Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.03.2001, Az.: 7 A 7003/99
Anspruch auf Feststellung der Verletzung eines Mitbestimmungsrechtes ; Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes durch die Erstellung und Ausgabe von Beurteilungsbögen ; Umfang der Mitbestimmungsrechte einer Personalvertretung auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes; Umfang des Maßnahmebegriffes im Personalvetretungsrecht; Ursachen von Gefährdungen im Recht des Arbeitsschutzes
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 07.03.2001
- Aktenzeichen
- 7 A 7003/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 25641
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2001:0307.7A7003.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 66 NPersVG
- § 6 ArbSchG
- § 5 ArbSchG
- § 64 Abs. 2 NPersVG
- § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG
Fundstelle
- PersR 2002, 35-38
Verfahrensgegenstand
Mitbestimmung bei Erstellung von Beurteilungs- und Dokumentationsbögen gemäß §§ 5, 6 ArbSchG
Sonstige Beteiligte
Personalrat der Medizinischen Einrichtungen der ... Universität,
1. Leiter der Dienststelle "Universitätskliniken",
2. Präsident der ... Universität,
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein Interesse eines Personalrates an der Feststellung seines Mitbestimmungsrecht besteht dann, wenn die den Gegenstand des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens bildende Frage, ob die Umsetzung der §§ 5, 6 ArbSchG mitbestimmungspflichtig ist, sich jederzeit zwischen den Verfahrensbeteiligten erneut stellen kann.
- 2.
Ein auf auf eine generelle Klärung des Mitbestimmungsrechts abstellendes Begehren muss grundsätzlich mit einem entsprechend formulierten Antrag deutlich gemacht werden.
- 3.
Bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes durch die Erstellung und Ausgabe von Beurteilungs- und Dokumentationsbögen gemäß §§ 5, 6 ArbSchG handelt es sich um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG.
- 4.
Von der Mitbestimmung sollen nicht nur Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen umfasst werden, sondern alle Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die umfassende Beteiligung an der praktischen Verwirklichung des Arbeitsschutzes gehört mithin zu den Schwerpunktaufgaben der Personalvertretungen, wobei es Zweck dieser Beteiligungsvorschriften ist, den Arbeitsschutz unter Einbeziehung des Sachverstands der Beschäftigten möglichst optimal zu verwirklichen.
- 5.
Der Maßnahmebegriff des § 64 NPersVG ist inhaltlich nicht auf die Anlage, Änderung, Ingangsetzung oder Außerbetriebnahme technischer Vorrichtungen beschränkt, sondern umfasst auch organisatorische und personelle Entscheidungen, soweit diese nicht von einer spezielleren Mitbestimmungsvorschrift erfasst sind.
- 6.
Die Gefährdungen an gemäß § 5 ArbSchG können als Gefährdungen aus der Arbeitsstätte als solches, aus den vorhandenen Arbeitsmitteln, aus der konkreten Gestaltung des Arbeitsplatzes und aus der am Arbeitsplatz tätigen einzelnen Person resultieren.
- 7.
Die Mitbestimmung ist auch dann als gegeben anzusehen, soweit der Dienststelle Unfall- oder Gesundheitsschutzmaßnahmen rechtlich oder durch externe Stellen vorgeschrieben sind, weil die Mitbestimmung auch bei rein normvollziehenden Maßnahmen als eine zusätzliche Kontrolle der Richtigkeit besteht und insoweit die vom Personalvertretungsgesetz angestrebte Mitverantwortung begründet.
In der Landespersonalvertretungssache
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen -
Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen -
auf den Anhörungstermin vom 07. März 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Lichtenfeld,
die Richter am Verwaltungsgericht Pardey und
Dr. Rudolph sowie
die ehrenamtlichen Richter Jahns und
Kewitz beschlossen:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass es sich bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes durch die Erstellung und Ausgabe von Beurteilungs- und Dokumentationsbögen gemäß §§ 5, 6 ArbSchG um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Beteiligten zu 1. gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG handelt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechtes gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 11 Nds. Personalvertretungsgesetz (NPersVG) bei der Umsetzung von §§ 5, 6 ArbSchG durch Erstellung und Ausgabe von Beurteilungs- und Dokumentationsbögen.
