Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.1991, Az.: 5 L 2447/91
Beamtenverhältnis; Beamter auf Widerruf; Beamter auf Lebenszeit; Besoldungsgruppe; Versorgung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.09.1991
- Aktenzeichen
- 5 L 2447/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 13146
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1991:0924.5L2447.91.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 02.11.1988 - AZ: 7 A 196/87
- nachfolgend
- BVerwG - 22.09.1993 - AZ: BVerwG 2 C 8/92
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer - vom 2. November 1988 geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Versorgungsbezüge auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 7 zu gewähren.
Die Bescheide vom 20. Januar 1987 und vom 14. September 1987 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der 1955 geborene und als Konditor ausgebildete Kläger war in der Zeit von 1975 bis 1983 im Beamtenverhältnis auf Widerruf als Polizeibeamter im Bundesgrenzschutz tätig und erhielt zuletzt als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz in der Zeit vom 1. September 1980 bis zum 31. März 1983 eine Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 7. Im Wege der Berufsförderung des Bundesgrenzschutzes übernahm der Präsident des Justizvollzugsamtes Niedersachsen den Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und Ernennung zum Assistenten im Justizvollzugsdienst mit Wirkung vom 1. Oktober 1981 und verlieh ihm im Namen des Landes Niedersachsen im September 1983 die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1983 ernannte der Präsident des Justizvollzugsamtes den Kläger zum Sekretär im Justizvollzugsdienst und wies ihn unter Übertragung eines entsprechenden Amtes in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 6 ein. Am 18. Juli 1985 wurde der Kläger zum Obersekretär im Justizvollzugsdienst befördert und mit Wirkung vom 1. Juli 1985 unter Übertragung eines entsprechenden Amtes in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 eingewiesen.
Durch Verfügung vom 24. November 1986 versetzte der Präsident des Justizvollzugsamtes den Kläger wegen krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit in den Ruhestand, der am 1. März 1987 begann.
Die Versorgungsbezüge setzte der Beklagte durch Verfügung vom 20. Januar 1987 unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 und 4 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und Ländern - BeamtVG - auf der Grundlage des in die Besoldungsgruppe A 6 eingeordneten vorletzten Amtes des Klägers (Sekretär im Justizvollzugsdienst) fest mit der Begründung, der Kläger habe die Bezüge des letzten Amtes nicht mindestens zwei Jahre erhalten und eine Ausnahme von diesem Erfordernis sei nicht gerechtfertigt, da die hierfür normierten Voraussetzungen nicht vorlägen.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs machte der Kläger geltend: Seine nach der Besoldungsgruppe A 7 bewertete Tätigkeit als Polizeimeister im BGS sei der ebenfalls nach der Besoldungsgruppe A 7 bewerteten Tätigkeit als Obersekretär im Justizvollzugsdienst gleichwertig und müsse deshalb bei Anwendung des § 5 Abs. 3 BeamtVG Berücksichtigung finden. Insgesamt habe er mehr als zwei Jahre Dienstbezüge eines nach der Besoldungsgruppe A 7 bewerteten Amtes erhalten. Deshalb müsse diese Besoldungsgruppe seinen Versorgungsbezügen zugrunde gelegt werden.
Durch Bescheid vom 14. September 1987 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Zwar seien in die Zweijahresfrist nach § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG Zeiten einzurechnen, in denen der Beamte ein seinem letzten Amt mindestens gleichwertiges Amt bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet bekleidet habe, für die Anerkennung einer solchen Zeit sei jedoch u.a. erforderlich, daß diese Zeit während der Zweijahresfrist, d.h. in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in den Ruhestand liege. Dieses ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung, wonach der Beamte vor versorgungsrechtlichen Nachteilen geschützt werden solle, die durch Veränderungen in seiner Laufbahn während der letzten zwei Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles entstehen könnten. Dienstbezüge auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 7 als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz habe der Kläger jedoch lediglich bis zum 31. März 1983, also außerhalb der Zweijahresfrist erhalten. Da der Kläger nach der Auskunft, des Präsidenten des Justizvollzugsamtes Celle vom 25. August 1987 die höherwertigen Funktionen des ihm erst im Juli 1985 übertragenen Amtes des Obersekretärs im Justizvollzugsdienst nicht bereits vor der Amtsübertragung tatsächlich wahrgenommen habe, finde auch § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG, nach dem die Wahrnehmung der höherwertigen Funktion bei Berechnung der Zweijahresfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zu berücksichtigen sei, keine Anwendung.
