Arbeitsgericht Celle
Urt. v. 16.11.1998, Az.: 2 Ca 607/98
Wirksamkeit einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung; Voraussetzungen eines "Wichtigen Grundes"; Beleidigungen und Tätlichkeiten mit fremdenfeindlicher Gesinnung gegenüber einer Kollegin als Kündigungsgrund; Durchführung einer Interessenabwägung zwischen den Arbeitgeberinteressen und den Arbeitnehmerinteressen; Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Celle
- Datum
- 16.11.1998
- Aktenzeichen
- 2 Ca 607/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 10425
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGCE:1998:1116.2CA607.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 626 Abs. 1 BGB
- § 626 Abs. 2 BGB
Verfahrensgegenstand
Feststellung
Redaktioneller Leitsatz
Sowohl Tätlichkeiten zwischen Arbeitskollegen, die eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens beinhalten, als auch schwere, den Angesprochenen kränkende Beleidigungen sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu bilden.
In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 1998
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird zur Kostenlast des Klägers nach einem Streitwert von 7.800,00 DM abgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Frage der Wirksamkeit einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung.
Der 30 Jahre alte Kläger ist seit dem 12.05.1997 zu einem Bruttoarbeitsentgelt von 2.600,00 DM monatlich als gewerblicher Arbeitnehmer in der Wäscherei der Beklagten tätig. Diese beschäftigt regelmäßig mehr als 20 Mitarbeiter.
Der Kläger war tätig im Endbereich einer sogenannten Waschstraße, wo die gereinigte und getrocknete Wäsche auf einem Band eintrifft und von diesem Band abgepackt und in Behältnisse verstaut werden muss. Seinen ursprünglichen Sachvortrag, er sei Waschstraßenführer, hat der Kläger im Laufe des Verfahrens fallen gelassen. Diese Funktion wird ausgefüllt von dem Mitarbeiter namens .... Neben dem Kläger arbeiteten im Endbereich des Waschstraßenbandes die Zeugin ... sowie der Zeuge ... Beide sind deutscher Nationalität, jedoch aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion eingereist und der deutschen Sprache nicht perfekt mächtig.
Anlass für die Kündigung war das Geschehen am Morgen des 2. Juli 1998, an dem der Kläger die Mitarbeiterin ... gegen 8.50 Uhr aufforderte, nunmehr Frühstückspause im Pausenraum zu machen. Wie er selbst im Kammertermin vom 16. November 1998 auf Nachfrage des Gerichts angegeben hat, ist es im Betrieb der Beklagten üblich, dass die weiblichen Mitarbeiterinnen der Waschstraße um 9.00 Uhr Pause machen. Zum Zeitpunkt der Aufforderung befand sich die Mitarbeiterin ... auf der dem Kläger gegenüber liegenden Seite des Waschstraßenbandes. Nach der Aufforderung ging sie um das Waschstraßenband herum und erreichte so den auf der anderen Bandseite stehenden Kläger. Auf Grund der Örtlichkeiten musste die Klägerin diese Strecke auch zurücklegen, wenn sie den Pausenraum erreichen wollte, das war auf andere Weise, etwa durch ein Herumgehen um das Waschstraßenband in anderer Richtung, nicht möglich. Sodann kam es zwischen dem Kläger und der Zeugin ... zu einer verbalen und tätlichen Auseinandersetzung, deren Verursachung und Hergang im Einzelnen umstritten sind. Nachdem der Kläger in der Klageschrift lediglich eingeräumt hatte, dass in diesem Zusammenhang durch ihn eine "beleidigende Äußerung gefallen sein kann", ist im Laufe des Verfahrens unstreitig geworden, dass der Kläger die Formulierung "Russenschwein" gebraucht hat. Unstreitig, vom Kläger selbst angeführt und auf Nachfrage des Gerichts im Kammertermin vom 28. Oktober 1998 sowie weiter auch im Kammertermin vom 16. November 1998 bestätigt, hat die Zeugin ..., im Anschluss an die Auseinandersetzung geweint. Während der Auseinandersetzung zugegen war ebenfalls der Zeuge ..., dessen aktive Beteiligung jedoch auch im Einzelnen umstritten ist.