Mit Schreiben vom 16. Februar 1999 wandte sich der Antragsteller an die Verwaltung der Universitätskliniken ... mit der Bitte, das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten, bevor die bereits entwickelten Fragebögen in den medizinischen Einrichtungen verteilt würden. Die Mitbestimmung erstrecke sich nicht nur auf die Durchführung der Arbeitsplatzanalyse, sondern auch auf die Auswahl und Entwicklung einer Methode, die geeignet sei, als Instrument einer Gefährdungsbeurteilung zu dienen.
Unter dem 16. März 1999 wandte sich der Beteiligte zu 2. an die Direktorinnen und Direktoren sowie Leiterinnen und Leiter der Universitätseinrichtungen mit der Bitte, die dem Schreiben beiliegenden Erhebungsbögen für die typisierten Arbeitsplätze, die für die jeweilige Einrichtung relevant seien bzw. sein könnten, auszufüllen. Die Erhebungs- und Dokumentationsbögen seien so aufzubewahren, dass sie von den Mitarbeitern der zuständigen Behörden auf Verlangen eingesehen werden könnten, besonders die Sicherheitsbeauftragten und Mitarbeiter seien über die Gefährdungsbeurteilungen zu informieren und mit einzubeziehen. Bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in eigener Verantwortung durch die Leiter von Abteilungen, Arbeitskreisen und Werkstätten bitte er, ihm sämtliche an der Einrichtung durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen in Kopie (Dokumentationsbögen und Erhebungsbögen) zukommen zu lassen. Bei Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Zustand seien die jeweiligen Fachverantwortlichen dafür zuständig, entsprechende Maßnahmen einzuleiten und sich gegebenenfalls von seiner zuständigen Abteilung beraten zu lassen.
Auf seiner Sitzung vom 13. April 1999 beschloss der Antragsteller hinsichtlich seiner unbeantwortet gebliebenen Aufforderung zur Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens, das Beschlussverfahren einzuleiten.
Am 27. Mai 1999 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Zur Begründung führt er aus, der Mitbestimmungstatbestand in § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG sei bereits hinsichtlich der Entwicklung der Fragebögen zur Beurteilung der Arbeitsplatze einschlägig. Diese Norm umfasse auch mittelbare Maßnahmen bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen. Gemäß der Aufforderung des Beteiligten zu 2. vom 16. März 1999 habe diese Aktion der Überprüfung von Gefährdungspotentialen und mithin dem Vollzug des Arbeitsschutzgesetzes gedient. Es sei sogar von der Einleitung konkreter Maßnahmen ebenso wie von einer eigenen Zuständigkeit für eine erneute Beurteilung die Rede gewesen. Insofern ergäben sich unmittelbare Konsequenzen aus dieser Fragebogenaktion, so dass sich der Rückgriff auf § 64 Abs. 3 NPersVG erübrige. Insgesamt erfasse dieser Mitbestimmungstatbestand auch mittelbar dem Gesundheitsschutz dienende Regelungen wie diese Fragebogenaktion.
Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass es sich bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes durch die Erstellung und Ausgabe von Beurteilungs- und Dokumentationsbögen gemäß §§ 5, 6 ArbSchG um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Beteiligten zu 1. gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG handelt.
Der Beteiligte zu 1. beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus, die Erhebungsbögen seien von der H.-Informations-S. GmbH in H. unter Beteiligung des Hauptpersonalrates am diesbezüglich gebildeten Arbeitskreis unter Federführung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur entwickelt worden. Letzteres habe diese Bögen am 16. Dezember 1997 versandt und insofern offensichtlich keine weitere Mitbestimmungspflicht gesehen. Die versandten Erhebungsbögen seien vor der Übersendung an die einzelnen Einrichtungen in den beiden Arbeitsschutzausschüssen der Universität eingehend diskutiert und teilweise auch abgeändert worden. Der Mitbestimmungstatbestand in § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG beziehe sich lediglich auf einzelne tatsächliche Maßnahmen zur Unfall- bzw. Gesundheitsgefahrenbekämpfung. Es gehe um die konkrete Arbeitsleistung eines Beschäftigten und damit zusammen hängend um eine konkrete Handlung bzw. Unterlassung der Dienststelle bezüglich des Arbeitsvorganges oder des Arbeitsplatzes. Die bloße Analyse unterfalle diesem Tatbestand nicht. Auch § 77 NPersVG gebe dem Antragsteller keinen Rechtsanspruch auf eine Mitbestimmung oder Mitwirkung.
