Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.06.2015, Az.: 2 B 115/15

Asylantrag; Erstantrag; Folgeantrag; Überstellungsfrist; Umdeutung; Zweitantrag

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.06.2015
Aktenzeichen
2 B 115/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 44831
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.

I. Er ist statthaft nach §§ 36 Abs. 3 Satz 1, 71a Abs. 4 AsylVfG i.Vm. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO, weil der am 15. Mai 2015 erhobenen Klage 2 A 114/15 gegen die auf die Russische Föderation bezogene Abschiebungsandrohung mit der Ausreisefrist von einer Woche kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) keine aufschiebende Wirkung zukommt (arg. e § 75 Abs. 1 AsylVfG). Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Wochenfrist (§ 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG) nach Zustellung des angegriffenen Bundesamtsbescheides gestellt worden.

II. Der Eilantrag ist auch begründet, denn es bestehen bei im Eilverfahren gebotener und nur möglicher summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ernstliche Zweifel i.S.d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG. Nach § 71a Abs. 4 AsylVfG ist eine (sofort vollziehbare) Abschiebungsandrohung mit kurzer Ausreisefrist i.S.d. §§ 36 Abs. 1, 34 Abs. 1 AsylVfG dann zu erlassen, wenn die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (rechtmäßigerweise) nach § 71a Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG abgelehnt wird. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.

1. Zwar hat das Bundesamt aus seiner Sicht eine Entscheidung über einen Zweitantrag getroffen. Eine dahin gehende ausdrückliche Tenorierung („Die Durchführung weiterer Asylverfahren wird abgelehnt.“) enthält der angegriffene Bescheid vom 4. Mai 2015 zwar nicht. Allerdings lässt die Begründung des Bescheids auf Seite 3 unten erkennen, dass im Wege der Umdeutung (§ 47 VwVfG) der insoweit aufrechterhaltenen Ziffer 1. aus dem bestandskräftigen Dublin-Bescheid des Bundesamts vom 26. September 2013 („Die Asylanträge sind unzulässig.“) ein neuer Deutungsgehalt gegeben werden soll, welcher der Ablehnung eines Zweitantrags gleichkomme. Diese Umdeutung ist - ungeachtet ihres Standortes in der Begründung - nach Auffassung des Einzelrichters als ein verfügender Teil des Bescheides vom 4. Mai 2015 und damit als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG anzusehen und unterliegt daher zusammen mit der umzudeutenden Ziffer 1. aus dem Dublin-Bescheid vom 26. September 2013 - ungeachtet deren Bestandskraft - der gerichtlichen Prüfung im vorliegenden Eilverfahren sowie im Klageverfahren 2 A 114/15 (vgl. zu dieser Konsequenz Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 47 Rn. 38).

2. Diese Prüfung ergibt allerdings, dass die Umdeutung offensichtlich rechtswidrig ist. Auf § 47 VwVfG lässt sie sich nicht stützen. Nach dieser Norm kann (Absatz 1) nach Anhörung (Absatz 4 i.V.m. § 28 VwVfG) ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn dieser auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form hätte erlassen werden können und wenn die (materiellen) Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind; Einschränkungen der Umdeutbarkeit ergeben sich aus den Absätzen 2 und 3.

Die umzudeutende Ziffer 1. des Bescheides vom 26. September 2013 ist im maßgeblichen Zeitpunkt des § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylVfG zwar (nunmehr) rechtswidrig und damit fehlerhaft, weil die Antragsgegnerin mit Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2, Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-VO - am 25. März 2014, 24.00 Uhr, für den Asylantrag der Antragsteller zuständig geworden und damit die Voraussetzung aus § 27a AsylVfG, dass die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates besteht, entfallen ist. Dennoch kommt hier eine Umdeutung aus mehreren Gründen nicht in Betracht.