Der Kläger behauptet, er sei mehrfach in der Vergangenheit darauf hingewiesen worden, dass er 1,00 DM Stundenlohn mehr bekäme und dafür verantwortlich sei, dass die Arbeit hinten beim Absortieren der Wäsche reibungslos abliefe. Daher sei er auch für die Pausenorganisation verantwortlich. Die Zeugin ... habe, nachdem sie um das Bandende herumgegangen sei, von sich aus angefangen, ihn mit dem Körper und dann auch mit den Armen zurückzustoßen. Er sei dabei zurückgewichen und habe die Zeugin ... mehrfach aufgefordert, nun doch zu gehen und dies zu unterlassen. Die Zeugin sei jedoch weiter hinter ihm hergekommen, habe ihn praktisch schon ca. fünf Minuten nur herumgeschubst, als er die Äußerung getätigt habe, "jetzt hör auf Du Russenschwein". Auch habe die Zeugin ... ihn dann noch unmittelbar vor einem Sicherheitsgatter gestoßen, ihm die Tür zugeschlagen und ihn dabei eingeklemmt. Er habe dann weiter am Band gearbeitet, als sich der Zeuge ... genähert und ihn angeherrscht habe, wie er denn russische Frauen behandele. Er habe daraufhin gegenüber dem Zeugen ... erklärt, wenn die Zeugin ... ihm gegenüber keinen Respekt habe und tätlich werde, habe er ihr gegenüber auch keinen Respekt, woraufhin der Zeuge ... ihn mit der Handoberfläche der Faust von unten nach oben auf den rechten Wangenknochen geschlagen und er sodann zum Zeugen ... erklärt habe, war das alles, ich werde das nachher mit dem Meister erklären, wenn ich in die Pause gehe. Der kurz darauf hinzugetretene Betriebsleiter ... sei sodann vom Zeugen ... hinter der Waschstraße in Abwesenheit des Klägers falsch informiert worden, sodass die - unstreitig am 02. Juli 1998 ausgesprochene - Kündigung ungerechtfertigt sei.
Der Kläger beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung von 02.07.1998 beendet wurde,
- 2.
das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1998 aufzulösen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, der Kläger sei gegenüber den Mitarbeitern nicht weisungsbefugt, die Tatsache, dass er - wie unstreitig im übrigen auch der Zeuge ... - einen um 1,00 DM höheren Stundenlohn als andere Bandmitarbeiter erhalte, beruhe allein darauf, dass der Kläger in der Chemischen Reinigung in ... tätig gewesen sei und hierfür ein höherer Stundenlohn gezahlt worden sei, den die Beklagte ihm auch nach Beendigung dieser Tätigkeit belassen habe. Nicht die Zeugin ... sei von sich aus aggressiv geworden, sondern vielmehr der Kläger, als die Zeugin ... sinngemäß gemeint habe, dass sie jetzt nicht in die Frühstückspause gehen wolle. Der Kläger habe die Zeugin ... herumgeschubst, sie förmlich angegriffen und in diesem von ihm verursachten Zusammenhang dann als "Russenschwein" beschimpft, was sich auch auf den Zeugen ... bezogen habe. Dieser sei dann dazwischen gegangen und habe versucht, den Kläger davon abzuhalten, weiter tätlich gegenüber der Zeugin ... ... zu wirken, was ihm dann auch gelungen sei. Die Zeugin ... ihrerseits habe lediglich versucht, sich gegen die Angriffe des Klägers zu wehren. Eine Tätlichkeit des Zeugen ... gegenüber dem Kläger habe nicht stattgefunden. Angesichts der vom Kläger eingeleiteten Tätlichkeiten und der üblen Beleidigungen, z. B. der Bezeichnung als "Russenschwein" sei die Kündigung gerechtfertigt.
