Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.07.2010, Az.: 10 V 101/10
Höhe der Gebühren für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO); Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.07.2010
- Aktenzeichen
- 10 V 101/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 23201
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:0716.10V101.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.03.2011 - AZ: I B 136/10
Rechtsgrundlagen
- § 89 Abs. 3 AO
- § 89 Abs. 4 AO
- § 89 Abs. 5 AO
Amtlicher Leitsatz
Gebühren für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft (Aussetzung der Vollziehung)
Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gemäß § 89 Abs. 3 bis 5 AO
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) um die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gemäß § 89 Abs. 3 bis 5 der Abgabenordnung (AO).
Der Antragsteller ist wirtschaftlicher Inhaber einer Firmengruppe, die aus einer Realteilung hervorgegangen war und aufgrund dieses Umstands über eine teilweise zerklüftete Beteiligungsstruktur verfügte. Um insbesondere den Anforderungen finanzierender Banken nach einer einfachen und durchschaubaren Beteiligungsstruktur zu entsprechen und diese auch an das aktuelle Finanzierungskonzept anzupassen, war eine Neustrukturierung geplant, in deren Zuge am 27. April 2009 der Antragsteller sowie Gesellschaften der Gruppe einen Antrag auf verbindliche Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO beim Antragsgegner, dem Finanzamt (FA), stellten. Gegenstand des Antrages auf verbindliche Auskunft, soweit dies den Antragsteller als Kommanditist der X Holding GmbH & Co KG betraf, waren:
Fragekomplex 1 ob die Verschmelzung der X Holding GmbH & Co KG auf die Y Beteiligung GmbH steuerneutral abgewickelt werden kann, ob der Antragsteller aus der Verschmelzung einen ertragsteuerlichen Übergangsgewinn erzielt, ob die bestehende ertragsteuerliche Organschaft zwischen der X Holding GmbH & Co KG und der Y Beteiligung GmbH steuerunschädlich beendet wird, ob die o.g. Verschmelzung gewerbesteuerneutral abgewickelt werden kann und lediglich die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge entfallen, ob der steuerliche Übertragungsstichtag auf den 31. Dezember 2008 zurück bezogen werden kann, und ob die o.g. Verschmelzung Grunderwerbsteuer auslöst, Fragekomplex 2 ob die Veräußerung der Beteiligung an Z GmbH Germany bei der Y Beteiligung GmbH unter § 8b KStG fällt, ob ein bei dem Antragsteller durch die oben bezeichnete Veräußerung anfallender Einbringungsgewinn bis zur Höhe von 500.000 Euro durch Bildung einer steuerfreien Rücklage nach § 6 b Abs. 10 EStG "neutralisiert" werden kann und ob diese Rücklage im Zuge der Anschaffung der Anteile an Z GmbH Germany durch eine neu zu gründende Gesellschaft steuerunschädlich wieder aufgelöst werden kann.
Unter dem 20. Januar 2010 erteilte das FA dem Kläger die erbetene verbindliche Auskunft, wobei es der Sache nach die Steuerunschädlichkeit der Neustrukturierung feststellte. Hierfür setzte es unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts für den Fragekomplex 1 von 30.000.000 Euro eine Gebühr von 91.456 Euro und für den Fragekomplex 2 eine Zeitgebühr von 500 Euro fest.
Gegen die Erhebung der Gebühr erhob der Antragsteller am 19. Februar 2010 Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Gebührenbescheids. Hierzu führte er aus, die Einführung der Gebührenpflicht für die Erteilung von verbindlichen Auskünften sei durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt und widerspreche deshalb der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Pflicht zur kostenfreien Betreuung eines Steuerpflichtigen. Zudem sei ein faires Verwaltungsverfahren durch die Einführung der Gebührenpflicht nicht mehr gewährleistet. Insbesondere vor dem Hintergrund immer komplexerer und schwieriger zu interpretierender Steuergesetze sei die Einführung einer Gebühr für die Bearbeitung verbindlicher Auskünfte unter verfassungsrechtlichen Gesichtpunkten unzulässig. Der Staat als derjenige, der die Unübersichtlichkeit im Steuerrecht verursacht habe, könne sich für die gebotene Klarstellung nicht separat bezahlen lassen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2010 lehnte das FA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gebührenbescheids ab. Über den Einspruch des Antragstellers gegen den Gebührenbescheid hat das FA noch nicht entschieden.