a) Es fehlt bereits an materiellen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt, in den umgedeutet werden soll, nämlich für den Erlass einer Zweitantragsablehnung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG, weil es sich bei dem von den Antragstellern gestellten Antrag nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht um einen Zweitantrag handelt. Nach dieser Norm liegt ein Zweitantrag nur vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Ein erfolgloser Abschluss liegt grundsätzlich vor, wenn der im anderen Mitgliedstaat (hier: Polen) gestellte Asylantrag unanfechtbar abgelehnt oder zurückgenommen wurde (vgl. den Rechtsgedanken des § 71a Abs. 5 AsylVfG). Allerdings sind Modifikationen durch das europäische Asylrecht zu berücksichtigen, die die Antragsgegnerin in bestimmten Fällen daran hindern, von einem Zweitantrag auszugehen. Nach diesen Maßstäben kann der Einzelrichter anhand des dem Gericht vorliegenden Verwaltungsvorgangs des Bundesamts (Beiakte A) nicht zugrunde legen, dass ein erfolgloser Abschluss des Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vorliegt.

aa) Anhaltspunkte für eine Ablehnung des Asylantrags vom 10. Juni 2013 durch polnische Asylbehörden finden sich nicht. im Verwaltungsvorgang ist eine solche nicht enthalten; die Antragsgegnerin hat hierzu auch keine Ermittlungen angestellt. Die Antragsteller behaupten, sie hätten sich nur ein paar Stunden in Polen aufgehalten und wüssten nicht, ob dort eine Entscheidung ergangen sei (vgl. Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2015, Bl. 156 der Beiakte A). Selbst wenn es jedoch eine Ablehnung gegeben hätte, so hätte das Bundesamt Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags in dem anderen Mitgliedstaat nehmen müssen, um sachgerecht prüfen zu können, ob nunmehr ein Zweitantrag vorliegt. Da darauf hier verzichtet worden ist, wäre das Bundesamt gehalten gewesen, den Antrag ungeachtet einer bisherigen Ablehnung wie einen Erstantrag zu behandeln (vgl. VG Stade, Beschluss vom 3. März 2015 - 3 B 256/15 -, S. 5 des Beschlussabdrucks).

bb) Dass die Antragsteller ihren in Polen gestellten Asylantrag zurückgenommen haben, ist derzeit ebenfalls nicht hinreichend geklärt (1) und rechtfertigte die Annahme eines erfolglosen Abschlusses im vorliegenden Fall ohnehin nicht (2).

(1) Zwar hatte die polnische Asylbehörde unter dem 25. September 2013 die zunächst gegebene Zuständigkeit Polens unter Berufung auf Art. 16 Abs. 1 lit. d) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - (zurückgenommener Asylantrag) bejaht. Indessen ging das Bundesamt noch im späteren Dublin-Bescheid vom 26. September 2013 von der Alternative aus Art. 16 Abs. 1 lit. c) Dublin-II-VO (offener Asylantrag) aus; d.h. davon, dass über den am 10. Juni 2013 in Polen gestellten Asylantrag noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Weshalb das Bundesamt in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides vom 4. Mai 2015 nunmehr - ohne weitere eigene Ermittlungen zum Ausgang des Asylverfahrens in Polen - der abweichenden Zuordnung dieses anderen Mitgliedstaates folgt, ist nicht erklärlich. Weder im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin noch im Vortrag der Antragsteller finden sich Hinweise darauf, dass es eine ausdrückliche Rücknahmeerklärung gegeben hätte. Damit kann allenfalls eine fiktive oder konkludente Rücknahme des in Polen gestellten Asylantrags durch Nichtbetreiben und Weiterreisen nach Deutschland vorgelegen haben. Die näheren Umstände hierzu sind nicht aufgeklärt. Ohne weiteres kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass ein Asylbewerber durch seine Ausreise aus dem zunächst zuständig gewesenen Mitgliedstaat seinen ersten Asylantrag konkludent zurückgenommen hat (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 19. Januar 2015 - A 11 S 2508/14 -, InfAuslR 2015, 168 [169]). Eine andere Frage  ist es, ob das jeweilige nationale (hier: polnische) Asylverfahrensrecht in Ausfüllung der Ermächtigung aus Artt. 20 Abs. 1, 33 der Richtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005 - VerfRL a.F. - (in Zukunft Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 - VerfRL n.F. -) derartige Rechtsfolgen an ein regelmäßiges Nichtbetreiben des Verfahrens knüpft (vgl. VG Osnabrück, Beschluss vom 24. April 2015 - 5 B 125/15 -, AuAS 2015, 126 [127]; VG Stade, Beschluss vom 2. April 2015 - 1 B 413/15 -, S. 3 f. des Beschlussabdrucks).