Zur Begründung der hiergegen rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger sein Widerspruchsvorbringen wiederholt und vertieft und darüber hinaus geltend gemacht: Es widerspreche dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 BeamtVG, die Zeit seiner Besoldung als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz nach der Besoldungsgruppe A 7 bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge unberücksichtigt zu lassen.
Der Kläger hat beantragt (sinngemäß),
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 1987, soweit darin seine Versorgungsbezüge auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 6 berechnet werden, und des Widerspruchsbescheides vom 14. September 1987 zu verpflichten, ihm Versorgungsbezüge nach der Besoldungsgruppe A 7 zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zur Begründung die in den angegriffenen Bescheiden gegebenen Gründe wiederholt und darüber hinaus geltend gemacht: Unter Berücksichtigung der von ihm während des Klageverfahrens eingeholten ärztlichen Äußerung der Leitenden Medizinaldirektorin Demski vom 24. Mai 1988 sei davon auszugehen, daß auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG nicht vorlägen, wonach die Zweijahresfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 nicht gilt, wenn der Beamte vor Ablauf der Frist infolge von Krankheit, Verwundung oder sonstiger Beschädigung, die er sich ohne grobes Verschulden bei Ausübung oder aus Veranlassung des Dienstes zugezogen hat, in den Ruhestand getreten ist.
Durch den Gerichtsbescheid vom 2. November 1988 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe zu Recht die Versorgungsbezüge nach dem vorletzten Amt des Klägers als Sekretär im Justizvollzugsdienst nach der Besoldungsgruppe A 6 festgesetzt. Bei Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 1 und 3 BeamtVG habe der Beklagte rechtsfehlerfrei die Besoldung des Klägers als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz nach der Besoldungsgruppe A 7 mit der Begründung außer Betracht gelassen, daß der Kläger diese Bezüge nicht innerhalb der Zweijahresfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG erhalten habe. § 5 Abs. 3 BeamtVG durchbreche bezüglich der Beförderungsämter die Grundregel des § 5 Abs. 1 BeamtVG, daß ruhegehaltfähig die Dienstbezüge des Grundgehaltes seien, das dem Beamten nach dem Besoldungsrecht zuletzt zugestanden habe. Durch diese Regelung sollten Gefälligkeitsbeförderungen verhindert werden, die zu unverhältnismäßigen Versorgungsbezügen führen würden. Daraus ergebe sich, daß bezüglich der Zweijahresfrist nur diejenigen Zeiten der Wahrnehmung gleichwertiger Ämter berücksichtigt werden könnten, die in diesem Zeitraum lägen. Denn angesichts dessen, daß der Beamte grundsätzlich zwei Jahre im Beförderungsamt verbracht haben müsse, um daraus auch versorgt zu werden, sei der Zweck der Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG so zu verstehen, daß der Beamte vor versorgungsrechtlichen Nachteilen geschützt werden solle, der innerhalb der letzten zwei Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles von einem anderen Dienstherrn befördert worden sei und dann den Dienstherrn gewechselt habe bzw. unter Beibehaltung der Besoldungsgruppe die Laufbahn gewechselt habe, da dann der die Versorgung nach dem letzten Amt begründende Tatbestand, dieses zwei Jahre lang ausgeführt zu haben, trotz des Wechsels vorliege. Für diese Auslegung spreche auch § 5 Abs. 3 Satz 4 BeamtVG, der auf Satz 3 dieser Vorschrift Bezug nehme und bestimmt, daß in die Zweijahresfrist auch die Zeit eingerechnet werde, in der der Beamte die höhere Funktion des ihm erst später übertragenen Amtes tatsächlich wahrgenommen habe. Auch hier sei Voraussetzung, daß der Beamte die höherwertige Funktion innerhalb der Zweijahresfrist wahrgenommen haben müsse, und die Bezugnahme auf Satz 3 des § 5 Abs. 3 BeamtVG belege zugleich, daß dies für die Wahrnehmung eines gleichwertigen Amtes gleichermaßen Geltung habe. Darüber hinaus habe der Kläger keinen Anspruch aus Besitzstandswahrung auf Ruhegehalt nach seinen früheren Dienstbezügen als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz. Dazu bestimme § 5 Abs. 5 BeamtVG, daß das Ruhegehalt eines Beamten, der früher ein mit höheren Dienstbezügen verbundenes Amt bekleidet und diese Bezüge mindestens zwei Jahre erhalten habe, nach den höheren ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des früheren Amtes berechnet werde, sofern der Beamte in ein mit geringeren Dienstbezügen verbundenes Amt nicht lediglich auf seinen im eigenen Interesse gestellten Antrag übergetreten sei. Letzteres treffe aber - losgelöst von den anderen Voraussetzungen - auf den Kläger zu. Denn er habe sich im Rahmen der Berufsförderung als Beamter im BGS um eine Stelle im Justizvollzugsdienst beworben, so daß der Übertritt vom Widerrufsbeamtenverhältnis im Bundesgrenzschutz in das Probebeamtenverhältnis im Justizvollzugsdienst ausschließlich in seinem eigenen Interesse aufgrund seines Beschäftigungswunsches geschehen sei.