Mit seinem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gebührenbescheids bei Gericht macht der Antragsteller geltend, die Einführung der Gebührenpflicht für die Erteilung von verbindlichen Auskünften widerspreche der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Pflicht zur kostenfreien Betreuung eines Steuerpflichtigen.§ 89 Abs. 3 bis 5 AO verstießen weiterhin gegen den Funktionsvorbehalt der Steuer. Die Vorschrift verletzte insoweit das sogenannte Kostendeckungsprinzip. Die im vorliegenden Fall festgesetzten Gebühren dürften angesichts der Bearbeitungsdauer des Antrags auf verbindliche Auskunft von in etwa 3 Monaten die damit verbunden Kosten bei weitem übersteigen. Im Übrigen bedürfe es für eine Beurteilung des Funktionsvorbehalts der Steuer eines umfassenden Zahlenmaterials. Im Einzelnen seien Angaben über die geschätzte Anzahl der von der jeweiligen Körperschaft pro Rechnungsperiode erteilten verbindlichen Auskünfte sowie eine Prognose der hierdurch verursachten Kosten erforderlich. Es werde angeregt, das FA zur Vorlage einer entsprechenden Gebührenkalkulation aufzufordern. Eine über seine tatsächliche Kostenverantwortlichkeit hinausgehende Heranziehung eines Steuerpflichtigen als Gebührenschuldner verstieße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen werde ein Gebührenschuldner in einem solchen Fall ohne sachliche Rechtfertigung finanziell höher belastet.
Auch die Höhe der Zeitgebühr sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Der gesetzliche Zeitmaßstab belaufe sich auf 50 Euro je angefangene halbe Stunde und mindestens auf 100 Euro. Die gesetzlich zulässige maximale Zeitgebühr von Steuerberatern nach § 13 S. 2 der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) betrage hingegen lediglich 46 Euro je angefangene halbe Stunde.
Der Antragsteller verfüge auch über ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Selbst bei Obsiegen in der Hauptsache - also bei Verfassungswidrigkeit von § 89 Abs. 3 bis 5 AO - würden die von dem Antragteller vorfinanzierten Gebühren als steuerliche Nebenleistung i.S.v.§ 3 Abs. 4 AO gem. § 237 AO nicht verzinst. Bei Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung drohe dem Antragsteller deshalb ein bleibender nicht unbeträchtlicher Zinsschaden. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers werde nicht von einem vorrangigen, öffentlichen Interesse an einer geordneten Haushaltsführung überlagert. Insbesondere könne die öffentliche Haushaltsführung durch eine Suspension des Gebührenbescheides nicht ernsthaft gefährdet sein. Schließlich existiere die Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte erst seit Dezember 2006, vor deren Einführung sei eine geordnete Haushaltsführung möglich gewesen und es sei nicht erkennbar, warum sich dies seit 2006 geändert haben sollte. Außerdem machten die erhobenen Gebühren für verbindliche Auskünfte gemessen an den Gesamteinnahmen des Staates nur einen geringen Teil des Haushalts aus.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Gebührenbescheids vom 20. Januar 2010 gegenüber dem Antragsteller i.H.v. 91.456 Euro sowie i.H.v. 500 Euro ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheids. Die Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte sei verfassungsgemäß, weil sie durch einen individuell zurechenbaren Vorteil beim Antragsteller für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft und einen individuell zurechenbaren Verwaltungsaufwand gerechtfertigt sei, der über die bei der Bearbeitung von Steuerfällen im Massenverfahren üblicherweise anfallenden Verwaltungsaufwendungen hinausgehe. Selbst im Fall der Festsetzung der Höchstgebühr übersteige die Gegenstandswertgebühr nicht die Gutachtensgebühr des Steuerberaters für die Beurteilung eines Falles mit einer unterdurchschnittlichen, wenngleich gehobenen Schwierigkeit nach der StBGebV.