(2) Selbst wenn eine konkludente oder fiktive Rücknahme vorgelegen haben sollte, wäre die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall durch Artt. 18 Abs. 2 UAbs. 2, 29 Abs. 2 Dublin-III-VO daran gehindert, einen „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ in einem anderen Mitgliedstaat i.S.d. § 71a Abs. 1 AsylVfG anzunehmen und den Asylantrag der Antragsteller vom 14. Juni 2013 als Zweitantrag zu behandeln.

Diese Normen sind nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1, 2. HS. Dublin-III-VO auch im vorliegenden Fall heranzuziehen, weil sich ab dem 1. Januar 2014 jedenfalls die Rechtsfolgen des am 20. September 2013 von der Antragsgegnerin gegenüber Polen gestellten Wiederaufnahmeersuchens nach der Dublin-III-VO bestimmen, mögen auch für die ursprüngliche Zuständigkeitsbestimmung nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO im Rahmen des Dublin-Verfahrens noch die Zuständigkeitskriterien der Dublin-II-VO anzuwenden gewesen sein. Daraus folgt, dass die erst nach dem 1. Januar 2014 endende Überstellungsfrist und die Konsequenzen ihres Ablaufs sich nach der Dublin-III-VO richten.

Mit dem Ablauf der Überstellungsfrist nach Artt. 29 Abs. 1 UAbs. 1, 1. Alt., 42 Dublin-III-VO am 25. März 2014, 24.00 Uhr, ging ein Zuständigkeitswechsel hin zur Antragsgegnerin einher (Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO). Damit treffen die Antragsgegnerin nunmehr alle Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats. Hierzu gehören nach Auffassung des Einzelrichters auch die verfahrensrechtlichen Vorgaben, die sich aus Art. 18 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO ergeben. Nach dieser Norm stellt in den Fällen des Art. 18 Abs. 1 lit. c) Dublin-III-VO (entspricht Art. 16 Abs. 1 lit. d) Dublin-II-VO) der zuständige Mitgliedstaat, wenn er die Prüfung nicht fortgeführt hat, nachdem der Antragsteller seinen Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne des Art. 32 VerfRL a.F. (vgl. Art. 49 Abs. 3 Dublin-III-VO) bzw. (in Zukunft) im Sinne der Artt. 2 lit. q), 40, 41 VerfRL n.F. behandelt wird. Das bedeutet, dass Polen bei einer Rücküberstellung der Antragsteller innerhalb der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren - die nicht stattgefunden hat - den Asylantrag der Antragsteller vom 10. Juni 2013 als Asylerstantrag hätte behandeln müssen, sofern nicht - wozu das Bundesamt keine Ermittlungen angestellt hat und wofür es keine sonstigen Anhaltspunkte gibt - aufgrund einer Rücknahme schon eine Entscheidung nach einer inhaltlichen (sachlichen) Prüfung des Asylbegehrens getroffen wurde. Die bloße Einstellung des Verfahrens wegen Nichtbetreibens würde nicht ausreichen (vgl. zukünftig auch Art. 28 Abs. 2 VerfRL n.F.). In diese verfahrensrechtliche Pflichtenstellung Polens aus Art. 18 Abs. 2 UAbs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO ist die Antragsgegnerin mit Ablauf des 25. März 2014 durch Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO eingerückt (in diese Richtung auch: VG Cottbus, Beschluss vom 12. Januar 2015 - 3 L 193/14.A -, Asylmagazin 2015, 160, juris Rn. 20; zusammenfassend VG Lüneburg, Beschluss vom 11. Mai 2015 - 2 B 13/15 -, juris Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass der Asylantrag der Antragsteller von der Antragsgegnerin nicht nach den strengeren Regeln des Zweitantrags aus § 71a Abs. 1 AsylVfG - welche den Regelungen über den (inländischen) Folgeantrag aus § 71 Abs. 1 AsylVfG nachgebildet sind und von denen sie sich im Wesentlichen nur durch die fehlende Identität der Urheber der Erstentscheidung unterscheiden - geprüft werden darf.

