Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.04.1994, Az.: 3 B 3220/94
Rechtmäßigkeit einer Rückkehraufforderung; Notwendigkeit einer sofort vollziehbaren und umgehend zwangsweise durchsetzbaren ausländerrechtlichen Maßnahme ; Beseitigungspflichten bezüglich eines rechtswidrigen Zustands; Rückkehrpflicht eines Asylsuchenden in das ihm zugewiesene Bundesland; Gültigkeit einer Zuweisungsentscheidung im Asylverfahrensrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.04.1994
- Aktenzeichen
- 3 B 3220/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 17142
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1994:0429.3B3220.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 5 VwGO
- § 187 Abs. 3 VwGO
- § 70 Abs. 1 NVwVG
- § 22 Abs. 5 AsylVfG
- § 1 Abs. 1 VwVfG
- § 55 Abs. 1 S. AsylVfG
- § 55 AuslG
Verfahrensgegenstand
Streitgegenstand: Rückschaffung an den früheren Aufenthaltsort,
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO.
Prozessführer
Frau ... Staatsangehörigkeit: libanesisch
Prozessgegner
...
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und gemäß § 22 Abs. 5 AsylVfG einem bestimmten Bundesland zugewiesen worden sind, sind verpflichtet, dorthin zurückzukehren, wenn sie ihren Aufenthalt ohne Erlaubnis auf Dauer in ein anderes Bundesland verlegt haben. Diese Rückkehrverpflichtung ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der einen rechtswidrigen Zustand geschaffen hat, zu dessen Beseitigung verpflichtet ist.
- 2.
Der Zweck des § 22 Abs. 1 AsylVfG besteht darin, einen angemessenen Ausgleich der durch die große Anzahl von Asylbewerbern entstehenden Lasten unter den Bundesländern zu ermöglichen. Dieser Zweck entfällt nicht dadurch, dass der Asylantrag eines Ausländers endgültig abgelehnt wird. Zudem ist in diesem Fall der Ausländer grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet.
- 3.
Die Zuweisungsentscheidung nach § 22 Abs. 5 AsylVfG bleibt auch bei einer bestandskräftigen Ablehnung des Asylantrages solange wirksam, bis der Ausländer ausgereist ist oder ihm der Aufenthalt ungeachtet der bestandskräftigen Asylablehnung aus asylverfahrensunabhängigen Gründen ermöglicht wird.
In der Verwaltungsrechtssache
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen
am 29. April 1994
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 08.06.1993 in der Fassung der Vollziehungsanordnung vom 14.03.1994 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die die libanesische Staatsangehörigkeit besitzt, wendet sich dagegen, daß der Antragsgegner sie und ihren minderjährigen Sohn unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgefordert hat, sowohl das Gebiet des Landkreises ... als auch das Land ... zu verlassen und nach ... zurückzukehren.
Die Antragstellerin, die am ... 1989 für sich und ihren minderjährigen Sohn dp (geboren 1979) einen Asylantrag gestellt hatte, wurde für die Dauer des Asylverfahrens zusammen mit ihrem Sohn durch bestandskräftigen Zuweisungsbescheid der Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen vom ... 1989 dem Land Nordrhein-Westfalen (Stadt Lennestedt, Kreis Olpe) zugewiesen.
Mit am 11.06.1991 bestandskräftig gewordenem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23.04.1991 wurden die Asylanträge der Antragstellerin und ihres Sohnes abgelehnt sowie festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen.
Ohne weitere aufenthaltsrechtliche Entscheidungen des Kreises ... und ohne das Ergebnis ihres am 08.03.1991 gestellten Umverteilungsantrages von Nordrhein-Westfalen nach Niedersachsen abzuwarten, zog die Antragstellerin mit ihrem Sohn am ... 1991 nach Niedersachsen um und nahm ihren Wohnsitz in ...; dort wohnt der 1964 geborene Sohn ... der Antragstellerin. Die Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen stellte am 09.08.1991 das Umverteilungsverfahren ein.
Mit Verfügung vom 07.11.1991 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin und ihren Sohn erfolglos auf, nach ... zurückzukehren.
Am 03.12.1991 bat die Antragstellerin im Rahmen eines beim Niedersächsischen Landtag eingereichten Petition darum, in den Landkreis ... umverteilt zu werden. Sie wolle weiterhin in ... wohnen, um ihren Sohn ... der sich in psychotherapeutischer Behandlung befinde und ihrer Zuwendung bedürfe, betreuen zu können. Daraufhin teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Schreiben vom 09.12.1991 mit, er werde - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - bis zur Entscheidung über die Petition von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen absehen. Das Petitionsverfahren, das sich bis März 1993 hinzog, blieb erfolglos.
