Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.06.1987, Az.: 3 U 229/86
Abrechnung von Zinsansprüchen; Vertraglicher Anspruch auf Zinsen und Überziehungsprovision bei Fälligstellung eines Darlehens; Geltendmachung von Zinsansprüchen nach Kündigung des Darlehensvertrages und Geltendmachung von Verzugszinsen; Kündigung eines Darlehns und Verzugsschaden; Zinsanspruch in Höhe der Refinanzierungskosten bei Kündigung eines Darlehensvertrages
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.06.1987
- Aktenzeichen
- 3 U 229/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 19741
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1987:0624.3U229.86.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 01.08.1986 - AZ: 8 O 39/86
Rechtsgrundlagen
- § 252 BGB
- § 284 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 286 Abs. 1 BGB
- § 11 Nr. 5 b AGBG
Fundstelle
- NJW-RR 1987, 1455 (Volltext mit red. LS)
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. August 1986 verkündete Anerkenntnisurteil und Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird als Gesamtschuldnerin mit Herrn ... verurteilt, an die Klägerin 13.339,88 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 13. November 1985 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10. Die Kosten der Berufung werden der Klägerin zu 45 % und der Beklagten zu 55 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer: für die Klägerin: 760 DM, für die Beklagte: 930 DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Abrechnung von Zinsansprüchen der Klägerin aus einem gekündigten Darlehensvertrag.
Die Beklagte hat am 17. Dezember 1984 zusammen mit ihrem Ehemann ein Darlehen in Höhe von 15.000 DM netto bei der Klägerin aufgenommen, das wegen Zahlungsverzuges Mitte August 1985 von der Klägerin fristlos gekündigt und zum 15. Oktober 1985 fälliggestellt worden ist. Die Klägerin hat ihre Rückzahlungsforderung im Mahnverfahren geltend gemacht und im anschließenden streitigen Verfahren beantragt,
die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit Herrn Heinz Epp zu verurteilen, an sie 14.401,30 DM nebst 10,5 % Zinsen ab 1. November 1985 sowie 1 % Verzugszinsen ab 1. November 1985 auf 14.401,30 DM zuzüglich vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 120 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat den Anspruch in Höhe von 13.225,90 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem Tag der Zustellung des Mahnbescheides, dem 13. November 1985, anerkannt und im übrigen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei lediglich zur Zahlung der Prozeßzinsen in Höhe von 4 % verpflichtet.
Durch das am 1. August 1986 verkündete Urteil des Landgerichts ist die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit Herrn ... verurteilt worden, an die Klägerin 13.339,88 DM nebst 11,5 % Zinsen seit dem 1. November 1985 zu zahlen. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden. Zur Begründung des Zinsanspruches hat das Landgericht ausgeführt, nach Ziffer 5 des Kreditvertrages könne die Klägerin auf den rückständigen Kapitalbetrag für die Zeit des Zahlungsverzuges die für Überziehungen festgesetzten Zinssätze und Provisionen in Rechnung stellen.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Höhe der zugesprochenen Zinsen. Sie ist der Meinung, der Zinsanspruch sei nicht schlüssig vorgetragen. Nr. 5 der Darlehensbedingungen der Klägerin verstoße gegen § 11 Nr. 5 AGBG. Die Klägerin sei lediglich berechtigt, einen etwaigen Verzugsschaden geltend zu machen, der bei ihr allenfalls in Höhe der Refinanzierungskosten entstanden sei.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie verurteilt worden ist, an die Klägerin mehr als 13.339,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. November 1985 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt ihre Zinsforderung auf den rechtlichen Gesichtspunkt des Verzugsschadens und vertritt die Auffassung, sie sei berechtigt, Zinsen in Höhe von insgesamt 11,5 % zu verlangen. Die Kündigung des Kreditverhältnisses schließe es nicht aus, daß sie den vertraglich geschuldeten Zinssatz als Grundlage für eine abstrakte Berechnung des Verzugsschadens verwende. Zumindest könne sie als Schadensersatz diejenige Verzinsung geltend machen, die sie als Ertrag aus einem im fraglichen Zeitraum gewährten fiktiven Kredit zu Durchschnittsbedingungen erwirtschaftet hätte. Jedenfalls stünde ihr aber ein Anspruch in Höhe desjenigen Zinssatzes zu, den sie selbst für die Refinanzierung des rückständigen Gesamtbetrages hätte aufwenden müssen. Dieser Zinssatz liege bei 6,67 %.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vor dem Senat gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist teilweise begründet. Das Landgericht hat der Klägerin zu Unrecht die verlangten Zinsen in vollem Umfang zugesprochen.