Im Übrigen seien die Vorschriften des § 89 Abs. 3 bis 5 AO auch im Fall der Festsetzung einer Gebühr nach dem höchsten Gegenstandswert nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des Funktionsvorbehalts der Steuer formell verfassungswidrig. Ein Verstoß gegen das sog. generelle Kostendeckungsprinzip könne nur dann vorliegen, wenn das Ergebnis der Multiplikation des zu erwartenden durchschnittlichen Einzelgebührensatzes mit der zu erwartenden Anzahl von verbindlichen Auskünften die für diese auf Seiten der jeweiligen Gebietskörperschaft insgesamt pro Rechnungsperiode zu veranschlagenden Kosten übersteige. Dies sei jedoch nicht der Fall, denn bei der Prognose der zu erwartenden Anzahl der verbindlichen Auskünfte seien nach den Erfahrungen der Vergangenheit etwa 10.000 erteilte verbindliche Auskünfte bundesweit zugrunde zu legen und außerdem betreffe die Festsetzung von Gebühren nach dem höchstmöglichen Gegenstandswert nicht die überwiegende Anzahl der erteilten verbindlichen Auskünfte.
Unabhängig von der Frage von ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Gebührenpflicht sei eine Aussetzung der Vollziehung auch unter dem Aspekt eines fehlenden berechtigten Interesses des Antragstellers im Fall der Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm abzulehnen. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Erhebung der vorgenannten Gebühren im Vergleich zu dem individuellen Interesse des Antragstellers an der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung. Ohne Erhebung dieser Gebühren würde die weiterhin bestehende Verpflichtung der Finanzverwaltung zur Erteilung von verbindlichen Auskünften angesichts der hierdurch verursachten zusätzlichen Verwaltungskosten das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung gefährden. Hinzu komme, dass damit zu rechnen sei, dass das Bundesverfassungsgericht, falls es eine Unvereinbarkeit der Vorschriften des § 89 Abs. 3 bis 5 AO mit dem GG erkennen sollte, unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung eine Fortgeltung der Rechtsnormen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber anordnen werde.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1.)
Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
a)
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts können sich dabei auch aus einer behaupteten Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Norm ergeben. Denn der Bürger hat einen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, nur auf Grund solcher Rechtsvorschriften zu Abgaben herangezogen zu werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom 3. Dezember 1958 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1959, 91, und vom 10. März 1998 1 BvR 178/97, BVerfGE 97, 332, NJW 1998, 2128).
b)
Die Bewilligung und die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung sind grundsätzlich gerichtliche Ermessensentscheidungen (vgl.§ 69 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz FGO "kann"). Der Ermessensspielraum ist zwar dadurch stark reduziert, dass nach § 69 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO in Verbindung mit § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung erfolgen "soll", wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte darstellt. Liegen die Voraussetzungen des§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO vor, hat das Gericht grundsätzlich die Vollziehung auszusetzen. Lediglich in Ausnahmefällen ist das Gericht befugt, aufgrund des eingeräumten Entscheidungsspielraums eine von den Tatbestandsmerkmalen des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO losgelöste Ermessensentscheidung zu treffen. Ein solcher atypischer Fall ist jedoch gegeben, wenn die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung zu schwerwiegenden Nachteilen für den Staat führen würde, so dass das Interesse des Antragstellers auf vorläufige Verschonung von der strittigen Steuerforderung gegenüber vorrangigen öffentlichen Belangen zurücktreten muss (Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage, § 69 Rz. 110 bis 112; Beermann/ Gosch, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz. 179; Birkenfeld in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Rz. 898; Dumke in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 69 Rz. 91 und 93).
