Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 02.06.2015, Az.: 2 A 292/14

Ausbildung; Ausbildungsförderung; Ausbildungsstätte; Besuch der Ausbildungsstätte; Kündigung; Praktikum

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
02.06.2015
Aktenzeichen
2 A 292/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 45029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Besuch eines Praktikums begründet nicht gleichzeitig den Besuch der förderfähigen Ausbildungsstätte, wenn diese nicht auch tatsächlich besucht wird. Wird die Ausbildungsstätte nicht mehr besucht, ist auch das Praktikum nicht - mehr - förderfähig.

Tatbestand:

Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger absolvierte ab dem 5. August 2013 eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger. Die auf drei Jahre angelegte Ausbildung besteht aus einem schulischen Teil und parallel dazu an schulfreien Tagen stattfindenden praktischen Tätigkeiten. Für diese Ausbildung bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 31. Oktober 2013 für den Bewilligungszeitraum Juli 2013 bis Juli 2014 unter dem Vorbehalt der Rückforderung monatliche Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von 341,00 Euro.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 teilte der Ausbildungsträger dem Beklagten mit, dem Kläger sei zum 31. Juli 2014 gekündigt worden. Sein letzter Schultag sei der 11. April 2014 gewesen. Daraufhin setzte der Beklagte die Leistungen mit Bescheid vom 31. Juli 2014 neu fest. Für den Zeitraum Juli 2013 bis April 2014 gewährte er dem Kläger monatliche Leistungen in Höhe von 344,00 Euro; hieraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 30,00 Euro; den Leistungsbetrag für den Zeitraum Mai bis Juli 2014 setzte er auf 0,00 Euro fest. Hieraus ergab sich ein Rückforderungsbetrag in Höhe 1023,00 Euro. Saldiert mit dem Nachzahlungsbetrag forderte der Beklagte vom Kläger Ausbildungsförderungsleistungen in Höhe von 993,00 Euro zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28. August 2014 Klage erhoben.

Zu deren Begründung trägt er vor, er habe seine Ausbildung nicht im April 2014 abgebrochen. Sein Schulvertrag sei erst zum 31. Juli 2014 gekündigt worden; bis dahin habe er auch noch Schulgeld gezahlt. Die Kündigung sei, ebenso wie die Kündigung der Praktikumsstelle zum 8. Juni 2014, ohne Rechtsgrund erfolgt. Er sei nach April 2014 nur deshalb nicht mehr zur Schule gegangen, weil seine Lehrerinnen ihm gesagt hätten, sie würden ihn nicht mehr unterstützen. Sein Praktikum habe er aber noch bis zum 8. Juni 2014 absolviert. Jedenfalls für diese Zeit sei ihm Ausbildungsförderung zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. August 2014 zu verpflichten, ihm für den Bewilligungszeitraum Juli 2013 bis Juli 2014 Ausbildungsförderungsleistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, der Kläger habe seine Ausbildung im April 2014 abgebrochen. Der Grund hierfür sei unbeachtlich. Ab diesem Zeitpunkt stünde ihm Ausbildungsförderung nicht mehr zu.

Die Beteiligten haben sich gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28. August 2014 ist rechtmäßig und der Kläger hat einen Anspruch auf höhere Ausbildungsförderungsleistungen nicht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Unstreitig hat der Kläger seine Ausbildungsschule nach dem April 2014 nicht mehr besucht.

Für den “Besuch“ im Sinne von § 2 BAföG genügt es nach der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, dass der Auszubildenden der Ausbildungsstätte korporations- oder vertragsrechtlich angehört; vielmehr muss er die dort angebotene Ausbildung auch tatsächlich betreiben, indem er an den nach dem Ausbildungsplan vorgesehenen Unterrichtsveranstaltungen teilnimmt; es ist auch unmaßgeblich, ob der Umstand des Ausbildungsabbruchs dem Auszubildenden vorzuwerfen ist oder, wie hier, kündigungsbedingt von ihm unbeeinflusst geschieht (BVerwG, Urteil vom 13.10.1998 -5 C 33/97-, zitiert nach juris Rn. 19; Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.02.2015 -4 PA 41/15-, Beschluss der erkennenden Kammer vom 23.01.2015 -2 A 221/14-). Nachweislich und unbestritten hat der Kläger seine schulische Ausbildungsstelle ab Mai 2014 nicht mehr besucht. Unerheblich ist, dass er sein Praktikum noch bis zum 8. Juni 2014 absolviert hat.

Wie sich aus § 2 Abs. 4 BAföG ergibt, ist ein Praktikum nur dann förderungsfähig, wenn es in Zusammenhang mit dem Besuch einer der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten oder nach Absatz 3 bestimmten Ausbildungsstätten gefordert wird. Dies bedeutet nicht nur, dass das Praktikum gefordert sein muss, sondern meint auch, dass ein Praktikum nur im Zusammenhang mit dem Besuch einer Ausbildungsstätte förderungsfähig ist (Rothe/Blanke, BAföG Loseblattkommentar, § 2 Rn. 23; Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl., § 2 Rn. 97). Ohne Schul- bzw. Ausbildungsstättenbesuch keine Förderung des Praktikums; die Förderfähigkeit eines Praktikums folgt damit derjenigen des Schulbesuchs, so dass das Praktikum nicht umgekehrt seinerseits geeignet ist, die Förderfähigkeit des Schulbesuchs zu begründen.

Folglich haben sich im April 2014 die tatsächlichen Verhältnisse für die Bewilligung von Ausbildungsförderung geändert. Dies rechtfertigt gemäß § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG die Änderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom Beginn des Monats Mai 2014 an. Da in diesem Monat wie in den Monaten Juni und Juli Ausbildungsförderung schon an den Kläger ausbezahlt war, hat er diese Leistungen, wie vom Beklagten verfügt, gemäß § 53 Satz 3 BAföG i.V.m. § 50 SGB X zu erstatten. Da § 48 SGB X gemäß § 53 Satz 3 BAföG nicht zur Anwendung gelangt, ist dem Kläger Vertrauensschutz nur nach Maßgabe verfassungsrechtlicher Vorgaben zu gewähren. Diese setzen voraus, dass der Auszubildende nicht mehr mit einer Änderung der ursprünglichen Leistungsbewilligung rechnen musste und eine Überzahlung guten Glaubens für den Ausbildungsbedarf verbraucht hat (BVerwG, a.a.O. Rn. 25; VGH Mannheim, Urteil vom 11.01.1988 -7 S 1532/87-). Der Kläger musste jedoch, nachdem er die Schule nicht mehr besucht hat, mit einer Änderung des Bewilligungsbescheides rechnen und konnte Überzahlungen nicht mehr guten Glaubens verbrauchen. Er hätte mindestens nachfragen müssen, welche Auswirkungen der Abbruch des Schulbesuchs auf die Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen hat.

Da sonstige Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten vom 31. Juli 2014 vom Kläger nicht erhoben werden und für das Gericht auch nicht nach Aktenlage erkennbar sind, bleibt die Klage erfolglos. Deshalb hat der Kläger gemäß §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.