I.
Die Klägerin kann gemäß § 286 Abs. 1 BGB lediglich 7,5 % Zinsen seit dem 13. November 1985 auf den ihr vom Landgericht zuerkannten Betrag verlangen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat angeschlossen hat, steht einem Darlehensgeber, der nach der Fälligstellung die Rückzahlung des Darlehens fordert, für die Folgezeit kein vertraglicher Anspruch auf Zinsen und Überziehungsprovision zu (BGH WM 1986, 8).
Es kann deshalb dahinstehen, ob die Regelung in Nr. 5 der Darlehensbedingungen der Klägerin, wonach diese für die Zeit des Zahlungsverzuges die für Überziehungen festgesetzten Zinssätze und Provisionen in Rechnung stellen darf, gegen § 11 Nr. 5 b des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt. Denn diese, eine Zinsvereinbarung enthaltende Bedingung ist im vorliegenden Fall nicht mehr anwendbar, nachdem die Klägerin das Vertragsverhältnis mit der Beklagten gekündigt hat.
Der Verzugsschadensersatzanspruch der Klägerin beschränkt sich daher auf den kraft Gesetzes gemäß § 286 BGB ersatzfähigen Schaden. Ersatzfähig ist danach aber nur der sogenannte Verzögerungsschaden, das ist der Nachteil, der gerade durch die verspätete Leistungserbringung entsteht. Es ist also der Klägerin nur der Schaden zu ersetzen, der darin besteht, daß ihr der ausgezahlte Kreditbetrag nach der Kündigung nicht zurückgezahlt worden ist.
II.
Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß sie wegen der verspäteten bzw. der bis heute noch nicht erfolgten Rückzahlung des fälliggestellten Betrages ein anderes Ausleihgeschäft unterlassen habe. Sie dürfte als Geldinstitut auch ohne weiteres in der Lage sein, sich auf dem Geldmarkt die Finanzierungsmittel zu besorgen, die sie für alle sich bietenden Kreditgeschäfte der hier in Rede stehenden Größenordnung benötigt. Sie kann deshalb auch nicht denjenigen Zinsbetrag geltend machen, den sie als Ertrag aus einem anderweitig gewährten Darlehen zu Durchschnittsbedingungen erwirtschaftet hätte. Dieser Ertrag ist durch die im Regelfall mögliche Beschaffung der benötigten Geldbeträge gewährleistet und wird nicht etwa durch eine verspätete Rückzahlung des gekündigten Darlehens vereitelt. Einen von diesem Normalfall abweichenden Sachverhalt hat die Klägerin nicht behauptet. Ihr Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung, wonach sich die Klägerin nicht darauf verweisen zu lassen brauche, daß es ihr möglich gewesen wäre, die erforderlichen Geldmittel zu beschaffen, trifft nicht zu. Aus der zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 26. März 1984 (WM 1984, 1181) folgt dies nicht, und auch das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat in dem Urteil vom 7. Mai 1985 (WM 1985, 938) auf den hier vertretenen Standpunkt hingewiesen.