Gegen diesen ihm am 28. November 1988 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. Dezember 1988 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft und darüber hinaus geltend macht: Es widerspreche dem Sinn und Zweck der Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG, seine - des Klägers - Tätigkeit als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz unberücksichtigt zu lassen. Bei seiner Beförderung zum Obersekretär im Justizvollzugsdienst habe es sich nicht um eine Gefälligkeitsbeförderung gehandelt; er habe dieses Amt lediglich deshalb nicht zwei Jahre innegehabt, weil er vorzeitig, aus gesundheitlichen Gründen, die er nicht zu vertreten habe, in den Ruhestand versetzt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf sein bisheriges Vorbringen, weist auf die unterschiedlichen Kommentierungen des § 5 Abs. 3 BeamtVG bei Stegmüller (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz - Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: Juni 1991 RdNr. 9 a zu § 5) und Kümmel (Kümmel, Beamtenversorgungsgesetz - Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: März 1991 RdNr. 16 zu § 5) hin und schließt sich der auch von dem Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung des Kommentators Kümmel an, nach der die Zeit der Wahrnehmung des gleichwertigen Amtes während der Jahresfrist liegen muß.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze, hinsichtlich des Sachverhalts im übrigen auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge (Beiakten A und B) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das mit der Berufung weiterverfolgte Begehren, den Beklagten zu verpflichten, die Versorgungsbezüge des Klägers auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 7 festzusetzen und die angegriffenen Bescheide vom 20. Januar und 14. September 1987 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen, ist gerechtfertigt, weil der Kläger einen Anspruch auf Festsetzung seiner Versorgungsbezüge auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 7 hat und die Bescheide deshalb in dem angegriffenen Umfang rechtswidrig sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs ist § 5 Abs. 3, 4 und 5 BeamtVG in der hier maßgeblichen, seit dem 1. Januar 1987 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. Februar 1987 (BGBl I S. 570). Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG sind - abweichend von dem Grundsatz des § 5 Abs. 1 BeamtVG - nicht ruhegehaltfähig die Dienstbezüge, die dem Beamten nach dem Besoldungsrecht zuletzt zugestanden haben (hier: die eines nach der Besoldungsgruppe A 7 besoldeten Obersekretärs im Justizvollzugsdienst), sondern lediglich die Bezüge des vorher bekleideten Amtes (hier: die eines nach der Besoldungsgruppe A 6 besoldeten Sekretärs im Justizvollzugsdienst), wenn der Beamte aus einem Amt in den Ruhestand getreten ist, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn angehört, und er die Dienstbezüge dieses Amtes vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht mindestens zwei Jahre erhalten hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er ist aus dem in die Besoldungsgruppe A 7 eingeordneten Amt des Obersekretärs im Justizvollzugsdienst, das nicht der Eingangsbesoldungsgruppe seiner Laufbahn (A 5) angehört, in den Ruhestand getreten und hat die Dienstbezüge dieses Amtes vor Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 28. Februar 1987 erst ab 1. Juli 1985 und damit nicht mindestens zwei Jahre erhalten. Insoweit werden Bedenken auch von dem Kläger nicht geltend gemacht.
Entgegen der von dem Beklagten und dem Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht sind jedoch die für eine Ausnahme von dieser Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG normierten Voraussetzungen gegeben. Diese Vorschrift lautet:
Zeiten, in denen der Beamte ein seinem letzten Amt mindestens gleichwertiges Amt bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet bekleidet hat, sind in die Zweijahresfrist einzurechnen.