Eine solche besondere Fallkonstellation hat die Rechtsprechung eben dann angenommen, wenn sich die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts aus der behaupteten Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Norm ergeben. Die Besonderheit dieser Fallkonstellation liegt in dem Umstand, dass allein dem Bundesverfassungsgericht die Verwerfungskompetenz für ein nachkonstitutionelles Gesetz zukommt (vgl. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem solchen Gesetz bis zu einer anders lautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Geltungsanspruch innewohnt. Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung die Aussetzung der Vollziehung auch bei vorliegenden ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Norm für problematisch erachtet, weil eine Aussetzungsentscheidung - insbesondere wenn sie vom BFH getroffen wird - in der praktischen Auswirkung zu einem zeitweiligen Außerkraftsetzen der verfassungsrechtlich umstrittenen Norm führt. Dadurch können die mit der Norm verfolgten Ziele schon vorab vereitelt werden, ohne dass eine verwerfende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454; BFH-Beschluss vom 6. November 1987 III B 101/86, BStBl II 1988, 134; BFH-Beschluss vom 21. Mai 1992 X B 106/91, BFH/NV 1992, 721; BFH-Beschluss vom 9. November 1992 X B 137/92, BFH/NV 1994, 324; BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033).
Dieser Befund bedeutet allerdings nicht, dass keine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts zu erreichen wäre, wenn der Steuerpflichtige vorträgt, dass die zugrunde liegende Vorschrift verfassungswidrig sei. Die Fachgerichte sind durch Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des BVerfG auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten ist und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird (BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BStBl II 2004, 367; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz. 96). Die Rechtsprechung hat es aber für erforderlich gehalten, in diesen Fällen nach der Bejahung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung eine Abwägung der widerstreitenden Interessen des Antragstellers und der öffentlichen Hand vorzunehmen. Eine Aussetzung der Vollziehung wird danach nur gewährt, wenn das (besondere) berechtigte Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Umsetzung eines formell gültigen Gesetzes überwiegt (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 1987 III B 101/86, BStBl II 1988, 134; BFH-Beschluss vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BStBl II 1991, 104; BFH-Beschluss vom 25. Juli 1991 III B 555/90, BStBl II 1991, 876; BFH-Beschluss vom 29. Oktober 1991 III B 83/91, BFH/NV 1992, 246; BFH-Beschluss vom 21. Mai 1992 X B 106/91, BFH/NV 1992, 721; BFH-Beschluss vom 9. November 1992 X B 137/92, BFH/NV 1994, 324; BFH-Beschluss vom 17. März 1994 VI B 154/93, BStBl II 1994, 567; BFH-Beschluss vom 19. August 1994 X B 318/93 und X B 319/93, BFH/NV 1995, 143; BFH-Beschluss vom 30. Januar 2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031; BFH-Beschluss vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; BFH-Beschluss vom 27. August 2002 IX B 94/02, BStBl II 2003, 18; BFH-Beschluss vom 1. April 2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033).
2.)
