Abschnitt 3 PolUVfRdErl - Beschleunigung der Verfahrensabläufe durch verfahrenssteuernde Absprachen, Strategieentwicklung und Konzeptionserstellung
Bibliographie
- Titel
- Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei; Beschleunigung der Verfahrensabläufe insbesondere in sog. Umfangsverfahren
- Redaktionelle Abkürzung
- PolUVfRdErl,NI
- Normtyp
- Verwaltungsvorschrift
- Normgeber
- Niedersachsen
- Gliederungs-Nr.
- 21021
3.1 Ziele
Mit dem Ziel einer effektiven Strafverfolgung unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen haben Polizei und Staatsanwaltschaft
frühzeitig einen wechselseitigen Austausch über das mögliche Entstehen eines Umfangsverfahrens herzustellen und das Vorliegen eines derartigen Falles festzustellen,
Einvernehmen bezüglich der Übernahme eines solchen Verfahrens zu erzielen und
über juristische und kriminalistische Auswertungs- und Analyseergebnisse eine Ermittlungskonzeption festzulegen, die insbesondere die einzusetzenden Personalressourcen, die wesentlichen Ermittlungsphasen und den Zeitrahmen bestimmt.
Dabei ist in allen Phasen des Verfahrens ein intensiver Informationsaustausch, der auch verfahrenssteuernde Absprachen beinhaltet, sicherzustellen.
Dieser Gem. RdErl. bezweckt eine planvolle und Ressourcen schonende Steuerung des polizeilichen Personaleinsatzes sowie die Beschleunigung der Ermittlungen in Umfangsverfahren. Die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren (§ 152 Abs. 1 GVG, § 161 Abs. 1 Satz 2 StPO) bleibt hiervon unberührt. Sie wird insbesondere nicht durch die nach Nummer 3.2 herbeizuführende Verständigung eingeschränkt, von der die Staatsanwaltschaft abzuweichen berechtigt ist, wenn ihr dies sachlich geboten erscheint.
3.2 Verfahrensbeschreibung
Zur Zielerreichung und unter Beachtung des Legalitätsprinzips treffen Polizei und Staatsanwaltschaft folgende Maßnahmen oder verständigen sich über folgende Punkte:
Die Polizei stellt Straftaten, Strafzusammenhänge und Täterbeziehungen sowie kriminalistische Bewertungen, insbesondere zum prognostizierbaren oder zu erwartenden Umfang und Schwerpunkt eines Verfahrens (Nummer 26 RiStBV - siehe Bezugs-AV zu b), möglichst in Form eines Analyseberichts oder einer vorläufigen Ermittlungskonzeption, dar und legt diesen oder diese frühzeitig der Staatsanwaltschaft zwecks Abstimmung der weiteren Verfahrensweise vor.
Die Staatsanwaltschaft prüft zeitnah die Übernahme komplexer und überregionaler Ermittlungsverfahren mit unterschiedlichen staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeiten und teilt ihre Entscheidung der Polizei mit.
Die Polizei stellt die vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen dar.
Staatsanwaltschaft und Polizei bestimmen einen zeitlichen Rahmen für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens und unterscheiden dabei nach verdeckter und offener Ermittlungsphase für die Bearbeitung, bis hin zur Anklageerhebung.
Vor Aufnahme der Ermittlungen sind grundsätzlich von Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam erarbeitete und abgestimmte Ermittlungskonzepte zu fertigen und regelmäßig und/oder anlassbezogen fortzuschreiben.
Die Staatsanwaltschaft legt die sachbearbeitende Dezernentin oder den sachbearbeitenden Dezernenten einschließlich der Stellvertreterin oder des Stellvertreters fest und gibt die jeweiligen Erreichbarkeiten bekannt.
Bei der Erledigung umfangreicher Ermittlungsverfahren prüft die Staatsanwaltschaft, ob von der Möglichkeit der Übertragung der staatsanwaltschaftlichen Zuständigkeit (§ 145 GVG) Gebrauch gemacht werden kann.
Staatsanwaltschaft und Polizei treffen frühzeitig Absprachen bezüglich des Aktenaufbaus und legen die für die Täterermittlung zwingend erforderlichen Ermittlungshandlungen fest.
Staatsanwaltschaft und Polizei treffen frühzeitige Absprachen zum Umfang der Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln und der Auswertetiefe.
Staatsanwaltschaft und Polizei prüfen sorgfältig die Notwendigkeit von personal- und kostenintensiven Ermittlungshandlungen zu Beginn der operativen Ermittlungsphase (Ermittlungstiefe) mit Blick auf weniger belastende Maßnahmen zur Stützung des Tatverdachts oder zur Bestimmung des Kreises der Tatverdächtigen.
Staatsanwaltschaft und Polizei verständigen sich darüber, ob im Fall durchgeführter Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen von der Protokollierung solcher Telefongespräche abgesehen werden kann, die von vornherein erkennbar nicht dazu geeignet sind, den Tatvorwurf zu verifizieren.
Die Staatsanwaltschaft trifft frühzeitig die Entscheidung zur gezielten Ermittlung von Teilkomplexen.
Die Staatsanwaltschaft prüft eine Anwendung der §§ 154 und 154a StPO unter Beachtung des § 421 StPO und des § 143 Abs. 4 GVG bereits während der laufenden Ermittlungen.
Die Staatsanwaltschaft trifft frühzeitige Entscheidungen zu verfahrensbeschränkenden Maßnahmen (Abtrennungen, Abgaben und Einstellungen nach § 154 StPO wie z. B. Entscheidungen über den Umgang mit Randerkenntnissen).
Die Polizei strebt an, dass die zur Bewältigung eines Umfangsverfahrens eingerichtete polizeiliche Besondere Aufbauorganisation (BAO) so lange mit angemessener Personalstärke bestehen bleibt, bis die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weitestgehend abgeschlossen sind.
Alle angesprochenen Möglichkeiten zur frühzeitigen Strukturierung der Ermittlungen in Umfangsverfahren und Begrenzung des damit verbundenen Ermittlungsaufwands bedingen eine möglichst frühzeitige Abstimmung zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Sie hat am Anfang, nicht erst am Ende der Ermittlungen zu stehen und sich auf alle verfahrensrelevanten Aspekte zu erstrecken. Dabei sollte nicht nur Einvernehmen darüber bestehen, innerhalb welcher Zeit die Ermittlungen nach Möglichkeit abgeschlossen werden sollen, sondern vor allem auch darüber, wie mit anfallenden, einem zügigen Verfahrensabschluss entgegenstehenden Gesichtspunkten oder Ermittlungsergebnissen umgegangen werden soll.
Wesentliche verfahrenssteuernde und ggf. -beschränkende Absprachen sowie Aussagen oder Entscheidungen zu relevanten Rahmenbedingungen sind in allen Phasen schriftlich festzulegen, jedoch nicht zu den Verfahrensakten zu nehmen.
Außer Kraft am 1. Januar 2025 durch Nummer 5 des Runderlasses vom 1. Januar 2019 (Nds. MBl. S. 3, Nds. Rpfl. Nr. 4/2019 S. 113)