Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.02.2017, Az.: 3 A 425/15

Au-Pair; BAföG; elternunabhängige Förderung; Erwerbstätigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
23.02.2017
Aktenzeichen
3 A 425/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53953
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Au-Pair-Tätigkeit kann eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit im Sinne von § 11 Abs. 3 BAföG darstellen.
Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn der oder die Auszubildende deutlich über ein Jahr einer Au-Pair-Tätigkeit nachgegangen ist, für die er oder sie ein mehr als die laufenden Bedürfnisse des täglichen Lebens befriedigendes Arbeitsentgelt erhalten hat, wobei es auf die Bezeichnung als solches nicht ankommt, und die Au-Pair-Tätigkeit erst nach der Erlangung eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses und bereits erfolgter Ausübung einer erwerbssichernden Tätigkeit aufgenommen worden ist.

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 30.09.2015 verpflichtet, der Klägerin Ausbildungsförderung in Höhe von 597,00 € für April 2015 sowie in Höhe von monatlich 670,00 € für den Zeitraum von Mai 2015 bis März 2016 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Die am F. 1990 geborene Klägerin erlangte im Juli 2006 ihren Realschulabschluss. Anschließend besuchte sie die Einjährige Berufsfachschule G., wo sie den erweiterten Realschulabschluss erlangte. Vom 01.08.2007 bis zum 09.06.2010 absolvierte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Vom 10.06.2010 bis 04.08.2010 war sie arbeitslos gemeldet. Mit Bescheid vom 05.07.2010 bewilligte ihr die Agentur für Arbeit H. Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 15,37 €. Berechnungsgrundlage hierfür war ein tägliches Bemessungsentgelt in Höhe von 32,95 €.

Ab dem 05.08.2010 besuchte die Klägerin die 12. Klasse der Fachoberschule Wirtschaft und Verwaltung an der G., die sie am 01.07.2011 mit dem Erwerb der Fachhochschulreife erfolgreich abschloss. Parallel führte sie von September 2010 bis Dezember 2010 ein Kleingewerbe. Ihre Einnahmen hieraus betrugen im September 2010 352,75 €, im Oktober 2010 161,50 €, im November und Dezember 2010 jeweils 272,00 €; ihre Ausgaben beliefen sich im Gesamtzeitraum auf insgesamt 76,63 €.

Vom 02.07.2011 bis 03.10.2011 war die Klägerin erneut arbeitslos gemeldet und erhielt Arbeitslosengeld in derselben Höhe wie im Jahr 2010. In der Zeit vom 04.10.2011 bis zum 19.10.2011 war sie als Bookerin bei einer Model-Agentur tätig und erhielt eine Vergütung in Höhe von 800,00 € brutto. Vom 20.10.2011 bis zum 18.12.2011bezog sie erneut Arbeitslosengeld in bisheriger Höhe. Zum 26.10.2011 meldete sie ein Gewerbe als Model bzw. ab dem 23.05.2014 als Promoterin - kein Verkauf und keine Entgegennahmen von Bestellungen (keine Reisegewerbetätigkeiten) - an.

Vom 19.12.2011 bis 30.09.2012 war die Klägerin als Bürokauffrau tätig. Im Dezember 2011 erzielte sie für diese Tätigkeit 727,60 € brutto. In der Zeit vom 01.01.2012 bis zum 30.09.2012 erzielte sie insgesamt 15.763,29 € brutto. Hierneben bewilligte ihr das Jobcenter des Landkreises H. mit Bescheid vom 19.12.2011 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 227,90 € monatlich für November und Dezember 2011 sowie in Höhe von 237,90 € monatlich für Januar bis einschließlich April 2012.

In der Zeit vom 15.10.2012 bis zum 15.04.2014 nahm die Klägerin an einem Au-Pair Programm in den USA teil. Für die Tätigkeit erhielt sie ein wöchentliches Taschengeld in Höhe von 195,00 USD sowie freie Kost, Logis. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin vorgelegte Übersetzung des Au-Pair-Vertrags Bezug genommen (Bl. 49 ff. GA). Der Wechselkurs schwankte in dieser Zeit etwa zwischen 1,27 € und 1,39 € (http://www.finanzen.net/devisen/dollarkurs/historisch). Während Ihres Aufenthalts in den USA nahm die Klägerin in der Zeit von Januar 2013 bis Mai 2013 an „Film Studies: Contemporary Hollywood“ an der I. sowie im Juni 2013 und Februar 2014 an sog. weekend classes der J. zu den Themen „Enhancing your Digital Lifestyle“ und „Critical reading and expository writing“ teil.