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung sei vorliegend nicht übertragbar. Im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der Regelungen über die Verhütung von Gefährdungen beschreibe, sei § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG unterteilt. Es gehe einmal um Maßnahmen bezüglich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und zum anderen um Regelungen, die der Verhütung entsprechender Gefahren auch nur mittelbar dienten. Vorliegend sei weder eine solche abstrakte Regelung gegeben, noch gehe es um eine konkrete Maßnahme im Sinne einer tatsächlichen Einwirkung.
Die Erfassungs- und Dokumentationsbögen seien zwischenzeitlich versandt worden; die Rücklaufquote betrage gegenwärtig rund 80 Prozent.
Der Beteiligte zu 2. äußert sich nicht.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Anhörung und der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Er ist zulässig. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Dienststelle den streitbefangenen Vorgang (Modifizierung und Verteilung der Erfassungs- und Dokumentationsbögen) bereits vollzogen hat, nimmt die Fachkammer in ständiger Rechtsprechung (Beschluss vom 16.02.1994 - 7 A 25/93 -, vom 20.12.1994 - 7 A 45/94 -, vom 07.02.1996 - 7 A 7015/95 -) ein Interesse des Personalrates an der begehrten Feststellung dann an, wenn die den Gegenstand des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens bildende Frage, ob die Umsetzung der §§ 5, 6 ArbSchG mitbestimmungspflichtig ist, sich jederzeit zwischen den Verfahrensbeteiligten erneut stellen kann. In diesem Fall ist es sachgerecht, diese Fragen zu klären und nicht einen Streitfall abzuwarten, bei dessen gerichtlicher Klärung voraussichtlich erneut eine Erledigung der Hauptsache eintreten würde. Das auf eine generelle Klärung des Mitbestimmungsrechts abstellende Begehren muss allerdings grundsätzlich mit einem entsprechend formulierten Antrag deutlich gemacht werden (BVerwG, Beschluss vom 02.06.1993 - 6 P 3.92 -, PersR 1993, 450). Es ist jedoch nicht Aufgabe der Fachkammer, Gutachten zu abstrakten Rechtsfragen abzugeben, welche in dem Verfahren, das durch den Vollzug einer Personalmaßnahme seine Erledigung gefunden hat, keine Bedeutung gehabt haben. Nach den übereinstimmenden Angaben der im Anhörungstermin anwesenden Beteiligten ist wegen sich ändernder Vorgaben insbesondere medizinischer oder technischer Art auch zukünftig die fortwährende Notwendigkeit der Erfassung und Dokumentation gemäß §§ 5, 6 ArbSchG und mithin vorliegend auch ein Feststellungsinteresse des Antragstellers gegeben.
Der Antrag ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1. handelt es sich bei der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes durch die Erstellung und Ausgabe von Beurteilungs- und Dokumentationsbögen gemäß §§ 5, 6 ArbSchG um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des insoweit allein zuständigen Beteiligten zu 1. gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG.
Nach § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG bestimmt der Personalrat insbesondere bei Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes einschließlich der Erstellung von Arbeitsschutzprogrammen sowie Regelungen mit, die der Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie dem Gesundheitsschutz auch mittelbar dienen. Nach der Absicht des Gesetzgebers (Landtagsdrucksache 12/4370, S. 155) sollen von der Mitbestimmung nicht - wie im Wesentlichen bisher - nur Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen umfasst werden, sondern alle Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die umfassende Beteiligung an der praktischen Verwirklichung des Arbeitsschutzes gehört mithin zu den Schwerpunktaufgaben der Personalvertretungen, wobei es Zweck dieser Beteiligungsvorschriften ist, den Arbeitsschutz unter Einbeziehung des Sachverstands der Beschäftigten möglichst optimal zu verwirklichen (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, Personalvertretungsrecht in Niedersachsen, Stand: November 2000, § 66 Rn 99). Der in der genannten Regelung verwendete Begriff "Maßnahmen" ist gemäß der Definitionen in § 64 Abs. 2 NPersVG weit gefasst. Danach ist eine Maßnahme einer Handlung oder Entscheidung, durch die die Dienststelle in eigener Zuständigkeit eine Regelung trifft, die die Beschäftigten nicht nur geringfügig berührt oder innerdienstliche Verhältnisse nicht nur unwesentlich und nicht nur kurzfristig verändert. Keine Maßnahmen sind insbesondere Handlungen, die eine Maßnahme nur vorbereiten, Erläuterungen bestehender verbindlicher Regelungen oder Weisungen zur Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten. Der Maßnahmebegriff ist inhaltlich nicht auf die Anlage, Änderung, Ingangsetzung oder Außerbetriebnahme technischer Vorrichtungen beschränkt, sondern umfasst auch organisatorische und personelle Entscheidungen, soweit diese nicht von einer spezielleren Mitbestimmungsvorschrift erfasst sind (vgl. Dembowski u.a., a.a.O., Rn 100 a). Dabei werden von dem Begriff der Maßnahme sowohl Einzelmaßnahmen als auch generelle Regelungen umfasst; solche Regelungen sind auch dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie dem Gesundheitsschutz nur mittelbar dienen, d.h. auch Regelungen, die in erster Linie andere Zwecke verfolgen und sich nur mittelbar auf den Gesundheitsschutz der Beschäftigten auswirken, fallen unter den Mitbestimmungstatbestand (vgl. umfassend Dembowski u.a., a.a.O., Rn 101). Insofern schließt allerdings das Wort "dienen" Regelungen, die ohne jeden Bezug auf den Gesundheitsschutz ausschließlich im dienstlichen Interesse getroffen werden, von der Mitbestimmung aus, d.h. unter den Mitbestimmungstatbestand fallen gesundheitsrelevante Regelungen nur dann, wenn sie jedenfalls auch den Gesundheitsschutz der Beschäftigten zum Ziel haben (Dembowski u.a., a.a.O., Rn 102).