Im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle, insbesondere das des Beweistermins vom 16. November 1998 mit den dortigen Aussagen der Zeugen Taut und Laufer, verwiesen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet. Die streitbefangene Kündigung vom 02. Juli 1998 hat das Arbeitsverhältnis mit Zugang am selben Tage fristlos beendet mit der Folge, dass über den Auflösungsantrag wegen Begründetheit der Kündigung nicht mehr zu entscheiden war.
I.
1.) Nach § 626 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann; die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Kündigungsgründe erfolgen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
2.)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehen vorliegend hinreichende Tatsachen fest, die den Ausspruch einer fristlosen Kündigung grundsätzlich zu rechtfertigen geeignet sind.
a)
Durch Vernehmung der Zeugen ... und ... ist nämlich bewiesen, dass keinesfalls die Darstellung des Klägers zutrifft, er sei etwa fünf Minuten lang von der Zeugin ... provoziert worden und habe dann die Äußerung "Russenschweine" getätigt. Bewiesen ist vielmehr die gegenteilige Behauptung der Beklagten, wonach der Kläger die Zeugin ... ohne vorhergehende Provokation oder gar Angriffe von deren Seite von sich aus körperlich angegangen und beleidigt hat.
Dies steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest auf Grund der glaubhaften Aussagen der Zeugen ... und .... Nach der unmittelbar betroffenen Zeugin ... kann von einer Provokation des Klägers durch von ihr ausgehende Tätlichkeiten oder durch eine Äußerung nicht die Rede sein. Sie hat glaubhaft bekundet, sie habe auf die Aufforderung. Pause zu machen, nicht etwa von sich aus begonnen, den Kläger zu schubsen, sondern ihn auf dem Weg zum Pausenraum gefragt, warum er nicht Frühstück mache. Diese Frage der Zeugin ... war nachvollziehbar angesichts der im Kammertermin vom 16. November unstreitigen und vom Kläger ausdrücklich bestätigten Tatsache, dass die weiblichen Waschstraßenmitarbeiterinnen üblicherweise um 9.00 Uhr gemeinschaftlich Pause machen. Auch der Zeuge ... hat bestätigt, dass es sich hierbei um eine ruhige Frage der Klägerin und nicht etwa um eine provokante Äußerung gehandelt habe. Ziel der Klägerin sei es lediglich gewesen, mit den anderen Frauen zusammen Pause zu machen. Auf Grund dieser beiden Aussagen steht weiterhin fest, dass sodann nicht etwa die Zeugin ... aggressiv wurde, sondern entgegen seinen eigenen Behauptungen der Kläger selbst. Danach hat der Kläger die Zeugin ...: mit der rechten Hand angefasst, ferner geschubst mit der Folge, dass sie blaue Flecken am linken Arm davontrug und ferner die Äußerung hinsichtlich der "Russenschweine" nicht etwa auf eine Provokation der Zeugin ..., sondern von sich aus getätigt. Ferner steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass die Darstellung der Zeugin ... zutrifft, dass der Kläger sie darüber hinaus als "Arschloch" tituliert und geäußert hat, die ganze Firma sei voll mit Russen, die machten, was sie wollen. Diese Äußerung wurde zwar lediglich von der Zeugin ... bestätigt, während der Zeuge ... lediglich angegeben hat, es habe weitere Beleidigungen gegeben, die er aber infolge des laufenden Trockners und der dadurch verursachten Geräusche nicht ganz genau habe hören und auch nicht alle habe behalten können.