Vom 21.05.2014 bis zum 03.09.2014 war die Klägerin erneut arbeitslos gemeldet und bezog - mit Ausnahme des Zeitraums vom 01.06.2014 bis 30.06.2014 - Arbeitslosgeld in derselben Höhe wie bisher. Im Juni 2014 erhielt sie demgegenüber einen täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 7,54 €, da Nebeneinkommen der Klägerin für diesen Zeitraum angerechnet wurde.

Zum 23.05.2014 erweiterte die Klägerin ihre Gewerbetätigkeit auf den Bereich „Promo-tion“. Die hieraus erzielten Einnahmen bezifferte sie im Verwaltungsverfahren zunächst auf 812,09 € abzgl. 201,27 € Ausgaben (Bl. 60 BA). Diesbezüglich legte sie zwei Rechnungen über 160,00 € und 120,30 € vor (Bl. 61 f. BA). In einer späteren Aufstellung gab sie an, im Mai 2014 80,00 €, im Juni 2014 insgesamt 680,00 € und im August 2014 120,30 € mit ihrem Kleingewerbe eingenommen zu haben (Bl. 114 BA). Zudem legte sie eine Verdienstabrechnung für den 10./11.06.2014 über 600,00 € brutto bzw. 531,79 € netto vor (Bl. 51 BA).

Vom 03.09.2014 bis 31.03.2015 war die Klägerin erneut als Bürokauffrau tätig und verdiente monatlich 1.800,00 € brutto, im Jahr 2014 insgesamt 7.080,00 €.

Am 01.05.2015 nahm die Klägerin das Bachelorstudium „Gestaltung“ an der K. auf, wofür sie bei der Beklagten bereits am 26.03.2015 Ausbildungsförderung beantragte. Im Folgenden übersandte sie diverse von der Beklagten angeforderte Unterlagen. Mit Schreiben vom 07.08.2015 bat sie um Mitteilung, wann sie mit einer Bescheidung rechnen könne und wies darauf hin, dass sie eine elternunabhängige Förderung beantragt habe.

Mit Bescheid vom 30.09.2015 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum April 2015 bis März 2016 ab, da der Betrag des anzurechnenden Einkommens der Eltern den Gesamtbedarf der Klägerin übersteige.

Mit Schreiben vom 14.10.2015 wies die Klägerin erneut darauf hin, dass sie elternunabhängige Leistungen beantrag habe und bat um „Aufstellung der zu berechnenden Zeiten und besonders der nicht akzeptierten Zeiten“. Zudem legte sie ein Schreiben der L. vom 25.02.2015 vor, wonach sie seit dem 13.05.2014 als Studentin bei dieser kranken- und pflegeversichert sei, wobei der Beitrag für Mai 2015 32,29 € und ab dem 01.06.2015 80,71 € betrage.

Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 20.10.2015 mit, dass die Vorausset-zungen nach § 11 Abs. 3 Nr. 4 BAföG nicht gegeben seien, weil nicht sämtliche nach-gewiesene Zeiten der Erwerbstätigkeit hätten einbezogen werden können. Es sei ein monatliches  Einkommen in Höhe von 746,00 € erforderlich, damit die jeweilige Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden könne. Die zuständige Sachbearbeiterin habe die Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse akribisch nachvollzogen.

Mit Schreiben vom 21.10.2015 wies die Klägerin darauf hin, dass sie als Au-Pair, das einem Freiwilligen Sozialen Jahr gleichzusetzen sei, ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.180,32 € erzielt habe (195,75 USD wöchentlich : 7 Tage x 30 Tage = 838,92 USD zzgl. 700 USD Wohn-Verpfleg.Pausch+Krankenvers. = 1538,92 USD = 1.665,19 € monatlich). Hierauf teilte die Beklagte nach Klageerhebung mit Schreiben vom 03.12.2015 mit, dass die Zeiten der Au-Pair-Tätigkeit nicht als Zeit der Erwerbstätigkeit gewertet werden.