cc) Nach alledem spricht derzeit alles dafür, dass der von den Antragstellern am 14. Juni 2013 im Bundesgebiet gestellte Asylantrag als Erstantrag zu behandeln ist, zu dessen Entscheidung nach Ablauf der Überstellungsfrist allein die Antragsgegnerin berufen ist (so für einen vergleichbaren Fall auch VG Stade, Beschluss vom 3. März 2015 - 3 B 256/15 -, S. 5 des Beschlussabdrucks).

b) Des Weiteren folgen - selbst wenn es sich um einen Zweitantrag handelte - erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Zweitantragsablehnung aus den verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Norm sind für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, u.a. §§ 24 Abs. 1 Satz 3, 25 AsylVfG entsprechend anzuwenden, welche grundsätzlich eine persönliche Anhörung durch das Bundesamt vorsehen. Hiervon kann nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG abgesehen werden, soweit die Anhörung für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. Die letztgenannte Ausnahme ist vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil das Bundesamt die Prüfung zwingender Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG jedenfalls nicht ohne Kenntnis der von den Antragstellern in Polen vorgetragenen Asylgründe durchführen kann (vgl. VG Osnabrück, Urteil vom 17. März 2015 - 5 A 36/14 -, S. 6 des Urteilsabdrucks). Im Übrigen hat das Bundesamt hier offenbar auch nicht von der Anhörung absehen wollen, weil es unter dem 12. März 2015 Fragebögen zum Verfolgungsschicksal an den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller (Bl. 136 ff. der Beiakte A) und zum Ausgang des Asylverfahrens in Polen an die Antragsteller (Bl. 150 ff. der Beiakte A) versandt hat. Es kann dahinstehen, ob diese Übersendung schriftlicher Fragen einer persönlichen Anhörung i.S.d. § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG gleichkommt, was erheblichen Zweifeln unterliegt. Jedenfalls ist ein solches etwaiges „Anhörungsäquivalent“ im vorliegenden Fall nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, weil der Fragebogen auf Bl. 137 ff. der Beiakte A nicht nachvollziehbar nur in deutscher und arabischer Sprache abgefasst und auf den Irak bezogen ist und nicht - wie es aber erforderlich gewesen wäre - in russischer Sprache gehalten und auf die Russische Föderation bezogen (vgl. §§ 17 Abs. 1, 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG). Im Übrigen ist die Anhörung fehlerhaft, weil den Antragstellern vor Erlass des Bundesamtsbescheides vom 4. Mai 2015 nicht deutlich genug zu erkennen gegeben wurde, dass ihr Asylantrag im konkrekt-individuellen Fall nunmehr als Zweitantrag behandelt werden sollte (vgl. zu diesem Mangel VG Osnabrück, Urteil vom 16. Februar 2015 - 5 A 248/14 -, juris Rn. 24). Die an die Antragsteller gerichteten Schreiben vom 12. März 2015 (Bl. 150 ff., Bl. 153 ff. der Beiakte A) führen zwar aus, dass sich das weitere Vorgehen nach dem Ergebnis des Verfahrens für die Zuerkennung des internationalen Schutzes in dem anderen Mitgliedstaat richte. In dem beigefügten Fragebogen können verschiedene Varianten des Ausgangs des dortigen Verfahrens (von „Der andere Mitgliedstaat hat den Flüchtlingsstatus zuerkannt.“ bis hin zu „In dem Verfahren in dem anderen Mitgliedstaat ist noch keine Entscheidung ergangen.“) angekreuzt werden. Dass in dem Fragebogen gleichzeitig - und ohne Verknüpfung zu den erfragten Varianten - nach den Gründen für die Durchführung eines weiteren Verfahrens auf Zuerkennung des internationalen Schutzes in Deutschland gefragt wurde, dürfte nicht ausgereicht haben, um bei den Antragstellern das aktuelle Bewusstsein einer Zweitantragssituation zu erzeugen.