Die Kammer glaubt den Zeugen ... und .... Sie haben übereinstimmend bekundet, dass der Kläger bereits am frühen Morgen des Vorfalltages schon aufgeregt gewesen ist; die Schilderung des Zeugen ... der Kläger sei kein einfacher Mensch und eigentlich immer aggressiv, konnte von der Kammer selbst ... insoweit nachvollzogen werden, als dass der Kläger auch innerhalb der Verhandlung gelegentlich unvermittelt ganz erhebliches, übersteigertes Temperament entwickelte und dementsprechend von seinem Prozessvertreter beruhigt werden musste. Die zu den Zeugenaussagen konträre Sachdarstellung des Klägers ist offensichtlich unzutreffend. Das beginnt schon damit, dass der Kläger zunächst im Prozess hat vortragen lassen, er sei Waschstraßenführer, was zur Überzeugung der Kammer dergestalt zu erklären ist, dass der Kläger sich auf diesem Wege Weisungskompetenzen zuschreiben und seine Pausenanweisung plausibel machen wollte. Das deckt sich mit den Bekundungen der Zeugin ..., wonach der Kläger in der Zusammenarbeit für sich eine Führungspositiion geltend gemacht habe. Diese Sachverhaltsdarstellung, er sei Waschstraßenführer, hat der Kläger sodann im Prozessverlauf aufgegeben, ohne dass ersichtlich wäre, dass er insofern einem Irrtum unterlegen gewesen wäre. Die Sachdarstellung des Klägers war somit in diesem Punkt schlichtweg falsch. Sie war des weiteren auch bewusst verharmlosend, indem der Kläger in der Klageschrift lediglich zugestanden hatte, dass eine beleidigende Äußerung gefallen sein könne. Angesichts der unstreitigen Äußerung "Russenschweine" ist dies als weiterer Beschönigungsversuch des Klägers und als bewusste Falschdarstellung zu werten. Auch diesbezüglich hat der Kläger nicht etwa angegeben, er sei einem Erinnerungsfehler o.Ä. unterlegen. Bereits aus dieser in zwei Punkten bewusst unwahren Sachdarstellung wird deutlich, dass der Kläger von Anfang an die Notwendigkeit sah, den Sachverhalt zu beschönigen und gefärbt darzustellen. Das setzt sich insoweit fort, als dass der Kläger behauptet hat, er sei vor der beleidigenden Äußerung etwa fünf Minuten lang persönlich von der Zeugin ... angegangen worden. Das ist definitiv falsch. Zwischen den Parteien war unstreitig und beide Zeugen haben dementsprechend auch übereinstimmend bekundet, dass die Zeugin ... im Anschluss an das Geschehen schlichtweg geweint hat. Das bedeutet, dass nach Sachdarstellung des Klägers die Zeugin ... die Courage und Aggressivität besessen haben soll, ihn ohne weiteres durch Schubsen körperlich anzugehen, danach aber, ohne dass der Kläger seinerseits körperlich aktiv geworden sein will, nur auf Grund der Äußerung "Russenschweine" in Tränen ausgebrochen sein soll. Diese Schilderung einer Menschenpersönlichkeit ist schon abstrakt in sich nicht stimmig und widersprüchlich, passt auch nicht zu dem persönlichen Eindruck, den die Kammer von der Zeugin ... gewonnen hat. Sie verfügt nicht über eine derart inhomogene Persönlichkeit, als dass sie in einem Moment von sich aus körperlich aggressiv wird, dies mehrere Minuten durchhält, um dann in der nächsten Zeit auf Grund einer verbalen Äußerung in Tränen auszubrechen. Vielmehr war die Zeugin ... während der gesamten, auch wiederholten Vernehmung und auch auf Befragen des Gerichts und der Prozessparteien stets ruhig und besonnen, es entstand für die Kammer der durchgehende Eindruck, dass es ihr lediglich darum ging, mit den anderen Mitarbeiterinnen zusammen Pause zu machen, wie dies unstreitig üblich war. Ein gegenüber der Zeugin ... noch ruhigeren Eindruck machte ferner der Zeuge ..., der, wie ansatzweise auch die Zeugin ..., in seiner Art. schon bieder wirkte. Beide Zeugen wirkten in ihrer Art. geradezu unbefangen, sodass es sich um höchst professionelle Falschaussagen dieser beiden Zeugen hätte gehandelt haben müssen, wenn die Darstellung des Klägers zutreffen sollte, er sei in der von ihm behaupteten Art. von der Zeugin ... provoziert worden. Dabei bestand in der Art. der beiden Zeugenaussagen insofern ein Unterschied, als dass der Zeugin ... ein gewisser Ärger über das vergangene Verhalten des Klägers anzumerken war, nur - dieser Ärger war echt und berechtigt, gerade dieser Ärger auch verständlich und glaubwürdigkeitssteigernd, ebenso auch die Aussage des Zeugen ..., die schon deshalb noch ruhiger erfolgte, weil er weniger in das Geschehen involviert war.