Am 10.11.2015 hat die Klägerin den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Sie macht geltend, dass sie mit ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau die Voraussetzung der zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung erfüllt habe. Sie habe 44 Monate Erwerbstätigkeit nachgewiesen, in denen sie in der Lage gewesen sei, sich aus deren Ertrag zu unterhalten. Insoweit wird auf die Aufstellung der Klägerin, Bl. 23 f. der Gerichtsakte Bezug genommen. Sie habe im Rahmen der Einkommensberechnung das in den ALG-I-Bescheiden jeweils ausgewiesene Bemessungsentgelt zugrunde gelegt, da es als Berechnungsgrundlage auf das Brutto-Einkommen ankomme. In der Rechtsprechung werde nicht verlangt, dass die aktuellen Einkünfte jedes Monats ausgereicht haben müssen, um den Lebensbedarf in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit zu decken, wenn der durchschnittliche Bruttomonatslohn der anrechenbaren Zeiträume eines Kalenderjahres hierzu offensichtlich ausreicht. Insbesondere sei Ihre Au-Pair-Tätigkeit zu berücksichtigen. Hierbei handele es sich um ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit auch im Sinne des SGB IV. So seien im Au-Pair-Vertrag unter F „Arbeitsentgelt und Finanzielle Verantwortung“ geregelt. Insbesondere werde im Vertrag darauf hingewiesen, dass das U.S. Department of State das wöchentliche Taschengeld, welches 195 $ betrage, als Gehalt ansehe, da es sich um eine Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung handele und sich nach den Lohnbestimmungen für Hausangestellte richte, weshalb das Au-Pair verpflichtet sei, eine Steuer-erklärung abzugeben. Für die Befolgung der Arbeits- und Einkommensteuergesetze sei das Au-Pair verantwortlich. Zudem gestalte der Vertrag die vertraglichen Pflichten des Au-Pair einschließlich Aufgabenbereich, Arbeitszeit, Weisungsgebundenheit etc. aus. Weiterhin meint die Klägerin, sie habe einen Anspruch auf den Grundbedarf für Studierende in Höhe von 597,00 € zuzüglich der Beträge zur studentischen Kranken- und Pflegeversicherung in der von ihr tatsächlich gezahlten Höhe von 80,42 €.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides über Ausbildungsförderung vom 30.09.2015 die Beklagte zu verpflichten, ihr im Bewilligungszeitraum von April 2015 bis März 2016 Leistungen der Ausbildungsförderung nach BAföG in Höhe von monatlich 677,42 € zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, eine elternunabhängige Förderung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG scheide aus, da die Klägerin weniger als 60 Monate nach Eintritt der Volljährigkeit erwerbstätig war. Da sie ihre im Rahmen der Erwerbstätigkeit nicht zu berücksichtigende Ausbildung am 09.06.2010 beendet hat, verbleibe bis zur Studienaufnahme ein zu beurteilender Zeitraum von 57 Monaten und 21 Tagen. Insbesondere aber würden die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG nicht vorliegen. Die Ausbildung der Klägerin habe 34 Monate und 9 Tage gedauert, weshalb die den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit der Klägerin bis zum Studienbeginn insgesamt 37 Monate und 21 Tage habe betragen müsse. Es seien jedoch nur 19 Monate berücksichtigungsfähig. Unter Zugrundelegung des jeweiligen monatlichen Einkommens der Klägerin, das unter Berücksichtigung der Tz. 11.3.5 BAföG-VwV in der Regel 716,40 € erreichen müsse, seien lediglich die Monate Oktober und Dezember 2011, Januar bis September 2012 (9 Monate), Juni 2014 und September 2014 bis März 2015 (7 Monate) berücksichtigungsfähig. Die Monate Juni 2010 bis August 2010 seien trotz des Bezugs von Arbeitslosengeld I in Höhe von kalendertäglich 15,37 €, das dem Grunde nach zur Annahme berücksichtigungsfähiger Erwerbstätigkeit führen könne, nicht zu berücksichtigen. Dieses Einkommen bleibe hinter dem zu jener Zeit maßgeblichen Bedarf in Höhe von 512 € monatlich zurück. Die von der Klägerin in der Zeit von September 2010 bis  Dezember 2010 angegebenen, nicht nachgewiesenen Einnahmen aus ihrer Kleingewerbetätigkeit blieben ebenfalls hinter dem Bedarf zurück und seien daher nicht berücksichtigungsfähig. Dasselbe gelte jeweils für die Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 02.07.2011 bis 18.12.2011 sowie Mai bis August 2014, selbst unter Berücksichtigung des von der Klägerin angegebenen Einkommens aus Kleingewerbetätigkeit. Die Zeiten der Au-Pair-Tätigkeit seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Zwar habe die Klägerin unstreitig ihren Lebensunterhalt während ihres Aufenthalts in den USA aus ihrem erklärten durchschnittlichen Einkommen von 1.665,19 € pro Monat (einschließlich Sachbezügen) bestreiten können, allerdings handele es sich hierbei unter Berücksichtigung der vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 23.10.2003, 12 LC 4/03, aufgestellten Grundsätze nicht um eine Erwerbstätigkeit im Sinne der Norm. Entscheidend sei, dass die Tätigkeit als Au-Pair von vornherein auf einen nur begrenzten Zeitraum beschränkt gewesen sei. Meist sei eine Au-Pair-Tätigkeit von einem Jahr vorgesehen, nach deren Ende die unmittelbare Rückreise in das jeweilige Heimatland erfolgt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin 18 Monate als Au-Pair tätig gewesen ist, da es jedenfalls an einer gewissen Perspektive und Beständigkeit gefehlt habe, die der Klägerin eine von ihren Eltern unabhängige Stellung vermittelt hätte. Außerdem gehöre es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu einem Selbstunterhalt, auf die Zukunft gerichtete Vorsorge gegen die Folgen von Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit zu betreiben. Dass die Klägerin Aufwendungen gegen die insoweit bestehenden Lebensrisiken aus den Einkünften ihrer Au-Pair-Tätigkeit erbracht bzw. abgeführt hat, sei nicht ersichtlich. Grundsätzlich handele es sich hierbei um eine Tätigkeit, die eine Sozialgabe nicht erfordere. Zudem handele es sich um ein kulturelles Austauschprogramm, das dem Erlernen einer Fremdsprache diene, weshalb meist ein ausgiebiges Sprachenkursprogramm von Seiten der vermittelnden Organisation angeboten und in vielen Fällen sogar obligat sei. Weiterhin ergebe sich aus dem Lebenslauf der Klägerin, dass sie während ihres Aufenthalts einigen umfängliche Unternehmungen, wie einem Kurs an der M. University, nachgegangen sei. Weiterhin ergebe sich aus den Vertragsbedingungen, dass dem Au-Pair ein „Taschengeld“ (kein „Gehalt“) gewährt werde. Selbst wenn man die Au-Pair-Tätigkeit von 18 Monaten den anerkannten Erwerbstätigkeitszeiten hinzurechnen wollte, käme die Klägerin lediglich auf insgesamt 37 Monate eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit. Ihr würden damit 21 Tage fehlen. Im Hinblick auf den Kranken- und Pflegeversicherungszuschlag fehle ein Nachweis des Krankenversicherungsunternehmens unter Angabe der jeweiligen Vorschriften. Im Übrigen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung, da das anzurechnende Einkommen der Eltern (monatlich 1.288,30 €) den monatlichen Bedarf jedenfalls übersteige.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet. Lediglich soweit die Klägerin die Gewährung monatlicher Ausbildungsförderung in Höhe von mehr als 597,00 € im April 2015 sowie von mehr als 670,00 € im Zeitraum Mai 2015 bis März 2016 monatlich begehrt, ist sie unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 30.09.2015 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in o. g. Höhe aus § 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 und 3 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 BAföG.