Im vorliegenden Fall entspricht die Gebührenfestsetzung, worüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, den einfachgesetzlichen Vorgaben. Der Gebührenbescheid kann daher nur rechtswidrig sein, wenn das ihm zugrunde liegende Gesetz selbst verfassungswidrig ist. Es kann offen bleiben, ob in diesem Fall ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Umsetzung des formell gültigen Gesetzes überwiegen würde. Denn die Gebührenerhebung nach § 89 Abs. 3 bis 5 AO ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
a)
Die in § 89 Abs. 3 bis 5 AO normierte Abgabe ist ihrer Bezeichnung und ihrem materiellen Gehalt nach eine (Verwaltungs-) Gebühr, für deren Normierung dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Nach Art. 108 Abs. 5 Satz 2 GG steht dem Bund nicht nur das Recht zu, das Verfahren der Erhebung der Steuern zu normieren, sondern auch die Kompetenz, damit zusammenhängende Auskunftspflichten und die dafür zu erhebenden Gebühren zu regeln. Die Auskunftsgebühr ist eine nichtsteuerliche Abgabe. Sie ist eine öffentlich-rechtliche Geldleistung, die aus Anlass einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung dem Antragsteller als Gebührenschuldner gesetzlich auferlegt wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 6. Februar 1979 2 BvL 5/76, BVerfGE 50, 217, NJW 1979, 1345, und in BVerfGE 97, 332, [BVerfG 10.03.1998 - 1 BvR 178/97] NJW 1998, 2128). Sie ist jedenfalls auch dazu bestimmt, in Anknüpfung an diese Leistung die bei ihrer Erbringung anfallenden Kosten zu decken. Die Gebühr wird nicht - wie eine Steuer i. S. von Art. 105, Art. 106 GG - "voraussetzungslos", sondern als Gegenleistung für eine öffentlich-rechtliche Leistung festgesetzt, da sie für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft erhoben wird (§ 89 Abs. 3 AO) und dem Steuerpflichtigen auf Grund ihrer Abhängigkeit von dessen vorheriger Antragstellung individuell zurechenbar ist. Die Gebührenhöhe wird primär nach dem Wert, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat, und subsidiär nach dem in der für die Antragsbearbeitung aufgewendeten Zeit zum Ausdruck kommenden Verwaltungsaufwand bemessen (§ 89 Abs. 4 AO).
Auf die vom Antragsteller angeregte Einholung einer Gebührenkalkulation, welche die geschätzte Anzahl der von der jeweiligen Körperschaft pro Rechnungsperiode erteilten verbindlichen Auskünfte einer Prognose der hierdurch verursachten Kosten gegenüberstellt, kommt es dabei nicht an. Denn selbst wenn der abstrakte Gebührensatz insbesondere wegen der Höchstgebühr so hoch bemessen sein sollte, dass das pro Rechungsperiode zu veranschlagende Gesamtaufkommen aus der Gebühr diejenigen Kosten überstiege, welche dem Land Niedersachsen durch die Erbringung von verbindlichen Auskünften nach § 89 AO in diesem Zeitraum insgesamt entstehen, hätte dies nicht die formelle Verfassungswidrigkeit der § 89 Abs. 3 bis 5 AO wegen Verstoßes gegen den sog. Funktionsvorbehalt der Steuer zur Folge. Die Gegenmeinung, auf die sich der Antragsteller beruft (Wienbracke, NVwZ 2008, 749, 750) verkennt, dass die Auskunftsgebühr auch in diesem Fall nicht zu einer steuerlichen Abgabe würde, weil sie anders als eine Steuer an den Wert, den die verbindliche Auskunft als eine öffentliche Leistung für den Bürger hat, anknüpft. Neben der Kostendeckung ist der Ausgleich von Vorteilen ein weiterer eigenständiger verfassungsrechtlich anerkannter Gebührenzweck (vgl. m.w.N. BVerfG-Urteil vom 19 März 2003 BvL 9/98 u.a., BVerfGE 108, 1 [BVerfG 19.03.2003 - 2 BvL 9/98]).