c) Im Übrigen scheitert die Rechtmäßigkeit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen Umdeutung von Ziffer 1. des Bescheides vom 26. September 2013 in die Ablehnung eines Zweitantrags auch an dem Umdeutungshindernis aus § 47 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. VwVfG. Ein solches besteht, wenn die Rechtsfolgen des Verwaltungsakts, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. So liegt es hier. Die Ablehnung eines Zweitantrags (= Versagung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens) nach § 71a Abs. 1 AsylVfG - d.h. die Ablehnung nach inhaltlicher Prüfung des Asylbegehrens - zieht insbesondere wegen der massiven Wirkung einer daran anknüpfenden, auf das Herkunftsland (hier: Russische Föderation) bezogenen Abschiebungsandrohung nach §§ 71a Abs. 4, 34, 36 AsylVfG unmittelbar ungünstigere Folgen nach sich als die bloße Ablehnung eines Asylantrags wegen Unzuständigkeit der Bundesrepublik nach § 27a AsylVfG i.V.m. Dublin-Verordnungen, die sich der Wirkung nach in einem Verweis auf das Asylverfahren in einem zuständigen anderen Mitgliedstaat und auf die dortige Sachprüfung erschöpft und die zu diesem Zwecke mit einer auf diesen Mitgliedstaat bezogenen Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG einhergeht (so auch VG Osnabrück, Urteil vom 16. Februar 2015 - 5 A 248/14 -, juris Rn. 33). Wegen dieser gravierenden Unterschiede in der Tragweite ist es nicht von Belang, dass sowohl diese Abschiebungsandrohung als auch die Abschiebungsanordnung arg. e § 75 Abs. 1 AsylVfG sofort vollziehbar sind.

d) Nach alledem kann dahinstehen, ob überhaupt die nach § 47 Abs. 1 VwVfG erforderliche sog. „Zielgleichheit“ der umzudeutenden Entscheidung nach §§ 27a, 31 Abs. 6 AsylVfG aus Ziffer 1. des Bescheides vom 26. September 2013 einerseits und der Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG, in die der Bescheid vom 4. Mai 2015 umdeuten will, besteht (nach eingehender Begründung ablehnend: VG Osnabrück, Urteil vom 16. Februar 2015 - 5 A 248/14 -, juris Rn. 35).

3. Scheitert die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bereits aus den vorgenannten Gründen, so bedarf die Frage, ob auch Ziffer 1. des Bescheides vom 4. Mai 2015, mit welcher u.a. ein nationalrechtliches auf die Russische Föderation bezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit) verneint wurde, im Hinblick auf die für den Antragsteller zu 1. vorgetragene psychische Erkrankung ernstlichen Zweifeln ausgesetzt ist und deshalb eine Abschiebungsandrohung schon nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG nicht hätte erlassen werden dürfen, keiner Entscheidung im vorliegenden Eilverfahren.

Da die Antragsgegnerin unterliegt, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.