Mit Bescheid vom 08.06.1993 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, mit ihrem Sohn ... unverzüglich den Landkreis ... und das Land Niedersachsen zu verlassen und nach .../Kreis ... in Nordrhein-Westfalen zurückzukehren; damit verband er die Androhung unmittelbaren Zwangs.
Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.06.1993 Widerspruch ein und begehrte gleichzeitig beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz (4 B 4254/93) mit dem Ziel, ihr und ihrem Sohn ... vorläufig den Aufenthalt in ... zu gestatten. Dieses Verfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluß vom 07.10.1993 eingestellt, nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, daß die vom Antragsgegner erlassene Rückkehraufforderung mangels angeordneten Sofortvollzugs derzeit nicht vollziehbar sei.
Mit Schreiben vom 14.03.1994 ordnete der Antragsgegner im Nachgang zu seinem Bescheid vom 08.06.1993 gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung seiner Aufforderung zum Verlassen des Landkreises ... an, wobei das Verlassen des Landkreises unverzüglich innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Schreibens zu erfolgen habe. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei erforderlich, weil die Antragstellerin und ihr Sohn sich im Landkreis ... illegal aufhielten. Die Entscheidung über den weiteren Aufenthalt obliege allein dem Kreis ... als zuständiger Ausländerbehörde. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei außerdem notwendig, da die Rückkehr der Antragstellerin und ihres Sohnes in den Kreis ... dringend geboten sei, damit dort alsbald eine aufenthaltsrechtliche Entscheidung getroffen werden könne. Darüber hinaus habe der Landkreis ... - bedingt durch den illegalen Aufenthalt in seinem Zuständigkeitsbereich - Sozialhilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes über die Stadt ... als Delegationsbehörde zu leisten, für die sonst der Kreis ... aufzukommen habe. Die dadurch eingetretene Lastenverschiebung bei der Gewährung öffentlicher Mittel zu Ungunsten des Landkreises ... könne auf Dauer nicht hingenommen werden.
Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30.03.1994 Widerspruch eingelegt und gleichzeitig bei Gericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung macht sie geltend: Es bestehe keinerlei Veranlassung und rechtliche Notwendigkeit, den Bescheid vom 08.06.1993 nach nunmehr 10 Monaten für sofort vollziehbar zu erklären. Dieses Verhalten des Antragsgegners sei rechtsmißbräuchlich und willkürlich. Da er es noch immer nicht für nötig erachte, über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 08.06.1993 zu entscheiden, könne er sich nicht darauf berufen, daß dieser Bescheid nunmehr sofort vollzogen werden müsse. Im übrigen sei dieser Bescheid auch materiell rechtswidrig. Sie, die Antragstellerin, halte sich mit ihrem minderjährigen Sohn ... seit dem 03.06.1991 in ... im Landkreis ... auf; dieser Aufenthalt sei dem Antragsgegner bekannt gewesen. Ihr Sohn ... gehe in ... auf die Hauptschule und sei in die ... Umgebung voll integriert. Ihr 29jähriger Sohn ... sei, da ihr Ehemann nicht in Deutschland sei, das "natürliche" Familienoberhaupt und der "Vaterersatz" des minderjährigen Sohnes ... Wenn der Antragsgegner den aus Gründen der Familienzusammenführung erfolgten Aufenthalt von ihr und ihrem Sohn ... länger als zwei Jahre geduldet habe, könne er sich nicht auf die Zuständigkeit des Kreises ... berufen. Zudem ergebe sich aus dem richterlichen Hinweis vom 16.09.1993 in dem vorangegangenen gerichtlichen Eilverfahren 4 B 4254/93, daß für etwaige ausländerrechtliche Entscheidungen der Antragsgegner und nicht der Kreis ... zuständig sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 08.06.1993 in der Fassung der Vollziehungsanordnung vom 14.03.1994 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hält seinen angefochtenen Bescheid in der Fassung der hierzu nachträglich erlassenen Vollziehungsanordnung für rechtmäßig und tritt den Ausführungen der Antragstellerin im einzelnen entgegen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Gerichtsakte 4 B 4254/93 und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der Beratung waren.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Soweit er darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Rückkehraufforderung nach Nordrhein-Westfalen wiederherzustellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO), ist er zulässig. Entsprechendes gilt für die Androhung unmittelbaren Zwanges, die kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (§ 187 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 70 Abs. 1 NVwVG, 42 Abs. 4 Nds. SOG).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Kammer sieht keinen Anlaß, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 08.06.1993 i.d.F. der Vollziehungsanordnung vom 14.03.1994 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, soweit der Antragsgegner die Antragstellerin und ihren minderjährigen Sohn zur unverzüglichen Rückkehr nach Nordrhein-Westfalen aufgefordert und zur Durchsetzung dieser Rückkehraufforderung die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht hat. Denn der hiergegen von der Antragstellerin eingelegte Widerspruch erscheint aussichtslos. Demzufolge überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 08.06.1993 das private Interesse der Antragstellerin und ihres minderjährigen Sohnes.