b)
Die Erhebung von Gebühren für verbindliche Auskünfte ist durch die mit der Auskunft verursachten Kosten und den mit ihr verbundenen, individuell zurechenbaren Vorteil sachlich legitimiert. Der erkennende Senat schließt sich insoweit der Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 17. März 2010 1 K 661/08, BB 2010, 1310 unter 2 b der Entscheidungsgründe an, auf deren Begründung zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
c)
Allerdings konnte das FG Baden-Württemberg in dem zitierten Urteil offen lassen, ob die Gebührenregelungen in § 89 Abs. 3 bis 5 AO der Höhe nach auch in Fällen noch verfassungsgemäß ist, in denen wie vorliegend für den Fragekomplex 1 im höchsten Wertbereich von 30.000.000 Euro (§ 39 Abs. 2 GKG) eine Auskunftsgebühr von 91.456 Euro erhoben wurde. Gleichfalls offen gelassen hat das FG Baden-Württemberg die Frage, ob der wie vorliegend im Fragekomplex 2 hilfsweise anzuwendende Zeitmaßstab verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist, der sich auf 50 Euro je angefangen Stunde und mindestens 100 Euro beläuft (§ 89 Abs. 4 Satz 4 AO).
Vom erkennenden Senat werden beide Fragen jedoch bejaht.
aa)
Neben der Erhebung der Gebühr dem Grunde nach ist die Festsetzung einer solchen Gebühr auch in ihrer Höhe rechtfertigungsbedürftig. Auch die Bemessung der Gebühr bedarf im Verhältnis zur Steuer einer besonderen, unterscheidungskräftigen Legitimation (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 108, 1, [BVerfG 19.03.2003 - 2 BvL 9/98] NVwZ 2003, 715). Um die dem Grunde nach durch die Kosten und den individuellen Vorteil der Auskunft gerechtfertigte Gebühr zu bemessen, durfte sich der Gesetzgeber an dem pauschalierten steuerlichen Wert der Auskunft orientieren. Die Gebührenbemessung wäre verfassungsrechtlich erst dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn sie in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stünde (BVerfG-Urteil in BVerfGE 108, 1, [BVerfG 19.03.2003 - 2 BvL 9/98] NVwZ 2003, 715). Das ist indessen nicht der Fall.
Gebühren werden in der Regel in Massenverfahren erhoben, bei denen jede einzelne Gebühr nicht nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur vergröbert bestimmt und pauschaliert werden kann (vgl. P. Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland - HStR -, Bd. IV, 2. Aufl. 1999, § 88 Rz. 206). Maßgebliche Bestimmungsgrößen der Gebührenbemessung, wie die speziellen Kosten der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistungen oder der Vorteil der Leistungen für den Gebührenschuldner, werden sich häufig nicht exakt und im Voraus ermitteln und quantifizieren lassen. Bei der Anordnung der Gebührenerhebung und Gebührenbemessung ist der Gesetzgeber daher berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen. Er darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können.
Der Gesetzgeber hat mit seiner Anlehnung an das Gerichtskostengesetz (GKG) einen vertretbaren Gebührenmaßstab gewählt und umgesetzt (FG Baden-Württemberg-Urteil vom 17. März 2010 1 K 661/08 a.a.O). Indem § 89 Abs. 5 AO auf § 34 GKG verweist, hat der Gesetzgeber die Tätigkeit der staatlichen Gerichte zum Vergleichsmaßstab für die Verwaltungstätigkeit gemacht. Beide Verfahren sind zwar nur eingeschränkt vergleichbar, weil die Finanzbehörde angesichts des vom Antragsteller vorgegebenen Sachverhalts kein Streitverfahren gerichtsförmig zu ermitteln und zu leiten hat und der die Auskunftsgebühr rechtfertigende Verwaltungsaufwand daher bei typisierender Betrachtung hinter einem kostenpflichtigen Gerichtsverfahren zurückbleibt. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber aber dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er die Kosten auf eine einzelne Gebühr beschränkt hat, während im streitig geführten Finanzgerichtsverfahren vier solcher Gebühren anfallen.