Gemäß § 1 BAföG besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nach Maßgabe des Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.

Bei dem von der Klägerin aufgenommenen Studium handelt es sich unstreitig um eine förderfähige Ausbildung.

Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). Der Bedarf der Klägerin beträgt im hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum im April 2015 allerdings lediglich 597,00 € und von Mai 2015 bis März 2016 monatlich lediglich 670,00 €. Er setzt sich zusammen aus dem monatlichen Bedarf für Auszubildende in Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen in Höhe von 373,00 € und dem Bedarf für die Unterkunft in Höhe von monatlich 224 €, wenn der Auszubildende - wie vorliegend die Klägerin - nicht bei seinen Eltern wohnt, § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 BAföG i. d. F. v. 23.12.2014. Dieser Bedarf erhöht sich ab Mai 2015 um monatlich insgesamt 73 € für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung gem. § 13a Abs. 1 und 2 BAföG i. d. F. v. 23.12.2014. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten hinreichend nachgewiesen, dass sie seit dem 19.05.2015 beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V und in der sozialen Pflegeversicherung versichert ist. Mit dem der Beklagten vorgelegten Schreiben vom 25.02.2015 bestätigt die L. der Klägerin „den Mitgliedschaftsbeginn in der Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten zum 13.05.2014. Diese Versicherung besteht längstens bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters oder bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres.“ Dies entspricht dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V und lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich hierbei um eine studentische Krankenversicherung handelt, wie eine Mitarbeiterin der Krankenversicherung (Frau N.) ausweislich eines Telefonvermerks am 12.05.2015 der Beklagten bestätigt hat (Bl. 167 BA 1). In diesem Telefonat gab Frau N. ebenfalls an, dass die Klägerin seit Mai 2015 nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V bei der L. versichert ist. Bei der Angabe des Versicherungsbeginns zum 13.05.2014 handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler. Gemeint ist offensichtlich 2015, wie auch telefonisch gegenüber der Beklagten bestätigt und von der Klägerin im Antragsformular angegeben worden ist, zumal für den Monat Mai 2015 lediglich ein anteiliger Beitrag Betrag zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 32,29 € sowie ab dem 01.06.2015 ein Betrag von 80,71 € berechnet worden ist.

Auf diesen Bedarf ist kein Einkommen oder Vermögen der Klägerin nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BAföG anzurechnen. Die Klägerin hat im Antrag auf Ausbildungsförderung angegeben, im Bewilligungszeitraum voraussichtlich keine Einnahme zu erzielen. Auch die im Prozesskostenhilfeverfahren angegebenen Einnahmen liegen unterhalb des anrechnungsfreien Einkommens von monatlich 255,00 € für den Auszubildenden selbst gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG i. d. F. vom 20.12.2011.