Zu derartigen Falschdarstellungen in der vorgenommenen Weise wären zur vollen Überzeugung der Kammer beide Zeugen weder intellektuell in der Lage, noch haben sie hierzu nach dem tatsächlichen Sachverhalt auch nur eine Veranlassung gesehen. Voll ... stimmig wird, hingegen die Sachdarstellung der Beklagten, wenn man das dem Kläger eigene Temperament mit einbezieht und weiterhin berücksichtigt, dass er noch mit Schriftsatz vom 24. August 1998 vorgetragen hat, dass die Beklagte in der Vergangenheit immer mehr "Deutschrussen" eingestellt habe. Diesen Sachvortrag hat der Kläger bei seiner Anhörung im Kammertermin vom 28. Oktober 1998 nicht näher erläutern können, insbesondere nicht angeben können, warum dieser Sachvortrag erfolgt ist. Nachdem er in diesem Kammertermin vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden war, dass es ihm als Arbeitnehmer nicht zustehe, der Arbeitgeberseite die Nationalität oder auch nur die Herkunft der Mitarbeiter vorzuschreiben, die sie einstellt, hat der Kläger nicht etwa im Kammertermin vom 28. Oktober 1998 klargestellt, dass er nichts gegen die Einstellung von sogenannten "Deutschrussen" einzuwenden habe. Dergleichen ist vielmehr erst im Termin vom 16. November 1998 erfolgt, als das Thema von Seiten der Kammer vorsichtig erneut angesprochen wurde. Daraufhin jedoch hat der Kläger dermaßen spontan, laut und deutlich klargestellt, dass er gegen "Deutschrussen" nichts einzuwenden habe, dass die Kammer insofern von einer offensichtlichen Einstimmung des Klägers durch seinen Prozessvertreter ausgehen muss. Dieser Sachvortrag des Klägers im Schriftsatz vom 24.08.1998 erklärt sich auch nicht damit, dass die Beklagte jedenfalls nach Behauptung des Klägers für diese Mitarbeiter "zum Teil wohl" Zuschüsse des Arbeitsamtes bezogen haben soll. Aus der Tatsache, dass der Kläger diese Behauptung höchst vage aufgestellt hat (ins Blaue?) und dies auch nur auf einen Teil der sogenannten "Deutschrussen" bezogen hat, ergibt sich, dass dies jedenfalls nicht der Anlass für ihn war, generell zur Einstellung von "Deutschrussen" Stellung zu nehmen. Dieser Sachvortrag des Klägers deckt sich im übrigen mit der weiteren von der Zeugin ... bestätigten Beleidigung, die ganze Firma sei voll von Russen, die machten, was sie wollen. Das erhöht die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin ... auch insoweit; die Kammer folgt dieser Aussage auch hinsichtlich der weiteren Beleidigung und Titulierung der Zeugin ... als "Arschloch".