Die Vollziehungsanordnung vom 14.03.1994, vor deren Erlaß es keiner besonderen Anhörung bedurfte (vgl. OVG Lüneburg, Beschluß vom 28.04.1989 - 1 OVG B 114/88 -, DVBl. 1989, 887/888), konnte zulässigerweise nachträglich gesondert erlassen werden (vgl. Kopp, VwGO, 9. Aufl. 1992, § 80 Rn. 62). Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung seiner Rückkehraufforderung im Bescheid vom 08.06.1993 hinreichend i.S.d. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich begründet. Er hat zur Begründung u.a. darauf hingewiesen, daß die Antragstellerin und ihr minderjähriger Sohn sich illegal in Niedersachsen aufhielten und daß ihre Rückkehr nach Nordrhein-Westfalen dringend geboten sei, damit dort alsbald von dem Kreis ... als der zuständigen Ausländerbehörde eine aufenthaltsrechtliche Entscheidung getroffen werden könne. Damit hat der Antragsgegner auf die Notwendigkeit einer sofort vollziehbaren und umgehend zwangsweise durchsetzbaren ausländerrechtlichen Maßnahme hingewiesen, die geeignet ist, einen durch die Antragstellerin und ihren minderjährigen Sohn geschaffenen ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen. Eine derartige Begründung wird dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend gerecht. Der Aufführung von Einzelheiten dazu, warum der Antragsgegner die Angelegenheit als "besonders eilbedürftig" betrachte, bedurfte es insoweit entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Insbesondere ist der Umstand, daß im Zeitpunkt des Erlasses der Sofortvollzugsanordnung vom 14.03.1994 über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 08.06.1993 noch nicht entschieden war, im vorliegenden Zusammenhang rechtlich irrelevant.
Die im Bescheid vom 08.06.1993 i.d.F. der Vollziehungsanordnung vom 14.03.1994 enthaltene, gegen die Antragstellerin und ihren minderjährigen Sohn ... gerichtete Aufforderung, unverzüglich nach Nordrhein-Westfalen in die Stadt .../Kreis ... zurückzukehren, ist rechtmäßig.
Ausländer, die - wie hier die Antragstellerin und ihr Sohn - einen Asylantrag gestellt haben und gemäß § 22 Abs. 5 AsylVfG 1982/91 einem bestimmten Bundesland (hier: Nordrhein-Westfalen) zugewiesen worden sind, sind verpflichtet, dorthin zurückzukehren, wenn sie ihren Aufenthalt ohne Erlaubnis auf Dauer in ein anderes Bundesland (hier: Niedersachsen) verlegt haben. Diese Rückkehrverpflichtung ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, daß derjenige, der einen rechtswidrigen Zustand geschaffen hat, zu dessen Beseitigung verpflichtet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.03.1992 - 9 C 155.90 -, NVwZ 1993, 276/277).