Einkommen der Eltern der Kläger ist ebenfalls nicht nach § 11 Abs. 2 BAföG anzurechnen. Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG bleibt Einkommen der Eltern außer Betracht, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluss einer vorhergehenden, zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Falle einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig war. Dies gilt nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG nur, wenn der Auszubildende in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit in der Lage war, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten. Nach der 11.3.5 BAföG-VwV ist eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit dann gegeben, wenn der durchschnittliche Bruttomonatslohn der anrechenbaren Zeiträume eines Kalenderjahres den Bedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2. und Abs. 2 Nr. 2 zzgl. 20 Prozent erreicht.

Die Klägerin hat eine berufsqualifizierende Ausbildung zur Bürokauffrau in 34 Monaten und 9 Tagen absolviert, also in 1 Monat und 21 Tage weniger als drei Jahren. Anschließend ist sie mit 37 Monaten und 24 Tagen etwas länger als die erforderlichen 3 Jahre, 1 Monat und 21 Tage einer ihren Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit nachgegangen. Diese Zeiten setzen sich wie folgt zusammen:

19.12. - 31.12.2011

13 Tage,

01.01. - 30.09.2012

9 Monate,

15.10.2012 - 15.04.2014

18 Monate,

21.05. - 02.09.2014

3 Monate 13 Tage

sowie 

03.09.2014 - 31.03.2015

6 Monate 28 Tage.

Zu dem Begriff einer den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 BAföG hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in dem von der Beklagten zitierten Urteil vom 23.10.2003, 12 LC 4/03, juris ausgeführt:

„Vom Wortsinn her umfasst der Begriff der Erwerbstätigkeit zwar generell jede Beschäftigung, mit der Einkommen erzielt werden soll. Der Begriff ist jedoch nach dem jeweiligen Bedeutungszusammenhang im Gesetz auszulegen. Die Erwerbstätigkeit in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 BAföG ist der Anknüpfungspunkt dafür, dass der Auszubildende von seinen Eltern die Finanzierung der Ausbildung nicht mehr verlangen kann (vgl. Humborg, in: Rothe/Blanke, a.a.O., § 11 Rn. 27.4). Wie dem Zusammenhang mit der Regelung in § 11 Abs. 3 Satz 2 BAföG entnommen werden kann, setzt der Begriff der Erwerbstätigkeit in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BAföG nämlich voraus, dass der Auszubildende früher nicht nur eine – sei es selbständige, sei es nichtselbständige – Tätigkeit ausgeübt hat, sondern darüber hinaus auch in der Lage war, sich aus dem Ertrag dieser Tätigkeit selbst, d.h. unabhängig von Dritten, zu unterhalten. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Auszubildende vor Beginn der jetzt von ihm angestrebten Ausbildung Tätigkeiten verrichtet hat, die, auch wenn sie nicht notwendig ohne jede zeitliche Unterbrechung erbracht worden sein müssen, insgesamt durch eine gewisse Beständigkeit gekennzeichnet, d.h. im Prinzip auf Dauer angelegt waren. Außerdem bedeutet die Fähigkeit, sich aus dem Ertrag einer Tätigkeit selbst zu unterhalten, im vorliegenden Zusammenhang mehr als nur die Möglichkeit, die laufenden Bedürfnisse des täglichen Lebens aus eigenen Mitteln zu befriedigen. Denn zu einem Selbstunterhalt in der hier maßgeblichen  ausbildungsförderungsrechtlichen Bedeutung rechnet auch die auf die Zukunft gerichtete Vorsorge gegen die Folgen von Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit. Von einer den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit Satz 2 BAföG kann deshalb nur gesprochen werden, wenn die von dem Auszubildenden vor Aufnahme seiner Ausbildung ausgeübte Tätigkeit so beschaffen war, dass aus deren Ertrag auch Vorkehrungen gegen die insoweit bestehenden Lebensrisiken  finanziert werden konnten (vgl. BVerwG, Urteil v. 14.5.1992 – 5 C 27/89 - , NVwZ 1992, 1204; Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.4).

[…]

Hat der Auszubildende sich ohne jede Kontinuität und feste Anstellung durch Gelegenheitsarbeiten unterhalten, um jeweils nach eigenem Gutdünken festzulegen, wo, wie lange und für welches Entgelt er arbeiten wollte, können derartige Zeiten nicht als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Sinne des Absatzes 3 angesehen werden, weil sie den Auszubildenden nicht langfristig in die Lage setzen, sich angemessen zu unterhalten (vgl. VGH Mannheim, Urteil v. 13.8.1981 – 7 S 1204/81 - , juris Nr. MWRE106568115; Urteil v. 5.4.1979 – V 2931/78 - , juris Nr. BWRE104627907 ; Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.5.). Zeiten einer Erwerbstätigkeit, die ihrem Wesen nach keinen existenzsichernden Charakter hat, können im Rahmen von § 11 Abs.3 Satz 1 Nr. 3 BAföG nicht berücksichtigte werden (vgl. VGH Mannheim, Urteil v. 30.6.1986 – 7 S 696/86 - , juris Nr. MWRE106138614).