Bewiesen ist zur Überzeugung der Kammer auch, dass nicht etwa der Zeuge ... gegenüber dem Kläger tätlich wurde. Die Kammer glaubt dem Zeugen ... aus den obengenannten Gründen und auf Grund der Art. und Weise seiner Sachverhaltsdarstellung auch insofern. Wenn diese Sachdarstellung des Klägers hinsichtlich eines Schlages durch den Zeugen ... zuträfe, wäre auch unverständlich, warum der Kläger, wie er angibt, lediglich mit der Frage reagiert haben sollte, ob dies alles gewesen sei, er werde das nachher dem Meister erklären, wenn er in die Pause gehe. Angesichts einer Tätlichkeit durch den - ruhigen und biederen - Zeugen ..., die schon von dessen Naturell her für die Kammer kaum vorstellbar erscheint, wäre es jedenfalls für die Kammer angesichts des Temperaments des Klägers unvorstellbar, dass dieser lediglich mit einer solch völlig beherrschten Äußerung reagiert haben sollte, zumal er schon auf Grund der vorherigen Ereignisse und der auch seiner Sachverhaltsdarstellung im Schriftsatz vom 24. August 1998 zuvor erfolgten Äußerung hinsichtlich der "Russenschweine" und Zu Unrecht macht der Kläger - mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23.11.98 - auch geltend, dass die Zeugin ... um die Maschine (gemeint: Waschstraße) herumgegangen und nicht etwa auf direktem Wege zur Kantine (gemeint: Pausenraum), sondern zum Kläger gegangen sei. Diese Darstellung ist entstellend und entspricht nicht dem Inhalt der Verhandlung. Es war gerade unstreitig, dass um die Waschstraße herumgegangen werden musste, um den Pausenraum zu erreichen, eine andere Möglichkeit besteht nicht. In der Tat hat dann die Zeugin ... beim Kläger die besagte Frage gestellt, wobei aber der Kläger im Termin auf Nachfrage der Beklagten bestätigt hat, dass der Abstand vom regulären Pausenweg zum Standort des Klägers allenfalls drei Meter betrug. Diese besagte "Pausenfrage" hat die Beklagte jedoch nie bestritten, in ihr lag keine Provokation, da es etwa 8.50 Uhr war und die Frauen üblicherweise um 9.00 Uhr Pause machten; die vom Kläger behauptete Tätlichkeitsinitiative ist widerlegt auch angesichts der krassen Widersprüche in den eigenen Einlassungen des Klägers.
b)
Die bewiesenen Tatsachen rechtfertigen die ausgesprochene fristlose Kündigung.
Sowohl Tätlichkeiten zwischen Arbeitskollegen, die eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens beinhalten, als auch schwere, den angesprochenen kränkende Beleidigungen sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung zu bilden (KR/Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz. 310 m.w.N.; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rzn. 138 ff.). Obwohl zur vollen Überzeugung der Kammer auch feststeht, dass der Kläger die Zeugin ... als "Arschloch" tituliert und die Äußerung getätigt hat, die ganze Firma sei voll mit Russen, die machten was sie wollen, braucht in diesem Zusammenhang lediglich auf die Bezeichnung der Zeugen als "Russenschweine" abgestellt zu werden, da dies zur Begründung der Kündigung bereits für sich betrachtet vollständig hinreicht. Mit dieser Äußerung sind nämlich die Zeugen gleichgestellt worden mit Lebewesen einer niedrigeren Entwicklungsstufe, nämlich mit Tieren. Dies ist vor dem Lichte der Menschenwürde aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG), der bei der Definition des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB zumindest wertmäßig mit einzufließen hatte, eine schwerwiegende, betriebsstörende und unakzeptable Beleidigung.
Für sich als Kündigungsgrund geeignet ist auch die Tatsache, dass der Kläger gegenüber der Zeugin als Frau und Dame tätlich wurde mit der Folge, dass diese sogar erkennbare Hämatome davontrug.