Ebensowenig kann die Klägerin die beanspruchten Zinsen aus dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) mit der in der mündlichen Verhandlung angestellten Erwägung geltend machen, der Gewinn liege letztlich in Höhe des vertraglich vereinbarten Ratenkreditsatzes. Denn der Schaden folgt - wie der Senat zu dieser Frage bereits in dem Urteil vom 11. März 1986 (3 U 137/86) ausgeführt hat - nicht aus der verzögerten Rückzahlung des fälliggestellten Darlehensbetrages, sondern ausschließlich aus der Kündigung des Darlehensvertrages und der sich daraus ergebenden Nichterfüllung. Insoweit aber gewährt § 286 BGB der Klägerin keinen Anspruch auf den entgangenen Gewinn; vielmehr könnte sich die Klägerin dafür allenfalls auf einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß §§ 325 oder 326 BGB stützen. Beide Vorschriften setzen allerdings ein fortbestehendes Vertragsverhältnis voraus, an dem es hier jedoch infolge der Kündigung des Kreditvertrages gerade fehlt.
Der Verzögerungsschaden der Klägerin besteht somit lediglich darin, daß sie für den fälliggestellten und ihr bislang vorenthaltenen Betrag weiterhin Geldbeschaffungskosten aufwenden muß. Diese Geldbeschaffungskosten reduzieren sich aber auf den von ihr für den fälliggestellten Betrag zu zahlenden Refinanzierungszins und einen allgemein auf die Refinanzierung entfallenden Personal- und Verwaltungsaufwand. Letzterer ist von der Klägerin nicht näher erläutert worden, so daß dieser Aufwand vom Senat gemäß § 287 ZPO nur relativ niedrig veranschlagt werden kann, und zwar mit ca. 1 %. Rechnet man dazu einen reinen Finanzierungszins in Höhe von annähernd 6,5 % - in dieser Größenordnung liegt auch der von der Klägerin angegebene Prozentsatz -, so ergibt sich letztlich ein Verzugsschadensersatzanspruch in Höhe von 7,5 %.
III.
Dieses Ergebnis, nämlich das Vorhandensein eines Zinsanspruches lediglich in Höhe der Refinanzierungskosten, führt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu einer unbilligen Besserstellung des sich vertragswidrig verhaltenden Darlehensnehmers gegenüber demjenigen, der die vereinbarten Vertragszinsen entrichtet. Wenn der Darlehensgeber sich für die Dauer der vorgesehenen Vertragslaufzeit den vollen vertraglichen Zinsanspruch erhalten will, so kann er dies ohne weiteres dadurch erreichen, daß er von einer vorzeitigen Fälligstellung des Gesamtkredites Abstand nimmt. Dann kann er nicht nur den vereinbarten Zins weiterverlangen, sondern auch noch Verzugszinsen in Höhe der Refinanzierungskosten auf die einzelnen rückständig gebliebenen Raten. Wenn er aber selbst an dem Vertrag nicht mehr festhalten will, dann kann er auch nicht erwarten, daß er neben dem fälliggestellten Gesamtkredit auch noch den vollen Vertragszins weiter erhält.
IV.
Die Zinsen in Höhe von 7,5 % stehen der Klägerin jedoch erst seit dem 13. November 1985, dem Tag der Zustellung des Mahnbescheides vom 8. November 1985, zu. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Beklagte nicht bereits durch die Kündigung und Fälligstellung des Darlehens gemäß § 284 Abs. 2 Satz 2 BGB in Verzug geraten. Denn der Zahlungszeitpunkt ließ sich im Anschluß an die Kündigung nicht nach dem Kalender berechnen; er hätte vielmehr von der Klägerin festgelegt werden müssen. Die Fälligstellung allein führt noch nicht "automatisch" zum Verzug. Die Beklagte hat deshalb gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 BGB den Verzugsschaden erst seit dem Eintritt der Rechtshängigkeit zu ersetzen.
V.
Das angefochtene Urteil war daher entsprechend abzuändern. Die verfahrensrechtlichen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.