Der Kläger hat ein seinem letzten Amt mindestens gleichwertiges Amt bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet bekleidet. Denn in der Zeit vom 1. September 1980 bis zum 31. März 1983 versah er das Amt eines Polizeimeisters im Bundesgrenzschutz, das ebenso der Besoldungsgruppe A 7 zugeordnet ist wie das ihm mit Wirkung vom 1. Juli 1985 übertragene Amt eines Obersekretärs im Justizvollzugsdienst. Ein Amt ist mit einem anderen als gleichwertig im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG anzusehen, wenn es einer Besoldungsgruppe zugeordnet ist, die mindestens mit demselben Endgrundgehalt ausgestattet ist; auf die Gleichwertigkeit der Amtsinhalte (Funktionen) kommt es nicht an (vgl.: Nr. 5.3.5 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BeamtVG - BeamtVGVwV - vom 3. 11. 1988, GMBl S. 742, berichtigt GMBl 1982, S. 355; Stegmüller, aaO, RdNr. 9 a zu § 5; Kümmel, aaO, RdNr. 16 zu § 5; Fürst/Finger/Mühl/Niedermaier, Beamtenrecht des Bundes und der Länder - Kommentar - GKÖD -, Loseblattsammlung, Stand: Februar 1991, O § 5 RdNr. 54). Daran, daß es sich sowohl bei der Bundesrepublik Deutschland als auch bei dem Land Niedersachsen um öffentlich-rechtliche Dienstherren im Reichsgebiet handelt, besteht kein Zweifel. Bei den Zeiten seiner Tätigkeit als Polizeimeister im Bundesgrenzschutz (1. 9. 1980 bis 31. 3. 1983) handelte es sich also um Zeiten, in denen der Kläger ein seinem letzten Amt mindestens gleichwertiges Amt bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet bekleidet hat. Streitentscheidend ist daher die Frage, ob - wie das Verwaltungsgericht, gestützt auf die Kommentierung bei Kümmel (Kümmel, aaO, RdNr. 16 zu § 5), angenommen hat - die Zeit der Wahrnehmung des gleichwertigen Amtes während der Zweijahresfrist liegen muß oder ob - wie in der Kommentierung von Stegmüller/Schmalhofer/Bauer (aaO RdNr. 9 a zu § 5) vertreten wird, eine zeitliche Unterbrechung zwischen der Wahrnehmung des früheren gleichwertigen Amtes und dem letzten Amt unschädlich ist. Unter Berücksichtigung des Wortlautes der Vorschrift und ihres Sinnes und Zweckes schließt sich der Senat der Auffassung an, daß auch außerhalb der Zweijahresfrist liegende Zeiten im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG berücksichtigungsfähig sind. Die von dem Gesetzgeber gewählte Formulierung der Rechtsfolge ("sind in die Zweijahresfrist einzurechnen") spricht dafür, daß auch außerhalb der Zweijahresfrist liegende Zeiten erfaßt werden sollten. Denn andernfalls bedürfte es keiner "Einrechnung", sondern es wäre die Bestimmung ausreichend, daß das Amt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG auch ein mindestens gleichwertiges Amt ist, das der Beamte bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Reichsgebiet bekleidet hat. Allerdings gilt nach § 5 Abs. 3 Satz 4 1. und 2. Alternative BeamtVG das gleiche ("in die Zweijahresfrist einzurechnen") für die Zeit, in der der Beamte vor der Amtsübertragung die höherwertigen Funktionen des ihm erst später übertragenen Amtes tatsächlich wahrgenommen hat, und für die Zeit einer innerhalb der Zweijahresfrist liegenden Beurlaubung ohne Dienstbezüge, soweit sie als ruhegehaltfähig berücksichtigt worden ist. Für die zuletzt genannte Alternative (Berücksichtigung von Beurlaubungen ohne Dienstbezüge) bestimmt das Gesetz ausdrücklich, daß der berücksichtigungsfähige Urlaub "innerhalb der Zweijahresfrist" liegen muß; für die 1. Alternative des Satzes 4 des § 5 Abs. 3 BeamtVG hat das Bundesverwaltungsgericht zu § 109 Abs. 2 BBG, der eine entsprechende Formulierung enthielt, entschieden, daß die förmliche Übertragung des höheren Amtes sich nicht zeitlich unmittelbar an die vorhergehende tatsächliche Ausübung der Funktionen (früher: "Obliegenheiten") des Amtes anschließen müsse, also auch außerhalb der Zweijahresfrist liegen könne (vgl. BVerwG, Urt. v. 10. 11. 1960 - II C 44.59 -, BVerwGE 11, 233 m.w.Nachw.; BVerwG, Urt. v. 8. 11. 1961 - VI C 30.60 -, DÖD 1962, 53). Dieser Systematik des Absatzes 3 des § 5 BeamtVG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist zu entnehmen, daß aus der normierten Rechtsfolge ("sind in die Zweijahresfrist einzurechnen") eine Begrenzung lediglich auf innerhalb dieser Zweijahresfrist liegende Ereignisse (Innehaben eines gleichwertigen Amtes, Wahrnehmung höherwertiger Funktionen, Beurlaubung ohne Dienstbezüge) nur gerechtfertigt ist, wenn dies ausdrücklich - wie im Fall der Beurlaubung - bestimmt ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der zuweiligen Regelung herleiten läßt. Letzteres ist für die hier maßgebliche Alternative des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG (Innehaben eines gleichwertigen Amtes) zu verneinen. Es gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes - GG -, daß das Ruhegehalt des Beamten und die Hinterbliebenenbezüge auf der Grundlage der Dienstbezüge des letzten vom Beamten bekleideten Amtes zu berechnen sind. Ein modifizierender Bestandteil dieses Bemessungsprinzips der Beamtenversorgung ist allerdings, daß der Beamte die Dienstbezüge seines letzten Amtes mindestens zwei Jahre erhalten hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7. 