Erst recht zur Begründung eines verhaltensbedingten außerordentlichen Kündigungsgrundes geeignet ist die Kombination der vorgenannten Umstände, nämlich die Tatsache, dass sich aus der Äußerung des Klägers eine fremdenfeindliche Einstellung gegenüber aus Rußland stammenden deutschen Staatsangehörigen ergibt, die der Kläger nicht nur verbal verbreitet hat, sondern der er im wahrsten Sinne des Wortes durch körperliches "Schubsen" zusätzlichen "Nachdruck" verliehen hat.
3.)
Die abschließende Zumutbarkeitsprüfung nach § 626 Abs. 1 BGB ergibt unter Berücksichtigung der Interessen der jeweiligen Vertragsparteien, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist des Klägers mit dem 31.07.1998 (§ 622 Abs. 2 BGB) nicht angesonnen werden kann. Hinsichtlich der Sozialdaten des Klägers war dabei zunächst einzustellen, dass er lediglich etwa 14 Monate bei der Beklagten beschäftigt war, mithin lediglich eine sehr geringe Betriebszugehörigkeit aufwies. Des weiteren ist der Kläger mit 30 Lebensjahren so jung, dass von dieser Kündigung nicht etwa seine gesamte berufliche Zukunft abhängt wie dies möglicherweise bei einem älteren, schwer vermittelbaren Arbeitnehmer der Fall wäre. Der Kläger ist gelernter Maler und hat daher auch Arbeitsmarktchancen.
Entscheidend ist im Zusammenhang mit der Interessenabwägung jedoch, dass zur vollen Überzeugung der Kammer nicht etwa der unstreitigen Äußerung des Klägers und den bewiesenen vom Kläger vorgenommenen Tätlichkeiten eine Provokation der Zeugin Taut vorausging, sondern der Kläger derjenige war, der von sich aus aggressiv geworden ist. Auf den bei der Interessenabwägung grundsätzlich relevanten Umstand einer vorherigen Provokation oder Reizung (vgl. Kittner/Trittin a.a.O. Rz. 139 m.w.N.) kann der Kläger sich mithin vorliegend nicht berufen.
Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte unstreitig eine nicht unerhebliche Anzahl von Deutschen beschäftigt, die aus Rußland übersiedelt sind, ergibt sich auf Grund der im obigen Sinne schwerwiegenden Gleichsetzung dieser Arbeitnehmer mit Tieren bereits hinreichend, dass das Auflösungsinteresse der Beklagten bei objektiver Betrachtung das Interesse des Klägers am Erhalt des Arbeitsplatzes überwiegt. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass er sich zuvor arbeitsvertraglich stets völlig korrekt verhalten hat und wenn man weiter zu Gunsten des Klägers seine Behauptung als wahr unterstellt, er habe zumindest eine Pausenanordnungskompetenz gehabt, wäre angesichts der schlichten Frage der Zeugin ... ob er nicht Pause machen wolle (Gemeint: Damit sie später mit den Mitarbeiterinnen zusammen Pause machen könne) die Titulierung dieser Zeugin und der anderen entsprechenden Arbeitnehmer als "Russenschweine" völlig unangemessen und überzogen, weil nachweislich unprovoziert mit der Folge, dass bereits diese Äußerung für sich angesichts des nichtigen Anlasses zum Ausspruch der Kündigung auch unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung ausreicht.
Unabhängig davon reicht für sich auch im Rahmen der Interessenabwägung bereits aus die Tatsache, dass der Kläger gegenüber einer Frau und Dame handgreiflich geworden ist und ihr Hämatome zugefügt hat. Die Tätlichkeit gegenüber einer Frau wiegt jedenfalls noch schwerer als gegenüber einem männlichen Wesen, auch wenn der Zeugin ... eine gewisse äußerliche Robustheit nicht abzusprechen ist. Eine derartige Vorgehensweise des Klägers läßt jeglichen Respekt und jegliche natürliche Achtung gegenüber dem anderen Geschlecht vermissen.