Vorliegend dient die Umsetzung der Vorschriften der §§ 5 und 6 ArbSchG durch den Beteiligten zu 1. jedenfalls auch dem Gesundheitsschutz der Bediensteten. Gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind, wobei nach Absatz 2 dieser Norm die Beurteilung je nach Art der Tätigkeit vorzunehmen ist. Gemäß § 6 Abs. 1 ArbSchG muss der Arbeitgeber über die je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind. Dabei gliedert sich die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 Abs. 2 und 3 ArbSchG) in insgesamt drei Phasen (vgl. umfassend dazu Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung Band II, Stand: Februar 2000, Nr. 650 § 5 ArbSchG Rn 9-20). Nach der (möglichen) Vorbereitung durch einen Analyseauftrag hat die Ermittlung und bewertende Betrachtung der Gefährdungen zu erfolgen, wobei Gefährdungen aus der Arbeitsstätte als solches, aus den vorhandenen Arbeitsmitteln, aus der konkreten Gestaltung des Arbeitsplatzes und aus der am Arbeitsplatz tätigen einzelnen Person resultieren können. Anschließend hat der Arbeitgeber den sich ergebenden Ist-Zustand mit dem arbeitsschutzrechtlichen Soll-Zustand des Betriebs oder des konkreten Arbeitsplatzes zu vergleichen und aufgrund der erkannten Risiken zu beurteilen und zu überlegen, durch welche Schutzmaßnahmen diesen Risiken begegnet werden kann und zu welchen davon er verpflichtet ist.
Soweit ersichtlich, gibt es speziell zum Personalvertretungsrecht und insbesondere zum niedersächsischen Landesrecht insoweit noch keine Rechtsprechung. Allerdings ist die Mitbestimmung auch dann als gegeben angesehen worden, soweit der Dienststelle Unfall- oder Gesundheitsschutzmaßnahmen rechtlich oder durch externe Stellen vorgeschrieben sind, weil die Mitbestimmung auch bei rein normvollziehenden Maßnahmen als eine zusätzliche Kontrolle der Richtigkeit besteht und insoweit die vom Personalvertretungsgesetz angestrebte Mitverantwortung begründet (vgl. Dembowski u.a., a.a.O., Rn 107). In Abgrenzung dazu besteht keine Mitbestimmung, wenn die Dienststelle lediglich auf eine gesetzliche oder tarifliche Unfall- oder Gesundheitsschutzbestimmung aufmerksam macht und um deren Einhaltung bittet, oder bei Richtlinien und Weisungen, auf die eine nachgeordnete Dienststelle für ihren Bereich hinweist, wenn diese Dienststelle damit nur eine "Briefträgerfunktion" wahrnimmt (vgl. Dembowski u.a., a.a.O., Rn 108).
