Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 21.05.2024, Az.: S 38 SO 23/24 ER

Geltendmachung des Anspruchs auf Rückforderung einer Schenkung zur Deckung von nicht gedeckten Heimkosten

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
21.05.2024
Aktenzeichen
S 38 SO 23/24 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2024:0521.38SO23.24.00

Amtlicher Leitsatz

Zur Deckung der Heimkosten ist ein Schenkungsrückforderungsanspruch geltend zu machen.

In dem Rechtsstreit
vertreten durch
- Antragstellerin -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Landkreis Harburg Sozialamt,
vertreten durch den Landrat,
Schloßplatz 6, 21423 Winsen
- Antragsgegner -
hat die 38. Kammer des Sozialgerichts Lüneburg am 21. Mai 2024 durch die Richterin am Sozialgericht Paglotke beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dahingehend,

den Antragsgegner zu verurteilen, die ungedeckten Heimkosten der 1922 geborenen Antragstellerin zu erstatten,

hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.

Gemessen an diesen Vorgaben ist Eilrechtsschutz zu versagen. Denn bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Sache keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin hat sowohl Einkommen als auch Vermögen, dass sie vorrangig zur Beseitigung ihrer Hilfebedürftigkeit einzusetzen hat, § 2 Abs. 1 SGB XII. Erst nach dessen Verbrauch kann ggfs. ein erneuter Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt werden.

Das Einkommen der Antragstellerin besteht ausweislich des Rentenbescheides betreffend die Rentenanpassung zum 1. Juli 2022 aus einer Rente in Höhe von 471,20 € sowie einer Witwenrente in Höhe von 981 € monatlich. Beide Beträge dürften sich inzwischen erhöht haben. Darüber hinaus erhält die Antragstellerin ausweislich einer Versorgungsmitteilung der Freien und Hansestadt Hamburg eine Zusatzversorgung in Höhe von 169,65 € (letzte Änderung Januar 2023). Darüber hinaus gewährt die Antragsgegnerin der Antragstellerin ein Blindengeld in Höhe von monatlich 205 €. Ob der Antragstellerin darüber hinaus ein Anspruch auf Wohngeld nach den Landesvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zusteht, wie die Antragsgegnerin es behauptet, kann derzeit dahinstehen und bleibt einer Aufklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Denn neben diesem Einkommen, was vollständig einzusetzen ist, kann die Antragstellerin auch über ihr Vermögen verfügen. Dieses besteht nach summarischer Prüfung in Form eines Schenkungsrückforderungsanspruchs nach § 528 Abs. 1 BGB gegenüber ihren Kindern.

Nach § 528 Abs. 1 BGB kann der Schenker von den Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes verlangen, wenn er nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Die Beschenkten können die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrages abwenden. Der Anspruch ist erst ausgeschlossen, wenn zehn Jahre seit der Schenkung vergangen sind, § 529 Abs. 1 BGB. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.

Ausweislich der vorgelegten notariellen Grundstücksübertragung mit Auflassung vom 18. Mai 2018 hat die Antragstellerin ihr hälftiges Grundstückseigentum sowie darüber hinaus ihren Anteil an der Erbengemeinschaft nach ihrem Mann unentgeltlich an ihre Kinder übertragen, wobei letztlich die Tochter alleinige Eigentümerin wurde und im Gegenzug ihre beiden Brüder mit einer Abfindung von jeweils 51.000 € ausbezahlt hat. Der Wert des Grundstücks ist im notariellen Vertrag mit 154.000 € angegeben. Hiervon haben der Antragstellerin die Hälfte sowie darüber hinaus ihr Anteil an der Erbengemeinschaft, der im Falle des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft sowie der gesetzlichen Erbfolge in Höhe der Hälfte der weiteren Hälfte bestehen dürfte, vergleiche § 1931 Abs. 3 BGB, § 1371 BGB, gehört. Die Höhe des Anteils an der Erbengemeinschaft ist derzeit allerdings nicht streitentscheidend und bleibt einer Aufklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Es ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin tatsächlich nicht in der Lage ist, den Schenkungsrückforderungsanspruch geltend zu machen. Allein das hohe Alter der Antragstellerin ist kein ausreichender Grund für die Annahme, dass sie ihre rechtlichen Angelegenheiten weder überblicken noch regeln kann. Zur Verwertung ihres Vermögens ist sie aber verpflichtet, da auf steuerfinanzierte Mittel der Sozialhilfe nur zurückgegriffen werden kann, soweit eigenes Einkommen oder Vermögen nicht vorhanden sind, um den Lebensunterhalt zu sichern, § 2 Abs. 1 SGB XII. Solange die Antragstellerin nicht damit beginnt, ihr Vermögen zu verwerten, kommt auch eine darlehensweise Gewährung nach § 91 SGB XII bis zur Durchsetzung etwaiger Ansprüche nicht in Betracht (Guido Kirchhoff in: Hauck/Noftz SGB XII, 3. Ergänzungslieferung 2024, § 91 SGB 12, Rz. 24).

Der anlässlich dieser Problematik gemachte Vortrag, ihr Sohn Jan-Peter und ihre Tochter als Vollmachtnehmer betreffend die Vermögenssorge könnten den Schenkungsrückforderungsanspruch nicht geltend machen, weil es sich um ein In-sich-Geschäft im Sinne von § 181 BGB handele, geht fehl, da beide ausweislich der vorgelegten Vollmachten von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sind. Im Übrigen wäre es kein In-sich-Geschäft, wenn die Anspruchsverpflichteten zur Abwendung der Schenkungsrückforderung den laufenden Unterhalt der Antragstellerin bis zur Höhe des Wertes der Schenkung übernähmen.

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus einer entsprechenden Anwendung von §§ 193, 183 SGG.

Paglotke