Erst recht ausreichend zur Begründung der Kündigung auch vor dem Lichte der Interessenabwägung ist die Kombination der beiden obengenannten Umstände, nämlich die Tatsache, dass sich aus der Äußerung des Klägers eine starke und nicht tolerable Fremdenfeindlichkeit ergibt (vgl. Kittner/Trittin a.a.O. Rz. 141 m.w.N.), die der Kläger nicht nur verbal, sondern auch aktiv durch Tätlichkeiten herausgestellt hat. Dergleichen ist erst recht inakzeptabel und führt angesichts einer derart kurzen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seines geringen Lebensalters zur sofortigen fristlosen Beendigung. Eine Fortbeschäftigung war der Beklagten auch bis zum 31.07.1998 unzumutbar, ebenso der Ausspruch einer Abmahnung. Sowohl die Beleidigung für sich als auch die Tätlichkeit für sich als auch die Kombination dieser beiden Umstände haben zu einer auch durch eine etwaige Abmahnung nicht zu beseitigenden Zerrüttung des erforderlichen Vertrauens als Grundlage für das vorliegende Arbeitsverhältnis geführt. Der Kläger mag bedenken, dass die Zeugin Taut unstreitig im Anschluss an diesen Vorfall geweint hat. Dies zur vollen Überzeugung der Kammer nicht etwa deshalb, weil sie persönlichkeitsgespalten einerseits auf den Kläger aggressiv zugegangen, andererseits dann aber übersentimental geworden wäre, sondern schlichtweg im Hinblick auf die Intensität der gesamten Vorgehensweise des Klägers. Dergleichen berechtigte die Beklagte jedenfalls zum Ausspruch der fristlosen Kündigung, wenn es sich nicht sogar hierbei um eine Obliegenheit der Beklagten handelte.
In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, dass der Kläger nach seiner Behauptung vom Zeugen ... geschlagen wurde. Dies soll auch nach der Behauptung des Klägers nach der streitbefangenen Konfrontation und der Beleidigung der Zeugin ... geschehen sein mit der Folge, dass dieses Verhalten des Zeugen ..., das der Kläger behauptet, für die vorliegende Kündigung und dem bereits gesetzten Kündigungsgrund allenfalls insofern Bedeutung erlangen könnte, als dass die Beklagte dem nach der Behauptung des Klägers tätlich gewordenen Zeugen ... nicht gekündigt hat. Auch dieser Umstand kann jedoch nicht zu Gunsten des Klägers in die Interessenabwägung eingehen, da zur Überzeugung der Kammer aus obengenannten Gründen gerade feststeht, dass der Zeuge ... gegenüber dem Kläger nicht tätlich geworden ist. Selbst aber dann, wenn der Zeuge ... den Kläger geschlagen hätte, würde dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung des Klägers unter dem Gesichtspunkt einer sog. herausgreifenden Kündigung führen, denn zum einen hat der Zeuge ... - anders als der Kläger - niemanden beleidigt, zum anderen hat er keine Frau geschlagen. Auch wäre ein Schlag des Zeugen ... eher entschuldbar angesichts des provokanten, beleidigenden und tätlichen Verhaltens, das der Kläger zuvor gezeigt hatte.
4.)
Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten: die Kündigung ging noch am Vorfallstage zu.
II.
Auf den Auflösungsantrag des Klägers war nicht näher einzugehen. Beim Auflösungsantrag des Arbeitnehmers handelt es sich der Rechtsnatur nach um einen sogenannten unechten (uneigentlichen) Eventualantrag, der nur dann gestellt sein soll, wenn sich im Kündigungsschutzverfahren die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung erwiesen hat (vgl. etwa KR/Trittin a.a.O. § 9 KSchG Rz. 33 m.w.N.). Da die Kündigung wirksam ist, entfällt demnach eine Verbescheidung des Auflösungsantrages.
III.
Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wobei der Streitwert gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen anzusetzen war.
Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden,
- 1)
wenn es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt,
oder
- 2)
wenn es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und in diesem Fall entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM übersteigt oder das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert beträgt 7.800,00 DM.