Nach diesen Kriterien sieht die Fachkammer die streitbefangene Beurteilung und Dokumentation der Arbeitsbedingungen unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefährdung nach §§ 5, 6 ArbSchG als eine Maßnahme i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG an. Im Gegensatz zur Auffassung des Beteiligten zu 1. beschränkt sich diese Maßnahme nicht allein darauf, rein empirisch die Situation anhand objektiver und eindeutiger, von vornherein feststehender Kriterien zu erfassen, sondern beinhaltet - wie ausführlich dargelegt - sowohl bei der Erfassung der in Frage kommenden Arbeitsplätze oder Tätigkeitsbereiche wie auch bei dem Vergleich des Soll mit dem Ist-Zustand eine wertende Betrachtungsweise, die sowohl bei der Erfassung der tatsächlichen Situation als auch beim Vergleich mit dem (ebenfalls wertungsmäßig zu bestimmenden) Soll-Zustand für den jeweiligen Arbeitsplatz einen umfassenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum für den Beteiligten zu 1. Darin kann weder die in einem streng formalisierten Verfahren und streng einzuhaltenden Kriterien von vornherein fest vorgegebene Durchführung gesetzlicher Bestimmungen gesehen werden, noch beschränkt sich diese Durchführung der Beurteilung und der Dokumentation auf die bloße Weitergabe gesetzlicher Bestimmungen (Briefträgerfunktion). Es wird vielmehr bereits aus dem Vorbringen des Beteiligten zu 1. deutlich, dass die von ihm bzw. dem Beteiligten zu 2. allen Universitätseinrichtungen zugesandten Erhebungsbögen zu der Gefährdungsbeurteilung eingehend in den Arbeitsschutzausschüssen der Universität diskutiert und teilweise sogar vom Beteiligten zu 1. abgeändert worden sind. Damit kann sich der Beteiligte zu 1. nicht mehr mit Erfolg darauf berufen, die fraglichen Bögen seien im Rahmen eines Projektes der H.-Informations-S. GmbH in H. unter Beteiligung des Hauptpersonalrates ermittelt worden. Nach dem eigenen Vortrag des Beteiligten zu 1. hat das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit Erlass vom 16. Dezember 1997 die entsprechende Dokumentation nebst den zugehörigen Beurteilungsbögen versandt und (lediglich) empfohlen, "darauf aufbauend zu verfahren". Dabei wird deutlich, dass die auf dieser Studie basierenden Beurteilungsbögen lediglich als Vorschläge und keineswegs verbindlich übersandt wurden. Von einer abschließenden und hinreichenden Berücksichtigung mitbestimmungsrechtlicher Fragestellungen für den Bereich des Beteiligten zu 1. kann mithin keine Rede sein. Vielmehr hat vor Ort in den Arbeitsschutzausschüssen noch eine inhaltliche Möglichkeit zur Einflussnahme im Sinne einer zu diesem Zeitpunkt bereits mitbestimmungspflichtigen Maßnahme bestanden.
Der Beteiligte zu 1. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die vielfältigen Diskussionen zu den Bögen in den Arbeitsschutzausschüssen hätten gezeigt, dass die Beteiligung des Antragstellers im Rahmen der Mitbestimmung zu unzuträglichen Verzögerungen bei der Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung führe. Es ist bereits fraglich, ob der Beteiligte zu 1. in diesem Zusammenhang überhaupt die drohende Verhängung von Bußgeldern wegen Untätigkeit in diesem Bereich einwenden kann, denn schließlich hat er bereits Ende 1997 die Bögen übersandt bekommen. Es bestand mithin bereits ein Jahr lang die Möglichkeit, den Antragsteller formgerecht zu beteiligen. Jedenfalls aber war und ist der Antragsteller gemäß dem Gebot der vertrauensvollen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Beteiligten zu 1. gehalten, im Rahmen der Mitbestimmung sachbezogen und effektiv bei der Erfüllung dieser der Dienststelle obliegenden Aufgabe mitzuwirken (vgl. § 2 Abs. 1 NPersVG). Anhaltspunkte für eine mutwillige oder sonst nicht sachgerechte Verzögerung bei einer rechtzeitigen Beteiligung des Antragstellers hat der Beteiligte zu 1. nicht vorgetragen, sie ist auch sonst nicht ersichtlich.