Allein der Antragsgegner war zur Durchsetzung der hier mit dem Verlassen Nordrhein-Westfalens entstandenen Rückkehrverpflichtung der Antragstellerin und ihres minderjährigen Sohnes befugt, nachdem diese im Juni 1991 ihren Aufenthalt in ... Landkreis ... genommen hatten. Die Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen, die die Antragstellerin und ihren Sohn durch Bescheid vom 29.11.1989 dem Land Nordrhein-Westfalen zugewiesen hatte, besaß dazu als Zuweisungsbehörde keine Kompetenz (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 277). Der Antragsgegner durfte nach § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG auf der Grundlage des § 11 Nds. SOG die Antragstellerin und ihren Sohn zur Rückkehr nach Nordrhein-Westfalen auffordern und ihnen gleichzeitig für den Fall der Nichtbefolgung gemäß §§ 47, 48 Nds. SOG die Anwendung unmittelbaren Zwanges androhen.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist ihre und ihres Sohnes Rückkehrverpflichtung nach Nordrhein-Westfalen nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß ihr Asylverfahren am 11.06.1991 bestandskräftig abgeschlossen worden ist. Dies folgt aus einer am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierten Auslegung des § 22 Abs. 1 AsylVfG 1982/91 (inhaltsgleich § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG 1992/93). Nach § 22 Abs. 1 AsylVfG 1982/91 hat ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, keinen Anspruch darauf, sich für die Dauer des Asylverfahrens in einem bestimmten Land aufzuhalten (ebenso § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG 1992/93). Demgemäß ergeht die Zuweisungsentscheidung gegenüber einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, für die Dauer des Asylverfahrens. Daß die Antragstellerin und ihr minderjähriger Sohn hier im Jahre 1989 Asylanträge gestellt haben, ist nicht zweifelhaft. Die Ablehnung dieser Anträge durch den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23.04.1991, der am 11.06.1991 bestandskräftig geworden ist, ändert daran nichts. Der Zweck des § 22 Abs. 1 AsylVfG 1982/91 (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG 1992/93) besteht darin, einen angemessenen Ausgleich der durch die große Anzahl von Asylbewerbern entstehenden Lasten unter den Bundesländern zu ermöglichen. Dieser Zweck entfällt nicht dadurch, daß der Asylantrag eines Ausländers endgültig abgelehnt wird. Zudem ist in diesem Fall der Ausländer grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet. Wie sich aus § 26 AsylVfG 1982/91 bzw. § 65 AsylVfG 1992/93 ergibt, will der Bundesgesetzgeber jedoch verhindern, daß ein solcher Ausländer - gerade auch nach bestandskräfiger Ablehnung seines Asylantrages - durch eigenes Handeln die Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung erschwert. Dem würde es aber zuwiderlaufen, wenn der Gesetzgeber in § 22 Abs. 1 AsylVfG 1982/91 bzw. § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG 1992/93 einem Ausländer, dessen Asylantrag endgültig abgelehnt ist, das Recht hätte einräumen wollen, nunmehr seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik nach eigenem Gutdünken zu bestimmen. Unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Lastenverteilung unter den Bundesländern zählt daher zur Dauer des Asylverfahrens i.S.d. § 22 Abs. 1 AsylVfG 1982/91 bzw. zur Durchführung des Asylverfahrens i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1/2 AsylVfG 1992/93 das gesamte Verfahren einschließlich seiner aufenthaltsrechtlichen Abwicklung (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.03.1992, a.a.O., S. 278; Urteil vom 25.10.1988 - 9 C 2.88 -, NVwZ 1989, 473/474 f.). Die Zuweisungsentscheidung nach § 22 Abs. 5 AsylVfG 1982/91 bleibt daher auch bei einer bestandskräftigen Ablehnung des Asylantrages - wie hier - solange wirksam, bis der Ausländer ausgereist ist oder ihm der Aufenthalt ungeachtet der bestandskräftigen Asylablehnung aus asylverfahrensunabhängigen Gründen ermöglicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.03.1992, a.a.O., S. 278). Soweit in dem vorangegangenen Eilverfahren 4 B 4254/93 in der gerichtlichen Verfügung vom 16.091.993 (Ziff. 2) eine insoweit entgegenstehende Rechtsauffassung geäußert worden ist, folgt die Kammer dem nicht. Darauf, daß die dem Ausländer erteilte Aufenthaltsgestattung mit der unanfechtbaren Ablehnung des Asylantrages erloschen ist (§ 20 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG 1982/91; § 67 Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG 1992; § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG 1993), kommt es im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht an.