[…]

Zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit können nicht die Zeiten der Ausbildung […] hinzugerechnet werden. Die Zeit einer Ausbildung zählt im allgemeinen nicht zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit, auch wenn der Auszubildende sich während dieser Zeit etwa aufgrund einer Ausbildungsbeihilfe des Trägers der Ausbildungsstätte selbst unterhalten konnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 1980 - 5 C 37/78 -, BVerwGE 60, 231; Urteil vom 16. März 1994 - 11 C 19/93 - , BVerwGE 95, 252) Zum einen ergibt sich dies aus der Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG, in der der Gesetzgeber begrifflich zwischen den Zeiten der Ausbildung und solchen der Erwerbstätigkeit unterscheidet; diese Differenzierung muss auch für die Nr. 3 des Satzes 1 der Vorschrift gelten. Zum anderen wird der Erwerbstätige tätig, um vom Erwerb seiner Tätigkeit den Lebensunterhalt zu bestreiten, während der Auszubildende tätig wird, um durch seine Tätigkeit während der Ausbildungszeit die beruflichen Voraussetzungen erst zu schaffen, die es ihm nach Abschluss der beruflichen Ausbildung ermöglichen, erwerbstätig zu sein (vgl. Humborg, a.a.O., § 11 Rn. 27.9). […]“

Nach diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit der Klägerin als Bürokauffrau in den Zeiträumen vom 19.12.2011 bis zum 30.09.2012 (9 Monate und 13 Tage) sowie vom 3.09.2014 bis zum 31.03.2015 (6 Monate und 28 Tage) unstreitig berücksichtigungsfähig.

Weiterhin handelt es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei der 18-monatigen Au-Pair-Tätigkeit der Klägerin ebenfalls um eine den Lebensunterhalt sichernde Erwerbstätigkeit. Es handelt sich hierbei um eine entgeltliche Tätigkeit. Diese ist auch von einer gewissen Beständigkeit, da sie auf eine nicht unerhebliche Dauer von immerhin 18 Monaten angelegt gewesen ist. Das Merkmal der Beständigkeit grenzt die den Lebensunterhalt sichernde Tätigkeit von der Verrichtung bloßer Gelegenheitsarbeiten ab, die wie beispielsweise die von der Klägerin ausgeübten Promotion-Tätigkeiten, Aushilfstätigkeiten oder vorübergehenden Saisonarbeiten lediglich wenige Tage, Wochen oder Monate umfassen und meist im Rahmen einer kurzfristigen Beschäftigung ausgeübt werden. Dies ist bei einer 1,5 Jahre andauernden und von vornherein auf diesen Zeitraum angelegten Tätigkeit nicht anzunehmen. Auch wenn die Au-Pair-Tätigkeit in der Regel keine Perspektive im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung bietet, ist sie jedenfalls bei einer Dauer von mehr als einem Jahr doch von einer hinreichenden Beständigkeit geprägt. Es wäre widersprüchlich, würde man einerseits eine klassische Berufstätigkeit aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages, wie sie heutzutage häufig abgeschlossen werden, im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BAföG berücksichtigen, nicht aber die vergleichbar befristete Au-Pair-Tätigkeit.

Zudem gelten nach Nummer 11.3.7. BAföG-VwV sogar Zeiten der Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres nach dem Jugendfreiwilligendienstgesetz als Zeiten der den Lebensunterhalt sichernden Erwerbstätigkeit. Zwar handelt es sich bei der Au-Pair-Tätigkeit nicht um eine der in Nummer 11.3.7 BAföG-VwV genannten Wehr-, Zivil- oder Freiwilligendienste. Sie ist auch nicht mit diesen Diensten zu Gunsten der Gesellschaft vergleichbar, weshalb nicht jede Au-Pair-Tätigkeit zwingend eine erwerbssichernde Tätigkeit darstellen muss. Allerdings lässt sich hieraus die Wertung entnehmen, dass ggf. von vornherein befristete Tätigkeiten erwerbssichernd sein können.