bb)
Auch im Fall der vorliegend erhobenen Höchstgebühr von 91.456 Euro steht die Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken. Auch hiermit hat sich der Gesetzgeber nämlich an dem pauschalierten steuerlichen Wert der Auskunft für den Antragsteller orientiert. Er hat seinen Gestaltungsspielraum beim Erlass generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen nicht überschritten (gleiche Ansicht Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 89 Rz 330; a.A. Fatouros DStZ 2007, 382, 392; Seer in Tipke/Kruse, AO, § 89 Rz 67). Beim Erlass solcher Regelungen liegt es in der Natur der Sache, dass es im höheren Wertebereich zu Härten kommt, die aber durch die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt sind. Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch betreffend der Höchstgebühr mit seiner Anlehnung an das GKG einen vertretbaren Gebührenmaßstab gewählt und umgesetzt. Auch für die Höchstgebühr gilt, dass er dabei Unterschieden zwischen gerichtlichen Verfahren und dem Auskunftsverfahren dadurch Rechnung getragen hat, dass er die Kosten für eine verbindliche Auskunft auf eine einzelne Gebühr beschränkt hat, während im Finanzgerichtsverfahren vier Gebühren anfallen.
Demgegenüber vermag auch die Argumentation des Antragstellers, die festgesetzten Gebühren dürften angesichts der Bearbeitungsdauer des Antrags auf verbindliche Auskunft von im vorliegenden Fall in etwa 3 Monaten die damit verbundenen Kosten bei weitem übersteigen, keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höchstgebühr für eine verbindliche Auskunft zu begründen. Zwar mag es sein, dass die Regelung des § 89 Abs. 3 bis 5 AO allein unter dem Gesichtspunkt der Kostendeckung als legitimen Gebührenzweck jedenfalls in Fällen der Höchstgebühr nicht gerechtfertigt ist. Die Argumentation des Antragstellers verkennt jedoch, dass neben der Kostendeckung weiterer legitimer Gebührenzweck auch der Ausgleich von Vorteilen sein kann (vgl. m.w.N. BVerfG-Urteil vom 19. März 2003 BvL 9/98 u.a., BVerfGE 108, 1 [BVerfG 19.03.2003 - 2 BvL 9/98]). Der Gesetzgeber hat sich mit seiner Anlehnung an das GKG für die Festsetzung der Gebühr aber erkennbar auch an dem individuellen Vorteil der Auskunft orientiert. Der Vorteil des Antragstellers durch Auskunft wird dabei durch den Gegenstandswert zum Ausdruck gebracht, der im vorliegenden Fall unstreitig 30.000.000 Euro betrug und an den die erhobene Gebühr i.H.v. 91.454 Euro anknüpft. Unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Vorteilen als Gebührenzweck ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
cc)
Auch die hilfsweise anzuwendende Zeitgebühr nach § 89 Abs. 4 Satz 4 AO, wie sie vorliegend für den Fragekomplex 2 zur Anwendung kam, ist verfassungsgemäß. Sie ist nur geringfügig höher als die gesetzlich vorgesehen Zeitgebühr bei Steuerberatern (§ 13 Satz 2 StBGebV). Die verbindliche Auskunft durch die Finanzbehörden ist dabei aber deutlich vorteilhafter als eine Beratung durch Angehörige der steuerberatenden Berufe. Eine Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO ist kraft Gesetzes (§ 2 Abs. 1 der Steuerauskunftsverordnung) für die Besteuerung des Antragstellers bindend. Weicht das für das Steuerfestsetzungsverfahren oder Steuerfeststellungsverfahren zuständige Finanzamt von der in der Auskunft mit Bindungswirkung entschiedenen rechtlichen Beurteilung des zugrunde gelegten und später verwirklichten Sachverhalts ab, ist der Steuerbescheid bzw. Feststellungsbescheid rechtswidrig. Die Zeitgebühr steht daher keineswegs in einem groben Missverhältnis zum Gebührenzweck, welcher den Ausgleich von Vorteilen gerade mitumfasst (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 89 Rz 331; a.A. Hans DStZ 2007, 42, 425).
d)
Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat sie der Antragsteller substantiiert vorgetragen.
3.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4.)
Die Beschwerde wird nach §§ 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 , 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.