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist ihr und ihrem minderjährigen Sohn ... ein mit dem Betreiben des Asylverfahrens in keinem Zusammenhang stehender Anschlußaufenthalt nicht gewährt worden. Nach dem Erlöschen ihrer Aufenthaltsgestattungen am 11.06.1991 haben sie vom zuständigen Kreis ... keine asylverfahrensunabhängige Duldung erhalten, weil sie bereits am 03.06.1991 widerrechtlich ihren Zuweisungsort verlassen haben und ohne Genehmigung des Kreises ... nach ... verzogen sind. Auch vom Antragsgegner ist ihnen eine i.S.v. § 43 VwVfG wirksame Duldung, die i.S.d. vorstehenden Anforderungen die Beendigung der "Dauer des Asylverfahrens" bewirkt haben könnte, nicht erteilt worden. Der Antragsgegner hat sie vielmehr bereits mit Verfügung vom 07.11.1991 aufgefordert, sich nach ... den Ort ihrer immer noch wirksamen Zuweisung - zu begeben. Ob in der Mitteilung des Antragsgegners an die Antragstellerin und ihren minderjährigen Sohn vom 09.12.1991, man werde - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - bis zur Entscheidung über die von der Antragstellerin am 03.12.1991 beim Niedersächsischen Landtag eingereichte Petition von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen absehen, die Erteilung einer Duldung i.S.v. § 55 AuslG 1990 gesehen werden könnte, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls sollte eine - möglicherweise ausgesprochene - Duldung nicht den weiteren - asylverfahrensunabhängigen - längerfristigen Aufenthalt der Antragstellerin und ihres Sohnes regeln und war daher als Abschluß der "aufenthaltsrechtlichen Abwicklung" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht geeignet. Aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ergibt sich vielmehr ausdrücklich, daß das - lediglich vorläufige - "Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen" allein im Hinblick auf das anhängige Petitionsverfahren erfolgte, in dem es insbesondere um eine Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status der Antragstellerin und ihres minderjährigen Sohnes ging. Auch nach Abschluß des Petitionsverfahrens erteilte der Antragsgegner keine Duldung (diese hätte gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 AuslG 1990 der Schriftform bedurft), vielmehr erließ er die Rückkehraufforderung in dem angefochtenen Bescheid vom 08.06.1993. Da auch in der Folgezeit - insbesondere während und nach dem im Jahre 1993 anhängig gewesenen gerichtlichen Eilverfahren 4 B 4254/93 - seitens des Antragsgegners keine förmlichen schriftlichen Duldungen i.S.v. § 55 AuslG 1990 ergangen sind, kann von einer in Niedersachsen erfolgten "faktischen Konzedierung des Anschlußaufenthalts, bei dem der weitere Verbleib des Ausländers im Inland aus dem Zusammenhang mit dem seinerzeit betriebenen Asylverfahren gelöst erscheint" (BVerwG, Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28.89 -, NVwZ 1990, 673), schlechterdings nicht gesprochen werden (so auch BVerwG, Urteil vom 31.03.1992 - 9 C 155.90 -, NVwZ 1993, 276/278; OVG Münster, Beschluß vom 18.04.1989 - 19 B 585/89 -, NWVBL 1989, 446/448).
Ist aber hiernach die "Dauer des Asylverfahrens" der Antragstellerin und ihres minderjährigen Sohnes ... trotz der seit dem 11.06.1991 bestandskräftigen Ablehnung ihrer Asylanträge noch nicht beendet - die aufenthaltsrechtliche Abwicklung dieser Verfahren steht nämlich noch aus -, so sind die durch die bestandskräftige Zuweisungsentscheidung der Landesstelle in Nordrhein-Westfalen vom 29.11.1989 gemäß § 22 AsylVfG 1982/91 auferlegten Beschränkungen nicht gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG unwirksam geworden. Demzufolge besteht die hier umstrittene Rückkehrverpflichtung nach Nordrhein-Westfalen, die der Antragsgegner mit den angefochtenen Entscheidungen vom 08.06.1993 und 14.03.1994 durchsetzen will, fort. Daß die Antragstellerin und ihr minderjähriger Sohn als ehemalige Asylbewerber (ohne gesicherten Aufenthaltsstatus) insoweit in ihrer Freizügigkeit beschränkt sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluß vom 07.07.1983 - 2 BvR 999/83 -, NVwZ 1983, 603/604). Anzumerken ist, daß die inhaltliche Entscheidung über den geltend gemachten Umverteilungswunsch nach Niedersachsen (... Landkreis ... allein dem nordrhein-westfälischen Kreis ... obliegt.
Der Antrag ist hiernach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Einen Wert von 3.000,00 DM erachtet die Kammer im Hinblick auf die Bedeutung der Sache für die Antragstellerin und ihren Sohn als angemessen, aber auch ausreichend.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,00 DM festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Wenderoth,
Dr. Rudolph