Während üblicherweise ein Au-Pair-Aufenthalt im Anschluss an die Erlangung eines Schulabschlusses oder einer Berufsqualifikation absolviert wird, hat die Klägerin die Au-Pair-Tätigkeit überdies in ihre bereits bestehende Erwerbstätigkeit eingebettet. Sie ist sowohl vor als auch nach ihrem Auslandsaufenthalt einer Tätigkeit als Bürokauffrau nachgegangen, weshalb nicht etwa von einer bloßen „Findungsphase“ auszugehen ist. Der Annahme einer Erwerbstätigkeit im Sinne der Norm steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin während ihres Aufenthalts in den USA Studien bzw. Fortbildungen unternommen hat. Diese haben sich ausweislich des Lebenslaufs der Klägerin lediglich auf kurze Phasen beschränkt. Insbesondere waren hierunter Wochenendkurse, die die Klägerin unter Berücksichtigung ihrer vertraglichen Verpflichtungen nur in ihrer Freizeit hat absolvieren können. Diese Unternehmungen sind daher mit Fortbildungen vergleichbar, die neben einer Vollzeittätigkeit vorgenommen werden. Der Schwerpunkt des Auslandsaufenthalts der Klägerin lag aber ganz offensichtlich in der Au-Pair-Tätigkeit. Es kann der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie sich hierneben um Weiterqualifizierungen bemüht hat.

Die Klägerin hat für diese Tätigkeit auch einen Ertrag erzielt, der ihr mehr als nur die Möglichkeit geboten hat, die laufenden Bedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen und somit geeignet gewesen ist, ihr eine von ihren Eltern unabhängige Stellung zu vermitteln. So belief sich das monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin aus dieser Tätigkeit beispielsweise im Jahr 2013 auf durchschnittlich 1.042,94 € und überstieg damit den nach Nr. 11.3.5 BAföG-VV maßgeblichen durchschnittlichen Bruttomonatslohn von 716,40 € (Bedarf in Höhe von insgesamt 597,00 € gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 BAföG zzgl. 20 %) deutlich um 326,54 €. Als Arbeitsentgelt hat die Klägerin Verpflegung und Unterkunft sowie ein sog. „Taschengeld“ in Höhe von 195 USD erhalten. Auch wenn die Klägerin die Sachleistungen in den USA erhalten hat, erscheint es angemessen, die in der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV) festgelegten Sachbezugswerte zu Grunde zu legen, um das Gesamteinkommen der Klägerin sachgerecht zu ermitteln. Nach § 2 Abs. 1 SvEV in der Fassung vom 19.12.2012 betrug der Wert der als Sachleistung zur Verfügung gestellten Verpflegung monatlich 224,00 € und der Wert der zur Verfügung gestellten Unterkunft gemäß § 2 Abs. 3  Satz SvEV 216 € vermindert um 15 Prozent (32,40 €), da die Klägerin in den Haushalt des Arbeitgebers aufgenommen gewesen war (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SvEV). Bei Zugrundelegung von 52 Kalenderwochen und einem durchschnittlichen Wechselkurs von 1,33 USD je 1 € ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Taschengeld von 635,34 €. Im Jahr 2013 schwankte der Wechselkurs etwa zwischen 1,28 $ und 1,38 $ (http://www.finanzen.net/devisen/dollarkurs/historisch). Dieses Taschengeld hat der Klägerin zur freien Verfügung gestanden und unter Berücksichtigung der Sachwerte objektiv auch ausgereicht, um Rücklagen zu bilden, denn allein das „Taschengeld“ überstieg bereits den Bedarf eines Studierenden in Höhe von 597,00 € nach § 13 BAföG. Es handelt sich hierbei auch um ein tatsächliches Arbeitsentgelt, denn dieses wird zusammen mit den Sachleistungen gerade für die Erbringung der Arbeitsleistung (Kinderbetreuung) erbracht, während des vertraglich festgelegten Urlaubs von zwei Wochen (10 Tagen) weitergezahlt und von den US-amerikanischen Steuerbehörden als Gehalt angesehen. Es gelten insoweit die US-amerikanischen Lohnbestimmungen für Hausangestellte und die Klägerin ist zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet gewesen. Die in 2012 und 2014 erhaltenen Leistungen für die Au-Pair-Tätigkeit weichen nur geringfügig ab, wobei der von Nr. 11.3.5 BAföG-VwV geforderte durchschnittliche Bruttomonatslohn in diesen Jahren allein unter Berücksichtigung des „Taschengeldes“ und der weiteren zu berücksichtigenden Erwerbseinkünfte der Klägerin erreicht wird.

Es ist nicht erforderlich, dass die aktuellen Einkünfte jedes Monats ausgereicht haben müssen, um den Lebensbedarf des Auszubildenden im jeweiligen Kalenderjahr zu decken, solange das durchschnittliche Jahreseinkommen hierzu offensichtlich ausreicht. Auch die von der Beklagten angewandte, das Gericht als Verwaltungsvorschrift  indes nicht bindende Nr. 11.3.5 BAföG-VwV stellt gerade auf den durchschnittlichen Bruttomonatslohn der anrechenbaren Zeiträume eines Kalenderjahres ab. Es kommt mit anderen Worten nach den Verwaltungsvorschriften nicht auf das Monatseinkommen, sondern allein darauf an, ob der Jahresdurchschnitt aller Einkünfte der dem Grunde nach berücksichtigungsfähigen Tätigkeiten den Bedarf eines nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2. Nr. 2 BAföG zzgl. 20 % erreicht.