Auch die Auffassung des Beteiligten zu 1., § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG beziehe sich lediglich auf einzelne, tatsächliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren, kann angesichts der eingangs dargelegten Auslegung dieser Bestimmung keinen Bestand haben. Der von dem Beteiligten zu 1. insofern als Beleg für seine vorstehende Auffassung zitierte Kommentar (Bieler/Müller-Fritzsche, NPersVG, hier verwendet: 10. Aufl. 2000, § 66 Rn 57) beschränkt sich nicht darauf, lediglich einzelne tatsächliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren zu bezeichnen, sondern führt ausdrücklich aus, dass es auch um generelle Anordnungen über das Verhalten der Bediensteten zur Handhabung solcher Einrichtungen und zur Verhinderung von Unfällen und Gesundheitsschädigungen gehen kann. Die insofern missverständliche Formulierung dieser Kommentarstelle dürfte darauf beruhen, dass in der 3. Zeile dieses Absatzes hinter dem Wort Vorrichtung ein Komma fehlt. Insgesamt wird jedoch deutlich, dass die Verfasser meinen, bei dieser Vorschrift gehe es "um einzelne tatsächliche Maßnahmen ... oder um generelle Anordnungen ...". Die ebenfalls leicht verändert zitierte Kommentarstelle betreffend allgemeine Kontrolluntersuchungen (beim Beteiligten zu 1. "Maßnahmen"; Bieler/Müller-Fritzsche, a.a.O., Rn 61) behandelt in diesem Absatz lediglich Untersuchungen (wohl ausschließlich medizinischer Art) und bezieht sich überdies auf Rechtsprechung, die lange vor dem Inkrafttreten dieser hier maßgeblichen erweiterten Mitbestimmungsvorschriften ergangen ist.
Für das nordrhein-westfälische Landesrecht wird die Auffassung vertreten, dass jedenfalls die Erfüllung der Dokumentationspflicht nach § 6 ArbSchG schon als Arbeitsschutzmaßnahme anzusehen ist, wobei sich die Mitbestimmung insbesondere auf Art und Umfang der zu führenden Unterlagen beziehen kann, die im Gesetz nicht näher bestimmt werden (vgl. Cecior/Dietz u.a., Personalvertretungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Stand: Oktober 2000, § 72 Rn 407 a.E.). Für § 72 Abs. 4 Nr. 7 LPersVG Nordrhein-Westfalen ("Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen"), der wesentlich enger gefasst ist als die vorliegend streitbefangene Bestimmung des § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG, wird in diesem Zusammenhang verneint, dass die nach § 5 ArbSchG vom Arbeitgeber vorzunehmende Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung als Vorbereitungsmaßnahme mitbestimmungspflichtig ist (vgl. Cecior u.a., a.a.O.).
Auch für die Bestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften) wird die Auffassung vertreten, dass die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen gemäß § 5 ArbSchG ebenso wie die Dokumentation gemäß § 6 Abs. 1 ArbSchG als ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist (vgl. zusammenfassend: Landmann-Rohmer, a.a.O., § 5 ArbSchG Rn 21 f.). Danach ist ausfüllungsbedürftig und daher mitbestimmungsbedürftig insbesondere die Frage, ob bei der Dokumentation auf die Berichte der betrieblichen Sicherheitsexperten zurückgegriffen werden darf und wie diese Unterlagen aufbewahrt werden sollen (Landmann-Rohmer, a.a.O., m.w.N.). Die von dem Beteiligten zu 1. angesprochene Frage, ob das Arbeitsgericht Hamburg (Urteil vom 02.07.1998 - 4 BV 2/98 -, Arbeit und Recht 1999, 115 ff.) insoweit in sich widersprüchlich argumentiert, kann vorliegend dahinstehen, denn im Gegensatz zur betriebsverfassungsrechtlichen Norm umfasst die hier streitbefangene Bestimmung des § 66 Abs. 1 Nr. 11 NPersVG ausdrücklich Maßnahmen und Regelungen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig (Beschluss vom 15.10.1997 - 5 BVG a 9/97 -, NZA-RR 1998, 214 f.) geht (bei einer Verneinung der Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG) unzutreffend davon aus, dass die Bestimmungen der §§ 5 und 6 ArbSchG dem Arbeitgeber keinen Regelungs- oder Beurteilungsspielraum einräumen. Einzig der Gesichtspunkt, dass die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber einer Aufsichtsbehörde zugleich nicht als mitbestimmungspflichtige Regelung anzusehen sein soll, hat Einiges für sich. Insofern hält es das Arbeitsgericht Braunschweig nicht für ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 5 ArbSchG den Zeitpunkt des Eingreifens des Mitbestimmungsrechts vorzeitlich habe vorverlegen wollen. Aus den vorgenannten Gründen ist dem jedoch nicht zu folgen.
Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren kein Raum (§ 85 Abs. 2 NPersVG i.V.m. § 12 ArbGG).
Dr. Rudolph
Pardey