entscheidung des BSG vom 17. Juli 2014 ist eben auf die seltene Ausnahmekonstellation beschränkt, in die der Arbeitgeber im selben Monat den Rhythmus der Entgeltzahlung umgestellt hat (Söhngen in Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB II, 5. Aufl. 2020, § 11b RdNr. 51; vgl auch Stotz, juris PR-SozR 2/2015 Anm.3).

d)

Der Klägerin sind im Übrigen die ihr im September 2016 zustehenden Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten zutreffend bewilligt worden (404,00 Euro Regelbedarf, 295,80 Euro Grundmiete, 48,00 Euro Heizkosten, 76,00 Euro Nebenkosten abzüglich anzurechnenden Einkommens aus Kindergeldzahlungen in Höhe von 350,00 Euro).

e)

Die aus der teilweisen Leistungsaufhebung resultierende Erstattungsforderung des Beklagten ist ebenfalls rechtmäßig. Einwände hiergegen werden von der Klägerin nicht erhoben.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

4.

ie Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.