Danach ergibt sich für 2012 ein durchschnittlicher Monatsbruttoverdienst von etwa 1.452,17 €, denn in diesem Kalenderjahr hat die Klägerin während ihrer 9-monatigen Tätigkeit als Bürokauffrau insgesamt 15.763,29 € und während ihrer Au-Pair-Tätigkeit über 2,5 Monate bzw. 11 Wochen allein ein Taschengeld in Höhe von etwa 1.662,79 € verdient (11 Wochen x 195,00 USD = 2.145,00 USD, entspricht etwa 166,79 € bei Ansatz eines Wechselkurses von 1,29 USD - der Wechselkurs lag in diesem Zeitraum zwischen 1,27 USD und 1,31 USD, http://www.finanzen.net/devisen/dollarkurs/
historisch).

Im Jahr 2014 ergibt sich ein monatlicher Durchschnittsverdienst von etwa 961,01 € in den Zeiten der Erwerbstätigkeit von rund 11 Monaten. Dem liegen die Einkünfte aus

- der 15-wöchigen Au-Pair-Tätigkeit bis zum 15.4.2014 in Höhe von 2.142,86 € (15 Wochen x 195 $ = 2.925 $; entspricht 2142,86 € bei Annahme eines durchschnittlichen Wechselkurses von 1,365 - der Kurs lag in diesem Zeitraum zwischen etwa 1,35 $ und 1,38 $ je 1 €),

- dem in der Zeit vom 21.05. bis 02.09.2014 erhaltenen Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 1.348,21 €

- und dem Einkommen aus der anschließenden Tätigkeit als Bürokauffrau in Höhe von insgesamt 7.080,00 € zu Grunde.

Neben der Tätigkeit als Bürokauffrau und der Au-Pair-Tätigkeit ist auch die Zeit der Arbeitslosigkeit der Klägerin vom 21.5.bis 02.09.2014 (3 Monate 13 Tage) zu berücksichtigen. Nach Nr. 11.3.8 Satz 1 d), Satz 3 BAfäG-VwV zählen die Zeiten der Arbeitslosigkeit zu den Zeiten der Erwerbstätigkeit, soweit während dieser Zeit nicht eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähige Ausbildung stattgefunden hat und die auszubildende Person der Arbeitsvermittlung daher nicht zur Verfügung stand, wenn die auszubildende Person während dieser Zeit entsprechende Leistungen erhielt, wobei Nr. 11.3.5 BAföG VwV sogar mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass während dieser Zeiten das Einkommen ohne den Zuschlag von 20 Prozent als ausreichend anzusehen ist. Der durchschnittliche Bruttomonatslohn der anrechenbaren Zeiträume eines Kalenderjahres muss während der Zeit der Arbeitslosigkeit also lediglich den seinerzeit geltenden Bedarf von 597,00 € erreicht haben. Im Übrigen sind bei der Berechnung des Durchschnitteinkommens jedoch ebenfalls sämtliche im Kalenderjahr anrechenbare Einkommen zu berücksichtigen. Es besteht kein Grund, das durchschnittliche Arbeitslosengeld losgelöst vom sonstigen Einkommen zu berechnen, zumal Nr. 11.3.8 Satz 3 BAföG-VwV die allgemeine Verwaltungsvorschrift Nr. 11.3.5 BAföG-VwV lediglich hinsichtlich der maßgeblichen Einkommensgrenze modifiziert und im Übrigen vollständig hierauf verweist. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist bei der Berechnung des Arbeitslosgengeldes jedoch nicht auf das tägliche Bemessungsentgelt, sondern den täglichen Leistungssatz abzustellen. Das Bemessungsentgelt stellt die Grundlage der Berechnung des Arbeitslosengeldes dar. Hierbei handelt es sich gemäß § 151 Abs. 1 SGB III um das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat, wobei der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen, der in der Regel ein Jahr umfasst, entspricht (vgl. § 150 Abs. 1 SGB III). Maßgeblich für die Berechnung des durchschnittlichen Bruttomonatslohns im hiesigen Kontext ist hingegen der im jeweiligen Bewilligungsbescheid festgesetzte tägliche Leistungsbetrag. Dieser hat im Mai 2014 15,37 €, im Juni 2014 7,54 € und ab Juli 2014 wiederum 15,37 € betragen. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin im Mai 2014 169,07 € (11 Tage), im Juni 2014 226,20 €, im Juli und August 2014 jeweils 461,10 € und im September (2 Tage) 30,74 € erhalten hat.

<Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da die Klägerin nur zu 2 % unterlegen ist. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.