7. 1982 - 2 BvL 14/78 u.a. -, BVerfGE 61, 43 ff). Durch diesen "modifizierenden Bestandteil" erhält der bezeichnete Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung eine Einschränkung, die ihrerseits wieder durch die in § 5 Abs. 3 Satz 3 und 4 BamtVG genannten Fälle eine Begrenzung erfahren soll. Maßgeblich für die Auslegung dieser Begrenzungstatbestände ist daher auch der Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung. Daraus ergibt sich für die hier streitentscheidende Alternative des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG, daß dann, wenn der Beamte - ginge man allein von dem genannten Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung aus -, sich eine höhere Versorgung bereits zweimal erdient hätte, einmal bei dem zur Zeit der Versetzung in den Ruhestand zuständigen Dienstherrn und zum anderen durch Bekleidung eines mindestens gleichwertigen Amtes bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn. Die Bekleidung der beiden Ämter für die Dauer von insgesamt zwei Jahren ist deshalb als ausreichend anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob der Beamte die beiden Ämter innerhalb des einheitlichen Zweijahreszeitraumes im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG erhalten hat.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der für die Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 4 1. Alternative BeamtVG (Wahrnehmung höherwertiger Funktionen) das Bestehen einer "Beförderungsreife" des betroffenen Beamten und damit vorausgesetzt ist, daß in seiner Person liegende Gründe der Beförderung nicht entgegengestanden haben dürfen. Eine vergleichbare Voraussetzung kann für den im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG zu berücksichtigenden Dienstherrnwechsel nicht aufgestellt werden. Denn die Wahrnehmung höherwertiger Funktionen (§ 5 Abs. 3 Satz 4 1. Alternative BeamtVG) ist grundsätzlich für die Bemessung der Versorgungsbezüge ohne Bedeutung, während die Bekleidung eines höher- oder gleichwertigen Amtes bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG) unter Berücksichtigung des Grundsatzes der amtsgemäßen Versorgung bereits eine entsprechende Versorgung rechtfertigt.
Auch § 5 Abs. 5 BeamtVG steht der hier vertretenen Auslegung des § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG, nach der eine zeitliche Unterbrechung zwischen der Wahrnehmung des früheren gleich- oder höherwertigen Amtes und des letzten Amtes unschädlich ist, nicht entgegen. § 5 Abs. 5 BeamtVG bestimmt, daß das Ruhegehalt eines Beamten, der früher ein mit höheren Dienstbezügen verbundenes Amt bekleidet und diese Bezüge mindestens zwei Jahre erhalten hat, nach den höheren ruhegehaltfähigen Dienstbezügen des früheren Amtes zu berechnen ist, sofern der Beamte in ein mit geringeren Dienstbezügen verbundenes Amt nicht lediglich auf seinen im eigenen Interesse gestellten Antrag übergetreten ist. Diese Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen, unter denen ein mit höheren Dienstbezügen verbundenes Amt als das für die Festsetzung der Versorgungsbezüge maßgebliche zuletzt innegehabte Amt allein maßgeblich ist für die Festsetzung der Versorgungsbezüge. Dieser Fall ist mit dem in § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG geregelten Fall des Zusammenrechnens der Zeiten, in denen der betroffene Beamte das zuletzt innegehabte Amt und ein früheres mindestens gleichwertiges Amt bekleidet hat, nicht vergleichbar. Deshalb ist die Voraussetzung, daß der Amtswechsel nicht auf einen im eigenen Interesse gestellten Antrag beruht (§ 5 Abs. 5 BeamtVG), auch im Wege der Auslegung nicht auf § 5 Abs. 3 Satz 3 BeamtVGübertragbar.
Die Kosten des Verfahrens, in dem der Beklagte aus den vorstehenden Gründen unterlegen ist, hat nach § 154 Abs. 1 VwGO der Beklagte zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der hier streitentscheidenden Auslegung des § 5 Abs. 5 Satz 3 BeamtVG grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beimißt.
Dr. Thiedemann
Nelle
Reisner